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Nochmals: Taschen zu! Wir lesen imRuss. Kurier": Der russische   Finanzminister Kokoffzew, der am Freitag, den !>. d. Mts., eine längere Konferenz mit dem Zaren hatte und daraufhin mehrere Depeschen mit dem Grafen Witte wechselte, konnte soeben seinen Ministerkollegen die erfreuliche Mitteilung machen, daß nach der jetzigen Lage der Dinge die Realisierung emer Auslandsanleihe schon in absehbarer Zeit möglich ist. Näheres kann jedoch erst nach der Ankunft des Grafen Witte festgestellt werden, die bereits für die nächste Woche in Aussicht gestellt ist. Baltische Gewalttaten. _«Die lettischen Schriftsteller Blaumann und Auris wurden borige Nacht arretiert und in die Detektivpolizei abgeführt, wo sie ihre Zugehörigkeit zu den regierungsfeindlichen Vereimguno-m bereits eingestanden haben." So berichtet mit sichtlicher Gcnugtung die berüchtigteDüna- Zeitung". Und das unverschämte Denunziantenvlart darf in der Tat mit seinemErfolg" zufrieden sein. Die beiden talentvollen Journalisten sind für lange Zeit mundtot gemacht und, wenn das konservative Baltentum Glück hat, vielleicht für immer beseitigt. Man mus; die Verhältnisse in den Ostseeprovinzen aus eigener Anschauung kenneu, um zu begreifen, was es bedeutet, einem Verhör in der Nigaschen Detektivpolizei unterzogen zu werden. Diese Behörde besteht wie die ganze Geheimpolizei in Ruß- land aus übel beleumundeten, meist vorbestraften Subjekten, denen nichts heilig ist und die für einige Silberlinge jederzeit zu den haarsträubendsten Schandtaten bereit sind. An der Spitze dieser Biedermänner steht derEdelbaltc" Villebois mit dem Büttel Koschko, die würdigen Nachfolger der zu Zuchthaus   ver- urteilten Anerik und Kosozki. DieseStaatsbedienten" haben dadurch Karriere gemacht, daß sie die Zahl der am hellen, lichten Tage mordenden und raubenden Individuen vergrößerten und eine ganze Reihe vonfreiwilligen Geständnissen" politischer Ge- faugenen erzielten. Unter ihremverstärkten Schutz" arbeitet das lichtscheue Gesindel unbehindert, während sie, dank dem über das ganze Land verhängten Kriegszustande, jede freiheitliche Regung der Intelligenz zur Freude derPatrizier" mit Füßen treten können. Mit welcher teuflischen Bestialität dieses Jnquisitions- tribunal seine Opfer beim Verhör behandelt, hat seinerzeit in dankenswerter Weise Professor Wladimirow anläßlich des Prozesses derSechsunddreitzig" weiteren Kreisen bekannt gemacht. Wie den Lesern desVorwärts" noch erinnerlich sein dürfte, gestanden damals sämtliche 36 Angeklagte in der Rigaschen Detektivpolizei reuig" ihre Schuld ein und wurden infolgedessen vom Kriegs- gcricht zum Tode bezw. zur Zwangsarbeit verurteilt. Erst vor dem Oberkriegsgericht in Petersburg   gelang es dem Verteidiger Sokolow auf Grund der Ermittelungen des genannten Professors, die Grundlosigkeit der Anklage zu beweisen und die vollständige Frei- sprechung jener, trotz ihrerfreiwilligen Geständnisse", zu erwirken. Trotzdem hat sich im Regime der auf Kosten der städtischen Steuer- zahler unterhaltenen Detektivpolizei nichts geändert. Die über- führten Folterer blieben in ihren Aemtern und wurdenfür eifrigen Dienst" durch hohe Orden ausgezeichnet, während die Peinigung der Delinquenten nach altem Rezept fortgesetzt wird und Zahnziehen, Verrenkung der Gliedmaßen vermittels elektrischen Stromes zur Erpressung von offenen Geständnissen an der Tages- ordnung blieben. Dieses selbe traurige Schicksal hat nun die zwei genannten Journalisten getroffen. Anstatt in die Reihen der gutbezahlten Volkserwürger zu gehen, kämpften sie ehrlich für eine ehrliche Sache: für die Aufklärung des lettischen Proletariats. Sie er- mahnten in ihren Schriften das Volk zur Einigung und zum friedlichen Kampf gegen seinen Erbfeind und seine Aus- beuter, den baltischen Adel und die baltische Bourgeoisie; sie be- lehrten es, daß eine nach Freiheit ringende Nation die Trunksucht, dieses große Laster, welches die Masse moralisch, physisch und materiell ruiniert, verabscheuen muß, und sie empfahlen ihm an- gelegentlichst.Väterchens" Monopolbuden und die Kneipen der freiherrlichen Kulturträger zu meiden. Dieserevolutionäre Irrlehre" brachte sie nun, dank dem Schmarotzerblatt am Düna  - strande, inunsere schneidige" Detektivpolizei, wo dieVerbrecher" ihre Vergehen bereitseingestanden" haben sollen!! Um aber den baltischen Hunnen seitens des Rigaschen Kriegsgerichts auf alle Fälle ein jene schuldigsprechendes Urteil zu sichern, verfügte der Generalgouverneur Sollogub, daß der bewährte Verteidiger der angeklagten Schriftsteller, der vereidigte Rechtsanwalt Sokolow, aus den Ostseeprovinzen ausgewiesen werde! Durch diese Maß- regel hoffen die baltischen Scharfmacher die fortschrittliche lettische Presse zu terrorisieren und kaltzustellen. Ein flüchtiger Blick in diese überzeugt uns jedoch, daß sie trotz desverstärkten Schutzes" und des Kriegszustandes unentwegt ihre Schuldigkeit tut und von ihrem Programm keinen Schritt abweicht. Frei! WieTowaritsch" undOko" vom 13. d. Mts. melden, ist es den Genossen Parvus. Deutsch und Rumjazeff trotz der scharfen Ueberwachung auf dem Wege in die sibirische Ver- bannung gelungen, ins Ausland zu entfliehen! Stoffel! Petersburg, 14. Oktober.  (W. T. B.) Generaladjutant Stössel ist durch einen kaiserlichen Tagesbefehl vom 13. Oktober krankheits- halber verabschiedet worden. Also erst mit demxour le mörite" beschenkt, dann zum Tode verurteilt und jetztkrankheitshalber verabschiedet"! poUtifche Gcbcrficbt Berlin  , den 15, Oktober. Major Fischer. Major Fischer, der beinahe 3 Monate in Untersuchungs- Haft gesessen hatte, ist am Sonnabend auf freien Fuß gesetzt worden. Seine Haftentlassung ist deshalb erfolgt, weil die Ermittelungen keinen strafrechtlichen Tatbestand ergeben haben sollen und deshalb das Verfahren eingestellt worden ist. Es soll nunmehr ehrengerichtlich festgestellt werden. ob Major Fischer sich durch die Annahme von Darlehen von Beteiligten der Firma Tippelskirch eines Verstoßes gegen die Standespflichten schuldig gemacht habe. Man nimmt an, daß das Urteil des Ehrengerichts wahrscheinlich auf schlichten Abschied erkennen werde. Dieser Ausgang des Falles Fischer kommt überraschend und auch nicht überraschend, je nachdem man die Dinge be- trachtet. Ueberraschend komint die Einstellung des Verfahrens insofern, als doch anzunehmen war, daß die schwer- wiegendsten Verdachtsgründe gegen Fischer vor- lagen, bevor man überhaupt zur Verhaftung schritt. Auch ist es einigermaßen befremdend, daß es ganzer 3 Monate bedurfte, um die Darlehensangelegenheiten soweit aufzuhellen, wie es nötig war, um entweder ein gerichtliches Verfahren gegen Fischer zu eröffnen oder aber ihn wenigstens aus der Haft zu entlassen. Insofern freilich war der jetzige Ausgang der Affäre der wahrscheinlichste, als er auch für den Mini st er von Podbielski der angenehmste war. Bei einem gerichtlichen Verfahren wären möglicher- weise doch Dinge zur Sprache gekommen, die auch Pod nicht angenehm hätten sein können und ihm nicht den geräuschlosen Rücktritt ermöglicht hätten, zu dem er sich wohl in der Nächsten Zeit bequemen wird. Da über die Höhe der Darlehen, die Major Fischer be- zogen hat, keinerlei Mitteilungen vorliegen, läßt sich auch schwer beurteilen, inwieweit diese Darlehen vom Major Fischer selbst als B e st e ch u n g s v e r s u ch e aufgefaßt werden konnten und mußten. Es liegt einstweilen nur die Tatsache vor, daß bei den Lieferungsverträgen mit der Firma Tippelskirch das Reich in der ungeheuer- lichsten Weise übers Ohr gehauen und um viele Hunderttausende geschädigt worden ist, während u in gekehrt die Darlehensgeber des Majors Hunderttausende an Heber- gewinn einstecken konnten. Hoffentlich sorgt man im Reichstag dafür, daß die Affäre Fischer und Tippelskirch nicht so sang- und klanglos begraben wird, wie man das in gewissen Kreisen am liebsten sähe. Die Einstellung des Ver- fahrens und die event. schlichte Verabschiedung des Majors Fischer können der Oeffentlichkeit durchaus nicht als be- fricdigender Abschluß dieses Kolonialskandals gelten. Die Oeffentlichkeit hat ein Recht, zu erfahren, was sich zwischen dem Vertreter des Kolonialamts und den Vertretern des Hauses Tippels- kirch abgespielt hat! Von der Kanonen-Dynastie. Auf einer dichtbewaldeten Anhöhe des romantischen RuhrtaleS bei Werden, abgeschlossen vom Alltagsgetriebe und von den lohn- frondenden Proletariern, liegt die Villa Hügel  , der herrliche Residenz- sitz der Dynastie Krupp  . Hier hatte sich am Montag ein erlesener Kreis von Angehörigen der großen Industrie und Finanz zusammen- gefunden. Fand doch Vermählungsfeier der jungen Herrscherin Berta Krupp   mit dem Legationsrat v. Bohlen statt. Auch Wilhelm II.   war Gast an der Hochzeitstafel. Selbstverständlich hielt er auch eine Rede. Eine Rede, in der der schon oft bemerkte romantische Zug in prononzierter Schärfe hervortrat. Das«Bureau Wolff" veröffentlicht folgenden Wortlaut der Rede: Verehrtes Paar! Die Segenswünsche und Gebete aller An- wesenden haben Sie in der Kirche umgeben und werden Sie auf Ihrem ferneren Lebenswege begleiten. Vielen jungen Paaren, bei denen der Mann nicht in einem Staatsdienst oder besonderen Beruf steht, wird die Beantwortung der Frage, wie sie ihr Leben zu gestalten gedenken, nicht so leicht sein wie Ihnen. Sind es ernste Leute, so werden sie danach trachten, zu wirken zu Nutz und Frommen ihrer näheren Mitmenschen, der Gemeinde, der sie an« gehören. damit auch dem Staate. Es ist jedoch eine eigentümliche Erscheinung, daß das heutige junge Geschlecht ' unter starker Hervorhebung des eigenen Ichs dasselbe in den Mittelpunkt der Ereignisse zu stellen bestrebt ist und eifrig darauf bedacht ist, das ihm zukommende Recht zu betonen und diesem Recht uneingeschränkte Wirkung und Berücksichttgung zu verschaffen. Es wird dabei nur eins, und zwar das wichtigste, vergessen, daß die Rechte vor allem Pflichten bedingen. Ohne Pflichten sind keine Rechte denkbar. Rechte ohne Pflichten führen zu Ungebundenheit und Zügellosigkeit. Wir kommen soeben aus der Kirche, wo wir von demjenigen ge- hört haben, der die höchste Stellung in der Welt beanspruchen konnte als Sohn Gottes, und dessen Leben doch ausschließlich der Erfüllung der Pflicht, des Wirkens für seine menschlichen Brüder gewidmet war. Ihr Leben sei erfüllt und beherrscht von dem. was unser großer und klarster Denker. Kant, den kategorischen Jmpe- rativ der Pflicht genannt hat. Ihnen, meine liebe Berta, hat der liebe Gott einen herrlichen Wirkungskreis zugewiesen, für Ihre Arbeiter und deren Familien zu leben. Wenn Sie durch die fabrikräume schreiten, möge der Arbeiter in dankbarer iebe die Mütze vor Ihnen lüften, in Ihnen neben der Tochter seines innig verehrten verblichenen Fabrikherrn den guten Genius der Werke be- grüßen. Bei Ihrem Eintritt in die Familienhäuser mögen Kinder und Frauen in Ihnen eine holde Fee erblicken, welche bei ihrem Erscheinen Tränen trocknet, Not lindert, Lasten erleich- tert, Leid ertragen hilft. Und.Ihrer Einwirkung, meine liebe Tochter, entspringe Arbeitsfteudigkeit, fort- schreitende EntWickelung nach zielumfassenden Gesichtspunkten. den modernsten Anforderungen entsprechende Leistungen nach den bewährten Grundsätzen des Begründers dieses Werkes. Möge es Ihnen gelingen, das Werk aus der Höhe zu erhalten, auf die es gehoben worden ist, unserem deutschen Baterlande auch fernerhin Schutz- und Trutz waffen zu liefern, welche in Fabrikation sowohl wie in Leistungen nach wie vor von keiner Nation erreicht werden. Mit goldenen Buch- staben stehe das WortPflicht" über den Türen Ihres HeimS und werde ihre Ausübung durch das hehrste Gefühl erleichtert, welches es auf Erden gibt, nämlich fiir das Wohl seiner Mit- menschen arbeiten zu können. Dazu verhelfe Ihnen der liebe Gott, und der Segen Ihres verklärten Vaters, meines teuren und geliebten Freundes, der heute aus lichten Höhen auf Sie herabblickt, wird unsichtbar Sie ge- leiten. Diese meine Freundschaft, welche von Kindesbeinen an mich mit ihm verband, übertrage ich freudigst auf Sie beide und will, soweit ich es vermag, Ihnen treu zur Seite stehen. Allem übrigen, was uns das Herz bewegt, wollen wir nunmehr Ausdruck geben, indem wir unsere Gläser erheben und auf das Wohl des jungen Paares trinken." Wilhelm II.   reklamiert also gewissermaßen das Gottesgnadentum auch für die Jndustriekönige. Nur seineliebe Berta", nicht den nach den biblischen Worten ihr von Gott   gegebenen Herrn feierte er als die Herrscherin im gewaltigen Jndustriereich mit seinen 60 006 Arbeiten!. Er preist auch das Kruppsche Werk als nattonalen Segen. Ge- wiß, Frau Krupp-Bohlen wird dem Vaterlande Trutz- und Schutzwaffen liefern, wie ihr Vater, aber sie wird die Erzeugnisse auch dem Aus- lande nicht vorenthalten. Dazu bedarf sie gar keiner Hülfe Gottes. da? besorgt das kategorische Profittnteresse. Wilhelm II.   spricht von den bewährten Grundsätzen und großen Gesichtspunkten des Werkes. Aber erst unter derRegierung" des Sohnes des Gründers stieg das Werk zu der jetzigen Größe empor, und der Sohn war für das Unternehmen ebenso bedeutungslos, wie seine Tochter Berta. Fräulein Berta hat übrigens für das Wohlergehen der Arbeiter noch nichts getan, sie wird auch in Zukunft nichts tun können. Das Wohl- ergehen der Dynastie Krupp   beruht auf der Ausbeutung der Arbeits- kraft der Arbeiter. Der neue Jndnstriekönig Herr v. Bohlen, der sich die Herrschast über 60 000 Lohnsklaven durch eheliche Verbindung mit Fräulein Berta Krupp   erworben hat. kennt schon das Geheimnis, schnell und billig ein berühmter Mann zu werden. Das Wolff-Bureau meldet aus Essen vom 15. Oktober: Der Geniahl der ältesten Tochter Alfred Krupps, Herr v. Bohlen, und Frau Berta v. Bohlen, geb. Krupp  , haben für den Jnvalidenfonds der Kruppschen Arbeiterschaft ein Kapital von einer Million Mark gestiftet. Auch die verwitwete Frau Krupp   hat aus Anlaß der Hochzeit ihrer Tochter eine Million Mark für eine Stiftung bestimmt, die der W o h n u n g s f ü r- s o r g e für die minderbemittelten Klassen dienen soll; gleichzeitig hat sie für diesen Zweck ein Baugelände von etwa 50 Hektar zur Verfügung gestellt. Pflichtschuldigst wird man nun Herrn v. Bohlen feiern, als würdigen Nachfolger des großen ArbeiterfreundeS und Philantropen Krupp  , der so viele Millionen für die Arbeiter gestiftet habe. Leider vergißt man dabei stets anzugeben, was die Arbeiter bei der Wohltäterei profitieren. Nämlich nichts. Von diesen Scheiflungen" haben die Arbeiter 0,00 M. erhalten. Bisher wurden sämtliche Leistungen der Pensions lasse aus den Beiträgen der Mitglieder, aus Strafgeldern, Einschreibegebühren, Zinsen usw. gedeckt. Die statu- t a r i s ch e n Beiträge der Firma mehrten nur das Ver gen. Und ein Teil davon steckt im Unternehmen; die Firma zahlt dafür 4 Prozent Zinsen und vcrdieut damit 710 Prozent. Das ist doch ein ganz nettes Geschäft! Die berühmte Wohlfahrtsfirma versteht sich nicht einmal dazu, den Arbeitern, die unfteiwillig abkehren, die zwangsweise einbehaltenen Beiträge zurück- zuzahlen! Das ist Kruppsche Wohlfahrt, die nur den Zweck hat, die Arbeiter an das Unternehmen zu fesseln und sie in größerer Abhängigkeit zu halten. Wer nicht pariert, fliegt hinaus. er ist um die Aussicht auf Pension und um seine gezahlten Bei- träge betrogen l »» Deutfches Reich« Die Grenzen aus! Die steigenden Fleischpreise scheinen selbst in den sogenannten maßgebenden Kreisen", soweit sie sich nicht völlig der agrarischen Jnteressenpolittk unterordnen, die Einsicht geweckt zu haben, daß die deutsche Landwirtschaft nicht dauernd den einheimischen Fleisch- verbrauch zu decken vermag und deshalb eine weitere Oeffnung der Grenzen sstr die Vieh- und Fleischeinfuhr aus dem Auslande nicht zu umgehen ist. Schon vor einigen Wochen brachten dieBerliner  Pol. Nachrichten" eine Nottz, die sich im Gegensatz zu der bis- herigen Haltung des Blattes für eine Verminderung der Grenz- sperre aussprach, und jetzt tritt auch dieKöln  . Ztg." mit einer ähn- lichcn Forderung hervor. Das rheinische Blatt schreibt: Daß eine Fleischnot in dem von uns wiederholt dargelegten Sinne besteht, kann sachlich nicht bestritten werden. Die von uns dieser Tage mitgeteilten deutschen und auswärtigen Marktpreise in Verbindung mit dem Rückgang der Schlachtungen und des Ver- brauches liefern dafür klare Beweise, gegen die erkünstelte agrarische Einwendungen nichts auszurichten vermögen. Uebrigcns hat ja selbst die Zentralstelle der preußischen Landwirtschaftskammern (Viehverwertungsstelle) in ihren Mitteilungen zugeben müssen, daß die Vieh- und Fleischpreiseaußerordentlich hoch",unnatürlich und unerwünscht" seien. Nur die wahren Ursachen dieses uimatürlichen und unerwünschten Zustandes werden nicht zugegeben, vielmehr wieder einmal Voraussagen gemacht, daß die Preise bald von selbst sinken würden. Das haben wir schon so oft gehört, während die Preise, allen Prophezeiungen zun. Trotz, ihre Höhe behaupreten, daß ein Eindruck damit ivirklich nicht inehr zu erzielen ist. Warum die Preite aber weiter steigen werden, kann dem sachlich prüfen- den Blick nicht verborgen bleiben. Es muß, es soll Abhülfe geschafft werden, mehr Vieh und Fleisch ins Land, d. h. die Grenzen müssen ge- öffnet werden für lebendes Vieh und einwand- freies Fleisch, wobei mit in er st er Linie an das gefrorene Rind- und Hammelfleisch von Australien   und Neuseeland   zu denken ist. Der Vorwand, daß durch die Oeffnung der Grenzen Vieh- seuchen eingeschleppt würden, kann im Ernste nicht mehr gelten. Die kontingentterte Schweineeinfuhr in Oberschlesien  beweist im Kleinen, was im Großen durchführbar ist: daß wir nämlich in unseren veterinärpolizeilichen Vorschriften ein vollkommen ausreichendes Vorbeugungsmittel gegen die Seuchengcfahr haben. Den zweiten Einwand gegen die Grenzöffnung, daß dadurch die Preise noch nicht fallen würden, widerlegen die wesent- lich niedrigeren Vieh- und Fle'ischnotierungen der auswärtigen Märkte. Ist das also der letzte Ein- wand, so mache man die Probe I In Wirklichkeit ist das dringend Notwendige bisher lediglich aus dem Grunde unterlassen worden, um nicht das ohrenbetäubende Geschrei der Agrarier herauszu- fordern." Das Blatt weist dann unter Berufung auf die Entwicklung der englischen Viehzucht nach, daß einwirklicher Schaden" durch die von ihm befürwortete Grenzöffnung der deutschen Landwirtschaft nicht zu erwachsen vermag, und meint schließlich, daß sich die Zu- lassung des gefrorenen australischen Fleisches zugleich als ein Mittel empfehle, zollpolitische Vortefle von Austtalien zu erlangen: Endlich wäre mit der Maßregel vermutlich ein willkommener handelspolitischer Vorteil zu erzielen oder vielmehr die Abwehr eines drohenden handelspolitischen Nachteils möglich, wenn man nämlich die Oeffnung unserer Grenzen für die Einfuhr gefrorenen Fleisches als Lockmittel für Australien   verwendete und dieses Land veranlaßte, gegen Gewährung dieses ihm sicherlich sehr will- kommcnen Vorteils die von ihm eingeführten Zollbeschränkungen zugunsten der deutschen   Waren aufzuheben." Zentrum und Nationalliberale. Auf dem Parteitag der Nationalliberalen in GoSlar   sind mehr- fach Andeutungen gefallen über ein für die nächsten Reichstagswahlen beabsichtigtes Zusammengehen der Klerikalen und National- liberalen in Rheinland-Westfalen  . Darauf hat die Nattonal-Zeitung", vonautoritativer Seite" ermächtigt, die Er- klärung gebracht,. daß ein Wahlkartell ztvischen Zentrum und Nationalliberalen für Westfalen  weder besteht noch beabsichtigt sei". Und dieNationalliberale Korrespondenz für die Rheinprovinz" be- merkte,daß im Provinzialvorstand irgendwelche Verhandlungen über die nächsten Reichstagswahlen überhaupt noch nicht stattgefunden haben, und daß das Gerücht von einem Kompromiß mit dem Zentrum direkt auS der Luft gegriffen ist.... In der Rheinprovinz  denkt niemand an ein Kompromiß mit dem Zenttum, insbesondere nicht für den ersten Wahlgang". Wir wollen bemerken, daß wohl noch von keiner Seite behauptet worden ist, die Angelegenheit sei bereits in den berufenen Partei- stellen, hier den Provmzialvorständen, erörtert worden. Bis es dahin kommt, finden private und zunächst unverbindliche Ver- Handlungen zwischen führenden Einzelpersonen statt, und daß die Frage eines Zusammengehens zwischen Klerikalen und National- liberalen im Westen iy dieser Weise Gegenstand der Verhandlungen gewesen ist, daran ist für uns kein Zweifel. Wir sind dabei aber auch immer von dem Standpunkt ausgegangen, daß das Zentrum bei dieser Lage mehr beteiligt ist, als der Libera- lismus, der in Rheinland-Westfalen   viel weniger zu verlieren, infolgedessen bei einem Zusammengehen mit dem Zentrum auch weniger zu gewinnen hat, als die andere Seite. Für das Zenttum steht sehr viel auf dem Spiele, deshalb wird auf seiner Seite das Zustandekommen einer Wahlabmachung gewiß lebhafter gewünscht und betrieben als bei den Nationalliberalen. DieEssener Volkszeitung' macht bezüglich des Wahlkartells im Rheinland   die Mitteilung,daß die verantwortliche Stelle des Zenttums bisher einer derartigen Frage in keiner Weise näher- getteten ist. Als verantwortliche Stelle sehen wir den Provinzial- ausschuß der rheinischen Zentrumspartei   in seiner Gesamthett an, der seit vergangenem Frühjahr nicht versammelt gewesen ist." Die geflissentliche Hervorhebung, daß dieVerantwortliche Stelle" noch nicht gesprochen habe, läßt erkennen, daß sich die nicht ver- antwortlicheu Stellen des Zentrums, das sind die örtlichen Partei- leitungen, desto eifriger mit der Sache beschäftigt haben. Aller- dings ist man sich auf feiten des Zenttunis wohl auch klar darüber. daß ein solches Wahlbündnis seine Bedenken hat. Die Wähler- massen denken manchmal anders als d'e Herren Führ-r. Es