soll, sind wir auch in den nächste» zehn Jahren gar nichtimstande, unsere Kolonien schützen zu könne». Es könntealso kommen, daß die vielen Hundert von Mllionen, die wirjetzt hineinstecken, eines schönen Tages demjenigen zugutekommen, der uns die Kolonien wegnimmt, was wir zuverhindern gar nicht in der Lage sind.Es ist ja ganz klar, daß. je mehr Werte m unseren Kolonienstecken, die Aufrechterhaltung der Verbindung mit der Heimatdesto notwendiger wird. Und mag auch im Kriegsfalle die letzteEntscheidung darüber, ob wir unsere Kolonien behalten oder nicht,zu Lande fallen— welche ungeheuren Werte müßten verlorengehen, wenn beispielsweise eine englische oder französische Flotteunsere Kolonien blockiert oder gar dort Truppen landet und Handelund Wandel für Jahre lahmlegt 1"Was die.Rh.-Westf. Ztg." schon heute offen ausspricht,denken alle unsere Flottenenthusiasten I Die Kolonialpolitik ver-schlingt also nicht nur direkt viele Hunderte von Millionen,sondern sie bürdet uns auch weitere Milliardcn-Lasten für unsereherrliche Kriegsflotte auf!.—__Zur Entwickelung des Postwcsens.Die ReichSpost- und Telegraphenverwaltung erstattet ihrenBericht über die Ergebnisse der Rechnungsjahre 1901 bis 1905. Wieder Bericht ausführt, ist in diesem Jahrfünft die Zahl der Post-anstalten von 32 045 auf 32 999 gestiegen, so daß aus 13,5 Quadrat-kilometer und 1570 Einwohner eine Postanstalt entfiel. Die Zahlder Telegraphenanstalten hat sich von 10 419 auf 22 255, also um5336 vermehrt. Von den 22 255 selbständigen Anstalten haben21 495 Fernsprechbetrieb; außerdem sind noch 20 selbständige Fernsprechämter und 85 öffentliche Fernsprechstellen vorhanden, denSeetelegraphenanstalten sind 5 hinzugetreten, so daß 15 un Be-triebe sind, darunter 10 mit Funkenelegraphen ausgerüstete.Das Gesamtpersonal der Post- und Telegraphenverwaltung belief sich auf 243 765 Personen gegen.202 587 i. I. 1901, darunter97 698(82 861) Beamte und 104 879(89 509) Unterbeamte.Die Gesamtzahl der durch die Reichspostanstalten befördertenSendungen umfaßte 6606 Millionen Stück gegen 6235 i. I. 1904und 5822 i. I. 1901. Darunter befanden sich 4503(1901 3670) MillionenBriefe, Postkarten, Drucksachen, Geschästspapiere und Warenproben,174(143) Mllionen Postanweisungen, 5,4(5,7) Mllionen Post-auftragSbriefe, 1452(1163) Millionen Zeitungsnnmmern, 252(148)Mllionen außergewöhnliche Zeitungsbeilagen, 208(175) MillionenPaketeund 12,8(11,9) Millionen Pakete und Briefe mit Wertangabe. DieGesamtzahl der beförderten Telegramme ist seit 1901 von 42,1 auf47,7 Millionen Stück gessiegen.Die Einnahmen der Reichs-, Post- und Telegraphenver-waltung betrugen im Jahre 1905 526,9 Mllionen Mark gegen487,3 Millionen im Jahre 1904 und 413,6 Millionen im Jahre>901,die Ausgaben 453,3 gegen 421,2 und 374,0 Millionen Mark. Ziehtman von dem Ueberschuß noch die einmaligen Ausgaben des ordent-lichen Etats ab, so verbleibt ein Reinüberschuß im Jahre 1905 von59,5 Millionen Mark gegen 53,5 im Jahre 1904, 52,0 im Jahre 1903,42,7 im Jahre 1902 und 20,3 im Jahre 1901. Die Einnahmen anPorto- und Telegraphengebühren haben im letzten Jahre die stärksteSteigerung mit 3,13 Proz. gezeigt, während die Zunahme im Jahre1904 nur 4,84 Proz. betragen hatte.—Aus dem Reichsetat für 1907.Der Etat für die Verwaltung der Reichseiseubahneu berechnet dieEinnahme des ordentlichen Etats auf 117 875 000 M.(-s- 10 492 300M).Die Ausgaben des ordentlichen Etats betragen 95 060 910 M.(-f- 6 991 650 M), der Ueberschuß mithin 22314090 M.(-1- 8500650 M.>.Auf die fortdauernden Ausgaben entfallen 88 676 790 M.(4-7 329 530 M.),auf die einmaligen 6 384 120 M.(— 327 880 M.). Hierunter befindensich zwei Mllionen zur Vermehrung der Betriebsmittel. Zum selbenZwecke werden im außerordentlichen Etat 18'/? Millionen Mark ge-fordert, die im Laufe von 30 Jahren aus den ordentlichen EinnahmenderReichseisenbahn getilgt werden sollen. DieHöhe der diesjährigen Auf-Wendungen für Betriebsmittel erklärt sich aus der ungewöhnlichen Zu-nähme des Verkehrs, welche die Beschaffung von 126 Lokomotiven und1707 Gepäck- und Güterwagen erforderlich macht, sowie aus derEinführung der vierten Wagenklasse, die vorläufig 250 Personen-wagen beansprucht. Die Gesamtsumme des außerordentlichen Etatseinschließlich des genannten Titels beträgt 37 638 500 M.Aus dem Etat des Reichseisenbahnamts, der in Einnahme wieim Vorjahre mit 756 M., in Ausgabe mit 430 300 M.(4- 4880 M.)abschließt, ist ein neuer Betrag von 1600 M. als Jahresbeitrag zuden laufenden Kosten des internationalen Eisenbahnkongresses zuerwähnen. Nachdem fast sämtliche Knlturstaaten diesem seit 1885bestehenden Kongreß beigetreten waren, hat im vorigen Jahre auchDeutschland seinen Beitritt erklärt.—Der Druckfehlerteufel im Kirchenlied.Das Druckfehlerteufelchen hat die von uns gestem wieder-gegebenen Kirchenliedverse:Dem Kind sie brachten alle dreiGold, Weihrauch, Myrrhen, Spezereiin Dem Kind sie brachten alle drinDem Kind sie brachten alle dreiverhunzt.—HudlamtOesterreich.Dem Sieg der Wahlreform widmete Genosse Viktor Adler amSonntag in einer Riesenversammlung des Wiener Proletariatsfolgende Worte:»Gestern wurde im Abgeordnctcnhause das allgemeine, gleicheund direkte Wahlrecht in zweiter und dritter Lesung beschlossen.(Brausende Hochrufe auf das allgemeine und gleiche Wahlrecht undauf Dr. Adler.) Drei Tage über ein Jahr ist es her, daß wir vordas Parlament gezogen, an jenem glorreichen Tage, in einerDemonstration, die unerhört war und unvergleichlich. Mit ihrhaben wir vor aller Augen klargestellt, daß die Arbeiterschaft Oester-rcichs überzeugt und entschlossen ist, die Notwendigkeit für Oester-reich durchzusetzen, koste es, was es wolle.(Stürmische Zu-stimmung.) Ein Jahr der schwersten politischen Arbeit ist ver-gangen, ein Jahr voll Krisen, voll Gefahren, ein Jahr, wo jedeWoche so viel politischen Inhalt hatte wie sonst oft nicht Jahre.Dieses Jahr ist zu Ende, und das gleiche politische Recht ist eineTatsache in Oesterreich.(Brausender Jubel.)Parteigenossen! Wir sind weit davon entfernt, zu sagen, daSProletariat allein habe durch seine Uebermacht und durch seineGewalt das gleiche Recht durchgesetzt. Wir wären ohnmächtig, wennwir uns nicht in den Dienst der geschichtlichen Notwendigkeit ge-stellt hätten; wir wären ohnmächtig, wenn wir nicht die Trägerwären der Ideen, die zum Siege kommen müssen, wenn die Ver-nunft der Menschheit sich verwirklichen soll. So aber sehen wir.daß die geschichtliche Notwendigkeit überwunden hat den Wider-stand der Kurien, den Widerstand der Bureaukratie, den Wider-stand alles dessen, was Macht und Gewalt hat in Oesterreich, undso wissen wir. daß die Kraft unserer Idee uns auch weiter führenwird. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht, das Ende des Kurien-Parlaments und der Kurienschandc, der Beginn eines wirklichenVolksparlaments ist in diesem alten Oesterreich Tatsache. Zwar,Genossen, ist noch nicht der letzte Streich zu diesem Werke getan.Noch harrt das gleiche Wahlrecht der Unterschrift des Herrenhauses.Wir wissen sehr genau, leicht wird es den Herren im Herrenhausenicht werden, das gleiche Recht des Volkes anzuerkennen. Daswissen wir. Aber wir haben das eiserne Vertrauen, daß die un-abwendbare Notwendigkeit, di« das Abgeordnetenhaus, ja die dieviderftrebenden Parteien gezwungen hat, das gleiche Recht zufördern— wir sind überzeugt, daß diese Notwendigkeit für denStaat, für das Volk und für die Möglichkeit der Kultur und Ent-Wickelung in Oesterreich auch stark genug sein wird, daß sich dieHerren im Herrenhause ihr werden beugen müssen. Fern von unsliegt es, Terrorismus üben oder auch nur andeuten zu wollen.Wir wollen die Herren nicht vergewaltigen— wir haben ja nichtdie Gewalt hierzu—, aber vergewaltigt werden sie werden, undbeugen werden sie sich müssen, wie wir uns alle beugen müssen vorder Notwendigkeit der Völker und des Staates.Parteigenossen! Den Arbeitern Oesterreichs aller Zungengebührt heute der größte und wärmste Dank ganz Oesterreichs.Sie haben in einer wahrhaft musterhaften und bewundernswertenWeise gezeigt, daß sie alle Eigenschaften haben, die zur politischenReife gehören, die sie befähigen zu großen politischen Dingen. DieArbeiterschaft Oesterreichs hat Energie, Entschlossenheit und Kampf-bereitschaft gezeigt, wenn es notwendig war; sie hat aber auch eineweise Mäßigung, jene kluge Zurückhaltung zu bewahren gewußt,wo es am Platze war. Tapferkeit und Weisheit, die haben unsereSache zum Siege geführt.Eins will ich noch sagen: ich hoffe und wünsche, daß das klaffen-bewußte Proletariat Oesterreichs, das mit dieser bewundernswertenEnergie und mit dieser noch größeren Weisheit sein Recht zu er-kämpfen verstanden hat, dieselbe Weisheit und dieselbe Kraft be-wahren wird, wenn es gilt, das Recht zu gebrauchen, das es sichjetzt als Waffe erkämpft hat, seine Interessen durchzusetzen.(All-gemeiner Beifall.) Das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrechtist heute ein erreichtes Ziel; von morgen an ist es der Beginneines neuen Kampfes in neuem, größerem Umfang, mit mehrKraft und mehr Mitteln und hoffentlrch auch mit mehr Glück fürdie Arbeiterschaft. Der Kampf für das Wahlrecht ist zu Ende.Was nun beginnt, ist der Gebrauch des Rechtes, ist der Kampffür die speziellen Interessen der Arbeiterklasse, bewehrt mit demgleichen Rechte, das sie sich erobert und von niemandem wird nehmenlassen.(Tosender Beifall.) Und so schließe ich: Es lebe das all-gemeine, gleiche und direkte Wahlrecht! Es lebe die internationaleSozialdemokratie!"(Brausende Hochrufe, jubelnde Begeisterung inder ganzen Versammlung.)Ungarn.Im Budgetausschuß der österreichische» Delegation zu Budapesthielt am Dienstag der Minister des Aeußern, Freiherr v. Nehrenthal,ein großes Exposo, in welchem er die freundschaftlichen BeziehungenOesterreich-UngarnS zu.allen Faktoren der europäischen Politik"—zumal zu Deutschland— Italien und— Rußland betonte. ZurMarokkosrage machte der Mnister folgende interessante und wichtigeAusführung:.. Die marokkanische Frage ist auch dermalen noch nichtabgeschlossen, die Spannung, welche sie in einem gegebenenMomente in Europa erzeugt hatte, liegt noch nicht weit genugzurück, als daß es unbedenklich erschiene, schon jetzt diese heiklePhase der betreffenden Verhandlungen neuerlich vor der Oeffent-lichkeit aufzurollen."Das Expose fand großen Beifall, und das Budget des Ministeriumsdes Aeußeren wurde nach längerer Diskussion in der General- wiein der Spezialdebatte angenommen.Schweiz.Die Volksabstimmung über die Trennung von Kirche und Staatim Kanton Neuenburg ist auf den 19. und 20. Januar 1907 fest-gesetzt.— Auch im Kanton Aargau ist die Frage der Trennung derKirche vom Staate aufgetaucht.Frankreich.Der erste Polizist seines Landes.Paris, 2. Dezember.(Eig. Ber.)In der heutigen Generalversammlung des Unterstützungsvereinsder Polizeibeamten hielt Elomenceau eine Ansprache, derenhumoristische Absichten die geradezu fossile kleinbürgerliche Denkweisedes Sprechers nicht verdecken können. Der Minister sagte unteranderem:„Wir sind hier alle von der Polizei, und ich binihr erster Agent! Wir sind hier eine Versammlung von„flies"(der Spitzname für die Schutzleute im Pariser Verbrecher-Jargon)... Aber alle Bürger sind von der Polizei.Wenn jemand auf der Straße rufen hört:„Haltet den Dieb!"so läuft er und sucht den Dieb zu fangen. Er handelt im sozialenInteresse, zu einem uneigennützigen Zweck. Diese gelegentlicheHandlung vollbringen die Polizisten zu jeder Stunde. Sie sind„der ehrliche Mensch in Permanenz". Weiter versicherteder Minister, daß die Polizei heute nicht mehr ein Instrument derWillkür, sondern des Rechtes, und daß daS„pnsssm ü tabao"(daS Prügeln der Gefangenen auf den Polizeiwachstuben)„eineLegende" sei! Clömenceau selbst hat doch in der ersten Zeit seinerMinisterschaft einen Erlaß gegen diesen berüchtigten Polizeibrauchherausgegeben!! Und Herr Clömenceau, der vor dem ersten Maidie skandalöse Verschwörungsfarce aufführen und Wahleffekten zu-liebe etliche Bürger verhaften ließ, weiß nichts von Polizeiwillkür?Herrn Elomenceau ist es heute in seiner Rede wiederum passiert,daß er paradox sein wollte und nur die Spießbürgerlichkeit seinesWitzes verriet. Die Rede ist geeignet, die täglich wachsende Zahlder Enttäuschten zu vermehren, die eingesehen haben, daß auch eineMenge von geistreichen Einfällen und drastischen Wendungen nochkeine große Idee ergeben. Es hat Leute gegeben, die Clömenceaufür eincnStaalsmanndcrmodernenBourgeoisie hielten und die in seinenbekannten Ausfällen gegen den Staat eine extreme Formulierung desliberalen Gedankens fanden. Nun sehen wir ihn auf einmal sich zur spieß-bürgerlichen Nachtwächleridee vom Staat bekennen, die in der Ein-lochung von eigentumsgefährlichen Bösewichtern die erhabenstesoziale Funktion und im hülfeeifrigen Respekt vor der Polizei dieedelste Bürgertugend sieht. Dieser vorgebliche Neuerer, der sich derWelt als.Sozialist" präsentiert hat, entpuppt sich als der letzte Erbepolizeiseliger Biedermeierei der Restaurationszeit. Der heutigeRegent Frankreichs steht bekanntlich hinter den aufgeklärtenDespoten des 13. Jahrhunderts zurück, die die ersten Diener desStaates fein wollten, während Clömenceau sich als ersten Polizistenfühlt.-_Bleiweiß-Berbot.Paris, 4. Dezember. Der Senat beriet das Gesetz betreffenddaS Verbot der Berivendung von Bleiweiß bei Malerarbeiten.Arbeitsminister Viviani bekämpfte den Kommifstonsbefchluß auf Ent-schädigung für die Bleiweißhändler im Falle der Annahme des Ge-fetzentwurfS und erklärte schließlich, daß jede soziale Reform un-möglich werde, wenn sie von einer Entschädigung abhängig gemachtwerde. Finanzminister Caillaur bat den Senat, nicht durch An-nähme des KommisfionSbeschlnsses einen Präzedenzfall zu schaffen.Trotz des Widerspruchs des Arbeitsministers Viviani beschloß derSenat mit 132 gegen 109 Stimmen die Entschädigung.—Spanien.In? Kabinett ist als Marineminister Admiral Annan ein-getreten an Stelle Cobians, der vor der Eidesleistung seine Ent-lassung nahm.—England.Tie Gewerkschaftsvorlage.London, 4. Dezember. Die zweite Lesung der Bill be-treffend die gewerblichen Streitigkeiten wurde in der heutigenSitzung des Oberhauses einstimmig angenommen. In derDebatte übte Marquis of Lansd'owne Kritik an der Vorlage,gab aber zu, daß die Regierung die Aufgabe habe, die zurBeratung stehende Frage zu erledigen und daß es für dasOberhaus nur den einen Weg gebe, die Vorlage anzunehmen.Tie Opposition lehne jede Ve r a n t w o r t u n g für die Be-stimmung der Bill ab und hoffe, daß der gesunde Menschen-verstand der Arbeiter und der Arbeitgeber widrigen Folgenvorbeugen werde.Wir haben bei Gelegenheit der Meldung, daß die Vor-läge vom Unterhause in dritter Lesung angenommen sei,schon auf den Unterschied in der Auffassung bei der Majoritätdes deutschen und beim englischen Parlament hingewiesen.Jetzt beschämt gab das englische Oberhaus die deutscheRegierung und deren Trabanten!—Niederlande.Borbereitungen zur Fricdens-Komödie.Haag, 6. Dezember. In der heutigen Sitzung der ZweitenKammer erklärte bei Beratung des Budgets des Auswärtigen derMinister der auswärtigen Angelegenheiten van Tets van Goudrianunter Bezugnahme auf die gestrigen Ausführungen mehrererRedner und auf die von ihnen gegebenen Anregungen, die Regierungbeabsichtige weder die Aufnahme der Frage der allmählichen Ab-rüstung noch die der Neutralitätserklärung Hollands in das Pro-gramm der zweiten Haagcr Friedenskonferenz zu beantragen. Dieletztere Frage müßte durch einen internationalen Vertrag geregeltwerden, aber er, der Minister, sei der Ansicht, daß die Vorteile einerNeutralerklärung für Holland geringer sein würden als die damitverbundenen Gefahren.—Amerika.Das Budget.Washington, 5. Dezember. Schatzsekretär Shaw hat heute demKongreß seinen Jahresbericht vorgelegt. In diesem wird mitgeteilt,daß sich die Gesamteinnahmen des am 30. Juni zu Ende gegangenenRechnungsjahres auf 762 386 904 Dollars und die Gesamtausgabenauf 736 717 582 Dollars beliefen und somit ein Ueberschuß der Ein-nahmen über die Ausgaben von 25 669 322 Dollars verblieb, gegeneinen Fehlbetrag von 23004 228 Dollars im Rechnungsjahr 1905.Die Einnahmen des Rechnungsjahres 1906 weisen gegen das Vor-jähr eine Zunahme um 65 285 634 Dollars, die Ausgaben eine solcheum 16 612 033 Dollars auf. Die Staatsschuld hat sich um 10 lös 375Dollars erhöht.—_Hus der Partei.„Für unsere Kinder", Weihnachtsbuch der„Gleichheit", heraus-gegeben von Klara Zetkin(Zundel), Stuttgart 1900, Verlag undDruck von Paul Singer.Geschmackvolle Ausstattung, vorzügliches Papier, scharfer, wennauch etwas kleiner Druck auf mehr als 100 Folio-Seiten. Undall das für IM.— Veranlassung genug, dem Verlage Anerkennungzu zollen.Indessen mit der verehrten Herausgeberin dieses Weih»nachtöbuches müssen wir uns ein wenig auseinandersetzen.— DieRedaktion der„Gleichheit" schickt dem Sammelbande ein hübschesGeleitwort„An die Eltern" voran. In diesem Geleitwort ist amSchluß von„UnVollkommenheit des Versuchs" die Rede sowie auchdavon, daß die Aufnahme des Versuchs darüber entscheidensoll,„ob derselbe nächstes Jahr, und zwar vervollkommnet, wiederholtwerden wird".Um verständlich zu machen, wie der erste„Versuch" zustandekam und weshalb eine Wiederholung und eine— Vervollkomm-nung wünschenswert ist, müssen wir uns einen kleinen Rückblickgestatten.Der vierten sozialdemokratischen Frauenlonferenz(Mannheim.22. und 23. September 1906) lag zum Punkt„Presse" u. a.folgender Niederbarnim-Teltow-Beeskower Antrag(Nr. 12) vor:„Die bisher erschienenen Kinderbeilagen der„Gleichheit" sindin guter Ausstattung als Weihnachtsbüchlein für unsere Kinderherauszugeben."In der Diskussion bekämpfte nur Frau Plum-Essen den Antrag.Genossin Bäuinler-Schöneberg sowie Ottilie Baader verteidigten ihn,und Klara Zetkin machte folgende Bemerkungen:....... Ueber den Antrag, die bis jetzt erschienenenKinderbeilagen als Bändchen herauszugeben, habe ich bereits mitGenossen Dietz und dem Parteivorstand Rücksprache genommen.Die Sache liegt so, daß für dieses Jahr die Erfüllung diesesWunsches aus den verschiedensten praktischen Rücksichten nicht durch-führbar ist. Ich begrüße aber den Antrag, welcher aus den Reihender berufensten Beurteiler der Bedürfnisse unserer Kinder ge-kommen ist und nicht nur den Verlag, sondern die ganze Parteiauf eine wichtige Aufgabe hinweist, auf eine Lücke in der Partei-literawr, die ausgefüllt werden niuß.(Sehr richtig I) Ich hoffedeshalb, daß dieser Antrag(der schließlich der Zentralvertrauens-Person und dem Verlage der„Gleichheit" zur Berücksichtigungüberwiesen wurde) in der nächsten Zukunft seiner Verwirklichungentgegengehen wird... Bleibt dann der Satz stehen, so werdenwir damit zu einer äußerst billigen und guten Kindrrliteraturkomme»...."Eine erfteuliche Ueberraschung, daß die Erfüllung jenes Wunschesdoch noch in diesem Jahre möglich ward, eine äußerst un-erfreuliche Ueberraschung, daß bei der Zusammenstellung desBandes die Grundsätze maßgebend waren, die Genossin Zetkin inMannheim proklamierte. Erstanirlicherweise nämlich ist das Weihnachts-buch so hergestellt worden, daß die 26 Kinderbeilagen der„Gleich-heit" von 1905 und 1906 einfach hintereinandergererht wurden! Istalso doch von vornherein schon der Satz stehen geblieben?!— Wennnicht, um so erstaunlicher, daß man daS in jenen 26 Nummerngebotene Material nicht umordnete und so ein wirklichesWeihnachts-Buch schuf. Wir legen auf die Kvustatierung diesesKonftruktions- und Dispositionsfehlers deshalb so großesGewicht, weil wir es für durchaus erforderlich halten, daßin Zukunft nicht wieder so vcrfohren werde, zumal da manden Satz der einzelnen Nummern ja stehen lassen und ihn nachherbeim Arrangement der Buch- Ausgabe trotzdem umordnenlann; denn schließlich ist es ein geivaltiger Unterschied, ob wirunseren Kindern ein Werklein in die Hand geben, bei dessenKomposition der Zufall des chronologischen EmlmifeS der Beiträgeden einzigen ordnenden Faktor gebildet hat, oder ob wir nachher dieFülle des in 26 oder in 13 Nummern gebotenen Materials nachliterarischen, pädagogischen, künstlerischen Gesichtspunkten sondernund sichten. Geschieht das nicht, dann sieht die Sammlung ebensoaus wie unser erstes Weihnachtsbuch.—Da haben wir z. B. gleich in Nr. 1 Ida Heijermans' hübsches„Märchen von der Arbeit".„Fortsetzung folgt" in Nr. 2 und inNr. 3.„Schluß folgt" in Nr. 4. Muß das sein bei der Buch»Ausgabe? Ein Märchen von 5'/z Spalten aus 4 Nummern ver-teilt 1 1 Und dergleichen Beispiele mehr.Oder aber: In Nr. 7(1905) hat sich PlatenS schauderhaftes„Grab im Busento" hineinverirrt. So etwas kann einem passieren,wenn man schnell eine Nummer zum fälligen Termin zusammen»stellen muß. Aber ist es durchaus nötig, das Gedicht auch in dieBuch-Ausgabe zu übernehmen? Genügt es nicht, daß unsere Kindermit diesem„Poem" in der S ch u l e hinreichend gequält werden?Wollen wir nicht gerade„Anderes", Besseres geben?-»Und auch dergleichen sowie andersartige Beispiele mehr.Kurz und gut, werter Verlag, werte Redaktion der„Gleich-heit", wir schließen mit den Worten Eurer eigenen Einleitung:„Möchte die Unvollkomnienheit des Versuchs Fähigkeiten und Willenlösen, welche dazu beitragen können, die Kiuderbeilage(und dieWeihnachtsbücher) der„Gleichheit" künftighin inimer mehr zu demzu machen, was sie sein soll."Und wenn Euer„Versuch" dann im nächsten Jahre oderin zwei Jahren«vervollkommnet wiederholt" ist, so