Nrtrt ohne Widerspruch das Lob spenden, daß er„endlich mitd«« elenden Bertuschungssy st em gebrochen habe'!Mag die«Freis. Ztg.' weiter zu schwindeln versuchen, wir werdenhl« feigen Winlelzüge stets von neuem entlarven I—Wanzentaktik.Die»Kreis. Ztg." hatte die phänomenale Albernheit begangen,ausgerechnet der»Leipziger Volksztg.' Verschleierung deSfozialisttschen Endziels vorzuwerfen, weil sie beim Abdruck desKrakttonSaufrufs die Stelle, in der eine„durchgreifende Umwandlungunserer ökonomischen und polittschen Zustände gefordert wird, ab-> sichtlich ausgemerzt und dafür nur die Notwendigkeit einer»Reform von Grund auS" gefordert habe. Wie unsere Leser bereitswisien, wies die„Leipziger Volksztg." diesen beispiellos läppischenAnwurs mit der einfachen Feststellung der Tatsache zurück, daß sieden Entwurf in seiner ersten Fassung veröffentlicht habe, da ihrbis zum Redaktionsschluß der betreffenden Nummern die von derSiedaktionskommission überarbeitete Fassung noch nicht zugegangengewesen sei.Nimmt daraufhin nun die„Freis. Ztg." ihre Anschuldigungzurück? Das fällt ihr gar nicht ein. Sie legt an die WahrheitS-liebe einer sozialdemokratischen Redaktion den freisinnigenMaßstab und bezweifelt die Richtigkeit der gegebenen Dar-stellung. Dann aber fährt sie fort:»Sollte eS aber wirklich so sein, wie die„Leipziger Volks-zeitung* behauptet, dann ist die Sache für die Sozial-demokratie noch blamabler. Dann hat die verflosseneReichStagSfraltion, von der der Aufruf ausgeht, nicht gewagt, indem ganzen Schriftstück auch nur an einer einzigen Stelleden sozialdemokratischen Z uku n f t S st a a t, sei eSauch nur ganz verschämt, zu erwähnen. Erst derRedaktionskommission ist zum Bewußtsein ge-kommen, ein wie trauriges Zeugnis sich die ReichstagSfraktion da-durch ausgestellt hat, und sie hat wenigstens die„sozialistischeGrundlage' bescheiden an einer nicht hervortretenden Stelle nach-träglich eingeflickt."Die„Freisinnige Zeitung' hat sich zu dermoralischen Rhinozeroshaut, die seinerzeit der neue Begönnerer desFreisinns, Fürst Bülow, rühmte, scheinbar auch noch den Schädel-inhalt dieses diplomatischen Wappentieres zugelegt. Sonst könntesie solchen Blödsinn unmöglich zu Papier bringen.Wie stellt sich denn das Blatt des Herrn Müller-Sagan die Ab-fassung des Fraktionsaufrufs eigentlich vor? Glaubt es, daß samt-ljche 78 Abgeordnete den Entwurf abgefaßt hätten? Der Entwurfkonnte doch nur von einem Abgeordneten stammen. Er wurdeder Fraktion vorgelegt. Die Abgeordneten machten ihre Ausstellungenund übertrugen dann der Redaktionskommission, die selbstverständlichwiederum nur auS Abgeordneten bestand, die Aufgabe, ihrenWünschen gemäß die endgültige Fassung des Auftufs festzustellen.Gerade dem Auftrage der Fraktion gemäß wurde also die betreffendeschärfere und prinzipielle Formulierung des Aufrufsgewählt.Und dieser Borgang ist für die Sozialdemokratte„nochblamabler".Aber die„Freis. Ztg." wird auch jetzt noch nicht revozieren.Sie übt die Wanzentaktik, noch zu stinken, wenn sie totgequetschtwird!Ein freisinnig-nationalliberales Kartell in Westfalen.Das Berliner„Tageblatt" meldet am Donnerstagabend:Die von den Nationalliberalen in den WahllreisenHagen-Schwelm und Altena-Jserlohn ergriffeneJninative zu einem gemeinsamen Vorgehen mit denF r ei sinn i g e n hat ein Resultat gezeitigt. In gemeinsamer Besprechungist gestern eine Einigung dahingehend zustande gekommen, daßals Kompensation für die Unterstützung, die dieNationalliberalen dem Freisinn in Hagen-Schwelm undAltena-Jserlohn angedeihen lassen, die freisinnige Volksparteifür die N a t i o n a l l i b e r a l e n in den Wahlkreisen Hamm«Soest, Bielefeld-Wiedenbrück, Herförd-Halle,Dortmund-Hörde und Bochum-Gelsenkirchen bereitsim ersten Wahlgange eintritt, Bezüglich des WahlkreisesMinden-Lübbeke ist beiden Parteien freie Hand gelassenworden. Wahrscheinlich werden dort die Nationalliberalenden konservativen Kandidaten unterstützen, da die konser-vative Partei den Nationalliberalen Wahlunterstützung in Biele-feld-Wiedenbrück bereits für den ersten Wahlgang zu-sicherte.Die Meldung wird für unsere Genossen in Westfalen ein Anspornzu umso intensiverer Wahlarbeit sein I Die Verbindung der beidenliberalen Bankrotteure soll die Pleite nicht verhindem!Der Reichsverbandsgeneralissimus auf der Strecke!Noch vor der Wahlschlacht ist der Generalissimus des Reichs-Verbandes zur Verleumdung der Sozialdemokratie auf der Streckegeblieben— Generalleutnant v. Liebert, der 1003 als nattonalerKandidat gegen den Genossen Pens im Wahlkreise Brandenburgsieglos kämpfte, soll nicht wieder aufgestellt werden! In einer Ber-sammlung der Brandenburger Wahlvereinigung hat der VorsitzendeOberlehrer Dr. Görke erklärt, an eine Aufstellung Lieberts sei nichtwieber zu denken, die Kandidatur fei eine recht unglückliche gewesen.Da ein Widerspruch auS der Versammlung nicht erfolgte, ist an«zunehmen, daß die Anwesenden mit dem Ausspruch Dr. Görkes ein-verstanden waren.Armer Liebert I So werden seine Verdienste ums Vaterlandbelohnt, so seine glänzende Strategie an der Spitze des glänzendenReichsverbandes IDer Hänge-Peters„nationales Kandidat!Die„Münchener Po st' teilt mit. sie habe erfahren, daßder Kolonialheld Dr. Karl Peters, ReichZkommissar a. D.. für dieLiberalen im Wahlkreise München I kandidieren wird!Das ist denn doch eine Zumutung an die Wähler, die allesbisher Dagewesene in den Schatten stellt. Unsere Genossen könnensich freilich einen angenehmeren Gegenkandidaten kaum wünschen.In derselben Notiz bemerkt unser Münchener Parteiorgan zu derauch von uns gestern schon wiedergegebenen Meldung, daß Peterswegen der in den Nummern 23S und 286 der„Münchener Post"enthaltenen Artikel Hänge-Peters im Neuen Verein und Hänge-Peters über Nationalpolttik Privatanklage und Strafantrag gestellthabe;„Bravo! So wird der PeterS-Skandal wohl am Amts-gerichte in der Au eine weitere öffentliche Beleuchtung erfahren.Wir werden dafür sorgen, daß das Bcweisverfahren den entsprechenden Umfang annimmt, und hoffen, daß die Sache nochvor dem 25. Januar zum AuStrag kommt."...Da Peters kandidieren werde, meint die„Münchener Post'weiter, so habe er ja auch das größte Interesse an einer raschenöffentlichen Reinigung.(Hm. hm!)Uebrigens wußten die„Hamb. Nachr." dieser Tage mitzuteilen,baß«von zuständiger Stelle" Verhandlungen eingeleitet stlen, wonach Dr. Karl Peters in einem Hanno Derschen Wahlkreiseals Reichstagskandidat aufgestellt werden solle. Selbst den national-liberalen„Hannoverschen Courier" ergriff bei dieser Meldung eingelinder Grusel. Er schrieb dazu:„Man braucht nicht in das Horn der sozialdemokratischenllebertreibungen zu stoßen, um diese Kandidatur gerade imgegenwärtigen Augenblick recht ungeeignet zu finden und jeden-» falls nationalliberalen Parteigenossen ein solchesExperiment entschieden zu widerraten."Was sagen die Münchener Liberalen dazu? Haben sie mehrschneid als die Hannoveraner?»Für den Wahlfonds.Die Genoffen zu Dessau beschlossen in einer Versammlungder Mitgliedschaft Dessau des sozialdemokratischen Wahlvereins, fürden Monat Januar einen doppelten Beitrag zu zahlen.Ein Zeichen erfreulichen Opfermutes bietet folgenoe Zuschrift, die derStraßburger. Freien Presse" am Tage nach der Auf-lösung des Reichstages zuging:„Beifolgend erlaube ich mir, für die ReichstagSwahlen einenkleinen Beitrag zu senden. Leider ist es blutwenig, was ich gebenkann, aber eS kommt aus Opfermut für die heilige Sache, nebenbeibemertt. ist eS der letzte Inhalt meines Portemonnaies.Später mehr.0.81 M. in Marken. Ein armer Schulmeister.'Zur Nachahmung empfohlen.Internationale Solidarität.Der Landesausschuß der deutschen und österreichisch-ungarischen Sozialdemokraten der Schweiz erläßteinen Aufruf, in dem er zu Geldsammlungen für den deutschen Wahl-fonds auffordert. Es sei heiligste Pflicht, die kämpfenden Brüder inDeutschland finanziell hilfreich zu unterstützen. Die deutsche Sozial-demokratie müsse aus dem Wahlkampfe als Siegerin hervorgehen,wenn sie der politischen und wirtschaftlichen Knebelung und denStaatsstreichsgelüsten energisch Halt gebieten wolle.Aus den Wahlkreisen.Rheinland.Die Parteigenossen von K ö l n- S t a d t und Köln-Land,die für diese beiden Wahlkreise eine gemeinsame Parteiorganisationhaben, sind am Dienstagabend mit einer überfüllten und begeisterndverlansenen Generalversammlung des Sozialdemokratischen Vereinsin die Wahlbewegung eingetreten. Es herrschte von Beginn bis znEnde der Versammlung eine herzerfrischende Einmütigkeit und eineentschlossene Kampf- und Sieges stimmung. Aus allen Redenklang der feste Wille, diesmal den Wahlkreis Köln-Stadt zu erobernund dem doppelzüngigen Herrn Trimboru vom Zentrum die Gelegenheitzu nehmen, fürderhiu im Reichstage sein sozialpolitisches Deniagogen-spiel zu treiben,— Als Reichstagskandidai für den Wahlkreis Köln-Stadt wurde wieder Genosse Adolf Hofrichter aufgestellt, derschon seit mehreren Wahlen als solcher fungiert. Für Köln-Landwurde die Aufstellung des Kandidaten noch nicht vorgenommen,weil infolge der Plötzlichkeit der Ereignisse die Personenfrage nochnicht geregelt werden konnte.Für Aachen-Stadt wurde Genosse Jakob Honrath»Aachen als Reichstagskandidat aufgestellt.Rheinpfalz.Am Sonntag, den 23. Dezember, finden in allen pfälzischenReickstagswahlkreisen Konferenzen statt, um die Organisation für dieWahlen in Angriff zu nehmen sowie die Kandidaten aufzustellen.Am 30. Dezember wird das erste Wahlflugblatt in der ganzen Pfalzzur Verteilung gelangen.Auch die öffentliche Agitation hat bereits eingesetzt. Am Sonntagund Montag fanden in S p e y e r, Lambsheim und Ludwigs-Hafen stark besuchte Wählerversammlungen statt, in denen der bis«herige Abgeordnete des Kreises, Genosse Ehrhart, über die Auf-lösung des Reichstages sprach. Seinen Ausführungen wurde überalllebhafter Beifall gespendet. Im Lause der Woche finden weitereVersammlungen statt. In den übrigen fünf Wahlkreisen wird dieAgitation während der Weihnachtsfeiertage beginnen, lleberall istdie Stimmung unserer Genossen ausgezeichnet. Der 25. Januardürste zeigen, daß auch in der Rheinpfalz die Sozialdemokrattemarschiert.Elsaß.Mülhausen, 18. Dez. Das Parteikomitee des sozialdemo-kratischen Wahlvereins Mülhdusen hielt am Montag eine Kreis-Versammlung ab behufs Stellungnahme zur ReichstagSwahl. Nachlängerer Diskusston wurde in geheimer Abstimmung der Kandidatbei den ftüheren Reichstagswahlen Leopold Emme! wiederum alsKandidat aufgestellt.Der bisherige Abgeordnete, Fabrikant Theodor Schlum«berger. will„aus Gesundheitsrücksichten" eine Kandidatur nichtmehr annehmen. An seiner Stelle soll als Kandidat der Liberalenund Demokraten Fabrikant Schoff, Bürgermeister von Pfastatt, auf-gestellt werden. Die katholische Volkspartei hat zur Kandidatenftagenoch nicht Stellung genommen, indessen ist mit absoluter Sicherheitanzunehmen, daß auch von dieser Seite ein Kandidat aufgestellt wird.Posen.Als sozialdemokratische Kandidaten sind für den WahlkreisBromberg der Schriftsteller Georg Ledebour« Berlin undfür den Wahlkreis Wirsitz«Schubin der ArbeitersekretärFriedrich R e i tz- Bromberg aufgestellt worden.Berzichtleistungen.Von bekannteren Parlamentariern, die nicht wieder kandidierenwollen, sind zu nennen v. K a r d o r f f, bisher Vertreter vonWartenberg-Oels(frei!.) und Dr. Müller- Sagau, bisherVertreter von S a g a n- S p r o t t a u(frs. Vp.). Kardorff gibt alsGrund sein hohes Alter an er ist 78 Jahre alt. Dr. Müller-Sagau resigniert mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand. ImWahlkreise Offenbach-Dieburg will Dr. Becker, der 1903unseren Genossen Ulrich verdrängte, das Wahlglück nicht wieder ver«suchen. Abgesehen davon, daß unsere Genossen wacker gearbeitethaben und hoffen dürfen, den Wahlkreis aus eigener Kraft wiederzu erobern, ist die jetzige Situation auch deshalb für die Nattonal-liberalen ungünstig, weil sie 1903 nur mit Hülfe des Zentrums siegenkonnten.Das rheinische Zentrumim AaWampf.„Die Kölner Zentrumspartei, die am Dienstagabend ihrenWahlfeldzug mit einer großen Versammlung eröffnete, will, wieder ReichStagSahgeordnete Trimborn unter dem Beifall derVersammelten erklärte, den Kampf nach zwei Fronten führen:gegen daS absolute Regiment und gegen die„R e v o l u t i o n", dasheißt die sozialdemokrattsche Partei. Nach der„Köln. Bolksztg."sagte Trimborn:„Hinter der Aktion(der Reichstagsauflösung) stehen tv e i t-reichende Pläne.(Sehr richttgl) Diese Pläne zeigen auchden ganzen Ernst der Situation! Es handelt sich hier nichtdarum, ob für die Kolonien ein paar Millionen mehr oder wenigerzu bewilligen seien, sondern darum, ob daS B e w i l l i g u n g S»recht des Reichstags aufrecht erhalten und seineBedeutung behalten soll, oder ob eS genügt, daß jemand mit demSäbel auf den Boden stampft und sagt: Die Kommandogewalthat geredet, der Reichstag hat zu schweigen.(Stürmischer Bei»fall.) Vor dem Kommandosäbel weichen wir nicht zurück!(Händeklatschen und langanhaltendcr Beifall.) TeiS, was wirzu bewilligen haben oder nicht, haben wir nach pflichtmäßigcmfreien Ermessen zu prüfen und zu erwägen, und dann habenwir darüber abzustimmen. Da lassen wir uns nicht komman-dieren.(Stürmischer Beifall.) Wenn wir uns auf den Stand-Punkt stellen wollten, daß die Berufung auf die Kommandogcwaltfür uns genügt, um jede beliebige Forderung zu bewilligen,bann können wir ruhig den Reichstag zumachen, demabsoluten Regiment und dem ZäsarismuS denWeg freigeben! Dazu werden wir uns nieinals hergeben!(Lebh.Beifall.) Auf der anderen Seite steht eine Partei, die vonvielen Seiten beschuldigt wird, daß sie die Gesellschaftsordnunggewaltsam umstürzen wolle. Auch auf diesen Boden werden wirniemals treten..(Stürmische Bravorufe.), Wr wollen keinenZäsarismus, kein absolutes Regiment, aber auch keineRevolution; wir sind eine Verfassungspar teil(Stürmischer Beifall.) Als die große starke Verfassungspartei,alsdieSäulederOrdnung stehen wir da im gegenwärtigenMoment."Zum Schluß verhieß Trimborn eine scharfe Tonart gegen dieRegierung:„Man kann ja einen Wahlkampf führen, wo die Regierungals Beteiligte daneben steht, wo mehr oder weniger die Sonneder Regierungshuld scheint— uns hat eine solche kaum jemalsgeschienen—, man kann aber auch einen Wahlkampf führenin der Luft der scharfen Opposition!(StürmischerBeifall.) Daß wir das können, werden wir den Herren dortoben schon zeigen.(Erneuter großer Beifall.) Zahlreiche Zu-schriften an mich geben den Ausdruck wieder, daß in unserenReihen eine große Erbitterung herrscht über die Behandlung,die man uns hat angedeihen lassen.(Lebhafte Zustimmung.)Wir haben als Partei auch eine Ehre, und diese werden wir zuverteidigen wissen, und wir werden der Erbitterung,in die man uns versetzt hat, schon geeignetenAusdruck geben; die Taten sollen folgen!(Lebhafte Zu-sttmmung und Händeklatschen.)"Daß Trimborn die Sozialdemokratte ohne weiteres mit derRevolution indentifizierte, natürlich mit der. Revolution im Heu-gabelsinne, ist begreiflich, sitzt doch in Köln die Sozial-demokratie dem Zentrum fest im Nacken; und untersolchen Umständen erscheint den führenden Herren die Herauf-beschwörung des roten Gespenstes zur Aengstigung der gegen dieLebensmittelverteuerungspolitik des Zentrums aufsässigen klein-bürgerlichen Elemente als recht nützlich. Im Kölner Stadtkreiserhielten bei der Wahl im Jahre 1903 unsere �Partei 13 291, daSZentrum 15 649, die Nationalliberalen 6223 Stimmen. In derStichwahl siegte der Zentrumskandidat mit 19 526 gegen 16 095Stimmen. Im Kölner Landkreis erhielten wir 13 247, das Zen-trum 20 604, die Nationalliberalen 3609 Stimmen.poUtilcbe Qcberlicbt»Bertin, den 20. Dezember.Kaiserworte.In seiner am Dienstagbbend im zweiten Berliner Wahl-kreis gehaltenen Rede hat nach dem Bericht unseres Blattesder Genosse Richard Fischer gesagt:„Gefühl für nattonaleWürde, nattonale Ehre, verlangt man nun vom deutschenArbeiter, den man so lange als vaterlandslosen �Gesellenbezeichnet hat! Wir kennen das Gerede, haben esvordem oft gehört, allemal, wenn der Kampf gegendie Sozialdemokratie, gegen das Volk geführt werden sollte."Diese Aeußerung scheint in den sogenannten maßgebendenKreisen peinlich berührt zu haben, denn die„Nordd. Allgem.Ztg." bringt an der Spitze ihrer Rubrik„Wahlkamps"folgende Nottz:„In den gestrigen Wahlversammlungen der Berliner Sozial«demokraten ist die Zerstörung der nationalen Gesinnung unter dendeutschen Arbeitern wieder mit Hochdruck in Angriff genommenworden. Ein Redner erlaubte sich die Aeutzerung:„Gefühl fürnattonale Würde, nationale Ehre verlangt man nun vom deutschen Ar-beiter, den man so lange als vaterlandslosen Gesellen bezeichnet hat!"Sollten nicht viele von den Versammelten empfunden haben, daßihnen hiermit eine zynische Unwahrheit ins Gesicht geworfenwurde? Niemand hat den deutschen Arbeiter als vaterlandslosenGesellen bezeichnet, am allerwenigsten der Kaiser, aufden der Satz natürlich gemünzt war. Gerade derKaiser hat immer daran festgehalten, daß die Gesinnungeiner bestimmten Klasse sozialdemokratischerAgitatoren nicht die Gesinnung der deutschenArbeiter ist. Wie könnte es auch anders sein, da doch zahl-reiche Söhne deutscher Arbeiter gegenwärtig für die Ehre desReiches in Südwestaftila kämpfen, wie ihre Väter vor Metz,Sedan und Paris gefochten haben!"Die Behauptung, der vom Genossen Fischer geäußerteSatz sei auf den Kaiser gemünzt, beruht auf einer bloßenVermutung des Regierungsblattes. Wenn ihn aber das Blattgern auf die Person des Kaisers beziehen will, haben wirkeinen Anlaß, es in diesem Bergnügen zu stören und sindgern bereit, zu beweisen, daß Wilhelm IL sich mehrfach inähnlicher Weise.geäußert hat.Einige Beispiele genügen.Auf deni Mahl im weißen Saale deS königlichen Schlosseszu Berlin nach der Tempelhofer Hcrbstparade sagte imSeptember 1895 der Kaiser:Doch in die hohe, große Festesfreude schlägt ein Ton hinein,der wahrlich nicht dazu gehört I Eine Rotte von Menschen, nichtwert, den Namen Deutscher zu tragen, wagt es, das deutsche Volkzu schmähen, wagt eS, die uns geheiligte Person des allverehrtenverewigten Kaisers in den Staub zu ziehen. Möge das gesamteVolk in sich die Kraft finden, diese unerhörten Angriffe zurück-zuweisen I Geschieht es nicht, so rufe ich Sie, um der hoch-verräterischen Schar zu wehren, um einen Kampf zuführen, der uns befteit von solchen Elementen.Als am 24. April 1897 Prinz Heinrich zur Jubiläums-feierlichkeit nach England fuhr, erhielt er vom Kaiser folgendevon ihm vor der Mannschaft des Flaggenschiffes, KönigWilhelm" verlesene Depesche:„Ich bedauere ttef, daß ich Dir zu der Feier kein besseresSchiff als den„König Wilhelm" zur Verfügung stellen kann,während andere Nationen mit ihren stolzen Kriegsschiffen glänzenwerden. Dies ist die traurige Folge des Ver-Haltens jener Baterlandslosrn, welche die Anschaffung der not-wendigsten Schiffe zu hintertreiben wissen. Ich werde aber nichteher rasten, bis ich meine Marine auf dieselbe Höhe gebrachthabe, auf der sich die Armee befiudet."Vielleicht wird die„Nordd. Allgem. Ztg." einwenden, derAusdruck„ Baterlandslose" beziehe sich nicht nur aufdie Sozialdemokratie, sondern auch auf die anderen Parteien,welche damals die Flottenforderungen abgelehnt hatten. Dasist richtig, und gern sind wir bereit zu konstatieren, daß schondamals die Parteien, die nicht blindlings alle gefordertenMilitär- und Marineforderungen bewilligten, als„vaterlandslos" bezeichnet wurden— was jedoch nicht hinderte.daß sie später bei anderen Gelegenheiten wieder offiziell als„patriottsch" eingeschätzt wurden.Ferner sagte am 3. August 1900 der Kaiser zu den vonihm„dekorierten" Arbeitern des Norddeutschen Lloydund der Hamburg-Amerika-Linte mit Bezug ausdie Hamburger Aussperrungen:„Die Auszeichnungen, die ich Euch verleihe, sollen meine An-erkennung sein, aber auch zugleich ein Ausdruck meiner Zufrieden-hvit, daß Ihr nicht dem schlechten Beispiel der durch vater-landslose Agitatoren verführten ArbeiterHamburgs gefolgt seid... Ehrlos der, der im Moment derGefahr sein Vaterland im Stiche läßt."Nun macht allerdings der Kaiser einen Unterschied zwischenden.Agitatoren" und.Hetzern" und der grotze«