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Eine weitere Resolution Bassermann- Dr. Junck auf Schaffung eines Reichsarbeitsamtes wird von derselben Mehrheit angenommen. Ein Antrag Dr. Ablaß und Genossen sfrs. Vp.) auf Aus- dehnung des Koalitionsrechts, insbesondere Erweiterung des Z 153 der Gewerbeordnung, dahin, daß zugleich mit dem Mißbrauch des Koalitionsrechts auch die rechtswidrige Verhinderung am gesetz- mäßigen Gebrauch desselben unter Strafe gestellt wird, findet gegen die Stimmen der Rechten Annahme. Eine Resolution Raab-Rieseberg sWirtsch. Vg) ans Vor- legung einer Denkschrift über die Erfahrung mit dem Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes wird von der Rechten und den Nationalliberalen und der großen Mehrheit der Frei- finnigen unterstützt. Das Resultat der Abstimmung bleibt zwcifel- hast; erst der Hammelsprung ergibt 163 Stimmen dafür und 121 Stimmen dagegen. Die ätesolution ist also angenommen. (Beifall rechts und bei den Liberalen.) Ein Antrag Neuner snatl.) auf Ausdehnung der Unfallfürsorge auf die Arbeiten zur Rettung von Personen und der Bergung von Gegenständen wird mit großer Mehrheit angenommen. Die Resolution Pauli- Potsdam<k.), die Bestimninngen dcS Gewerbeunfallgesetzes von 1900 über die Ansammlung von Reserve- fondS wieder aufzuheben, wird gegen die Stimmen der Konservativen abgelehnt. Sine weitere Resolution Dr. Ablaß und Genofien sfrs. Vp.) auf Neuregelung des Submissionswesens findet gegen die Stimmen des Zentrums Annahme. Ein Antrag Sch a ck und Genossen(W. Vg.), der die verbündete» Regierungen auffordert, die Bestrebungen zur Vereinheitlichung der deutschen Kurzschrift zu fördern, wird einstinimig a» g e n o m m e n. Die letzte Resolution Ablaß   u. Gen. sfrs. Tp.) hat folgenden Wortlaut:«Die verbündeten Regierrmaen zu ersuchen, in Ausführung des Artikels 4 Absatz 16 der Reichsverfassnng dem Reichstage baldigst einen Gesetzentwurf betr. das Vereins- und Versa m in- lungsrecht vorzulegen, nach welchem alle Deutschen   ohne Unter' schied des Geschlechts berechtigt sind, friedlich und unbewaffnet Ver- sammlungen abzuhalten und zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwider laufen, Vereine zu bilden." Sie wird im Hauptsatz ein- stimmig, im Nachsatz gegen die Stimmen der Rechten an- genommen. Es folgt das Kapitel«Allgemeine Fonds". Beim Titel»Förde rung der deutschen Schiffsilassifikation" tritt Abg. Held snatl.) für die Förderung der kleinen Küstenschiffahrt ein, die die Grundlabe des Ersatzes für die Marine bildet. Staatssekretär Graf Posndowsky gibt eine entgegenkommende Erklärung ab. Abg. v. TreucnfelZ sk.) wünscht Schutz der deutschen Seeschiff' fahrt gegen die holländische Konkurrenz und Aufhebung der Ver Ordnung, wonach Seeleute, die auf Dampfschiffe gehen, aus Segel  ' schiffen ausgelernt haben müssen. Direktor im Reichsamt des Innern v. Jonquidres erklärt die Aufhebung dieser Verordnung für unmöglich. Abg. Schwartz-Lübeck<Soz.): Durch Ihre SeemannSordnung haben Sie es erreicht, daß kein deutscher Vater seinen Sohn mehr auf ein deutsches Schiff gibt, sondern er zieht die englischen, holländischen und dänischen Schiffe vor. Ihre Seemannsordnung snach rechts) ist lediglich auf die Be< dürfniffe der Grotzreeder, des Llohd und der Hamburg-Amerika-Linie  zugeschnitten, fie paßt nicht für die Segelschiffahrt.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Abg. Delbrück   sfrs. Vp.) bedauert das Zurückgehen der kleinen Segelschiffahrt. Abg. Barenhorst sRp.): In dem Streit mit den Schauerleuten tun die Hamburger Reeder in nationalem Interesse nicht wohl, wenn fie zu viele englische Arbeiter statt der deutschen Arbeiter heranziehen. Der Titel wird bewilligt. Zur Einrichtung und Unterhaltung regelmäßiger deutscher Post' dampferverbindungen mit Aftika werden 1350 000 M. verlangt. Abg. Erzberger(Z.) rügt, daß durch eine Aenderung des Ver träges mit der subventiomerten Ostaftikalinie die bisherige regel- mägige lltägige Postdampferverbindung beseitigt fei, die durch Gesetz vom Jahre 1900 zur Bedingung der Subvention gemacht sei. Redner wünscht des weiteren, daß auf eine Ermäßigung der Fracht' sähe auf dieser Linie hingewirkt werde. Staatssekretär Graf Posadowsky: ES handelt fich bei der Aenderung des Vertrages lediglich um ein Provisorium. Die Aenderung liegt im Jnteresie der Kolonien und ist vom Kolonial' amt gebilligt. Sollte der Reichstag nicht einen besonderen Antrag stellen, daß diese Frage im Wege der Gesetzgebung geregelt wird, so würde ich mich für befugt halten, dtese Aenderung schon am 1. Mai vorläufig in Kraft treten zu lasten. Direktor im ReichSamt des Innern v. FonquiireS: ES ist richtig, daß durch das Gesetz von 1900 eine vierzehntägige Verbindung mit Ostafrika   gefordert wurde. In bezug auf die Ankunft der Post in Afrika   bestanden aber jetzt schon infolge der Schnelligkcitsunterschiede zwischen den Haupt- und Nebenlinien gewiste Unterschiede. Diese werden auch ungefähr beibehalten durch die neue provisorische Aenderung in den Abfahrtszeiten. Was die Höhe der Frachten anlangt, so ist festzustellen, daß die Deutsch-Ostafrika  -Gesellschast so schlechte Ge schäste macht, daß auf der letzten Generalversammlung der Antrag auf Liquidation der Gesellschaft gestellt wurde. Nur die Rücksicht auf das Verhältnis zum Reiche führte dazu, daß dieser Antrag ab- gewiesen wurde. Abg. Dr. Semler(natl.) tritt für die Maßnahmen der Regie- rung ein. Abg. Dr. Arendt sRp.): Auch ich meine, daß die formalen Be- denken zurücktreten können, da es sich nur um eine vorläufige Maß- nähme handelt, die an sich im Interesse der deutschen Kolonie in Ostaftika durchaus begründet ist. Abg. Erzberger(Z.): Dnrch die Darlegungen des Staatssekretärs bin ich befriedigt; daß meine Bedenken berechtigt waren, hat er selbst anerkannt; falls es sich um eine dauernde Einrichtung handelt, will er ja auch den Weg der Gesetzesänderung beschreiten. Der Titel wird bewilligt. Beim Titel:«Belastung des Reichs auf Grund des Invalide»' verficherungsgesetzes" werden 49 820 000 M. gefordert. Abg. Noske(Soz.): Die nahezu 50 Millionen Mark, die hier gefordert werden, find um etwa eine Million geringer als die im Vorjahr für die Invaliden bezahlten Renten. Diese Tatsache beweist, daß das in den vielen Resolutionen zum Ausdnick gekommeneWohlwollen" für die Ar' beiter nichts bedeutet, sobald es zum Zahlen kommt. Die Zahl der Opfer der Arbeit wird inimergrößer und größer, die Summen für die Renten aber steigen nicht, sondern fallen. Nicht zu vergessen ist dabei, daß die Arbeiter diese Summe von 50 Millionen Mark, die für die Renten ausgegeben werden, in Form der indirekten Steuern zum größten Teil selbst aufbringen. Nichts ist für unsere Sozialpolitik bezeichnender als das Herabgehen dieser Summe im Etat, die durch Aberkennung von Renten an Invalide erreicht wird. Diese Invaliden fallen zum größten Teil der Armen- pflege zur Last; denn in anderen Berufen finden sie sicherlich keine Arbeit, wenn sie auch noch als erwerbsfähig bezeichnet werden. Es wäre sehr zu wünschen, daß mit dem System der Herabsetzung der Renten gebrochen würde.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Der Titel wird bewilligt.» Beim Titel.Schulkommission" führt Abg. KulerSki<Pole) aus, Preußen begnüge fich nicht damit, polnisch- Schüler von preußischen Gymnasien zu entfernen, sondern versuche, darauf hinzuwirken, daß solche Schüler auch auf den Gymnasien der anderen Bundesstaaten nicht Aufnahme finden! Der Titel wird bewilligt. Beim Titel.Bundesamt für das Heimatwesen  ' ergreist das Wort Abg. Brühne(Soz.): Ohne jeden Grund werden Leute, die bis zu 20 Jahren und noch länger sich in Deutschland   aufhalten, die politisch sich nicht be- tätigen, die ihren guten Verdienst haben, nicht in den deutschen Staatsverband aufgenommen, ja, fie werden sogar mit Ausweisung bedroht. Mit einer solchen Praxis sollte gebrochen werden.(Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Abg. Brejski(Pole) bringt den Fall eines Mannes zur Sprache, der zwischen Preußen und Rußland   hin und her geschoben wurde, und geißelt die Ausweisungspraxis der. preußischen Regierung. Abg. Bebel(Soz.): Nach dem von den Vorrednern Vorgetragenen können Sie sich ein_ Bild von den deutschen Zuständen machen; sie müssen möglichst bald beseitigt werden, es ist dringend not- wendig, daß eine Reform des Gesetzes über den Erwerb der Staatsangehörigkeit eintritt. Ich will auf einen häufig vorkommenden Fall aufmerksam machen: Hunderttausende, ja Millionen von Deutschen  sind ausgewanderr, ohne die Absicht zu haben, später nach Deutsch  - land zurückzukehren; sie haben deshalb auch nichts unternommen, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten. Nach 15, 20. 30 Jahren kehren fie zurück, befinden sich auch in ganz guten Verhältnisse», die Wiederaufnahme in den Staatsverband wird ihnen aber veriveigert! Dieser Zustand kann nicht aufrechterhalten werden; er dauert schon viel zu lange.(Zustimmung bei den Sozialdemo- kraten.) Vor zehn Jahren ist eine Aenderung des Gesetzes ver- sprachen, die Regierung sollte sie so bald als möglich herbeiführen. Unterstaatssekretär Mermuth  : Die Erwägungeii über die Ab- Änderung des Gesetzes danern noch immer fort.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Seit 10 Jahren!) Die Materie ist außerordentlich schwierig. Abg. Geck(Soz.): Wir wollen hoffen, daß die Erwägungen endlich aus dem Flusse herauskommen und sich zu einem Gesetzentwurf ver- dichten. Ein Italiener in Waldshut  , der sich verheiraten wollte, mutzte dies aufgeben, weil er die Aufnahme in den Staats verband nicht erreichen konnte. In einem anderen Falle wurde einem Ausländer, der im Interesse der N a ch k o m m e n f ch a f t heiraten wollte, dieses unmöglich gemacht! In materieller und moralischer Hinsicht wirkt die Ausführung der gegenwärtigen gesetz lichen Bestimmungen verderblich.(Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Abg. Dr. Mnller-Meiningen(frs. Vp.) wendet fich gegen die Praxis, daß Bayern  , die nach Amerika   ausgewandert sind, dann zurückkommen und sich hier verheiraten wollen, nicht naturalisiert werden. Abg. Brühne(Sog.): Die von der Regierung zugesagten Erhebungen sollten doch etwas beschleunigt werden. Es ist tatsächlich so, wie mein Parteigenosse Geck gesagt hat: Wenn jemand in Preußen naturalisiert werden will und schon ein Kind hat, so wird daraus sicher nichts I Besonders Arbeitern gegenüber wird immer daraufhingewiesen, sie könnten bei ihrem geringen Einkommen leicht der öffentlichen Armenpflege anheimfallen I So wurde einem Arbeiter, der 18 Jahre in Frankfurt   a. M. gelebt hatte und nachweislich einen Verdienst von 1600 M. hatte, aus diesem Grunde die Aufnahme in den preußischen Staatsverband versagt.(Hört! hört! bei den Sozial' demokraten.) Beim«Statistischen Amt" fordert Abg. Werner(Ant.) Gehaltsaufbesserungen für die Sekretariats' Assistenten. Das Kapitel wird bewilligt. Hierauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung: Mittwoch 1 Uhr.(Fortsetzung der heuttgen Bf' ratung beim Reichsgesundheitsamt; Ergänzungsetat.) Schluß 8 Uhr. parlamcntanfcbcö. Aus der Budgetkommisfioa. (Sitzung vom 16. April.) Die im Ergänzungsetat befindlichen Summen für Teuerung?' zulagen an Beamte im Reichsamt des Innern werden abgelehnt. da in dem zu erwartenden Nachttagsetat die Zulagen! in höherem Maße gewährt werden sollen.. Singer referiert dann über eine Anzahl Petittonen von Be- amten. Er kritisiert, daß, obwohl die Budgetkommission schon wieder- holt gleiche Petittonen zur Berücksichtigung überwies, bis heute noch nichts geschehen sei. Die richtige Antwort wäre eigentlich, sofort solche Erhöhungen in den Etat einzustellen. Singer stellt den Anttag: den Reichskanzler zu ersuchen, daß in einem Ergänzungsetat für 1907 die Mittel angefordert werden, die nötig sind, um 1. die etatsmäßigen technischen Hülfsarbeiter bei der biologischen Anstalt, die Hülfsarbeiter im Gesundheitsamt, in der Normaleichungs- kommission und bei der physikalisch-technischen Reichsanstalt im Ge- halt mit den Versicherungsrevisoren beim Aufsichtsamt für Privat- Versicherung gleichzustellen; 2. die vor dem 1. April 1397 dauernd in den Reichsdienst überitommenen, jedoch erst seit oder nach diesem Zeitpunkt als expedierende Sekretäre und Kalkulatoren angestellten Bureaubeamten der höheren Reichsbehörden im Dienstejnkommen mit den vor dem 1. April 1897 fest angestellten Amtsgenossen gleichzustellen, ebenso die nach dem 1. April 1897 angestellten expedierenden Sekretäre bei den höheren Reichsbehörden(Kaiserliches Patentamt; Statistisches Amt; Reichs-Versicherungsamt; Gesundheitsamt; AuffichtSamt für Privatversicherung; Biologische Anstalt für Land- und Forstwirt- schaft) im Diensteinkommen mit den früher angestellten Kollegen gleichzustellen. Der Anttag wird, obwohl Unterstaatssettetär(Twele dagegen spricht, einstimmig angenommen. Eine größere Zahl Petitionen werden der Regierung als Material für die kommende Revision des Gehaltstarifs über- wiesen. Ueber eine Petitton gegen Unterstützung von Baugenossen- schaften geht die Kommission zur Tagesordnung über. Runinehr beginnt die Budgetkommission die Beratung des Kolonialetats. Die Errichtung eines selbständigen K-lonialamteS. die auch dies- mal wieder gefordert wird, veranlaßte keine große Debatte, nur Hertling und Bebel gaben kurze Erklärungen dahin ab, daß Zentrum und Sozialdemokratte nach wie vor gegen die Forderung seien. Mit der Blockmehrheit werden dann die 44 000 Mark für den neuen»Staatssekretär" Dernburg  bewilligt. Bei der Beratung der weiteren neuen Beamtenstellen(ein Unterstaatssekretär, drei vortragende Räte, mehrere Hülfsarbeiter) entspinnt sich eine lebhaftere Debatte über die Organisation des neuen Kolonialamtes. S e m l e r möchte es mehr vom kauf- m ä n n i s ch e n Staadpunkt aus eingerichtet sehen; so will er, daß die Beamtenstellen nicht im Etat fe st gelegt werden, sondern dem Kolonialdirektor soll ein Pauschale gewilligt werden, mit den, er fich einen Beamtenstab beliebig schafft und nach Bedarf und Belieben abändert! Dernburg ist gegen diese sonderbare Art einer behördlichen Organisation. Und als er an seine kauf- männische Praxi« erinnert wird und daran, daß er wohl s e l b st eine solche kaufmännische Organisation dieser Behörde gewünscht habe, gibt er zu, daß er eben seine Meinung geändert habe! Arendt will die bureaukratische Form beibehalten wissen, aber sie müsse erfüllt werden mit kaufmännischem Geiste. Bei dieser Erörterung kommt auch die Tat- fache wieder zur Sprache, daß die Abrechnungen aus den Kolonien fo spät an den Reichstag kommen. Es wird von einem Regierm,g«beamten mitgeteilt, daß die Rechnung für 1897/98 jetzt bald(I) an den Reichstag komme. DernBurg  meint, draußen in den Kolonien feien d,e Buchhalter wegen der klimatischen Einflüsse nicht so leistungsfähig wie hier! Außerdem wolle er nach Schluß des Reichstage» in die Kolonien gehen, um dort selbst für möglichste Vereinfachung zu sorgen. Bebel konstatiert zunächst mit Befriedigung das Eingeständnis des Kolonialdirektors, daß er sich g e- m aufert habe. Er werde sich auch noch weiter wandeln, je mehr er in das Gebiet eindringe. ES frage fich dann nur, in welcher Richtung sich die Wandlung bewegen werde. Zum Kolonialetat selbst bringt Bebel zunächst den außer- ordentlich raschen Wechsel der Beamten in den Kolonien zur Sprache, der doch sicher nicht zum Vorteil der Kolonien sei; denn bevor einer in die Lage komme, Vorschläge zur Besserung zu machen, gehe er wieder fort! Weiter sind viel zu viel Beamte dort; man scheint hierin nach dem Muster des Mutterlandes zu verfahren und kommt dabei zu ganz ab- surde» Maßregeln. Die Kolonialverwaltung möge fähige Beamte zum Studium der englischen   Kolonial- Verwaltung entsenden. Es sei bewundernswert, daß England nach dem erbitterten Burenkriege dort so verhältnismäßig gute Zu­stände zu schaffen vermochte. Schließlich wendet sich Bebel noch gegen die Landgesellschaften, die eher ein Unglück als ein Vorteil für die Kolonien sind, und kritisiert scharf die heutige Art und Weise der Rechnungslegung. Es mute sonderbar an. wenn bei dem raschen Beamtenwechsel die Rechnungen ein Viertel Menschenalter nach der Ausgabe der Gelder an den Rechnungshof kommen. Gerade das Wort Arendts, daß man in den Kolonien doch mache was man will, erfordere rascheste Aenderung. Es müsse darauf gehalten werden, daß die Beschlüsse de» Reichstags auch respektiert werden. Dernburg ist mit Bebel fast in allen Punkten einverstanden! Im einzelnen bespricht er die Mittel, die zur Besserung dienen sollen. Es reden noch A r e n d, R i ch t h o f e n. Arning und Starz; letzere beide geben Erfahrungen aus den Kolonien zum besten, wobei sie vielfach der Kritik Bebels beitreten. Dernburg   mutz zugeben, daß Mißstände bestehen, aber im allgemeinen seien die Beamten sehr brauchbar und tüchtig. Die beobachteten Mängel liegen daran, daß die Beamten hier unter ständiger Aufsicht stehen, dort aber Aufsicht ü b e n sollen und dabei ständig helfend und schiebend eingreifen müssen. Richtig ist, daß in den Kolonien ein starker K a st e n g e i st herrscht. Dagegen iverde er immer auftreten und er wolle zeigen, daß ihm jeder, der seine Pflicht tut, gleich wert ist, ob er einen Stern und Orden hat oder nicht. W i e m e r, der jetzt mit der Blockmehrheit natürlich alle Kolonialforderungen bewilligt, sucht, waS die Beurteilung der früheren Kolonialpolitik anbelangt, von seinen Blockfreunden, die auch jene lebhaft verteidigen, abzurücken I Das sind so kleine Verlegenheitsanwandlungen. Erzberger empfiehlt einen gewissen feststehenden Reichszuschuß für die Kolonien auszuwerfen, der für die militärischen Ausgaben zu verwenden wäre; die Zivilverwaltung müßte durch die Kolonien selbst gedeckt werden. Dernburg   erklärt, er wäre mit einer solchen Regelung einverstanden. Beim Schlüsse verweist Ledebour   darauf, daß die notwendige Selbstständigkeit unserer Kolonialbeamten noch lange fehlen werde, man möge sie hernehmen, wo man wolle. In Deutschland   würden weder Kauf- leute noch Beamte jur Selbstverwaltung erzogen. Das sei in England ganz anders. Die Posittonen werden schließlich von der Blockmehrheitf an- genommen._ Der neue Eisenbahn Personen- und Gepäcktarif. Am 1. Mai d. I. tritt im Deutschen Reich ein neuer einhett- licher Personen- und Gepäcktarif in Kxast. Ueber die hauptsäch- lichsten Bestimmungen dieses neuen Tarifs hat die Eisenbahn» Verwaltung zwei kleine Broschüren, betitelt«Merkbuch für Reisende" undDer neue Eisenbahn-Personen- und Gepäcktarif", zusammenstellen lassen, die demnächst an den Schaltern unentgelt- lich an das Publikum abgegeben werden sollen. Die wichtigsten Veränderungen sind: Vom 1. Mai d. I. ab werden auf den deutschen Eisenbahnen einheitliche Fahrpreise und ein einheitlicher Ge- päcktarif bestehen. Ueber die Fahrpreise und BeförderungS- bedingungen für Vereinsfahrscheinhefte, für gemeinnützige Zwecke und für Sonderzüge, auch Feriensonderzüge, sind gleich. falls einheitliche Bestimmungen vereinbart. Die Ausnahmen, die auf den Verlehr mit regelmäßigen Fahrkarten von Einfluß sind(Kilometerhefte, Landeskarten usw.) fallen weg. Unberührt bleiben durch die Reform die Tarife für Monatskarten, Arbeiterkarten, Schülerkarten. Sonn- tagstarten, die Preise der Stadt- und der Vorortverkehre und dergl. Die Rückfahrkarten werden abgeschafft Die normalen Preise der 2. und 3. Klasse sind auf die Hälfte der Rückfahr» preise festgesetzt, die der 1. Klasse auf einen etwas höheren Be- trag. In Zukunft sind also alle Einzelreisen in den drei ersten Wagenklassen billiger. Die Preise für das Personenkilometer, die heute für die Personenzüge in Preußen und Sachsen 8. 6 und 4 Pf., in den süddeutschen Staaten 8,0, 5,3 und 3,4 Pf. betragen, werden herabgesetzt auf 7,0, 4,5 und 3,0 Pf. Dafür stellen sich für die Hin» und Rückfahrt künstig in den meisten Fällen die Preise etwas höher; denn während bisher der Inhaber einer Rückfahrkarte auch die Schnellzüge benutzen konnte, wird vom 1. Mai ab ein f e st e r Zuschlag für einen Teil der nicht mit einer Platzkartengcbühr belegten Abteilschnellzüge erhoben und ein neuer Gepäcktarif ein» geführt, durch welchen Freigepäck auf den nord» deutschen Bahnen nicht mehr bewilligt wird. Der Zuschlag für Schnellzüge beträgt für Strecken bis 75 Kilo. meter 50 Pf., für 76 bis 150 Kilometer 1 M., über 150 Kilomcte, 2 M. in der 1. und 2. Klasse, in der 3. Klasse die Hälfte dieser Sätze. Dieser Zuschlag ist jedoch nicht für alle Schnellzüge zu zahlen. Die Schnellzüge werden vielmehr vom 1. Mai in zwei Gattungen eingeteilt: in zuschlagspflichtige(Schnellzüge genannt), und in zuschlagsfreie(Eilzüge genannt). Reisende, die zuschlagspflichtige Züge(der Fahrplan gibt Auskunft, welche Züge dies sind) benutzen wollen, enthalten entweder Fahrkarten für Schnellzüge mit ein» gerechnetem Zuschlag oder besondere Schnellzugszuschlagskarten. fiir die ein Fahrkartenstempel nicht erhoben wird. Die besonderen Zuschlagkarten werden auf allen Stationen verkauft, auch dort, wo keine Schnell- oder Eilzüge halten; ferner sollen die Zugführer solche Karten immer zum Verkauf bei sich führen. Auch in den O-Zügen tritt an die Stelle der Platzkarten» gebühr der Schnellzugszuschlag, der für Entfernungen bis zu 75 Kilometer billiger, für größere Entfernungen gleich hoch ist. Das Reisen in den dem durchgehenden Verkehr dienenden Abteilschnell. zügen wird auf den preußisch-hessischen Bahnen insofern um höchstens 2 M. für die Fahrkarte verteuert, als zurzeit bei Rück» fahrkarten nur die Personenzugpreise erhoben werden. Es ist aber in Aussicht genommen, diese Abteilzüge allmählich in D-Züge um» zuwandeln. Der neue Gepäcktarif bedeutet für die Reisen in Süddeutsch. land fast durchweg, insbesondere für Entfernungen über 30 Kilo- meter, eine Verbilligung, die mit dem Gewicht der Gepäckstücke und den Entfernungen wächst. Durch die Beseitigung des Freigepäcks wird die Gepäckfracht für Gewichte bis 25 Kilogramm auf den norddeutschen Bahnen teurer. Aber nach den neuesten Verein. barungen der deutschen Regierungen ist die Gcpäckfracht(20 Pf. für Entfernungen bis 50 Kilometer, 50 Pf. bis 300 Kilometer) eine ziemlich niedrige.. Wie sich die Gepackfracht in Zukunft im Vergleich mit der jetzigen nach solchen Gebieten stellen wird, in denen zurzeit Frei» gepäck nicht gewährt wird, mögen folgende Beispiele zeigen: Es beträgt die Fracht für 25 Kilogramm: von Berlin   nach München   jetzt vom 1. Mai d. I. ab über Regenöburg.. S.40 M. 1» M. über Probstzella  ... 8.75» 1.--. von Berlin   nach Kusstein über Regensburg  .. 4,40 über Probstzella  ... 4,80 von Berlin   nach Stuttgart  über Ritschenhausen  . 3,15 von Köln   nach Basel.. 2,95 1.- 1.- 1.- 1.-