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Nr. 291.

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Berliner Volksblatt.

23. Jahrg.

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Zelegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutfchlands.

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1983.

Freitag, den 14. Dezember 1906.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Ferniprecher: Amt IV. Nr. 1984.

Der Reichstag   aufgelöst!

Auf zum Wahlkampf!

So ist denn das kaum zu Erwartende Ereignis geworden!] Für die Regierung und die bürgerlichen Augen über die Arbeiterfreundlichkeit" dieser Partei die Augen In den letzten Tagen schwirrte es in der Luft von Krisen- Parteien freilich ist die Situation eine keineswegs rosige. zu öffnen! gerüchten. Schon nach den Kolonialdebatten der vorigen Woche Die Regierung hat geglaubt, alles auf eine Karte Alles, was für das Zentrum zutrifft, gilt in verstärktem sollte Fürst Bülow   mit der Auflösung des Reichstages gedroht sehen zu sollen. Für sie handelt es sich um einen Vorstoß Maße auch für die Konservativen und Nationalliberalen. Aber haben. Diese Drohung konnte nur als ein Druck auf das gegen das parlamentarische Mitbestimmungsrecht des Volkes auch der Freisinn hat ein langes Sündenregister zu ber­Zentrum aufgefaßt werden, es in das kaudinische Joch der überhaupt. Dem Volkswillen soll das persönliche Regiment, antworten. Er zieht in den Wahlkampf, beladen mit der Schmach, folonialen Regierungsforderungen zu zwingen. Aber das die Diktatur des Militarismus, die Cliquenwirtschaft kleiner die füdwestafrikanische Kolonialwirtschaft der Regierung beschirmt Zentrum sperrte sich. Die namenlose Blamage, die es sich aber wirtschaftlich mächtiger Kreise entgegengesetzt werden! So und unterstützt zu haben! Dieselbe freisinnige Volkspartei, selbst durch feine tolonialen Schachergeschäfte, seine fügsam sich das Zentrum immer erwiesen hat, in dem Augen- die bisher unsere Kolonialpolitik in Presse und Versammlungen Hintertreppenschleichereien, und dann weiter durch seine blick, wo es im Interesse seiner Selbsterhaltung den Aber- gegeißelt hatte, deren Redner auch bei der letzten Kolonial­jammervolle Verleugnung des Abgeordneten Roeren zu- witz der Stolonialpolitit nicht mehr unbesehen mitmachen debatte wieder haarsträubende Mißstände des kolonialen Ver­gezogen hatte, suchte das Zentrum durch eine Truß- tonnte, wurde es als unbequeme ,, Nebenregierung" brüsfiert, waltungssystems aufgedeckt hatten: dieser selbe Freifinn setzt seine politik in der Budgetkommission vergessen zu machen. Es ver- verhöhnt und brutal zur Seite gestoßen!

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ganze Straft ein, um dem persönlichen Regiment in der Kolonial­langte dort, daß die Schußtruppe in Südwestafrika vom Und dann stehen die Regierung und ihre Getreuen an der politik zu einem Triumphe über den Volkswillen zu verhelfen! 1. April 1907 ab auf 2500 Mann herabgesezt werde. Ohne entscheidenden Wende der Kolonialpolitik. Man will Welt  - Dieser nämliche Freifinn bietet der Regierung und der Clique diese Zusicherung erklärte es den südwestafrikanischen Nachtrags- politit großen Stils treiben, man will endlich die lang- Kardorff- Arendt die Handhabe, entgegen einem früheren Be­etat ablehnen zu müssen. Bei der entscheidenden Abstimmung ersehnte Kolonialarmee schaffen! Aus Dstasien hat man sich schluß der Reichstagsmehrheit, zu der auch der Freisinn in der Budgetkommission fielen denn auch in der Tat sowohl mit langer Nase zurückziehen und die dortige Besatzungs- gehörte, die brutale, sinnlose Niederhekung der Eingeborenen die Regierungsforderungen als auch der freisinnig- volkspartei- brigade" auflösen müssen. Nun soll in Südwest afrika fortzusehen fortzusetzen bis zum Weißbluten der deutschen  liche Vermittelungsantrag, Borbereitungen" für eine weitere die Kolonialarmee errichtet werden. Mindestens 5000 Mann Steuerzahler, die mit einer Viermilliarden- Schuld an der Reduzierung der auf 8200 Mann festgesezten Truppenzahl vielleicht aber auch noch mehr will man für alle Zeiten, Bumpwirtschaft noch nicht genug haben! Der Freifinn war treffen zu wollen. auch nach Niederheßung des letzten Hottentotten, in Südwest- es, der der Regierung durch seinen famosen Kompromiß­Die Frage war nun die, ob das Zentrum auch im Plenum afrika   belaffen. Diesem Plan konnte das Zentrum nicht antrag die ersehnte Kolonialarmee apportieren wollte! Und fest bleiben werde. Die Haltung der Zentrumspresse erlaubte Vorschub leisten, wollte es nicht der Masse seiner Wähler vor das alles, weil ein smarter Börsenmann Kolonialdirektor feinerlei zuverlässige Schlüsse. Zwar drohte die Germania  " den Stopf stoßen. Gab aber die Regierung nach, so war geworden, weil er durch beispiellose Prospekte im wüsteſten noch am Mittwochmorgen, von ihrer Forderung der Truppen- wieder mal für absehbare Zeit die schöne Gelegenheit zur Gründerstil die Volksvertretung zum Besten gehalten hatte! herabsetzung auf 2500 Mann nicht um Fingers Breite ab- Schaffung der Kolonialarmee verpaßt. Deshalb der Ge- Diese eine Tatsache und die Brüskierung des Zentrums ge­weichen zu wollen; allein in ihrer Abendnummer am Mittwoch waltstreich! Deshalb der Versuch, durch eine Kraftprobe die nügten, um den wackeren Freifinn, der ja fo­gab sie halb und halb zu verstehen, daß das Zentrum auch Kolonialopposition unter die Füße zu treten! lange schon nach der Regierungsgunst geschielt hatte, für den Vermittelungsvorschlag Ablaß   zu haben sein werde! Das Volk wird die Antwort nicht schuldig bleiben! Es mit den Arendt und Genossen in einen tollen Wettlauf Wider Erwarten ist das Zentrum diesmal nicht umgefallen. wird den Angriff auf das parlamentarische Mitbestimmungs- um die Gunst des persönlichen Regiments eintreten zu lassen. Es hat sowohl die Regierungsforderungen abgelehnt, als auch recht wuchtig zurückschlagen. Es wird durch seine Abstimmung Bis auf die Knochen blamiert tritt auch die freisinnige den Antrag Ablaß  . Allerdings bedeutete ja dieser freisinnige dem persönlichen Regiment und allen folonialen Abenteurer Opposition in den Wahlkampf ein! Antrag nichts anderes, als eine verschämte Formulierung projekten eine zerschmetternde Niederlage bereiten!

Für die Sozialdemokratie ist die Wahlparole durch die Ereignisse gegeben. Sie führt den Wahlkampf im Zeichen des Kampfes gegen das persönliche Regiment, zum Schuhe der bedrohten Volksrechte.

Sie kämpft

gegen die uferlose Flotten- und Weltpolitik, gegen die volksaussaugerische Kolonialpolitik, gegen die Befudelung der nationalen Ehre durch koloniale Untaten.

kämpft

gegen die Volksausbeutung durch Zollwucher und Grenzsperren, gegen den Brot- und Fleischwucher, der trotz der momentan günstigen Konjunktur das arbeitende Volt skandalös auspowert.

der Regierungsforderungen! Denn der der Antrag Antrag Ablaß   Das zum politischen Pronunziamento aufgerufene Volf gestand der Regierung die geforderten 8200 Mann für das wird aber darüber hinaus mit der ganzen Regierungspolitik Jahr 1907 zu, nur fügte er den platonischen Wunsch abrechnen. Es wird eine schallende Antwort geben auf die bei, daß Vorbereitungen" für eine tunlichst weitere Ver- Verhöhnung der Volksmassen durch die Mißachtung aller minderung der Truppenzahl getroffen würden. Und da Herr Proteste gegen die Volksaushungerung, durch die Aufrecht­Dernburg rund heraus erklärte, daß die Regierung die 8000 erhaltung des Zollwuchers und der Grenzsperren! Es wird Mann bis zur Fertigstellung des Bahnbaues Kubub- Keetmanns- auch flammenden Protest erheben gegen das Attentat der Regie­hoop gebranchen werde und daß alsdann vielleicht weitere rung, gegen das berüchtigte, von der Arbeiterschaft aller 1000 Manu entbehrt werden könnten, wäre ein Eintreten des Parteien bekämpfte Gesetz zur Erdrosselung aller energisch um Zentrums für den Antrag Ablaß   nichts anderes gewefen als die gebung der proletarischen Klassenlage kämpfenden Ge- Sie eine neue schallende Ohrfeige, die sich diese ohnehin so schwer werkschaftsorganisationen! fompromittierte Partei vor aller Deffentlichkeit selbst versetzt Aber auch die bürgerlichen Parteien werden vom hätte! Aber die Möglichkeit des Ertragens solcher Blamagen Wolfe bei der Neuwahl den gebührenden Denkzettel erhalten. hat denn doch ihre Grenzen. Wenn das Zentrum nicht einer Voran das Zentrum. Seine verspätete Ablehnung der neuesten Ratastrophe entgegensteuern und sich selbst für 1908 das Grab tolonialen Zumutungen vermag die Mitschuld des Zentrums Sie fämpft schaufeln wollte, mußte es auch den Antrag Ablaß   ablehnen! an der abenteuerlichen Kolonialpolitik, die uns viele Hunderte Da nun aber der Reichskanzler gleich eingangs der von Millionen und Tausende von Menschenleben gekostet hat, Reichstagssigung die dürre Erklärung abgegeben hatte, daß nicht wieder gut zu machen. Das Zentrum wird zur Rechen­die Regierung sich auf keinen Fall einem ablehnenden Votum schaft gezogen werden für die schweigende Duldung all der un­der Reichstagsmehrheit unterwerfen werde, blieb nichts anderes geheuerlichen Kolonialgreuel, die es gekannt hatte, ohne da­übrig als die Reichstagsauflösung. gegen vorzugehen! Aber das Zentrum wird sich auch zu ver- Sie kämpft antworten haben wegen seiner dem Brot- und Fleischwucher ge­leisteten Helfersdienste. Die bodenlos alberne und provozierende Rede des Abgeordneten Gerstenberger über die Fleisch­Und in der Tat: Wir fürchten die Konsequenzen unserer not wird bei dem Wahlkampf nicht vergessen werden. Auch Politik nicht! Die Sozialdemokratie ist frendig bereit, mit die jammervolle, verräterische Haltung des Zentrums bei der der Regierung und der ganzen bürgerlichen Reaktion den Tanz Beratung des Anti- Gewerkschaftsgesetzes wird dazu dienen, zu wagen!

Die Verlesung der kaiserlichen Drder, die die Auflösung verkündigte, rief im Hause ungeheuere Sensation, bei der Sozialdemokratie aber stürmisches Beifallsklatschen hervor!

gegen die neue Zuchthausvorlage, das neue Anti­gewerkschaftsgesek, durch das die mühsam unter namenlosen Opfern aufgebauten Gewerkschafts­organisationen entmündigt und zertrümmert werden sollen!

für Befreiung der arbeitenden Mehrheit des Volkes vom Joche der herrschenden Klasse, für politische und soziale Gleichberechtigung aller Glieder des Volkes, für Freiheit und Recht!

Der Kampf ist uns entboten, nehmen wir ihn auf mit

I vielen Tausenden von proletarischen Zentrumswählern die aller Tatkraft!

Vorwärts für Recht, für Kultur und Gesittung!

Hinein in den Wahlkampf!