Dreiklassenparlament sich wandte, anstatt es gehen zu lassen wiees ging, unter Wahrung des Rechts der Notwehr, und meint, auchin Rußland sei man nicht weiter gekommen, als die Priester derMoral aufstanden. Er frage: Wie kommt die Partei dazu, unsLokalisten ausschließen zu wollen? Es wäre schlimm, wenn diePartei hier vom rechten Standpunkt abwiche. Man solle in dieZentralverbände gehen. Ja, das sei leicht gesagt. Bedingungslosin den Zentralverband zu gehen würde ihm und manchem anderensein Gefühl nicht erlauben. Bei den Maurern, wo Silberschmidtherrsche, würde man die bisherigen Lokalisten mundtot machen.Passiv leidende Mitglieder ohne jeden Einfluß würden sie sein.Denke man, was alles Wiesenthal vergeblich versucht habe, seinRecht zu bekommen. Nun würden die Anarchosozialisten genannt.Gut: weg mit ihnen! Sie erschienen ihm ebenso schlimmwie die Revisionisten. Aber ehrliche Parteigenossen auszuschließen,das würde sich bitter rächen.Genosse Richard Fischer: Die Resolution Steinbornmöge die Versammlung ablehnen. Einmal sei sie nicht rechtklar, dann sei es überflüssig, Stampfer hier nochmal totzuschlagen,Ivas der Parteitag schon tat, und was die Zeitschrift„Neue Gesell-schaft" anbelangt, so solle man nicht über etwas aburteilen, wasinan nicht kenne. Zweifellos kenne sie kein Dutzend der Versamm-lungsteilnehmer so, daß die Versammlung ein Gesamturteil überdie Zeitschrift als solche fällen könnte. Der Vertreter der Lokalistenscheine den Gang der Verhandlungen des Parteitages mißverstandenzu haben, sonst hätte er nicht zu seiner Auffassung in Sachen derLokalisten kommen können. Tujuntke selber lasse ja die Anarcho-sozialisten fallen. Dann ioerde man auf den meisten Gebieten mitihm einig sein. Der Uebergang zur Tagesordnung sei gerade vondem Parteitag angenommen ioorden, weil man bei der Frage derLokalisten in Berlin unterscheiden müsse zwischen Anarchosozialistenund solchen Leuten, die aus anderen Gründen dabei gebliebenseien. Wenn T. sage, er müßte sich schämen, nun dem Zentral-verband beizutreten, so sei das eine falsche Scham. Sei er Sozial-demokrat, so müsse er auf dem Standpunkt stehen, daß im Interessedes Kampfes in politischer und gewerkschaftlicher Beziehung derZentralisationszusammcnschluß absolut notwendig sei. Von Schamkönne keine Siede sein beim Anschluß an die Zentralisation. Wassei nicht im Kampfe der„Eisenachcr" und„Lassalleancr" alles ge-redet und getan worden. Der Gegensatz sei ein viel größerer gc-Wesen, und doch sei es zur Einigkeit gekommen, ohne Mundtot-machen, ohne Knebelung! Uebrigens: was müsse stärker sein, derGlaube an die Organisationsform oder der sozialdemokratischeGeist? So sei die Frage zu stelle», und da könne für einenS o z ia l d ein o k r a t c n, der noch in der Lokalorganisation ist,kein Zweifel sein, daß er sich anzuschließen habe an die Zcntralisa-tion. Natürlich, von einem Ausschluß aus der Partei könne nichtdie Rede sein. Andererseits aber müsse man voraussetzen,daß Parteigenossen ihre Pflicht erkennen und sich fügen werden denWünschen der großen Masse der Partei. Redner legt im einzelnendar. daß sachliche Gründe für ein Verbleiben in der Lokalorgani-sation eigentlich nicht mehr gegeben seien, nachdem selbst die Unter-ftützungseinrichtnngen dort eingriffen. Er glaube, im Laufe desJahres würden sich Mittel und Wege finden, die Anarchosozialistenabzustoßen und die übrigen Lokalorganisierten bei uns zu behaltenund sie den Zentralisationen zuzuführen. Redner tratferner der pessinnstischen Ausfassung entgegen, die Tujuntkevon der russischen Revolution und von dein großen Bergarbeiter-kämpfe geäußert hatte. Er wies in längeren Ausführungen nach.daß überhaupt keine Rede sein könne von einer Niederlage derrussischen Revolution, daß sie sich durchsetzen werde und müsse, dasich die EntWickelung zum Industriestaat, die Rußland in seinenfortgeschrittensten Bezirken durchmache, nicht mit dem Absolutismusyertrage und daher seinen Niedergang begründe. Gewisse Verände-rangen in der Taktik der Revolutionäre sind nach Auffassung desRedners berechtigt.— Ebenso hält er Tujuntke entgegen, daß derGang der Bergleute zur Regierung unter den obwaltenden Ver-Hältnissen nicht verfehlt, sondern gut gewesen sei. Ja, wenn allesSozialdemokraten gewesen wären, die in» Kampfe standen, dannwäre keiner hingegangen. So sei aber Tausenden und Abertausenden,die nichts von einem Klassencharakter der Gesellschaft und Regierungahnten, Belehrung darüber geworden. Auch hier sei der An-schauungsunterricht der beste.— Auch das Zustandekommen derResolution Bebel-Legien erörterte Redner und hob dabei hervor,daß man sich vergegenwärtigen müsse, daß die Gewerkschaftler er-klärt hätten:„Zwischen Jena und Köln wollen wir keinen Unter-schied sehn." Nichts einfacher, als daß man darauf sage:„Schön,das akzeptieren wir, der Streit ist beseitigt, wir stehenalle auf dem Boden der Jenaer Resolution." Von einemZurückweichen Bebels könne auch keine Rede sein. Wennin Mannheim auf das Organisatorische mehr Betonung gelegtsei, müsse das jedem Vernünftigen gefallen.— Genosse Tujuntkehabe noch den Gedanken in die Debatte geworfen, in Mannheimhätte der Revisionismus gesiegt. Wann und wieso denn?Wie waren denn die Verhältnisse? Sahen wir nicht, daß gerade dieLeute, die man bisher als Revisionisten bezeichnet hatte, es waren,die den Gedanken vertreten hatten, der Massenstreik müßte schoneher benutzt werden? Mit solchen Schlagworten, wie T. esbrauchte, könne man also nicht auskommen. WaS Jena unsals Richtschnur gegeben hat, ist die Linie, auf der wir unsbewegen müßten. Und wenn wir uns sagen Könnten, eS sei soweit,dann: drauf und dran.Nach einer Erklärung Schneiders zu seiner Abstimmung aufdem Parteitag sprach noch Genosse Artur Stadthagen: DieResolution Steinborn bitte er abzulehnen. Man sei nicht hier, übereinen Einzelfall sich auszulassen. Aber die Resolution sei auchmateriell verfehlt. Dem Begründer der Resolulion. der sich gegenden Gebrauch der Worte dunkeler Ehrenmann und Fnlschergenie im„Vorwärts" ivende, halte er entgegen den von ihm eingenommenenStandpunkt:„Im Deutschen lügt man, wenn man höflichist." Uebrigens müsse berücksichtigt werden der Zusamnienhang desSatzes im„Vorwärts" mit der Bemerkung Stampfers:„Morgen werdeihn der„V." einen Schurken und Idioten nennen und über-morgen werde ich dann gewiß(nach dem ,V."> ein Genie und ein Ehren-mann fein." Eigentlich sei der gerügte Satz des„Vorwärts" nochviel zu zahm, wie viele Einsendungen an die Redaktion bestätigten.— Genosse Tujuntke als Lotalist habe hier bedauert, daß der Partei-tag beinahe die Lokalisten ausgeschlossen hätte. Das sei aber garnicht beabsichtigt gewesen. Es habe auch nicht beabsichtigt seinkönnen zu sagen, weil jemand Lokalist sei, höre er auf. Sozial-demokrat, Mitglied der Sozialdemokratie zu sein. Wenn das beab»sichtigt wäre, dann hätte der Genosse ganz recht mit den Worten:das sei der Sozialdemokratie unwürdig. Der Parteitag habekein Recht zu sagen, jemand sei kein Sozialdemokrat, weil er deroder jener gewerkschaftlichen Richtung angehöre. Wohl aber sei erberechtigt, wie geschehen, schon in Lübeck, den Anschluß an dieZentralorganisationen als die geeignetsten dringend zu empfehlen.Und er könne nur wiederholen, was er schon einmal gesagt have,daß die Lokalorganisierten, wenn sie Fehler entdeckten in denZentralisationen, die doppelte Pflicht hätten, einzutreten. WasElm und manche andere gegen die Lokalorganisiertcn im einzelnengesagt hätten, teile er allerdings nicht. Aber sie sollten nicht verärgert seinund sich anschließen an die Zentralisation im Interesse der Einheit.im Interesse der Bewegung. Er hoffe ebenfalls, daß die Vertagungder Angelegenheit auf dem Parteitage dazu führen werde, daß eineganze Anzahl Lokalisten den Zankapfel begraben und in die Zentral-organisationen gingen, um dann als Mitglieder zu versuchen, ihreAnsichten durchzusetzen.— Nach Ausblicken auf die russische Revo-lution, die durchaus nicht am Boden liege, kam Redner noch aufden Beschluß zum Massenstreik zu sprechen, indem er unter anderemals erheblich bezeichnet, daß hineingekommen sei der Passus, daßdie Gewerkschaftsbewegung vom Geist des Sozialismus erfülltwerden müsse.Angenommcu wurde eine Resolution, in der sich die Ver-sammlung mit dem Verhalten der Delegierten und mit den Be-schlüsseu des Parteitages einverstanden erklärt, sowie sich zurDurchführung verpflichtet.Die Resolution Steinborn dagegen wurde abgelehnt. Esstimmte scheinbar niemand dafür.Dritter Wahlkreis.Die Versammlung fiir den dritten Wahlkreis fand imgroßen Saale von Buggenhagen statt, der fast voll besetzt war. Inder Berichterstattung vom Parteitag teilten sich die drei Delegiertendes Kreises.Genosse Pohl sprach seine Freude darüber aus, daß durchdiesen Parteitag die Hoffnungen der Gegner auf Zank und Streituud auf eine Spaltung der Partei wieder einmal zuschanden ge-macht worden sind. Die Parteigenossen könnten im allgemeinen mitdem Verlauf und den Ergebnissen zufrieden sein. Das Interesseder Oeffentlichkeit an diesem Parteitag sei stärker als je zuvor ge-Wesen, die Zuhörerschaft zahlreicher als bei dem Parieitag von 1892in Berlin. Der Redner ging dann hauptsächlich auf den Geschäftsbericht des Vorstandes und den Bericht der Kontrollkommission ein.�Er äußerte dazu unter anderem: Es sei gut, daß Genosse Gerisch'einmal den Kreisen gründlich die Wahrheit sagte, die ihrersinanziellen Pflicht gegen die Gesamtheit nicht nachkommen; wenigergut sei es, daß Gerisch die Berliner allzu sehr dabeiherausgestrichen habe, denn dadurch werde der Stimmunggegen die Berliner Vorschub geleistet. Der Genosse HeinrichBraun habe offenbar die Absicht gehabt, in Mannheim ein zweitesDresden aufzuführen. Im allgemeinen seien die Diskussionen, voneinigen Ausnahmen abgesehen, ruhig und sachlich verlaufen.Genosse G e h r m a n n berichtete hauptsächlich über„den poli-tischen Massenstreik" und die mit diesem Punkt verbundenen Dis-kussionen über Partei und Gewerkschaft. In der bürgerlichen Pressesei die Erwartung ausgedrückt worden, daß bei diesem Punkte dieGegensätze zwischen Partei und Gewerkschaften in schärfster Weisehervortreten würden, und auch in Parteikreisen sei man teilweisederselben Ansicht gewesen. Nach Bebels Referat habe sich jedochgleich eine andere Meinung geltend gemacht, nämlich die, daß dieDebatte ziemlich ruhig und sachlich verlaufen werde. Was die Be-sprechung zwischen Parteivorstand und Generalkommission betreffe,so sei vor allem zu beachten, daß sie unverbindlich war. DieStellung des ParteivorstandcS deckte sich nach Meinung des GenossenBebel durchaus mit der Jenaer Resolution, und der Partei-vorstand habe recht gehabt mit seiner Ansicht, daß bei derWahlrechtsbewegnng zu Anfang dieses Jahres der politischeMassenstreik nicht in Frage kommen konnte. Man müsseeiner solchen Korporation wie dem Parteivorstand eine gewisseBewegungsfreiheit lassen, ihre Beschlüsse den jeweilig herrschendenVerhältnisse» anzupassen. Der Redner wandte sich schars gegen einenTeil der Ausführungen des Genosse» Legten, die deprimierend ge-wirkt hätten, sowie gegen seine Angriffe auf Bebels Haltung. DerBehauptung. daß die Kölner zu der Jenaer Massenstreikresolutionnicht im Widerspruch stehe, hätten die Delegierten des Kreises nichtohne weiteres zustimmen können; sie seien jedoch nach den Er-klärungen Bömelburgs und der anderen Gewerkschaftsleiter zuanderer Ansicht gekommen und hätten dann im Interesse der Ein-heitlichkeit und Einmütigkeit innerhalb der Arbeiterbewegung sämt-lich für die Resolution gestimmt. Sache der Parteigenossen sei esnun. diese Resolution durchzuführen und im Sinne der Beschlüsse zuloirken, zu agitieren und zu organisieren. Hinsichtlich der Stellungzu den lokalorganisierten Gewerkschaften sei es dem Parteitage nichtmöglich gewesen, durchgreifende Beschlüsse zu fassen. Der AntragFischers, wonach die Sache dem Parteivorstande überwiesen wurde,sei unter diesen Umständen das beste, was man habe tun können.Damit sei der Appell an die Lokalorganisationen gerichtet, sich denZenttalverbänden anzuschließen. Die Frage müsse nun im Laufe deSnächsten Jahres diskutiert und bis zum nächsten Parteitage erledigtwerden. Bei der Maifeierfrage wäre vielleicht eine mehr eingehendeDebatte erwünscht gewesen, aber infolge Zeitmangels habe mandarauf verzichten müssen. Uebrigens habe es sich ja auch schon beider letzten Maifeier gezeigt, daß die Gewerkschaften nicht allein fürdie Folgen aufkommen müßten. Zum Schluß sprach der Rednerüber den Punkt„Volkserziehung und Sozialdemokratie", wobei erdarauf hinwies, daß hierüber demnächst in einer Wahlvereins-Versammlung deS dritten Kreises ein Vortrag gehalten und diskutiertwerden soll.Genosse B ei er berichtete zunächst über den achten Punkt derTagesordnung des Parteitages: Strafrecht, Strafprozeß und Straf-Vollzug, erwähnte die vortrefflichen Ausführungen des GenossenHaase und verlas die aufgestellten Thesen. Sodann berichtete erüber die Erledigung verschiedener Anträge, brach jedoch seine Aus-führungen ab mit Rücksicht aus die vorgeschrittene Zeit und um denDiskussionsrednern die Gelegenheit, sich ausführlich zu äußern, nichtzu verkürzen.Hierauf verlangte Genosse Dr. Friedeberg das Wort, nichtum zu diskutieren, sondern zu einer Erklärung, die durch die Be-schlüsse des Parteitages über den AnarchosozialismuS bedingt sei.Der Redner erklärte, daß er nach wie vor auf dem Boden der von ihmvertretenen und als anarchosozialisttsch bezeichneten Ansichten stehe.Er verwerfe den Parlamentarismus und den politischen Massen-streik, der dazu dienen solle, polittsche Rechte zu sichern. Er sei fürReligionslosigkeit, Gesetzlosigkeit. AntiParlamentarismus und Anti-Militarismus und werde eintreten fiir die direkte Aktion und denGeneralstreik, der die Klassenherrschaft und den Klasscnstaat be-seifigen solle. Als im dritten Kreise organisierter Genosse habe ersich verpflichtet gefühlt, diese Erklärung hier abzugeben.Genosse W u s ch i ck bemerkte hierzu, wohl alle seien sichdarüber einig, daß diese Erklärung sich nicht mit dem Partei-Programm vereinbaren lasse. Man werde selbstverständlich trotz derErklärung Friedebergs auf dem durch die ParteitagSbesckilüsse an-gewiesenen Wege weiter marschieren. Erfreulich sei es, daß auf demParteitage der.Vorivärts"-Konflikt nicht zur Erörterung gekommensei, und noch besser wäre es gewesen, wenn auch die Auseinander-setzungen mit Braun und Stampfer unterblieben wären.Der Redner wandte sich• dann dagegen, daß Materialfür den Wiesenthalschen Metallarbeiterverband in der Vorwärts-Druckerei hergestellt wird, wodurch es dieser Organisatton möglichgemacht werde, Bauernfang zu treiben. Die Leistungen der BerlinerGenossen für die Partei habe Gerisch übern grünen Klee gelobt;demgegenüber müsse festgestellt werden, daß es mit der politischenOrganisation hier nicht so glänzend bestellt sei. Die ganzen Vor-gänge seit Dresden Hütten dazu beigetragen, daß sich die politischeBetätigung nicht so entwickelte, wie es wünschenswert gewesen wäre.Er hoffe, daß der Streit nun endgültig beseitigt sei. Zum Massen-streik äußerte der Redner, daß. ivenn Bebel die Rede von Mann-heim schon in Jena gehalten hätte, wohl kaum einer damals gegendie Massenstreikresolution gestimmt haben würde. Nach der JenaerRede aber habe man annehmen müssen, daß schon bei nächster,einigermaßen günstiger Gelegenheit von jenem Mittel Gebrauchgemacht werden sollte. Verkehrt sei eS, wenn behauptet werde, daßdie Beschlüsse von Mannheim eine Wendung nach rechts oder linksbedeuteten. Es konime nun vor allem darauf an, einnfiitig inner-halb der Bewegung zu wirken, zum Gedeihe» der Partei und derGewerkschaften, zum Schaden der Gegner.Genosse Cohen drückte, obwohl er sich als schärffter Gegnerder Ansichten Friedebergs bekannte, seine Freude über dessen unzwei-deutige Erklärung auS, die allerdings in unvereinbare,» Widerspruchzum Parteiprogramm stünde. Er, Redner, sei kein Freund von Ans-tchlüssen, wenn man aber hierzu schweige, gäbe man den Lokal-organisierten m,d Anarchosozialisten eine Waffe in die Hand, gegendie nichts auszurichten sei. Die Frage zu entscheiden: Gehören dieSlnarchoiozialisten zur Partei oder nicht?— das sei nun mcht mehrzu umgehen. Der Redner führte ferner, teils in Erwiderung aufGehrmanns Rede, auS, daß dieser die Stellung Legiens zum Massen-streik verkannt habe. Legien sei kein grundsätzlicher Gegner desMassenstreiks, sei eS auch nie gewesen, und Bömelburg sei lest Kölnkein anderer geworden, denn schon in Sfilttgart 1902 habe er er-klärt:„Partei und. Gewerkschaften sind eins". Ueber die Beschlüssezur Massenstreikfrage, die in Köln und in Jena gefaßt wurden,habe allgemeines Mißverständnis geherrscht. Der KölnerBeschluß besage, daß man, wie im gewerkschaftlichen Kampfe.so auch im politischen, dem Gegner nicht die Mittel ver-raten dürfe, die man unter ganz besfimmten Umständenanzuwenden gedenke. Bebel habe sich in Mannheim und Jenadurchaus nicht in Widerspruch gesetzt. Nur die Diskussion, wie siein Jena geführt wurde, habe diese Auffassung verursacht. Er,Redner, freue sich, daß nun eine Grundlage für ein einmütigesWirken in Partei und Gewerkschaften geschaffen sei. Die strikteDurchführung der Maifeier müsse man als einen eintägigen Massen-streik ansehen; sie könne eben auch nur gelingen, wenn die für denMassenstreik vorausgesetzten Bedingungen einer guten Organisationerfüllt seien. Zum Schluß richtete der Redner an den GenossenFriedeberg die Bitte, einmal eine Zeitlang die Gewerkschafts-bewegung in den Zentralverbänden praktisch zu studieren, dannwerde Friedeberg über verschiedene Dinge zu anderer Auffassungkommen.Genosse M a a ß erklärt es für unangebracht, jetzt auf die Er-klärung Friedebergs einzugehen; die Sache müsse erledigt werden,sobald sie aus der Tagesordnung stehe. Cohens und Wuschicks Aus-führungen zum Parteitagsbericht hätten nicht der friedlichen Tendenz,die in Mannheim herrschte, entsprochen, sondern mehr wie eine Kritikdes Jenaer Patteitages geklungen. Der Beschluß über die Lokal-Organisationen sei ein guter. und kluger. Es sei nicht daran zuzweifeln, daß die Masse der Lo'kalorganisierten, die sich als Partei-genossen fühlten, sich danach richten würden. Nicht durch Gewalt,sondern durch Vernunftgründe müßte man sie für die Zentralverbändezu gewinnen trachten. Wenn Wuschick die Auseinandersetzungen mitBraun und Stampfer vermieden wissen wollte, so hätte er sich schonvorher an sie wenden müssen. So aber sei die kurze Belehrung,die ihnen zuteil geworden, ganz angebracht gewesen. Der Rednerersuchte schließlich die Parteigenossen, die friedliche Tendenz desletzten Parteitages keinen Augenblick aus den Augen zu lassen und indiesem Sinne zu wirken.Genosse H e i l m a n n begrüßte die Deutlichkeit und Offenheitder Erklärung Friedebergs, wünschte aber, daß dieser noch einenSchritt weiter gegangen und zugleich ausgesprochen hätte, daß er mitden Grundsätzen der Partei in Widerspruch stehe. Das beste wäre,wenn Friedeberg vorläufig austreten würde, bis er sich wieder denAuffassungen der Partei genähert oder die Partei vielleicht seine An-sichten angenommen habe.— Der Widerspruch zwischen der Kölnerund Jenaer Massenstreikresolutton habe sich als ein Mißverständniserwiesen. Der Redner schloß mit dem Wunsche, daß das einmütigeund friedliche Verhälfifis zwischen Partei und Gewerkschaften nundauernd sein möge.Genosse Justin Braun wandte sich in teils scharfen Aus-drücken gegen die Gewerkschastsleiter und meinte, daß sie sich ausdem Parteitage zu ihrer entgegenkommenden Haltung entschlossenhätten, weil sie gewußt hätten, daß sie sonst abgebürstet werdenwürden. Die Opposition der Lokalorganisierten gegen die Zentral-verbände sei verständlich, wenn solche Tarife wie der der Buchdruckerabgeschlossen würden.Hierauf legte Genosse Gehrmann nochmals seine Ansichtenüber verschiedene Punkte klar und erwiderte aus gegen ihn geinachteAeußerungen.Genosse Kahlen bedauert die Art wie Friedeberg seinen Ab-gang aus der Partei provoziere und wendete sich gegen Sektterereiund Zersplitterung in der Arbeiterbewegung.Genosse Friedeberg erklärte hierauf, daß seine Angelegen-heit ja die Generalversammlung beschäffigen werde. Er halte esfür Feigheit, durch Austritt einer Auseinandersetzung aus dem Wegezu gehen. Er habe von Jugend auf in der Partei prattisch mit-gearbeitet und sei auch jetzt noch bereit, überall einzutteten, woer etwas lernen könne zur Verfiefung der Auffassung deS Klassenkampfes.Genosse Klar äußerte, daß die von Cohen und Wuschick ge-machten Ausführungen keineswegs unfriedlich gewirkt hätten; Gehr-nmnn hätte besser getan, seine Borwürfe gegen Justin Braun zurichten.Damit war die Diskussion erschöpft. Es folgten noch einigepersönliche Erklärungen, zumeist darüber, wer in der Diskussiongegen die friedliche Tendenz des Parteitages verstoßen habe. Dannwurde einstimmig eine Resolution angenommen, durch die die Ver-sammlung sich mit den Beschlüssen des Mannheimer Parteitageseinverstanden erklärt; ferner unter„Verschiedenem" folgende Reso-lution:„Die Versammlung ersucht den Parteivorstand, eine Unter-stützung der in materielle Schwierigkeiten geratenen„Humanitö",des einzigen großen Tageblattes unserer französischen Genossen,in Erwägung zu ziehen."Schließlich machte der Vorsitzende Pohl auf den außerordentlichenZahlabend am nächsten Dienstag aufmerksam.Vierter Wahlkreis.Eine außerordentlich gutbesuchte Versammlung des viertenKreises nahm gestern abend den Bericht über den Parteitag entgegen.Schon lange vor Eröffnung der Versammlung war der große Saalder„Köiligsbank", Große Frankfurterstraße, überfüllt. Nachdem derVorsitzende, Genosse H o f f m a n n, nochmals aui die demnächst statt-findenden Gewerbegerichtswahlen aufmerksam gemacht und vomSchriftführer das Protokoll verlesen worden war, erstattete alserster Redner H a ck: l b u s ch über die ersten Punkte der Tagesordnungdes Parteitages Bericht. Einleitend führte der Redner aus, daß vordem Mannheimer Parteitage eine Menge Konfliktsstoff aufgehäuftwar, von dem man hätte erwarten können, er werde auf demParteitage selbst zur Explosion kommen. Der„VorwärtS"-Konflikt,die Veröffentlichung des Protokolls der Gewerkschaftsvorstände, derStampfer- Artikel in der„Neuen Gesellschaft" usw., alles diesließ ein heftiges Aufeinanderplatzen der Meinungen erwarten.Allein, die Erwartungen hätten sich nicht erfüllt. Diesestrittigen Angelegenheiten seien nur kleine Episoden aufdem Parteitage geworden. Ans dem Bericht des GenossenPfannkuch sei die friedliche Lösung des Polenkonfliktes hervor-zuheben. Die Gründung der Parteikorrespondenz und der Partei-schule, welche der Partei große Opfer auferlegten, sei zu begrüßen.Mit der Wahl des Genossen Müller- Görlitz als Parteisekretärwäre der Ueberlastung des Parteivorstandes abgeholfen. Als be-sonders erwähnenS- und wünschenswert hebt Redner den AntragAachen, einheitliche Mitgliedsbücher für ganz Deutschland undwöchentlichen Beitrag von 1v Pf. hervor. Wie die Gewerkschafteneine einheitliche Zentralorganisation hätten, so müßte auchdie Partei dazu kommen. Redner erklärt, daß die BerlinerDelegierten an sich nichts gegen da« Totschweigen deS„VorwärtS"konfIikteS gehabt hätten; aber gegen ein Bergraben derAngelegenheit in einer Kommission würden sie ganz entschiedenStellung genommen haben. Redner streift dann kurz die Behandlungder Angelegenheit Stampfer kontra„Vorwärts" und appelliertan die Genossen, derartige Privatunternehmen ivie das Blatt desBraunschen Ehepaares, die„Neue Gesellschaft", nicht zu unterstützen,bndern lieber den„Vorwärts" und die„Neue Zeit" zulesen. Redner bringt die Entschuldigungen des GenossenS ch ö p f l i n, die.Borussia"-Affäre betreffend vor und kritisiertdann unter lebhafter Zustimmung der Versammlung den auchim„Vorwärts" abgedruckten Artikel der Magdeburger„Volks-stimme". Nachdem Genosse Bader- Magdeburg die Ver-antwortung übeniommen und sich als den Verfasser angegeben,könne man ja nicht mehr die Stampfer scke Meinungsfabrik ver-antwortlich machen. Es sei aber ein starkes Stück, nachdem GenosseG e r i s ch sich anerkennend und lobend über die Berliner aus-gesprochen, anderen Wahlkreisen aber direkte Hintergehung derParteistatuten nachgewiesen habe, jetzt, nach dem Partei-tage, mit derartigen Gehässigkeiten über die Berliner her-zufallen, und es müsse dies mit aller Entschiedenheit zurückgewiesenwerden. Paul Hoffmann berichtet über die Maifeier,den internationalen Kongreß und die Generalstreikdebatte. Rednerverliest die angenommene Maifeierresolution und berichtet,daß der Vorschlag, für den internationalen Kongreß in Stuttgartals Höchstzahl lSÜ Delegierte aus Partei und Gewerkschaften zuwählen, angenommen worden sei, und baöc:? sich die betreffendenInstanzen darüber zu verständigen. Redner rekapituliert dann dieGeneralstreikdebatte und hebt die Stellungnahme Bebels gegen