undNationaNiberalen entbrennen, obgleich einzelneliberale Zeitungen von einer liberalen Aera schwärinen, sie alsodem Zentnmi glücklich auf den Leim gekrochen sind....Wie soll nuu aber eine liberale Mehrheit im Reichstage zu-staube kommen? Nationalliberale, Freisinnige Vereinigung, Frei-sinnige Volkspartei und deutsche Bolkspartei zählten im altenReichstage 37 Mitglieder sSI-j- 10-f 20+ 6). Mit 70 Sozial-demokraten hatte diese«Linke" llili Sitze inne. Damit eine Mehr-heit der Linken zustande käme, müßten diese Parteien 33 Sitzemindestens gewinnen. Nun richtet sich der Kampf der Freisinnigenund Nationalliberalen aber vielfach gegen die Sozialdemokraten,andererseits müsse»' sie Mitglieder der Rechten gegen dieSozialdemokratie unterstützen. Sie müssen einfach, weil dienational empfindenden Wähler es verlangen werden. Man darfdaher erwarten, daß die Sozialdemokraten eher einige Sitze ver-lieren als gewinnen werden. Selbst wenn nur der kleinste Teildes Gewinnes der Rechten zufällt, ergibt sich für die gesamte Linkekein Gewinn, da die nationale Linke nur ihre möglicheHülfS-trupp e, die Sozialdemokratie, schwächt."Der Freisinn verfällt seinem verdienten Los: dem Spott seinereigenen Verbündeten über seine kindischen politischen Luft-spiegelungen. Mtl nackten Worten wird ihm bedeutet, daß er ein-fach der Reaktion Handlangerdienste zu leisten hat, ohne auf irgend-welche Gegenleistungen rechneu zu können!Und die Ausführungen des.Reichsboten" sind absolut unbcstreit-bar. Eine„liberale Aera" wäre nur dann möglich, wenn derLiberalismus geschlossen mit der Sozialdemokratiein den Wahlkampf gezogen wäre. Das wäre freilich nur dannmöglich gewesen, wenn es noch einen wirklichen Liberalismusgegeben hätte I Daß aber in Deutschland niemals mit einerwirklich liberalen Opposition zu rechnen ist, daß die Schlacht ge-schlagen werden muß zwischen Sozialdemokratie und geeinterReaktion, das beweist gerade die eigenartige Konstellation diesesWahlkampfes I-Ein Preisausschreiben!Die„National-Zeitung", das führende Organ der national-liberalen Kolonialphantasten, hat zu Weihnachten ein klassischesPreisausschreiben erlassen. Es lautet:Ein Preisausschreiben:Drei PreiseMark 2000. Mark 1000, Mark 500in barfür die drei besten Antworten auf die Frage:Wie machen wir unsere Kolonien rentabel?Es gibt keine fanatischeren Kolonialschwärmer als die innerhalbder nationalliberalen Partei, als die Herren Paaschs, Semlerund Konsorten IGerade die genannten beiden Herren haben ja die Kolonienbereist und diverse Bücher über unsere„herrlichen Kolonien" ge-schrieben. Und trotzdem sieht sich jetzt die»N a t.- Z t g." veranlaßt,ein solche? Preisausschreiben zu erlassen!Hoffentlich beteiligen sich auch die Herren Wörmann,TippelSkirch und Podbielski an dem Preisausschreiben.Für s i e wäre die Beantwortung der Frage doch ein Kinderspiel I—Zur Fleischteuerung.Die Regierung hat bekanntlich bor kurzem sich zu dem gering-fügigen Zugeständnis bequemt, daß frisches Fleisch als Eilgut zugewöhnlichen Frachtpreisen befördert werden soll. Hinterher scheintihr diese Konzession jedoch wieder leid geworden zu sein, denn siehat dieselbe, wie jetzt bekannt wird, auf Rind- und Hammelfleischbeschränkt. Von einer Hamburger Fleischwarenfirma wird der„Voss. Ztg." geschrieben:„Die königl. Eilgutabfertigung in Halle a. S. teilt uns mit,daß die Versetzung von Fleisch frisch geschlachteten Viehes inden Eilgutspezialtarif ffich nur auf� frisches Fleisch von Zwei-hufern bezieht, also von Rindern, Schafen u. a. Es muß dem-nach bei der Versendung von Fleisch im Frachtbriefe immer an-gegeben werden, von welchen Tieren das Fleisch ist."Da Schweinefleisch von dem Versand ausgeschlossen ist, wirdvas Zugeständnis der Regierung um die Hälfte geschmälert. Slusder Beantwortung der Fleischnotinterpellation im Reichstage durchden Grafen Posadowskh war nicht zu entnehmen, daß Schweine-fleisch auch fortan noch den vollen Tarif zu tragen habe. Vielleichthat die Regierung nachträglich geglaubt, die dem Volke zu ge-währende Gabe sei zu groß, wenn auch das Schweinefleisch etwasverbilligt werde.—Hustand.Frankreich.Gesetzgeberische Borarbeiten.Die Klabiersteuer hat der Finanzausschuß des Senates ab-gelehnt; dagegen beschloß er. die Erhebung einer Steuer von10 Frank für jede Million des bei Gesellschaften versicherten Kapi-tals in Vorschlag zu bringen.Der Ministerrat begann unter dem Vorsitze Clämenceaus diePrüfung des Gesetzentwurfes, nach welchem die Kriegsgerichte aus-nahmslos abgeschafft und die Militärpersonen für Verbrechen undVergehen gegen das gemeine Recht vor den Z i v i l g e r i ch t e nabgeurteilt werden sollen, jedoch unter Erhöhung des Strafmaßes.— Der Gesetzentwurf erkennt ferner nur dem Hauptmann dasRecht der Strafgewalt zu. doch kann der Bestrafte beim Disziplinar-gericht des Regiments Berufung einlegen.—Dänemark.Die Einheitsschule und die Sozialdemokratie.Auf Grund des im Jahre 1003 beschlossenen Gesetzes über dieallgemeinen Schulen ist es den dänischen Kommunen möglich ge-macht, an Stelle der Gemeinde- und der Bürgerschulen E i n h e i t s-schulen zu gründen, die allen Kindern, ob grm. ob reich, dengleichen Unterricht bieten, und zwar in der Weise, daß die be-jähigten Kinder das Reisezeugnis zuin Gymnasium erlangenkönnen. Daß diese Schulreform zur Tatsache wird, hängt in deneinzelnen Städten lediglich von der Zusammensetzung der Ge-meindevertretuna ab oder— mit anderen Worten— davon, daßdie Sozialdemokratie Macht und Einfluß genug hat, um dieKlassenunterschiede im Schulwesen zu beseitigen. Nach dem nochimmer geltenden kommunalen Zweiklassenwahlrecht hat nun dieallgemeine Wählerklassc in den Stadtgemeiudcn einen Stadt-verordneten mehr zu wählen als die höchstbesteuerte Klaffe. BeiBeschlüssen des Gemeinderates hängt jedoch die Entscheidung inZweifelsfällen von der Stimme des von der Regierung ernanntenBürgermeisters ab! In Aarhus hat der„liberale" Bürger-iiteifter so vorläufig die Gründung der Einheitsschule hintertrieben.Tort sitzen 10 Sozialdemokraten und 0 Konservative im Gemeinde-rat. Der„liberale" Bürgermeister stimmte mit den Konservativen.Unser Parteigenosse Harald Jensen sagte dem liberalen Herrnsamt seinem konservativen Anhang, daß sie eine Torheit begangenhätten, da ja nach Durchführung der bevorstehenden Reform desGemcindewahlrechtö die Einheitsschule doch gesichert sei.Uebrigens ist die Schulreform trotz des Zweiklassenwahlrechtsschon in Holbäk, Älalborg und einigen anderen Städten beschlossenworden. In Aalborg, wo die Sozialdemokratie bei der Wahl imvorigen Jahre sämtliche Mandate der allgemeinen Wählerklasse er-oberte und auch im Schulausschutz die Mehrheit hat, besuchten bis-her 1200 der im ganzen ungefähr 4200 Schulkinder der Stadt dieBürgerschule, die übrigen die Freischule. Nach der neuen Ordnungbesteht für die Gemeinde nur noch die„Volksschule", die 7 Klaffenpmfaßt, von denen die 4 untersten die„Grundschule" bilden, unddie 3 oberen die„Mittelschule", in der den befähigten Schülern—LevtvlV. Redakteur: Han» Weber, Berlin. Lnferatenleil verantw,:unentgeltlich wie in der Volksschule— so viel Unterricht gebotenwird, daß sie ins Gymnasium übertreten können.—Die Ausgaben der Stadt erhöhen sich durch die Einheitsschuleum nicht mehr als 2ö 000 bis 20 000 Kronen im Jahre. Die„Bürgerschule", die nun verschwindet, wurde Mitte des vorigenJahrhunderts errichtet mit der Begründung, daß die besser gestelltenKinder nicht auf einer Schulbank mit den Kindern sitzen sollten,„die durch Arbeit in Fabriken zu ihrem Unterhalt selbst beitragenmüssen!"— Man sieht, welch ein Umschwung der Anschauungenin wenigen Jahrzehnten durch die unermüdliche Tätigkeit derSozialdemokratie herbeigeführt werden kann.Australien.Die Strastenbayncn von Adelaide hat der Staat(Südaustralien)durch ParlamentSbeschluß übernommen. Eine Anleihe von 280 000Pfund Sterling soll es dem Staate ermöglichen, die Bahnen käuf-lich an sich zu bringen. Ter Betrieb wird sofort in den elektrischenumgewandelt werden.—Reuseeland hat mit Südafrika einen Handelsvertrag aufGegenseitigkeit abgeschlossen, der vom 1. Januar an in Kraft tritt.Man verspricht sick von ihm eine starke Belebung des Handelszwischen beiden Ländern.—Euq der Partei.Der Parteitag der tschechischen Sozialdemokratieirat am Sonntag, 23. Dezember, zu Prag zusammen. Nahezu400 Delegierte waren erschienen, daneben zahlreiche Gäste. Unteranderem waren anwesend die Reichsratsabgeordneten H y b e s chund C i n g r und sämtliche neugewählten tschechischen Landtags-abgeordneten aus Mähren. Die Parreivertretung der deutichenSozialdemokratie Oesterreichs war durch Seliger vertreten. Fernerwar als Vertreter der rulhenischen Sozialdemokratie RußlandsM o w a erschienen. Das Internationale Sekretariat in Brüssel hatteein Begrüßungsschreiben gesendet.Die Verhandlungen des ersten Tage? bewerten sich um dieBerichte der Parteivertretung, aus denen wir die wichtigsten An-gaben bereits gebracht haben. Einige Redner äußerten Unzufriedenheitmit den deutsch-österreichiichen Genossen, die die Tschechen zu wenigberücksichtigten. Mährilch-Prag warf dem Genossen Adler vor, daßer sich im Parlament allzusehr wie ein Hofral benoinmen habe.Zum iiilernatiouaten Kongreß in Stuttgart soll jede der dreißigOrganisationen der Partei einen Delegierten entsenden, damit dieStärke der Partei auch nach außen zum Ausdruck komme. DerReferent zu diesem Punkte, Genosse Ncinec, erklärte, daß auch dieTschechen ein Interesse daran hätten, sich in der Internationale zurGettung zu bringen.Am 24. Dezember wurde über die beiden Punkte Wahl-reform und Organisation und Wahlen verhandelt.Am Nachmittag fand eine vertrauliche Beratung statt, in der dieFrage der Kandidaturen für die kommenden ReichstagSwahlen er-ledigt wurde.Der Bericht der MandatSprüfungskdmmission ergab die An-Wesenheit von 369 Delegierten, darunter 8 Frauen, 2 Bauem und26 Gewerbetreibende._Vom Fortschritt der Presse. An 4000 neue Abonnentenhat die„ S ch w ä b i s ch e Tagwacht" in den letzten dreiMonatengewonnen.Personalien. Aus der Redaktion der„KönigsbergerBolkszeitung" ist Genosse Artur Cri spien ausgeschieden.Er tritt seinen neuen Posten als Parteisekretär für West-Preußen an und verlegt seinen Wohnsitz nach Elbing.Soziales.Aufbewahrung der Leiche eines Beteranea im Schweinestall.In dem Annenhaus zu Palschau in Westpreußen starb ein63 Jahre alter Kriegsveteran, der„in zwei Feldzügen für Deutsch-lands Ruhm und Ehre gestritten hat". Es war im Annenhause keinPlätzchen vorhanden, wo die Leiche des Akten hätte aufgebahrtiverde» können. Do schaffte man die Leiche des taten Proleten inden Schweinestall. Am Tage der Beerdigung mußte ein Leid-tragender über den Sarg in den Schweinestall hineinklettern,damit die Leiche aus dem Stall herausgetragen werden konnte.Auf dem Friedhof des Dorfes, ein armseliges Stuck Land, das nichteinmal mit einem Zaun umgeben ist, fand der alte Krieger endlichdie Ruhe. Den Angehörigen des Toten war es überdies nochziemlich schwierig, geistlichen Beistand zum Begräbnis zu erhalten.Der erste Pfarrer war krank, der zweite heiser. Schließlich gelanges einen Kaplan mit einem Meßdiener zu gewinnen. Der zweitePfarrer meinte, es wäre doch nicht schlimm, wenn die Leichedes Veterans ohne Messe und ohne die Beteiligung einesPfarrers begraben werden würde. Dieselbe Ansicht werdenviele teilen. Aber Geistliche dürfen von ihrem Standpunkteaus als.Diener des Herrn" und auf Grund ihrer Lehrendoch wohl zu anderer Betätigung den Ncbenmcnschen gegen-über verpflichtet sein, die, wie in diesem Falle, geisttlche Mitwirkungwünschten.Selbst der Tod vermag also in unserer Gesellschaftsordnungdie Kluft nicht auszufüllen, die sich zwischen Ann und Reich klaffendaustut. Ist auch die Leiche eines Großgrundbesitzers oder Groß-industriellen im Schweinestall aufgebahrt?Zusammenhang zwischen Unfall und Tod.Ein interessanter Rentenfall wurde vom Schiedsgericht für Arbeiterversicherung in Chemnitz dieser Tage zugunsten der Rentenansprecherin entschieden. Witwenrente undSterbegeld beanspruchte die Witwe des Arbeiters K., der imNovember 1904 eine Beinverletzung in Ausübung seines Berufeserlitten hatte, an die sich eine Blutvergiftung anschloß. K. wurdenicht wieder arbeitsfähig und starb schließlich am 2. August 1006.Als Todesursache war Magencrkrankung und Lungentuberkulosefestgestellt worden. Von drei ärztlichen Gutachten sprach sich nureins für einen indirekten Zusammenhang der Unfallfolgen mit demTode aus. Deshalb hatte die an sich verpflichtete Berufsgenosien-schaft die Renten- und Sterbegeldansprüche der Witwe abschlägigbcschieden. Das Schiedsgericht holte nun ein Gutachten ein, dassich unter ausführlicher Begründung für den Zusammenhang vonUnfall und Tod aussprach. Es wurde darin gesagt, daß die durchden Unfall eingetretene Infektion das auslösende Moment derlatent bei K. bestandenen Tuberkulose gewesen sei und auch dieHeilung des bestandenen Magenleidens verhindert habe. TerWitwe Anspruch wurde deshalb anerkannt.Aus dem mitteldeutschen Braunkohlenrevier.Die durch die elenden Zustände im Bergbau geschaffene Leute-not in Perioden wirtschaftlicher Prosperität läßt die Unternehmerauf die waghalsigsten Kunststücke verfallen, um die Produktivitätder Werke zu steigern. So sind im mitteldeutschen Braunkohlen-bergbau nach Einführung der Neunstundcnschicht soviel Ueber-stunden gcleostet worden, daß die durch neunwöchentlichen Streikerreichte Benkürzung der Arbeitszeit damit gleichsam illusorischgemacht worden ist. Neuerdings ist man auf einigen Gruben desWeißenfels-Zeitz-Meuselwitzer Bezirkes dazu übergegangen, einesiebente Schicht einzulegen!Um dies zu ermöglichen, muß die Tagesschicht Sonnabends früh4 Uhr mit der Arbeit beginnen. Nachdem um 1 Uhr die Scksicht zuEnde ist, tritt die andere Schicht an und nachts 1 Uhr geht die ersteSchicht wieder auf Arbeit, um bis in den Sonntag-morgen hinein bis zur Kirchzeit im Bergbauzu schuften! Die Leute haben also von 30 Stunden gut 18ltt.<vl»cke. Berlin. Druck u. Verlag. Vorwärts Buchdr. n. VerlagSsnAUtunter Tage bei der Kohlenförderung zugebracht. Zerschlagen undtodmüde schleppen sie sich am Sonntagvormittag„bei Orgelton undGlockcnklang" nach Hause, um den„von Gott eingesetzten" RuHtag zu verschlafen.Diese Art, die Arbeiter zur Leistung von Uebcrschichten zuzwingen, widerspricht Jjcm Gesetz. Zunächst handelt es sich vieroffenbar um eine„Sonntagsenthciligung". Tann aber wider-spricht diese Arbeitsmethode dem klaren Wortlaut der Berggesetz-Novelle und der durch sie geschaffenen neuen Arbeitsordnung. TiefeArbeitsordnungen, nebenbei bemerkt die rigorosesten in der ge-samten deutschen Industrie, schreiben Ucberstuuden bis zu acht dieWoche vor. Nun bedeutet aber die eingelegte Schicht allein eineUcbcrzeitarbcit von neun Stunden; abgesehen davon, daß invielen Fällen außerdem noch täglich mindestens eine Stunde längergearbeitet worden ist. Einen Zuschlag für die Ueberarbeit gibt'snicht. Unter Mitwirkung der preußischen Bcrginspektionsbcamtensind seinerzeit die berüchtigten Arbeitsordnungen entstanden; dasSystem der heutigen Berginspektion hat nichts gegen die stetig höheranschwellende Unfallziffer im Bergbau vermocht. Sind die neuestenGesetzesübertretungen seitens des Kapitals der Berginspektion be-kann? Ist sie ihnen gegenüber machtlos?So spannt angesichts der Rcichstagswahlen das Unternehmer»tum den Bogen aufs äußerste. Auch die Lohnforderung der Berg-leute harrt noch immer ihrer Erledigung. Zu allem Ueberflußhat man kurz vor den Feiertagen den Vorsitzenden der Lohn-kommission vom letzten großen Streik nach kurzer Tätigkeit abermals aufs Pflaster geworfen. So wirken in den mitteldeutschenWahlkreisen mit starker Bergarbeiterbevölkerung diesmal alleMomente zusammen, um für die Kandidaten der Sozialdemokratiedas Beste erhoffen zu lassen.Sericbts- Leitung.Einsteige» in eine falsche Klasse des StadtbahnabteilS'hat für den Hauptbeteiligten, den Eisendreher Otto H ä n i ck e.sehr üble Folgen gehabt. Wegen Widerstandes gegen die Staats-gewalt und Körperverletzung muhte sich H. gestern vor der drittenStrafkammer des Landgerichts ll verantworten. Am 13. Augustdieses Jahres wollte der eingeklagte mit drei Bekannten voniBahnhof Hermannstraße aus die Ringbahn benutzen. Zwei seinerBekannten hatten Fahrkarten zweiter Klasse, während er selbstund der vierte nur Karten dritter Klasse gelöst hatten. Der letzterestieg auch in den Wagen dritter Klasse ein, während der Angeklagtezweiter Klasse einstieg. Dies war von dem Revisor Dzindzol be-merkt worden, der auf der nächsten Station die Fahrkarten re-vidierte. Der Angeklagte weigerte sich, seine Karte vorzuzeigenund bliebt auch trotz wiederholter Ausforderung des Beamten, ihmnach dem Stationsbureau zu folgen, in dem Wagen sitzen. MitHülfe der sämtlichen Stationsbeamtcn sollte H. schließlich gewaltsamaus dem Eisenbahnwagen entfernt werden. Als die Beamten indas Abteil einstiegen, soll der Angeklagte geschlagen haben; dannsoll er sich krampfhaft an dem Gepäcknetz festgehalten und die Bc-amten, die ihn losreißen wollten, mit Fußtritten regaliert haben.Erst mit vieler Mühe gelang es den Eisenbabnbeamten, den wietoll sich gebärdenden Angeklagten nach dem Stationsbureau zuschaffen. Hier mußte er. bis ein Schutzmann erschien, von denBeamten festgehalten werden. Diesen Erzeß mußte H. mit einerGefängnis st rase von einem Monat büßen, die ihmvon dem Schöffengericht Rixdorf zudiktiert wurde. Die gegen diesesUrteil eingelegte Berufung mar gestern vor der Strafkammerohne Erfolg. Die erneute Beweisausnahme erbrachte den-selben Sachverhalt, den das Schöffengericht festgestellt hatte.Tanzen ein Laster?Der Männergesangverein Reinickendorf hatte am zweiten Pfingst-feiertag im Lokal von Ramlow zu Schönholz in geschlossener Gesell-schaft ein Frühkonzert, bei dem auch getanzt wurde. Dadurch sollteder Vorsitzende Kaiser die Oberpräsidialverordnung vom 4. November1808— die sogenannte Verfrommungsverordnung— übertretenhaben. Nach der Verordnung dürfen in Lokalen Tanzkustbarkciten,auch solche geschlossener Gesellschaften, nicht vor 3 Uhr nachmittagsbeginnen. Angeklagter wurde vom Schöffen- und Landgericht ver-urteilt und das Kammergericht verwarf die Re-Vision als unbegründet. Durch jenes Verbot werde auch der Vor-mittag umfaßt. Die Verordnung sei auch mit Recht angewendetworden. Zwischen u und 7 Uhr früh herrsche zu Pfingstenschon ein reges Leben, so daß durch den Tanz unddie Tanzmusik die äußere Heilighaltung des Festtages hättegestört werden können!— Was für verstockte Sünder müssen"das doch sein, deren Andachtsstimmung durch Tanz und Tanzmusikgestört wird. Daß für deren Seelenheil und Andachtsstimmung diePolizei sorgen zu müssen glaubt, mag recht verdienstvoll sein. Aberdient solche Sorge wirklich dem öffentlichen Interesse und ist sie mitder Verfassung vereinbar? Im Gegensatz zu der jetzigen kammer-gerichtlichen Auffassung bestreiten wir das und wisien uns da mitdem früheren, besser unterrichteten Kammergericht»ins.Letzte JVachrichten und DepclchmWiederwahl eines Nichtbestiitigten.Mülheim am Main(Großherzogtum Hessen). 27. Dezember.(Privatdepcsche des„Vorwärts") Bei der heutigen zweitmaligcnBeigeordnetenwahl erhielt bei 800 Wahlberechtigten unserGenosse Arbeitersekretär Peter Zahn 511, der GegenkandidatPeter Schilling, Sparkasscnrechneer, 257 Stimmen, der Stimmeenthielten sich 113, ungültig waren v Zettel. Das Resultat vomVorjahre war: Zahn 480, der Gegner 349 Stimmen. Stimm-berechtigt waren 928, abgegebene Stimmen 849. enthalten habensich 79, ungültig waren 11 Zettel. Genosse Zahn ist also zumzweiten Male mit größerer Mehrheit zum Beigeordneten der Ge-meinde Mülheim am Main gewählt.Wahlrechtsdemonftration.Wien, 27. Dezember. W. T.-B. Heute ist die Mehrzahl derLandtage zu einer kurzen Session zusammengetreten. Währendder Landtagösitzung in Trieft demonstrierten etwa 6009 Personenvor dem Rathause zugunsten des allgemeinen Wahlrechts für de»Landtag und den Gemeinderat. Eine Deputation des Exekutiv-komitees der sozialdemokratischen Partei überreichte dem Landes-Hauptmann und dem Statthalter eine Denkschrift, in der die Ein-führung des allgemeinen Wahlrecchts gefordert wird. Der Lande?-Hauptmann brachte die Denkschrift zur Kenntnis des Landtages.der sie dem Landesausschusse zuwies. Die Manifestanten durch-zogen dann unter Hochrufen auf das allgemeine Wahlrecht dieStraßen und zerstreuten sich später ohne Zwischenfall.— Auch imsteiermärkifchen Landtage ist ein Antrag auf Einführung des all-gemeinen Wahlrechtes für den Landtag eingebracht worden.Eisenbahnunfall.Gallarate, 27. Dezember. W. T.-B. Der elektrische ZugVares-Mailand fuhr in dem hiesigen Bahichofe auf eine dortstehende Lokomotive auf. Zwei Waggons wurden zertrümmert undvierzehn Personen verletzt, von diesen vier schwer.Gegen den weihen Schrecken.Petersburg. 25. Dezember.(W. T.-B.) Die sozialrevolutionärcParei hob durch überwiegende Stimmenmehrheit den anfänglichenBeschluß, sich während der Dumawahlen terroristischer Akte zu e»:halten, auf, da diese unter de» bestehenden Verhältnissen daseinzige Kampfmittel gegen die Regierung seien.faul Singer L&o..Berlin 5 W, Hierzu 2 Beilagen u.Unterhaltuogstkatt