Ein dicker Strich kann übrigens in letzter Stunde, abgesehen bonfeiten des Zentrums, auch bon feiten des Bundes der Land-Wirte den ollen ehrlichen Maklern noch durch ihre Rechnung ge-macht werden. Die„Deutsche Tagesztg.", der Herr Möller seitlangem, wie bekannt, höchst anrüchig ist, betont nämlich, dafe dieVertrauensleute des Bundes der Landwirte im Kreise nicht bei der„Einigungskonferenz" für Möller zugegen gewesen wären, sondemerst einen Tag später Beschluß fassen würden. Dazu paßt eineMeldung der„Mitteldeutschen Ztg.", des Zentrumsorgans des EichS-feldeS, daß zur Zeit Verhandlungen zwischen demBunde der Landwirte und dem Zentrum zwecks Auf-stellung eines gemeinsamen Kandidaten stattfinden.—Ein Interview Bernsteins im„Temps".Ein Mitarbeiter des großkapitalistisch-reaktionären„Temps", dere« unternommen hat, verschiedene deutsche Politiker über die Be-deutung der Wahlen und die politische Lage Deutschlands zubefragen, eröffnet in diesem Blatt den Zyklus mit einem InterviewEduard Bern st eins. So weit sich die Ausführungen Bernsteinsmit seinem Artikel in den„Sozialistischen Monatsheften" decken,können wir uns ihre Wiedergabe ersparen. Dagegen scheinen unsfolgende Stellen, da bereits deutsche Blätter Notizen darüberbringen, den Abdruck zu verlangen:.. Heute hat sich die Jugend der Bourgeoisie von uns ent-fernt und sogar die Arbeiter sind nicht mehr alle mituns. Die katholischen, protestantischen, christlichen Organisationenhaben sich entwickelt und haben heute gleich unseren Gewerkschaftenihre Abgeordneten im neuen Reichstag, die uns das Recht streitigmachen werden, allein im Namen des Proletariats zu sprechen."Auf die Frage nach den Wirkungen der Wahlniederlage auf diekünftige Haltung der Partei antwortete Bernstein:„Ich glaube,daß wir bescheidener werden und künftig den Umständen besserRechnung tragen werden. Beachten Sie wohl, daß namentlich derlinke Flügel der Partei von der Niederlage betroffen ist.ES sind unsere Heißsporne, unsere Unentwegten.die für sie verantwortlich sind. und mit ihnen diein der Doktrin erstarrten Theoretiker. Unsere,fast auf die Hälfte zusammengeschrumpfte Fraktion wirdeine neue Haltung einnehmen müssen. SeienSie überzeugt, daß Bebel und Singer trotz ihresStoizismus die ganze Schwere deS Schlages empfinden undihre Taktik infolgedessen ändern werden. BeurteilenSie Bebel nicht nach den Kongressen. Die Kon-g r e s s e sind Schwindel. fDaS letzte Wort ist im Original deutschwiedergegeben.) Nur die interne Parteiarbeit ist ernst zuneh'men und auf diesem Gebiet hat sich Bebel immer als Politikererwiesen. Er ist vielleicht der erste unserer Revisionisten.Sicherlich ist er wiederholt dem unheilvollen EinflußKautSkys, dem Verwalter(ckspositairs) des orthodoxenMarxismus unterlegen, aber die Geschehnisse haben ihn in dieWirklichkeit zurückgerufen."Auf unsere Anfrage, wieweit die Angaben des„TempS" derWahrheit entsprechen, sendet unS Bernstein folgende Berichtigung:Die MontagScmsgabe deS„Berliner Lokal- Anzeigers" ver-vffentlicht ein Telagramm über eine Unterhaltung, die ich vorigeWoche mit dein Berliner Korrespondenten des„Temps" hatte undderen Inhalt der betreffende seinem Blatte in Gestalt eines Jnter-vieios übermittelt hat.Ich habe mich durch Einblick in den„TempS" überzeugt, daßdaS Telegramm d«L„Lolal-Anzeigers" das, waS dort steht, insehr vergröberter Uebersetzung und in so un-vermittelter Zusammenstellung wiedergibt, daß der Sinn der Sätzedadurch völlig entstellt loird. Einen Nachweis im einzelnenglaube ich unrerlassen zu dürfen, da ich nicht annehme,daß irgend jemand das Telegramm als wörtliche Wiedergabemeiner Ausführungen aufgefaßt hat. bezw. auffassen loird.Wörtlich geben auch die Sätze des„TenrpS" nicht, was ichgesagt habe. Die betreffende Unterhaltung. die in Gegen-wart eines russischen Genossen stattfand, hatte einendurchaus formlosen Charakter. Bleistift und Notiz-buch fehlten, daS Interview.im„TempS" ist aus dein Gedächtnisniedergeschrieben. Ich bedaure das. Denn wenn ich auch an-erkenne, daß der Korrespondent die Tendenz meiner Aus-führungen im ganzen richtig wiedergibt, so fehlt es dochauch bei ihm mcht an Sätzen, die in anderem Zusammenhanggefallen waren und— namentlich soweit sie sich auf Personenbeziehen— auch etwas anders lauteten, als dies im Berichtericheint.Insbesondere ist eS'mir nicht eingefallen zu sagen, daß Kongresse„Schwindel" seien. Ich habe nur den Unterschied zwischen Kongreß-erklärungen, die der Natur der Sache nach einen allgemeinenCharakter tragsn, und der Stellungnahme in den praktischenKämpfen des Tages betont, bei denen die wechselnden Kon-stellatiouen der Parteien stets neue Situationen schaffen, undhinzugesetzt, daß ich eine der bedeutendsten Eigenschaften Bebels,der mir in Kongressen oft als zu doktrinär erschienen ist, geradedarin erblicke, im praktischen Kampf mit großem Scharfblick sofortdie Tragweite einer Veränderung der Konstellation zu erfassenund entsprechend zu handeln.Alles dies, wiederhole ich, geschah in einem lebhaften Wechsel-gespräch, in das auch der erwähnte russische Genosse eingriff, undnicht in jener tendenziösen Weise, in der das„Interview"mich sprechen läßt.Schöneberg-Berlin, den 13. Februar 1S07.Ed. B e r n st e i n.•Veutlickes Reich,Die liberale Einigung.Der gememsame Kampf gegen die Sozialdemokratie hat dieverschiedenen liberalen Gruppen einander näher gebracht. Wennschon vor der Reichstagsauflösung liberale Stimmen für einenZusamnienschluß der gesamten liberalen Linken laut wurden.wenn schon damals allerhand Techtelmechtel eingegangen wurden,um eine„große geeinte liberale Partei" von den National-liberalen bis zur süddeutschen Volkspartei zuschaffen, so sind jetzt, nach dem Wahlkampfe, dieseStiminen noch zahlreicher und lauter geworden. So habendie liberalen Wahlvercine in Schleswig- Holsteinund in Bayern beschlossen. einen Zusammenschluß allerliberalen Parteien zu einer Gesamtpartei zu der-langen. Unter den schleswig-holsteinischen Liberalen befinden sichauch drei Abgeordnete der„Freisinnigen V o l k s p a r t e i".Auch Profeffor v. Liszt erblickt in einem solchen Zusammenschlußd«n„ersten Schritt zur Besserung unserer politischen BerHSltniffe."Man sollic meinen, daß auch die„F r e i s i n n i g e Z e i t u n g-dicsen BemnigungSUriinschen enthusiastisch zustimmen nmrde.igst doch gerade die sreisinnige Votköpartci vor(einetPrvstituierung der liberalen Grundsätze zurtiikgeschreckt, habendoch gerade Vertreter ihrer Partei, wie die Herren Hermesund Eickhoff, am schamlosesten um die Gunst der Konser-vativen und der Regierung gebuhlt! Da auch bei Gebrauchdes schärfsten Vergrößerungsglases zwischen Nationalliberalen undFreisinnigen nicht mehr der geringste Unterschied zu entdecken ist,erscheint eS eigentlich unverständlich, daß trotzdem die«FreisinnigeZeitung" und die„Vossische Zeitung" der Einignngsidee, die dochnur der in der Praxis vollzogeneu Verschmelzung daS formale Siegelausdrückt, skeptisch gegenüberstehen. Wenn die freisinnige Volkspartei trotzdem bon einer solchen äußeren Verschmelzung nichtswissen will, so geschieht das offenbar nur deshalb, weil diefreisinnig volksparteilichen Klopffechter in einer geeinten liberalenPartei nicht die Rolle spielen zu können befürchten,die sie gerne spielen möchten.Für die politische Situation ist es vollständig gleichgültig, obes zu der äußerlichen Einigung kommt, die von manchenKreisen des Liberalismus angestrebt wird. Ob Freisinnige Ver-eiuigung, ob Freisinnige VolkSpartci oder Süddeutsche Volkspartci:alle diese Richtungen sind doch nichts anderes als schlecht mnöliertcSpielarten des Nationalliberalismus!—Zentrum und Gemcindewahlrccht.Endlich, volle zwei Jahre nach der Einbringung, hat dasStadtverordnetenkollegium in Köln den von dem sozialdemo-kratischen Verein gestellten Antrag auf Erweiterung des Gemeinde-Wahlrechts angenommen. Der Antrag lautete dahin, daß auch den-jenigen Bürgern, die zu einem Einkommen von 660 bis5)00 Mark veranlagt würden, das Wahlrecht gewährtlverde, ohne daß die Steuer zur Erhebunggelange. Der Antrag wurde anfangs IVOS eingereicht.gelangte erst Ende 190ö zur Beratung und wurde damalsvon der Zcntrnmsmehrhrit abgelehnt. Herr T r i m b o r n, derSozialpolitiker des Zentrum?, der auch dem Kölner Stadtverordneten-kollegium angehört und der selber als Wähler der e r st e n Ab-t e i I u n g ein siebzigfach höheres Wahlrecht genießt als der Pöbelder dritten Klasse, vertrat den brutal-protzigen Grundsatz, daß derjenige, der nichts zahle, auch nichts zu sagen haben solle.Ferner gaben die Zentrumsredner als Vorwand für ihreablehnende Haltung an, es sei nicht angängig, den vielenTausenden Wählern der dritten Abteilung das ohnehin gc-ringe Wahlrecht weiter zu vermindern, indem man den 25 000Bürgen: mit 660 bis 900 Mark Einkommen das Wahlrechtgebe. Der einzige, aber nicht ausgesprochene Grund, der dieklerikalen Arbeiter- und Wahlrechts„freunde" zum Niederstimmen dessozialdemokratischen Antrags bewog, war die Furcht, es möchte derSozialdemokratie in der Folge gelingen, die Sitze der dritten Ab-teilung zu gewinnen.Die Nationalliberalen beantragten, dem sozialdemokratischenAntrage gemäß den 660 bis 900 Mark- Zensiten das Wahlrecht zugewähren, aber zugleich auch von diesen Steuer zu erheben. DieserAntrag hat bis jetzt in der Kommission geschlafen. Er sollte nun-mehr bei der Etatsberatung verhandelt werden. Nun aber brachtedas Zentrum genau den früher von ihm niedergestimmtensozialdemokratischen Antrag ein. Zur Begründung seinertotal veränderten Stellungnahme führte es an: Durch den§ 23 der Einkommensteuernovelle sei die Zahl der Wähler dritterKlasse um 16 000 vermehrt worden, da diese Bürger bisher für Leutemit weniger als 900 M. Einkommen galten, eS sich jetzt aber heraus-gestellt habe, daß fie mehr als 900 M. haben.Des Rätsels Lösung liegt aber anderswo. DaS Zentrumhat nämlich mittlerweile seine Nathans mehrheitan die Liberalen verloren, und es hofft nun durchden Schub einer Anzahl Wähler aus der dritten in die zweiteWählerabteilung künstig in der zweiten Klasse wieder über dieLiberalen siegen zu können. Dazu kommt, daß man die Annahmedes liberalen Antrages nicht mehr verhindern kann und sogibt man sich einen„sozialen" Anstrich, indem man überden liberalen Antrag hinaus auch Steuerfteiheit der neuen Wählerbeantragt. Deshalb stimmten auch die Liberalen für die Steuer-freiheit der 660—900 Mark-Zensiten und so wurde der Antrag mit34 gegen 6 Stimmen angenommen.—Die goldene Internationale.Die„Post" richtet heute abermals einen flammenden Auftufan alle„Gutgesinnten", sich einmütig gegen die Sozialdemokratiezusammenzuscharen. Die Waffenbrüderschaft bei den letzten Wahlenmüsse, unbeschadet der Parteizugehörigkeit deS Einzelnen, derSozialdemokratie gegenüber eine dauernde werden: der Kampf gegendie Sozialdemokratie sei als erste und dringendste„nationale" Pflichtzu betrachten.Dieser„nationale" Appell macht sich um so seltsamer, als die„Post" in, gleichen Artikel für den Reichsverband dadurch Reklamemacht, daß sie erzählt, ein namhafter französischer Schrift-steller habe die Geschäftsführer des Reichsverbandes zuseinen großen Erfolgen in der Sozialistenhatz beglück-wünscht. In diesem Briefe des französischen Scharfmacherswerde ausgesprochen, daß der Sozialismus nicht nurein„nationales Uebel", sondern ein„internationalerSchädling" sei. Gegen den Sozialismus kämpfen, heißt nicht alleinfür das Vaterland arbeiten, sondern auch auf indirekte Weise fürdie anderen Staaten. In Frankreich beabsichtige denn auch eineVereinigung von ftanzösischen Industriellen, Kaufleutcn, konservativenund liberalen Polittkern nach dem Muster des Reichsverbandes einegleichartige Liga zur Bekämpfung der Sozialdemokrafte zu bilden.Man sieht, die„goldene Internationale", die in ihren Ausbeuter-intercsien bedrohte Kapitalistenklaffc aller Länder beginnt sich gegendas Proletariat zusammenzuschließen. Natürlich mcht, um diegemeinsamen Ausbeuterinteresien der„goldenen Internationale" zuvertreten, sondern um die„nationale Sache" zu vertreten!--Sozialdemokratischer„Terrorismus".Eine Schauergeschichte vom sozialdemokratischen Terrorismusgeht seit einigen Tagen durch die gesamte bürgerliche Presse Deutsch-landS. Der Ort der Handlung ist Magdeburg. Dort tratwährend der Wahlbewegung der reichstreue„Arbeiter" H a a s e alsgerngesehencr Wahlmacher für den nationalliberalen Mischmasch-kandidaten auf. Seine Vergangenheit qualifizierte ihn dazu. DemTrunk ergeben und jeder ehrlichen Arbeit abhold, zog er früherals Leierkastenmann durch die Straßen und nicht selten konnteman ihn friedlich schlummernd im Rinnstein finden.Um Mitleid zu erregen, trat Haase als Einarmiger oder inanderer Krüppelverkleidung auf, obwohl er völlig gesunde Glied-maßen hat. Eines TageS trat er dem„Blauen Kreuz" bei undbald darauf wurde er vom Reichslügenverbaud nach Berlin auf die„AuSbildungsschule" gesandt und zum Agitator gegen die Sozial-demokratie dressiert. In der Riagdeburger Wahlbewegung brachteHaase seine.Kenntnisse an und beschimpfte die klassenbewukteArbeiterschaft in der rüpelhaftesten Weise unter begeisterter An-erkennung der„nationalen" Ehrenniänner, die seine Vergangenheitnicht genierte.Am Mittwoch voriger Woche soll nun dieser Haase, als erabends von seiner Arbeitsstätte kam,„von einer aus demHinterhalt kommenden Horde aufgehetzter sozialdemokratischerArbeiter, die etwa 200 Mann zählte, iibersallen, be-schimpft, gestoßen, geschlagen, zu Boden geworfenund mit Eisstücken und sonstigen harten Gegen-ständen fürchterlich mißhandelt worden sein, sodaß erschwer krank daniederliegt."An dieser Schauergeschichte ist nur das folgende wahr: Haaseverließ mit Hunderten anderer Arbeiter das Grusonwerk. Dereine oder andere Arbeiter, der den zu so trauriger Be-rühmtheit gelangten Haase noch nicht kannte, ließ sich ihnzeigen und so wurden auch die Kinder dieser Arbeitergegendauf ihn aufmerksam, die auch schon bon den Heldentaten des„Einarmigen" gehört hatten. Sie folgten ihm in großer Zahl,riefen ihm allerlei nach und bewarfen Haase schließlich mitSchneebällen. Weiter ist nichts borgefallen. Die Arbeiterschauten der Attacke der Kinder höchst belustigt zu und Haase, nackteseinein Aerger in lauten Verwünschungen Luft. Daß er krankdaniederliege, ist Schwindel.Tie Magdeburger Polizei in ihrem Uebereifer entdeckte aber,daß sich ein großes Verbrechen zugetragen habe. Die Arbeitersollen Landfriedensbruch(!) verübt haben, und von derArbeitsstätte im Grusonwerk weg wurden am Donnerstag, Freitag.Sonnabend, Dienstag und Mittwoch insgesamt fiebzrh» Arbeiterverhaftet, darunter auch zwei Lehrlinge. Zwei Verhastete, die wiederentlassen worden waren, sind bald darauf erneut inhaftiert worden.Die ersten seckS Verhaftungen am Sonnabend ivurden nachden Angaben der beiden reich Streuen ArbeiterSchönebeck und S ck ä tz l e vorgenommen. Die beidengingen mit vier Kriminalbeamten und drei Schutzleuten durch denBetrieb und bezeichneten die Arbeiter, die sich mit an Haase vergriffen haben sollen. Schätzles Denunziantentum entspringtniedrigstem Rachesiihl: er hat mit einigen der Verhaftetenaus privaten Gründen Streitigkeiten gehabt. Von eineinder auf seine Angaben hin Verhafteten, dem SchlosserBeck, hat Sckätzle in, engsten Familienkreise selber erzählt, daß ersich bemüht hätte, den aufgeregten Haase in gütlicher Weise zu be-ruhigen! Schönebeck, der auch auf der Hetzerschule des Reichslügen-Verbandes gewesen ist, wurde schon wiederholt als Denunziant ent-larvt. In einem Prozeß im Juli vorigen Jahres hat er zugegeben,daß cr„nur einmal" jemand denunziert und daß ereine andere Denunziation mehrerer Arbeitskollegen i mInteresse des Arbeitgebers verübt Habel DieserSchönebeck hat, was kürzlich ebenfalls vor Gericht fest-gestellt wurde, vielfach damit gedroht, daß er jedem,der ihm in die Ouere komme, ein Meffer in den Leib rennenwerde. Im Juni vorigen Jahres haben er und sein jetzt angeblichterrorisierter Busenfreund Haase einen Arbeiter, der Haase beleidigthaben sollte, überfallen und geschlagen. Solcher Art, wie diesedrei Reichsftenen, gibt eS noch mehrere im„Verbände reichstreuerArbeiter", der sich in Magdeburg der ganz besonderen Wertschätzungder Arbeitgeber erfreut, was sie durch Geldzuwcndungen dvkumen-tieren.So wenig Anlaß dazu auch gegeben ist, so bietet man dochalles auf. um aus dem harmlosen Borfall eine Staatsaktionallerersten Ranges zu machen. Man beabsichtigt offenbar.einen vernichtenden Schlag gegen die Partei- undGewerkschaftsbewegung in Magdeburg zu führen, ähnlichdem großen Geheimbuudsprozeß in Magdeburg vor genau 20 Jahren,der ebenfalls mit den Wahlen, den Fasckingswahlen. zusammenhingund zur Verurteilung von 31 Parteigenossen führte. Die große Aktionloird aber mit einer kläglichen Niederlage endigen. Hat doch selbst einBekannter Haases, der ihn an jenem Abend begleitete, erklärt, cr habenickt gesehe», daß Haase geschlagen worden sei. Die bürgerlichePreise unterstützt das' Bestreben der Polizei, aus dieser Mücke einenElefanten zu machen, in der skrupellosesten Weise. Sie weiß nichtWorte genug zu finden über diesen neuen„unerhörten Fall vonsozialdemokratischem Terrorismus". Besonders die nationalliberale„Magd. Ztg." scheint eS darauf abgesehen zu haben, die nötigeStimmung für Ausnahmegesetze gegen dieArbeiterschaft zu erzeugen. Sie hat bereits darauf hin-gewiesen, daß derartige„Terrorismussälle" Anlaß bieten könntenzur Beschneidung des Reich stagSwahlrechtesl DenWahlrechtsräubeni ist eben jedes Mittel recht!—Das Zentrum als„Aushülfsmädchen".Unter dieser niedlichen Stichmarke bringt die„KölnischeVolkszeitung" einen Arftkel, in dem sie der Regienmg klar-zumachen sucht, daß sich daS Zentrum nicht länger ungestraft eine soschnöde Behandlung für seine„nationalen Verdienste" um dasdeuffche Schwein, die deutsche Gondel- und Äolonialpolitik gefallenlassen könne. DaS Zentrum bedanke sich dafür, die RolledeS„AuShülfsmädchenS" zu spielen. ES könne der Regierunggerade paffen, daß sich Zentrum und Freisinn in Liebesdienstenfür die imperialistischen Lieblingsprojekte der Regiermig den Rangabliefen. An eine solche Handlangerei denke aber daS Zentrunrnicht. Aber Fürst Bülow möge doch auch bedenken, daß der Freifimr„auf dem Reichsschiffe keineswegs die Rolle der Trimmer und Heizerspielen." sondem verlangen werde,„auf der Kommandobrücke zustehen." Da möge eS denn doch bald kommen, daß der Kanzler„wehmütig der schönen Tage von Aranjuez ge-denke, wo ein schnelles Einverständnis mit dem Zentrum hinreichte,um jedes Gesetz durchzubringe»."Man sieht, da? Zentrum schreckt in seinem LiebeSwerben umdie RegierungSpolitik selbst nicht davor zurück, sich selbst derpolitischen Prostitution zu zeihen, den Fürsten Bülow an seine sogefällige Preisgabe von ehedem zu erinnern! Das Zentrum möchtezwar nicht das„Aushülfsmädchen", wohl aber die ständige Konkubineder Regierung ein! Ob die Erinnerung an die schönen Schäfer-stündchen den Fürsten Bülow rühren wird? Vermutlich wird erzunächst doch einmal mit dem Freisinn karessieren, der sich ihm soliebestoll in die Arme geworfen hat, im sicheren Vertrauen auf diealte Liebe des Zentrums, die trotz allen Schmählens, trotz allerhysterischen Eifersuchtsszenen nicht rosten wird!Die Eifersucht der wegen der neuen Flamme vernachlässigten Ge-liebten gibt übrigens der„Köln-j Volksztg." gar nicht üble Bosheitenein. Sie spottet:„Die nächste Aufgabe deS Reichskanzlers wird fein, alle Minenseiner diplomatischen Kun st springen zu lassen, damit ausden bis jetzt nur lose zusammengefügten Elementen des Regierunqs-blocks ein Hirt und eine Herde werde. Er entbiete zu sich dieGelehrten des„Berliner Tageblattes", der„Vossi-s ch e n Z e i t u n g". der„F r a n k f u r t e r Z e i t u n g". dann des..Reichsboten", der„Deutschen Tageszeirung" undder ,. Kreuz-Ze itun g", ferner die Herren Pa y er undP achnicke, auch H au ß mann und den Müller von Mei-n i n g e n. sodann v. Oldenburg, den tapferen Reckenvon I a n u s ch a u. und andere Borkämpfer der Land-bündler und Konservativen, und richte an sie eine An-spräche in dem Sinne, wie Butler es in den„Piccolomini" sagt:„Es ist ein großer Augenblick der Zeit,Dem Tapfern. dem Entschloff'nen ist sie günstig."Ueber ein Kleines, und zu den Mosielente», den Pachnicke. denMüller-Meiningen, den Oldenburg-Januschau und Stöcker werdensich auch die Herren Gröber und Erzberger gesellen! Schon erklärtja die„Kölnische Volkszeitimg", daß das Zentrum trotz aller Bülow-Untreue nicht daran denke,„die Wege einer extremen Oppositioneinzuschlagen!" Na also!—Franz». Rottrnburg, der Kurator der Universität in Bonn, istinfolge eines Schlaganfalles verstorben. Er gehörte zu den hohenBeamten, die nach den Februarerlaffen des Jahres 1890 daranglaubten, daß in Deutschland etwas Sozialpolitik getrieben werdenkönne. Er war von 1881 fciS im Februar 1890 Chef der Reichskanzlei gewesen und war dann als Unterstaatöiekretär in dasReichsamt des Innern eingetreten. Als 1802 die Kommissionfür Arbeiterstatiftil gebildet wurde, wurde er Vorsitzender der-selben und ging mit großem Eifer ans Werk. Die Unter-suchungen über die Arbeitszeit in Bäckereien, in Getreidemühlen.im Handelsgewerbe, in Gast- und Schankwirtschaften wurden vonihm eingeleitet. Aber nur die erste Untersuchung hat er durchgeführt,die dann den Erlaß der Bäckereiverordnung vom 4. März 1896 zurFolge hatte. Unter seiner Leitung folgten Lohmann, v. Scheel.Dr. Wörishoffer dem sozialpolitischen Zuge. Als nun die Vorschlägeder Kommission bekannt wurden, brach der Sturm der Bäckermeisterlos. Als dann noch die Vorschläge kamen, einen einheitlichen