fcanl der sogenannten„Unibersitätsaukonomie" gegen polizeilicheEingriffe bis dahin einigermaßen gesicherten Orte in Rußlandwaren noch die Universitäten und Akademien; es war also ganznatürlich, daß auch viele N i ch t st u d i e r e n d e in die Hochschuleneinzudringen strebten, wo noch ein freies Wort geduldet wurde.Vertreter der verschiedensten Bevölkerungsklassen besuchten eifrigdie Studentenversammlungen, auf denen soziale und politischeFragen diskutiert wurden. Die sozialistischen Parteien bc-schlössen, aus der relativ günstigen Lage der Hochschulen Nutzen�zu ziehen, um die politische Fortbildung der Massen zu fördern.In den Auditorien wurde eine Reihe von Vorlesungen und Re-feraten über verschiedene Fragen veranstaltet. Die Initiativedieser Parteien wurde von allen Freunden der befreienden Be-wegung mit Beifall begrüßt. Die gleiche Taktik— die„Umgestaltung der Hochschulen in Rcvolutionstribünen"— hatte jaim vorigen Jahre in der Oktoberrevolution eine wesentliche Rollegespielt, und diese Periode war noch bei allen frisch im Gedächtnis.In einem wildbewegten Meer von Willkür und wütenderReaktion ein paar glückliche autonome Jnselchen— ein so unnatürlicher Zustand konnte nicht lange andauern. Der innereWiderspruch kam denn auch bald zum Ausbruch. Die Regierungerklärte, sie würde eine derartige„Umwandlung der Universitätenin revolutionäre Straßen" nicht länger dulden. Am 20. Oktober versandte der Kultusminister an die Kuratoren der Lehr-bezirke folgendes Rundschreiben:„Studentenversammlungen innerhalb der Universitätsräumesind nur nach spezieller jedesmaliger Genehmigung des Rektorsin den vom Rektor angewiesenen Räumlichkeiten und in der Zeit,wo keine Vorlesungen stattfinden, zulässig. Nichtstudierendedürfen diesen Versammlungen nicht beiwohnen."(„Rjetsch" Nr. 160.)In einem Briefe an den Rektor der Universität machte derCtadtverwalter von Moskau jenen auf die in den Universitäts-räumen abgehaltenen Zusammenkünfte aufmerksam, an denen„Studierende anderer Lehranstalten und Fabrikarbeiter" teil-genommen hatten, und erklärte,— derartige, gesetzlich verbotene Ver-sammlungen würden in Zukunft unverzüglich aufgelöst werden.(„Rjetsch", 170.)— Der Satrap von Odessa drohte dem Universitäts-rektor mit„energischen Maßregeln, wenn die Universitätsver-waltung nicht gegen die Veranstaltung von Referaten in den Uni-versitätsgebüuden einschreiten würde." Die gleiche Drohung er-ging vom Kriegsminister an den Vorsteher der MilitärärztlichenAkademie. Auch der Stadtverwalter von Petersburg, Stolypinswürdiger Kampsgenosse, beschloß, auf das bißchen„Autonomie"der Hochschulen weiter keine Rücksicht zu nehmen, was er durchfolgende Kundgebung den Herren Professoren deutlich zu ver-stehen gab:„Die den Hochschulen zugestandene Autonomie bedeutet durch-aus kein Exterritorialrecht: deshalb dürfen keine Studentenver-sammlungen ohne meine Genehmigung veranstaltet werden, undjede derartige Versammlung darf, solange die Universität ge-schlössen ist, nur auf Grund der Reglements vom 4. März, d. h.also nach Kenntnisnahme und Begutachtung des Programmsseitens des Stadtvcrwalters, zusammentreten."Did Bureaukratie will es nicht zulassen, daß die Hochschuleihren eisernen Klauen entschlüpfe. Das ist ja auch ganz ver-ständlich. Welche Gründe könnten sie veranlassen, der Universi-tätsjugend Freiheiten zu gewähren zu einer Zeit, wo die ganzebürgerliche Gesellschaft unter dem matzlosen Druck der autokra-tischen Regierung stöhnt?—Ungleich interessanter ist die Stellungnahme der russischenProfessoren, die einem Verrat an der akademischen undbürgerlichen Freiheit sehr ähnlich steht. In völligem Einklangnämlich mit der Politik des Herrn Stolppin haben die Pro-fcssoren einmütig gegen die revolutionäre Jugend Front gemachtund in edlem Wettstreit mit der feldkriegerischen Regierung be-gönnen, den„Geist der Rebellion" aus den Hochschulen aus-zutreiben. Die gelehrten Herren wettern in Rede und Schriftüber die Studenten, die aus den Universitäten„Herde der Re-volution" machen wollen. Um nun aber die ihrer Fürsorge an-vertrauten Lehranstalten von„schädlichen Ideen" zu säubern,scheuen sie nicht einmal vor der Verletzung der den Studentendurch das„vorläufige Reglement" vom 27. August 1905 einge-räumten Rechte zurück.*) Das Lehrkomitee des PolytechnischenInstituts in Riga z. B. verbot den Studierenden eine Versammlungzur Beratung rein akademischer Fragen(über das Lehrgeld u. dgl.).Der Rektor der Universität in Kijew, Professor Zitowitsch, erklärteden Studenten, daß fürdcr der Besuch der Universität nur gegenVorweisung der Jmmatrikulationskarte gestattet sein würde, wiedas zu Plehwes Zeiten üblich war.— Die Aufsicht über die Stu-deuten ist aufs neue den von der Regierung eingesetzten Jnspek-toren übertragen, denen der vorjährige Professorenrat alle Funk-tionen— außer Kanzleiarbeit— entzogen hatte. Der Vorstandderselben Universität(Kijew) untersagte den Studenten jeglicheZusammenkünfte; er knüpfte sogar mit der politischen Geheim-Polizei Verbindungen an, indem er sich, wie ein Korrespondent der'Zeitung„Rjetsch" berichtet, an die letztere mit dem Gesuche wandte,gegen die Studentenversammlungen energische Maßregeln zu er-greifen!An die Spitze des Feldzugs gegen die Studentenschaft tratendie Professorenkollegien der Petersburger und der Moskauer Uni-versität, besonders der erzliberale Rektor der letzteren, ProfessorManuiloff. Dieser beschränkte sich nicht auf Drohungen, sonderner schloß die Universität tatsächlich. Es war nämlich bei einerZusammenkunft der gesamten Studentenschaft beschlossen worden,die drei Tage 18— 20 Oktober keine Vorlesungen zu besuchen,sondern sie ausschließlich dem Andenken der im vorigen Jahre imKampfe für die Freiheit Gefallenen zu widmen. Da sich unterden Opfern der Oktobertage viele Studenten befanden, so warvorauszusehen, daß die ganze studierende Jugend Moskaus sich mitder Idee eines solchen Trauerfestes einverstanden erklären würde.So geschah es auch. Diejenigen Professoren, die am 18. Oktoberihren Hörsaal dennoch aufsuchten, erblickten nur ganz vereinzelteZuhörer auf den Bänken. Einige gaben sich mit den wenigen Be-suchern zufrieden und hielten ihre Vorlesungen ab, einer der Pro-fessoren gar, wie es heißt, vor einem einzigen Zuhörer!(Briefdes Privatdozenten Kolzoff,„Nowy Putj", Nr. 55.) In einemSaale wurden sogar Examina gehalten. Um 11 Uhr morgensnun tauchte plötzlich in der Universität eine große Menge Stu-deuten auf, die unter Absingen der Marseillaise und verschiedenerStudentenlieder das Auditorium neben demjenigen besetzte, inwelchem Professor Filippoff. gerade seine Vorlesung hielt. Eswurde beratschlagt und der Beschluß gefaßt, Einstellung der Be-schäftigungen in der Universität zu verlangen, eventuell dieselbedurch Obstruktion gewaltsam zu erzwingen.(„Tow.", Nr. 93.)Professor Manuiloff schritt nun gegen die Studenten so rück-sichtslos ein, wie es der eingefleischteste russische Bureaukrat nichtbesser gekonnt hätte. Selbst ein behufs Untersuchung des Vorgangsnach Moskau kommandierter Beamter des Kultusministeriumsfand die vom Rektor ergriffenen Maßnahmen»nicht ganz zweck-mäßig".—Am 21. Oktober ersuchten die Vertreter des studentischen Jen-tralorgans den Rektor um Einräumung eines der Universitäts-säle für eine Sitzung dieses Studentenausschusses, wurden abervon Manuiloff entschieden abgewiesen! Die gleiche abschlägigeAntwort erhielten auch die Studenten der naturwissenschaftlichenFakultät, die um die Erlaubnis baten, eine Seelenmesse für ihrenbor einem Jah-e auf der Straße ermordeten KommilitonenArchangelsky abzuhalten!Schluß folgt.)___ Dieses Reglement gewährte den Hochschulen eine beschränkteSelbstverwaltung.Politllcbe üeberlicbr.Berlin, den 30. November.Herrn Erzbergers Rückzugskanonade.Herr Erzberger hielt heute im Reichstage seine seitMonaten treulich angekündigte Rede. Er sprach L'/z Stundenlang, rednerisch äußerst gewandt und wirksam, mit mancherwitzigen Pointe, am Schlüsse noch ebensowenig ermüdet undermüdend, wie am Anfang. Er sprach mit souveräner Beherrschung seines Stoffes— kurz er bot rein äußerlich einMuster parlamentarischen Fleißes und parlamentarischerBeredsamkeit. Und trotzdem war die Rede nichts als ein ge-schickt maskiertes Rückzugsgefecht, als ein demagogischesBravonrstückcheu zur Düpierung der Wähler-massen!So interessant Erzbergers Ausführungen den mit derMaterie nicht Vertrauten erscheinen niögen: sie enthielten sogut wie nichts, was nicht bereits in Erzbergers bekannterKolonialbroschüre oder in Zeitungsartikeln gestanden hätte.Die Ausführungen über die Tippelskirch- und Wörmann-Verträge, die Ueberprofite dieser Firmen, über skandalöseFrachttaxen, über Liegegelder usw. waren also im Grunde„olle Kamellen". Und da Herr Erzberger ja durchdie Lösung dieser Verträge im großen und ganzen befriedigtist, konnte die detaillierte Aufzählung dieser alten und an-geblich gesühnten Sünden nur den Zweck haben, dieAufmerksamkeit von dem abzulenken, was man von HerrnErzberger nach seinem Auftreten vor Eröffnung des Reichs-tages erwarten mußte und was er heute völlig schuldig blieb?Herr Erzberger hatte gedroht, endlich einmal„gründlichauszupacken", und die Zentrumspresse hatte Tag für Tagdamit renommiert, daß man dem skandalösen System derVerschleierung und Vertuschung dadurch einEnde machen werde, daß man rücksichtslos den Haupt-schuldigen- zu Leibe gehen werde. Kurze Zeit vor Be-ginn der Kolonialdebatte'im Reichstag verwandelten sich dieschneidigen Fanfaren, die Herr Erzberger und die Zentrums-Presse monatelang so kriegerisch ins Land hinausgeschmettert,in eine klägliche Chamade. Man erklärte auf einmal, aufdie angekündigte unerbittliche Abrechnung im Plenumdes Reichstages verzichten zu wollen, wenn nur dieRegierung in die Einsetzung einer parlamentarischenKommission zur Untersuchung dor Kolonialskandale willige.Trotzdem nun die Regierung diesen Kuhhandel ablehnteund zwei Richter und einen Beamten mit der Unter-suchung betrauen will, verzichtete das Zentrum auf die an-gekündigte Generalabrechnung I Herr Erzberger selbst legte seinMaterial, dessen größten Teil er sich ja schon seinerzeit durcheinen schneidigen Untersuchungsrichter hat abjagen lassen, ver-tranensvoll in die Häude der Regierung und der von ihr bestelltenUntersuchungskommisston! Dabei weiß gerade Herr Erzbergerbesser als irgend ein a n d e r e r Pa r la m e n t a r i er,wie systematisch bisher die ungeheuerlichste Korruption und diebeispiellosesten Frevel versucht worden sind, vertuscht wordensind von denselben Personen, die auch heute noch an leitenderStelle der Regierung stehen. Herr Erzberger selbst konnte janicht umhin, in Verteidigung des gemaßregelten Kolonial-beamten P ö p l a u gegen den Reichskanzler selbst denVorwurf zu erheben, daß er nicht das geringstegetan habe, um die ihm ganz genau stchstantiiertenAnklagen schwerster Art untersuchen zu lassen, daß aberPöplau, als er sich nach vergeblicher Erschöpfungdes Instanzenweges an einen Reichstags-abgeordneten gewendet habe, sofort disziplinarisch ge-schnhriegelt wurde. Ja, es sei sogar der gemütvolle Versuchgemacht worden, den Beamten wegen seines nur von Ehr- undPflichtgefühl diktierten Verhaltens ins Tollhaus zu sperren! Trotz-dem das Herr Erzberger w e i ß, trotzdem ihm noch Dutzende vonVertuschungLsällen ähnlicher Art bekannt sind, setzt er alstreuherziger Schwabe in die Regierung und ihre Organe dasVertrauen, daß sie nun urplötzlich keinerlei Rücksichten mehrwalten lassen, sondern den Vergehen unerbittlich nachspürenund sie rücksichtlos sühnen werde! Dabei weiß Herr Erz-berger ferner, daß erst die öffentliche Behandlung einzelnerSkandalfälle deren ganzen Umfang und vielfache Verzweigungans Tageslichr gefördert hat! Eine Untersuchung ohneöffentliche Kontrolle ist völlig wertlos. Und wasnützt es dem Parlament, wenn es später das Ergebnisder Untersuchung erfährt, aber auf die Methode und den Gangder Untersuchung selbst nicht den mindesten Einfluß hat! Dasalles muß auch Herr Erzberger wissen— und trotzdem trat eraus Rücksicht auf die regierungsfürchtige Diplomatie seinerFraktion den schmählichsten Rückzng an.Vermutlich wird der freisinnige Redner morgen in dieBresche zu springen suchen. Aber Herr Ablaß ist bei weitemnicht im Besitz eines so reichen Materials, wie es Herrn Erz-berger durch seine Verbindung mit den Missionen zur Ver-fügung stand. Die Regierung hat es also dem Zentrumb anken, wenn ihr die wohlverdiente Katastrophe erspartEs klang geradezu blasphemisch, wenn Herr Erz-berger am Schlüsse seiner Rede seinen die Kolonialpolitikkeineswegs prinzipiell ablehnenden Standpunkt damit motivierte,daß er pathetisch fiir eine Kolonialpolitik eintrat, die den Ein-geborenen die Segnungen des Christentums und derKultur zu bringen habe. Herr Erzberger weiß besser alsirgend sonst jemand, wie dies Kolonial-Christentnm. und dieseKolonial-Knltur in Wirklichkeit aussehen. Bis jetzt haben sieüber die Eingeborenen nur unsägliche Leiden,Greuel, Auörottnngsfeldznge, Ausplünderung und Versklavunggebracht!Warum hat es das Zentrum samt Herrn Erzberger derSozialdemokratie überlassen, gegen die T r o t h a s ch eAusrottungsstrategie aufzutreten? Heute hat HerrErzberger wenigstens gegen die Absicht der Regierimg g e-sprachen, die Hottentotten niederzumetzelnund ihres Landbesitzesvöllig zu berauben. Auf solch lahme W o r t p r o t e st e pfeiftdie Regierung! Sie wird trotz der derzeitigen Resolution desReichstages den Krieg fortsetzen, sie wird auch von demannektiertiertcn Hottentottenland keinen Fetzen heraus-geben. Und das Zentruni wird gleichwohl für die ueucu süd-westafrikanischc» Forderungeu stiuimeu, wahrscheinlich sogar fürden Bahnbau Kubub-Keetmanshoop, dessen SinnlosigkeitHerr Erzberger heute so überzeugend nachgewiesen hat!Das Zentrum übt eben nichts als jämmerliche Demagogie.Herr Erzberger zerzauste heute erbarmungswürdig die Dern-burgsche Kolonialbilanz, er bewies schlagend die absoluteWertlosigkeit Südwestafrikas. Und trotzdem bewilligt dasZentrum unentwegt immer neue Hunderte für diesewertlose Sandwüste l Nicht weniger als 180 Millionensollen im nächsten Jahre dafür ausgegeben werden, donnerteder klerikale Volkstribun. Nun. ILO Millionen davonwird die Partei des s Herrn Erzberger nichtsdestoweniger tot-sicher bewilligen!Herr Erzberger will— wie mögen die konservativen undnationalliberalen Auguren innerlich gelacht haben!— dieKolonialpolitik zur Hebung und Beglückung der Eingeborenengetrieben sehen. Dabei leistet er der Kolonialbarbarci Hehler-dienste, indem er das ihm als Volksvertreter anvertrauteMaterial der Ocffentlichkeit nnterschlägt! Freilich, wie wollteman die Kolonialbewilligungen auch vom Standpunkt des„Christentums" aus verteidigen, wenn dem Volke bekanntwürde, wie das koloniale Christentum in Wirklichkeit aus-sieht!Eine niedliche Enthüllung leistete sich Herr Erzbergerfreilich doch. Er stellte fest, daß in den Kolonien„schwarzeKassen" existieren, in die ein Teil der dadurch der etatmäßigen Buchung entzogenen Einnahmen fließt.Diese durch gesehwidrige Unterschlagung geschaffenen Geheim-fonds seien dazu verwandt worden, Ausgaben für Selker-Wasser, Pilscnrr Bier und Lackschuhe für eine Dirne zu decken!Der Rest der Debatte verdient keiner Erwähnung. DieHerren L a t t m a n n und Schräder sind ja als Kolonial-enthusiasten hinlänglich berüchtigt. Die Rede Dernburgszeichnete sich durch besondere Mattigkeit ans. Dabei leistetesich der Kolonialdirektor eine unqualifizierbare Anrempelungder Abgeordneten Ablaß und Ledebour, die dann durch per-sönliche Erklärungen der Angegriffenen die gebührende Zurück-Weisung erfuhr.Morgen wird als erster Redner Bebel sprechen.—Bismarcks Staatsstreichgeliiste.Im letzten Heft der von ihm herausgegebenen„Preuß. Jahrb."hatte Professor HanZ Delbrück miter Bezugnahme auf eine Stelleder Hohenlohescheu Denkwürdigkeiten den ersten Kanzler des DeutschenReiches beschuldigt, im Jahre 1889 die teuflische Absicht verfolgt zuhaben, durch einen Staatsstreich das geltende Reichstagswahlrcchtumzustürzen und den zu erwartenden Widerstand des Volkes durchdas Militär in einem Blutbade zu ersticken. An der betreffendenStelle der Hohenloheschen Denkwürdigkeiten heißt es nämlich:»Der Kanzler wollte das Sozialistengesetz-nit der Ausweisungdem neuen Reichstage wieder vorlegen, diesen, wenn er es nichtannehme, auflösen und dann, lvenn es zu Aufständenkäme, energisch einschreiten. Der Kaiser widersetztesich dem, weil er sagte, wenn sein Großvater nach einer langenruhmreichen Regierung genötigt worden wäre, gegen Aufständiichevorzugehen, so würde ihm'das niemand übelgenommen haben.Anders sei dies mit ihm, der noch nichts geleistet habe. Ihmwerde man vorwerfen, daß er seine Regierung damit anfange.seine Untertanen totzuschießen. Er sei bereit einzuschreiten, aberer wolle dies mit gutem Gewissen tun, nachdem er versucht habe,die begründeten Beschwerden der Arbeiter zu befriedigen, wenig-stens alles getan habe, um deren begründete Forderungen zu er-füllen."Dem fügte Delbrück hinzu, daß es sich nicht bloß, wie ausdieser Aeußerung geschlossen werden könnte, um das Sozialisten-gesetz, sondern wie ihm zwei Vertraute des Fürsien Bismarck ver-sichert hätten, um die Beseitigung des allgemeinenStimmrechts gehandelt hätte.Von der bürgerlichen Presse ist dieso Darstellung Delbrücks alsalberne„Geschichtsklitterung" bespöttelt worden, obgleich die Auf-fassung Delbrücks, Bismarck habe einen Konflikt provozieren wollen,her ihm Anlaß zum Staatsstreich bot, nicht nur durch die obigeAeußerung Wilhelms II., sondern auch durch die ganze damaligeSituation, besonders durch das Verhalten Bismarcks zur Frage derVerlängerung des Sozialistengesetzes die stärkste Bestätigung findet,so daß man im juristischen Sinne von einem Beweis durch konklu-deute Handlungen sprechen kann.Ohne Unterschied der Parteifärbung hat die bürgerliche Presseder Delbrückschen„Mär" widersprochen, obwohl sie keine beachtenS-werten, das Gegenteil bezeugenden Tatsachen anzuführen vermochteund sich lediglich mit allerlei nichtssagenden Redensarten behelfenmußte, die nichts Weiteres bewiesen, als daß ihr„historischesCharakterbild" des sogenannten eisernen Kanzlers sich zur Wirklichkeitetwa ebenso verhält, wie das Goltzsche Buch„von Roßbach bis Jenaund Auerstedt" zu den wirklichen Vorgängen vor und nach Jena.Auf diese Kritik der gutgesinnten Presse wird, wie der Verlagder„Preuß, Jahrb." mitteilt, Herr Delbrück im nächsten Heft dieserZeitschrist mit einem Gegenartikel antworten, aus dem einige kurzeAuszüge beigefügt werden. Delbrück weist darin noch-mals auf die Bestätigung seiner Darstellung durch diepolitische Situation im Jahre 1889 hin und erklärt die Be-hauptung, daß Bismarck deshalb eine so eigenartige Taktik gegen-über der Sozialistengesetzverlängerung eingeschlagen habe, weil derKaiser das„gemilderte" Gesetz nicht habe annehmen wollen, fürv o l l st ä n d i g falsch. Im Gegenteil habe der Kaiserdem Staatsministerium seinen Wunsch aus-gesprochen, daß es das Gesetz in der ihm vomReichstag gegebenen Fassung annehmen möchte.„Um jeden Zweifel abzuschneiden", schreibt Delbrück,„will ichhinzufügen, was wohl, wie so manches andere, vielen bekannt,aber meines Wissens noch nirgends gedruckt ist, daß nämlichder Kaiser persönlich dem Staats mini st eriumdringend geraten hat, das Gesetz so anzunehmen,wie eS der Reichstag fo r m uliert hatte. Bismarck aberwar es, der widersprach, und die Differenz wurde so scharf, daß bei dieserGelegenheit der Fürst zum erstenmal eine Andeutung gemacht hat.daß vielleicht seines Bleibens nicht mehr lange sei. Die anderenMinister hätten das Gesetz wohl gerne angenommen, aber wichtigerals das Gesetz schiene ihnen doch noch die Erhaltung des FürstenBismarck in seinem Amte, und so stellten sie sich denn auf seineSeite....Der Kaiser selbst war für die Annahme des Gesetzes. FürstBismarck und mit ihm das Staatsministerium lehnten es ab. Solltedie Vermutung zu sehr gewagt sein, daß dies der Lorgang gelvesenist. wegen dessen der Kaiser zum Großherzog von Baden gesagt hat:„Das sind ja nicht meine, das sind ja desFürsten Bismarck Minister?"Delbrück legt weiter dar, daß die allgemeine Lage unaufhalt-sam. nnaiisweichlich zu einer gewaltsamen Lösung trieb. EntwederWechsel des Reichskanzlers oder Staatsstreich, und erwähntschließlich einen Borgang, der vielleicht mehr als alles die Situationcharakterisiert:„Der Kaiser wollte mit der Verleihung des Herzogtitels anBismarck bei dessen Entlassung eine dafür passende Dotation ver-binden. Da wurde festgestellt, daß nicht nur im Reichstag,sondern auch im preußischen Abgeordnetenhans auf die Mehrheitfür eine solche Vorlage nicht zu rechnen� sei. Vielleicht ist es dieserverübelte kaiserliche Gnadenakt gewesen, der der BeschwerdeBismarcks über den Neid seiner Standesgenossen zugrunde liegt."Die an ihn gestellte Forderung, die Namen seiner Gewährs-männer zu nennen, lehnt Professor Delbrück entschieden ab underteilt zugleich Herrn Maximilian Harden wegen seiner Manier, sichals den in alle Bismarckschen Pläne eingeweihten Hausfreund derBiSmarckschen Familie hinzustellen, einen wohlverdiente» Nasenstüber:„Pflegen etwa die Zeitungen, wenn sie eine Tatsache berichten.hinzuzufügen, von wem sie sie erfahren haben? Mit der Zeitwerde» die Namen wohl einmal herauskommen. Vorläufig mögeman sich an �-ern-'m Zeugnis. daß ich die Erzabflinp an