sehen, daß er. indem er den Scharfmachern und Großunter-nehmern folgte, um in den Arbeitern seinen vermeintlichenFeind zu bekämpfen, sein Geschäft und damit seineExistenz ruiniert hat. Wenn dieser Erfolg eingetretenist, dann>vird vielleicht mancher, wenn auch zu spät, zu derEinsicht kommen, daß die angeblichen MittelstandLrettcr inWirklichkeit Mittel st andsvernichter sind.Zur„Säuberung" der Kolonial-Verwaltung.Der Reichslanzler hat der Budgetkommission gestern vor Beginnder Beratung des Etats der Kolonialverwaltung einen ihm vomKolonialdirektor Dcrnburg erstatteten Bericht über das Ergebnis dervon Herrn Dernburg vorgenommenen Untersuchung der Kolonial-skandale vorgelegt. Dieser Bericht läßt an Dürftigkeit nichts zuWünschen übrig! Denn über nicht weniger als 27 Fälle— PrinzArenberg, Kannenberg, v. Vesser, Horn, v. Puttkamer, v. Notberg,Dr. Kersting, Graf Zech, v. Brauchitsch, Dr. Meyer und wie dieBeschuldigten alle heißen— ist auf ganzen fünf halben Seiten be-richtet wordenl Dieser dürftige Bericht genügt dem Reichskanzler undsoll nunmehr auch dem Reichstage genügen INun hat ja zwar am Schlüsse dieses summarischen BerichtsHerr Dernburg den Reichskanzler gebeten und hat dieser bei Neber-gäbe dieses Berichts au den Reichstag sich damit ausdrücklicheinverstanden erklärt, daß Herr Dernburg»an der Hand derAufzeichnungen"(I Ij der Budgetkommission<!!) weitestgehendeAuskunft gebe. Als ob dies nicht selbstverständlich ist. Neben-bei erlauben wir uns die Anfrage: Hat zuvor der Reichs-kanzler sich selbst die.weitestgehende Auskunft" verschafft, so daßer die Gründlichkeit der Untersuchung hat feststellen können? Imübrigen: Nicht nur der Budgetkommission, sondern dem gesamtenReichstag ist der Reichskanzler die Iveitestgehcnde Auskunft zu gebenverpflichtet. Und die Budgetkommission sollte sich mit solcher vcr-traulichen Auskunft nicht begnügen, sondern fordern, daß ebensoöffentlich wie diese und andere Fälle zur Sprache gebracht und dieBetreffenden beschuldigt worden sind, nunmehr auch nicht nur dasErgebnis der Untersuchung, sondern die ganze Untersuchnng selbstzar öffentlichen Kenntnis gebracht wird. Denn das ist die Bcr-waltung schon denen schuldig, die, nach den Ergebnis der Unter-suchung, zu Unrecht schwer beschuldigt worden sein sollen. Diese un-gerechtfertigterweise Beschuldigten haben ein Recht darauf,öffentlich, unter gründlichster Widerlegung jeder einzelnender gegen sie öffentlich erhobenen Anschuldigungen oder aus-gesprochenen Verdächtigungen rehabilitiert zu werden.Aber auch soweit die erhobenen Beschuldigungen sich als bc-gründet herausgestellt haben, hat die breiteste Oeffentlichkeit einenAnspruch darauf zu erfahren, in welchen Fällen und in welchemUmfange Vergehen und Verbrechen in unseren Schutzgebieten begangenworden sind; denn diese Vergehen haben wegen ihrer teilweisenUngeheuerlichkeit nicht nur das Rechts- und Sittlichkeitsempfindendes deutschen Volkes verletzt, sondern weit über die Grenzen desDeutschen Reiches hinaus in der ganzen zivilisierten Welt Er-staunen und Entrüstung hervorgerufen. Die Oeffentlichkeit sowohlim Reich wie im Ausland muß also wissen, was an allden vorgebrachten schweren Anschuldigungen sowohl auf dem Gebieteder Rechtspflege wie auf dem der Verwaltung Wahres ist. Um dasAnsehen des Deutschen Reiches als eines Rechtsstaates aufrecht zuerhalten, und um die Oeffentlichkeit ivieder zu beruhigen, mutz dieOeffentlichkeit Gewißheit haben, daß die Verfehlungen, soweit siesich als begangen herausgestellt haben, nach dem be-stehenden Gesetz grahudct worden sind! Denn um dieeigensten Worte des gegenwärtigen Leiters der Reichs-geschästc, des Fürsten Bülow zu gebrauchen, ist„dierückhaltlose Aufdeckung solcher Vorgänge nützlich, nicht nur weil inder Oeffentlichkeit ein heilsames Korrektiv liegt, sondern weil es eingutes Zeichen für eine Institution ist, wenn nichts verkleistert undvertuscht wird." So Fürst Bülow im Reichstage am 10. Dezember1003. Sollte er sich dieser Worte nicht mehr entsinnen, so sei erhierdurch an diese für die gerade bei dieser Gelegenheit notwendigeBetätigung seiner Worte erinnert!ES kommt aber noch ein drittes wichtiges Moment hinzu,daS die Verwaltung von der Notwendigkeit eines öffent-lichen Berichts über die stattgehabte Untersuchung— nichtnur eines Berichts über daS Ergebnis die Urteile— der Kolonial-fkandale hätte überzeugen müssen. Im eigensten Interesse der Re-gierung liegt es, die vorgenommene Untersuchung bekanntzugeben.Es kann dem Reichskanzler und seinen Mitarbeitern gar nicht ent«gangen sein, von welchem Mißtrauen die Oeffentlichkeit infolgeder bisherigen Behandlung dieser.Fälle" erfüllt ist. Manwußte und sprach es offen aus, daß eine Krähe deranderen die Augen nicht aushackt. Speziell der AbgeordneteAblaß von der Freisinnigen Volkspartei, der einenTeil dieser Kolonialskandale zur Sprache gebracht hatte,erklärte im Reichstag rundweg. daß er sich bei derihm als einem Juristen unbegreiflichen Art der Untersuchung und beiden auffallend milden Urteilen nicht beruhigen könne und er einegründliche Aufklärung heischen müsse. Herr Ablaß ist nun nichtMitglied der Budgetkommission; er kommt daher nicht in die Lage,mit seinem Wissen, das er, wie man annehmen mutz, über dieeinzelnen von ihm vorgebrachten Kolonialskandale hat, un«richtigen Ausführungen der Regierungsvertreter entgegenzu-treten. Denn daß man mit solchen, gelinde gesagt, Un-richtigkeitcn von feiten der Regierung rechnen mutz, kann nach dem,wiederum gelinde bezeichnet, mangelhaften und unzutreffendenErklärungen der Kolomal-Geheimrate Rose, v. König und Seitz imReichstag und ferner nach den von Unrichtigkeiten geradezuwimmelnden offiziösen und halboffiziösen Erklärungen zu denKolonialskandalen in der.Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" imvergangenen Jahre nur selbstverständlich sein.Wird sich also die Budgetkommission mit Mitteilungen begnügen,deren Richtigkeit zu prüfen der Reichstag nach den Erklärungen derNegierung im verflossenen Jahre sowohl im Reichstage als durchdie«Norddeutsche Allgemeine Zeitung" alle Veranlassunghat, deren Richtigkeit festzustellen, aber von den der Budget-kommission angehörenden Mitgliedern, Herrn Erzberger für deneinen oder anderen Fall vielleicht ausgenommen, keines in der Lagesein dürste? lDie„Freisinnige Zeitung", die sich im vergangenen Jahreüber die ihr bekannt gewordene koloniale Mißwirtschaft so zorniggeberdete, welche beinahe Tag für Tag neue Kolonialskandalosabrachte und sich hierin nimmer erschöpfen und leeren zu wollenschien, ist plötzlich ganz still geworden. Seitdem den«ent«schieden Liberalen" die Regierungssonne lächelt, ist derdemokratische Ton in der„Freisinnigen Zeitung' so sehrgeschwunden, daß sie die von ihr bis dahin gründlichst kritisiertenamtlichen Auslassungen der„Nordd. Allgem. Ztg." nur noch wider-fpruchSloS widergibt und sich zu ihrem Kolporteur macht. Wie werdensich nunmehr die Rufer im Streit, die Herren Ablaß, Müller-'Meininge», Kopsch und Eickhoff verhalten, die zusammen mit ihremFraktionsführer Dr. Müller-Sagan sowohl im Reichstagewie in ihren zahlreich abgehaltenen Versammlungen immerund immer wieder mit Genugtuung auf die von ihnenaufgedeckten und auf die von ihnen«och aufzudeckende»(I!)Kolonialskandale hingewiesen haben? Wie kommt eS nur, daß dieentschieden liberale Presse, voran die„Freisinnige Zeitung",dann aber auch das.Berliner Tageblatt" und diese„entschieden libe-ralen" Abgeordneten seit der Auflösung des Reichstages ihr Stecken-pferd, die koloniale Mißwirtschast, niemals wieder geritten haben?!Glauben Sie nicht die Pflicht zu haben, alles das.was. sie um die koloniale Mißwirtschaft noch wissen(daß dies der Fall ist, muß man nach den hoch-tönenden früheren Erklärungen der Herren annehmen), ohne An-sehen der Person zur öffentlichen Kenntnis zu bringen, selbst aufdie Gefahr hin, bei der an liberale Matznahmen„denkenden"Regierung in Ungnade zu fallen?Wir wollen daS Verhalten der„entschiedenen" Liberalen bis zurzweiten Lesung des Kolonialetats abwarten. Den Reichskanzler undHerrn Dcrnburg aber möchten wir daran erinnern, daß sie demdeutschen Volke eine„gründliche Säuberung" in der Kolonial-Verwaltung versprochen haben. Zeit dazu ist genug vorhanden ge-Wesen. Ob die versprochene gründliche Säuberung ober auch wirklichstattgefunden hat, wird sich ja bald herausstellen. Nach dem von der„Nordd. Allg. Ztg." mitgeteilten überraschenden Ergebnis der Unter-suchung müßte man freilich annehmen, daß eine gründlicheSäuberung, von der die Regierung s e l b st sprach, die s i e a l s oselb st für notwendig erachtet haben mutz, inWirklichkeit gar nicht nötig war! Und gerade deshalbmutz daß Ergebnis der Untersuchung stutzigmachen. Warten wir das weitere ab. NochistdasletzteWort über diese und andere Kolonialskandalosanicht gespro chen!_'politilcbc Qcberfkht.Berlin, den 17. April 1007.Etat des Reichsgesm�heitsamtes.Zu einem komischen Intermezzo gestaltete sich heute dieBeratung zum Etatstitel„Rcichs-Gcsundheitsamt". AufAntrag wurde nämlich die Debatte über Weingesetze kon-tingentiert. Als der Präsident auf Grund dieses Beschlussesdie Weinredncr aufforderte, sich speziell zu dieser Debattezum Wort zu melden, erfolgte unter unauslöschlichem Ge-lächtcr ein Sturm auf die Präsidententribüne, denn mehr alsdreißig Abgeordnete rangen darum, unter den ersten in dieListe eingezeichnet zu werden. Und noch einmal durchschallteheiteres Gelächter das Haus, als um 5 Uhr ein Schlußantragder Diskussion ein Ende setzte und darauf die„guillotinierten"Abgeordneten darüber klagten, daß ihnen durch den Schlußder Debatte das Wort abgeschnitten sei.In der nunmehr fortgeführten allgemeinen Be-ratung über das Reichs-Gesundheitsamt sprach der Abg.Fleischer(Z.) über die gesundheitsschädliche Wirkung beider Verarbeitung gifthaltiger Stoffe, die in ihrem der-heerenden Umfange noch gar nicht recht bekannt sei. Er be-mangelte die gesetzgeberischen Vorbeugungsmaßregcln, diejedoch vom Staatssekretär verteidigt wurden.Abg. F i s ch b e ck regte eine bessere gesetzliche Regelungder Abdeckereifrage an, die an der Weigerung des preußischenFinanzministers, Mittel für diesen Zweck auszuwerfen,scheitert/Die Beratung wurde sodann auf morgen vertagt.—Preußischer„Kultus"— Preußisches Gesundheitswesen.Im Abgeordnetenhause wurde heute endlich die Beratung desKultusetats in zweiter Lesung zu Ende geführt. Das Kapitel„Kunst und Wissenschaft" ging bei den geringen Mitteln, die inPreuhcn dafür ausgeworfen werden, und dem geringen Interessedes Dreiklassenparlaments für diese Fragen rasch und ohne wesent-liche Debatte vorüber. Lebhafter wurde die Debatte bei den Aus-gaben für das technische Unterrichtswescu. Hierzu lag zunächst einvon allen Parteien des Hauses unterstützter Antrag des Abgeord-neten Dr. Friedberg(natl.) bor: an den technischen HochschulenExtraordinariate zu schaffen, während man bisher an ihnen nurordentliche Professoren und Privatdozenten kannte. In der Bc-gründungLrede wies der Antragsteller darauf hin, daß es unzu-lässig erscheinen müsse, dauernd notwendige Vorlesungen vonPrivatdozenten abhalten zu lassen. Zu der Forderung aber,daß die notwendigen Vorlesungen auch von festangestelltenProfessoren gehalten werden sollen, konnte man sich gegenüber demFiskalismuS der preußischen Schukverwaltung nicht aufschwingen.Und so schuf man denn mit Zustimmung der Regierung auch fürdie technischen Hochschulen das Zwischenglied der außerordentlichenProfessoren, die die Pflichten ordentlicher Professoren und,wenn überhaupt eines, so ein minimales Gehalt haben.Eine umfassendere Frage schnitt dann der AbgeordneteMacco(natl.) an. Er machte sich zum Wortführer der Forde-rungen des Vereins deutscher Ingenieure, der die technischen Hoch-schulen zum Mittelpunkt des gesamten naturwissenschaftlichen undmathematischen Unterrichts machen und demnach auch die Ober-lehrer für diese Fächer auf i h n e n ausbilden will. Weiterhin wirdverlangt, die Techniker mehr als bisher mit den Grundsätzen derSozialgesetzgebung und der Finanzwissenschaft vertraut zu machen.Geheimrat Naumann vom Kultusministerium hielt demgegen-über an dem Standpunkt der Regierung fest, daß die technischenHochschulen nur Anstalten zur praktischen Ausbildung von Inge-nieuren sein sollten; weder sollten an ihnen zukü»ftige Lehrer,also Theoretiker, ihren Studiengang machen dürfen, noch auchsollten die Ingenieure mehr nach der allgemeinwisscnschaftlichcnSeite hin ausgebildet werden.In vorgerückter Stunde erledigte man dann noch das Kapitel„Gesundheitswesen". Kultusminister Dr. von Studt kündigte dabeieinen neuen Gesetzentwurs zur Regelung des Hebammenwescnsan. Die weitere Debatte wurde wiederum durch einen Schluß-antrag abgeschnitten.Morgen stehen der Bauetat und kleinere Etats auf der Tages-ordnung,•■■Deutfchcö Reich,Bölkervcrhetzung.Die„staatscrhaltende" Presse Deutschlands, voran die von demFürsten Bülow so belobigte„Deutsche Tageszeitung",betreibt zurzeit die skrupelloseste internationale Verhetzung. Wirmöchten den Fürsten Bülow ersuchen, sich diese Ausbrüche einesgemeingefährlichen Chauvinismus sorgfältig zu registrieren, damiter bei der entsprechenden Gelegenheit das Material darüber, werinternationale Verhetzung schlimmster Art betreibt, rechtzeitig zurHand hat. Die chauvinistischen Ausbrüche entspringen der ReiseKönig Eduards nach Spanien und Italien, speziellEduards Zusammenkunst mit dem italienischen König in Gaeta.Fürst Bülow hat zwar erst kürzlich in Rflpallo eine Zusammenkunftmit italienischen Staatsmännern gehabt, aber daß nun auch SdttckrLder Dicke in seinen Reisen die Gepflogenheit deutscher Staats-männer und gekrönter Häupter nachahmt, wird ihm von derdeutschen Chauvinistenpresse höchlichst verargt.Die Zusammenkunft Bülows mit Tittoni wurde erst boreinigen Wochen von genau denselben staatserhaltendenBlättern, die sich jetzt über Eduard des VII. diplomatischeQuertreibereien entrüsten, als ein Bombenerfolg Bülow-scher Staatsmannskunst ausposaunt. Bülow habe sichbei jener Zusammenkunft durchaus des EinverständnissesItaliens zu der Abrüstungsfrage versichert. Und nun sollauf einmal durch die Jtalienreise des englischen Königs dieserglorreiche Erfolg Bülows völlig in Frage gestellt sein!Die„Deutsche Tageszeitung" zitiert Ausführungender offiziösen Wiener„Neuen Freien Presse", indenen behauptet wird, daß Eduards Besuch den Anschein erwecke,als ob vor der ganzen Welt ein diplomatisches Gefechtzwischen England und Deutschland stattfinde.Man glaube förmlich Stoß und Gegenstoß zu sehen, Ausfall undAbwehr. Es klinge durch die Luft wie ein Aufeinanderschlagenvon Rapieren. Noch handele es sich um d i p l o m a t i s ch e Degen:aber der König von England scheue gar nicht mehr den Eindruck.als ob es sich für ihn darum handele, die Ziele der beut-schenPolitikzudurchkreuzen. Ueberall werde die bangeFrage aufgeworfen, ob diese mit offener Rücksichtslosig»k e i t fortgesetzte politische Arbeit nicht den Zweck habe, Deutschlandgänzlich zu isolieren:„Was die englische Diplomatie jetzt tut, kann nur zu' einerSteigerung der Rüstungen, aber nicht zu einem Vertrag überdie Abrüstung führen. Nach Carba gena und Gaetawird die Aussicht aus Verständigung in Haagnoch geringer, aber die Sorge um den Kriegnoch größer."Zur Verschärfung dieses offiziösen österreichischen„Se-kundierens" gibt die„Deutsche Tageszeitung" nochStellen der„Kölnischen Zeitung" wieder, die sie gleichfallsals offiziös» also unverkennbar bülowosfiziös anspricht. Diese Aus-fuhrungcn des offiziösen nationalliberalen Organs unterstreichendie Ausführungen der„Reuen Freien Presse" und gipfeln infolgendem Passus:„Noch ist Deutschland glücklicherweise, dank seiner eigenenKraft, in der Lage, leidenschaftslos jeder Möglichkeit mit derkühlen Berechnung entgegenzusehen, daß ein Krieg für jedenGegner und jede Koalition von Gegner« ein recht gefährlichesUnternehmen bilde, und so lange es dafür sorgt,daß diese Rechnung richtig bleibt, werden solche Einkreisungs-bestrebungen nicht in der Lage sein, die friedlichen Bahnen zuverlassen, in denen sie sich augenblicklich bewegen."Schneidendere Fanfaren sind nicht mehr gut möglich. Undweshalb der ganze Lärm unserer offiziös gespeisten Chau-vinistenpressc? Weil England in dem marinistischcn Wettrüstenein Haar gefunden hat, weil es dahin strebt, durch internationaleVereinbarung das Tempo des internationalen Flottenwettrüstens,wenn nicht aufzuhalten, so doch in seinem Tempo zu verlangsamen.Und dieser diabolische Plan wird von unseren Offiziösen urplötzlichals ein tückischer Ucberfall Deutschlands, als einEinkreifungsvcrsuch denunziertlDaß Englands Vorgehen keineswegs idealen Friedens-bestrebungen, sondern sehr realpolitischen Erwägungen ent-springt, haben gerade wir wiederholt dargelegt. Aber gerade weilEngland kolonialpolitisch gesättigt ist. erscheint sein Ruhebedürfnisdurchaus begründet. Es ist nichts anderes, als dentschoffiziiseGespensterseherei, Englands Politik als eine BedrohungDeutschlands, als einen.Einkreisungsversuch" zu be,kämpfen..Vollends die Jtalienreise Eduards Vll. als eine Provokationund Bedrohung Deutschlands aufzufassen, liegt nicht der geringsteAnlaß vor. Sind denn in Deutschland Kaiserreisen ctwaö so un-gewöhnliches, daß das Vorgehen deS englischen König» soscharf gcbrandmarkt zu werden verdiente? Hat man denn ganzvergessen, daß Wilhelm ll. in einer äußerst kritischen Dituatio»seine Fahrt nach Algeciras antrat und dort Reden hielt, die inungleich höherem Maße als«ine Durchkreuzung der Politik andererMächte angesehen werden konnten? Hat man denn ganz die Krüger-depesche und die zahllosen Kaiserreden vergessen, die das Evangelium der gepanzerten Faust predigten und die Proklamierungder deutschen Weltherrschaft bedeuteten? Warum also auf einmaldie unbegreifliche Nervosität und Jntrigcuriecherei unserer Ossi,ziösen?'Wir überschätzen die deutsche offiziöse Prcßkannonade keines«Wegs. Immerhin beweist dies stivole Spiel mit dem Feuer derVölkerverhetzung, wie wenig sich das Volk selbst in internationalenFragen auf die Einsicht und das Gewissen der herrschenden Klassenund ihrer Organe verlassen darf. Erst wenn die Nationen selbstihre Geschicke auch in der auswärtigen Politik in die Handnehmen, wird die Gefahr törichter KricgSprovolationen und dersinnlosen Zerfleischung der Völker abgewendet werden können!Der Kaiser und die Arbeiter.Der englische Journalist B a s h f o r d hat ein Werk er-scheinen lassen, in dem die Berichte der von ihm geführtenenglischen Arbeiterkommission über ihre Ein-drücke von der Lage der deutschen Arbeiter bc-kannt gegeben werden. Herr Bashford hat auch eineAudienz bei dem Kaiser gehabt, über die er aller-Hand Mitteilungen macht.Der Kaiser erklärte seine Freude darüber, daß eine eng-lische Arbeiterkommission die Lage der deutschen Arbeiterdurch persönliche Inaugenscheinnahme studiert habe.„Siewissen," sagte er nach Bashford,„daß mich alles, was mit derSituation der arbeitenden Klassen zu unserem Volke zusammenhängt, eingehend beschäftigt." Als besonders wichtlgsFrage habe er die Arbeitslosenfrage bezeichnet. Im Augen-blick, weil in der Periode der unvergleichlichen Blüte derIndustrie, sei die A r b e i t s l o s e n f r a g e nicht brennend.Immerhin werde sie vielleicht später erwogen werden müssen.Seiner Meinung nach könye die Arbeitslosigkeit nicht aufdem Wege des Almosens geregelt werden. Man müsseversuchen, dem Arbeitslosen bezahlte Arbeit zuschaffen: Almosen ohne Beschäftigung wirkten degenerierend.— Bekanntlich haben die deutschen Gewerk schafts-Organisationen das Problem der Arbeitslosigkeitlängst in positivem Sinne behandelt. Die Frage der st a a t-lichen ArbeitslosemDersicherung ist ein Problem, dessenSchwierigkeiten nicht nur in dem Widerstand deS Unternehmertums, sondern auch darin bestehen, daß den Arbeits-losen keine Zwangsübcrweisung zu solcher Arbeit zugemutetwerden darf, durch die nicht nur das soziale Fort-kommen dieser Arbeiter beeinträchtigt, sondern auch demUnternehmertum bei seiner Arbeitertrutz»Politik Vorschub geleistet würde.Nach Bashford soll der Kaiser die Hoffnung ausgesprochenhaben, daß ähnliche englische Arbeiterkominissionen häufignach Deutschland kommen und deutsche Arbeiterdeputa-tionen nach England gesandt Wörden. Der Kaiser scheint