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hätten I Der vom Ausschuh vorgeladene Untersuchungsrichter be- stätigte die Aussagen des Justizministers und fügte hinzu, er habe Polizeiagenten mit der Uebersetzung betraut, die an der HauS- suchung in der ehemaligen päpstlichen Nuntiatur teilgenommen h allem Diese Erklärung des Untersuchungsrichters rief um so lebhaftere Bewegung hervor, als erzählt wurde, daß er vor der Ausschustsitzung zu zwei befreundeten Deputierten geäuhert habe, er habe Befehl erhalten, alles in Unordnung zu lassen, damit man das etwaige Verschwinden von Schriftstücken nicht bemerke. Mehrere Ausschuhmitglieder beantragten, dah der gesamte Ausschuh unter diesen Umständen sein Amt niederlegen möge; jedoch wurde ein darauf bezüglicher Beschluh bis nach Anhörung des Vertreters des Ministers des Aeutzern, Gavarry, und des Direktors der Sicher- heitsbehörde, Henniot, vertagt. Paris  , 30. Mai. Der Untersuchungsrichter Ducasse erklärt die ihm in den Wandelgängen der Kammer zugesprochene Aeuherung, er habe den Auftrag erhalten, die Montagninipapiere in ,Un- ordnung" zu bringen, für durchaus erfunden» Cfrina. Die Unruhen. Hongkong  , 30. Mai. sMeldung des Reuterfchen Bureaus.) Die Provinztruppen haben den Aufständischen in Kwan-Tung ein Gefecht geliefert, ihren Führer gefangen und ihre Fahnen und Munition er- obert. Weitere 2000 Mann sind nach Tschau-tschou abgegangen. Ein Kanonenboot mit dem IS. Regiment an Bord hat Canton verlassen. um nach Swatau zu gehen. DieDaily Mail" meldet aus Hongkong  , nach den letzten Nach- richten aus Pakhoi seien die Gebäude der deutschen   und der britischen Mission in Lien-Tschau zerstört. Der Deutsche Jensen, Fräulein Mendt, der Engländer Stephen Wieks und Frau befänden sich in Sicherheit im Damen des Präfekten  . Hongkong  , 30. Mai. Die Provinzialtruppen haben die Rebellen angegriffen und über 100 getötet. Die Anführer der Aufständischen sind in Gefangenschaft geraten. Die Truppen erbeuteten Fahnen, Munition und zahlreiche Waffen. Eine neue Kolonne von 1000 Mann ist nach Chao-Chow abgegangen. Ein Kanonenboot mit dem IS. Infanterieregiment an Bord ist nach Kanton abgegangen. Sie russische Revolution. Ein edles Brnderpaar. DieRussische Korrespondenz" erhält daS nachstehende Tele- gramm: Petersburg  , 29. Mai. AuS absolut zuverlässiger Quelle erfahre ich, daß der berüchtigte Pogromorganisator RatschkofSkij unter gröhtem Geheimnis seine Tätigkeit im Polizeidepartement wieder aufgenommen hat. Nach den Enthüllungen Makaroffs und Lopuschins war RatschkofSkij für elf Monate in daS Ausland beurlaubt" worden. Im März kehrte er zurück und wurde inoffiziell an die Spitze der politischen Polizei gestellt, zu- sammen mit Kurloff, dem berüchtigten Gouvemeur von Minsk  . Kurloff wird protegiert von der Kaiserin Schwester Grohfürstin Elisabeth. Bei ihm finden jetzt Versammlungen der reaktionären Kreise statt, an denen insbesondere auch die reaktionäre Bureaukratie teilnimmt. RaffchkofSky und Kurloff find das Bindeglied zwischen den reaktionären Organisationen und dem Hofe, so dah die Situation jetzt genau dieselbe ist wie zur Zeit Trepoffs. DaS Geheimnis, mit dem die Reaktivierung RatschkofskijS umgeben wird, muh größte Besorgnis einflöhen, und dem Ratsch- tofSkij ist auch daS Aufbauschen deS angeblichen Attentats gegen den Zaren zu verdanken. Auf sein Betreiben wird die Regierung auch gedrängt, in den nächsten Tagen an die Duma die Forderung wegen der Auslieferung von 28 sozialdemokratischen Abgeordneten zu pellen. Vom Sozialistcnkongreß. London  , 30. Mai.  (B. H.  ) Die Mitglieder de» russischen Sozialistenkongresses dementieren die Meldung, dah sie Pläne für einen Aufruhr in Ruhland erörtert hätten. Bisher habe man nur über die Beziehungen der Duma zu der Regierung und den ver- schiedenen Parteien diskutiert. Die unartige Duma. Petersburg, 30. Mai. Hier zirkulieren neuerdings Gerüchte von der bevorstehenden Auflösung der Duma. Selbst Golowin soll erklärt haben, daß, da die radikalen Deputierten jede produktive Tätigkeit der Duma verhindern, die Auflösung das beste sei. Ableugnungs-Dreistigkcit. Petersburg, 30. Mai.  (Reichsduma.) Auf der Tagesordnung steht die Interpellation über die Ereignisse in Riga  , wo nach dem Bericht der Kommission im Gefängnis Folterungen vorgenommen sein sollen. Der Justizminister Schtscheglowitow erklärt, dah die Beamtendes Ministeriums an den Schandtaten, deren man sie beschuldige, nicht teilgenommen hatten und dah die Informationen der Kommission durchaus falsch seien! Der Gehülfe des Minister» des Innern, M a k a r o f f, führt dann au», dah die Polizei niemals solche Dinge verübt habe, wie sie im Berichte der Kommission in großer Zahl enthalten seien. Die Boruntersuchung habe ergeben, dah die Polizei bezüglich gewisser Fälle Schuld treffe; man habe Verhafteten Fau st schlüge versetzt. 42 Polizei- beamtc seien deshalb in Anklagezustand versetzt worden; er wolle die Haltung der Polizei nicht entschuldigen, doch müsse er bemerken, dah dieselbe sich in einer sehr bedenklichen Lage befinde; ihr Vorgehen sei erklärlich wegen der Grausamkeiten der Revolutionare; man könne von der Polizei, von deren Beamten mehr als 1000 in den baltischen Provinzen ge- tötet oder verwundet worden seien, nicht verlangen, daß sie immer kaltes Blut behalte! Makaroff erinnert an eine Reihe von terroristischen grausanien Handlungen, die 1903 und anfangs 1907 verübt wurden und die zahlreiche Opfer gefordert hatten. Nach den Reden des Ministers und Makaroffs mmmt die Sitzung einen unerwarteten Charakter an. Zahlreiche Redner sprechen garnicht über die Interpellation, sondern über terroristische Taten und die allgemeine Politit im Anschluß an den letzten Teil der Rede MakarowS.,~ Hierauf werden 8 Tagesordnungen eingebracht; vier derselben verurteilen die terroristischen Vorgänge, während die vier anderen die Erklärungen der Regierung als unzureichend bezeichnen. Sämtliche Tagesordnungen werden von der Duma abgelehnt. ierauf wird auf Antrag der Arbeitspartei die Sitzung auf eine iertelstunde unterbrochen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung verliest Vizepräsident Posnansky   eine neue, von der Arbeitspartei eingebrachte Tagesordnung. Dieselbe lautet:In Erwägung, dah die Er- klärungen der Regierung deutlich dargelegt haben, daß Beamte der öffentlichen Gewalt sich in den baltischen Provinzen Gesetzwidrig. leiten haben zuschulden kommen lassen, geht das Haus zur Tages- ordnung über." Die Sozialdemokraten beantragen, zu sagen:In Erwägung, dah die Erklärungen der Regierung nicht befriedigend sind...." Nach längerer Debatte über die Frage, ob es zulässig ist. nach Ablehnung der acht eingebrachten Tagesordnungen noch über eine neue zu beraten, wird die Tagesordnung der Arbeitspartei mit dem Nbänderungsantrag der Sozialdemokraten angenommen. Gegen Echluh der Sitzung kommt es zu einem heftigen Zu» sammenstoh zwischen Roditfcheff und dem Grafen B o b r i n s- k y wegen beleidigender Acutzerungcn des elfteren gegen letzteren während der Debatte.(Schluß kurz nach 8 tlhr.) Wie die Dinge augenblicklich liegen, muß man darauf gefaßt sein, daß die Regierung, die in der letzten Zeit wieder vom Ma'chtkitzel besessen zu sein scheint, die Ablehnung der die terroristischen Vorgänge mißbilligenden Anträge zum er- wünschten Anlaß nimmt, neue Konflikte heraufzubeschwören. kommunales. Stadtverordueten-Vcrfammlung. 19. Sitzung vom Donnerstag, den 30. Mai 1907, nachmittag 5 Uhr. Der Vorsteher Dr. Langerhans widmet nach Eröffnung der Sitzung zunächst den am 20. bezw. 26. Mai verstorbenen lang- jährigen Mitgliedern D i n s e(N. L.) und Wallach(A. L.) in bewegten Worten einen ehrenden Nachruf, den die Versammlung stehend anhört. In die gemischte Deputation zur Auffindung von Mitteln und Wegen zur planmäßigen und rechtzeitigen Beschaffung von Schul- grundstücken und Schulbauten sind seitens der sozial- demokratischen Fraktion die Stadtvv. Borgmann, Hintze und Singer entsandt worden. Für den verstorbenen Stadtv. D i n s e ist in den Ausschuß für Besoldete, in das Kuratorium der Jagor  -Stiftung und in die Ver- kehrsdeputation Ersatz zu wählen. In den Ausschuh für Be- soldete wird Stadtv. Imberg durch Zuruf gewählt; die beiden anderen Ersatzwahlen, für welche mehrfache Meldungen vorliegen, werden auf die nächste Sitzung verschoben. Auf 6 Uhr steht die Wahl eines besoldeten Stadt- r a t S an, welche auf den Magistratsrat Ledermann fällt. Dieser erhält von 60 gültigen Stimmen 43; auf Magistratsrat Franz entfallen 16, auf Stadtv. Mommsen 1 Stimme. 22 Zettel sind unbeschrieben, also ungültig. Die künftige Gestaltung des Berliner   Rettungs» Wesens ist an der Hand der betr. Magistratsvorlage Gegenstand eingehender Beratung in einem Ausschusse gewesen, für den Stadtv. Dr. Wehl(Soz.) einen ausführlichen schriftlichen Bericht erstattet hat. Das seitens des Magistrats mit dem Berliner  Aerzteverein getroffene vorläufige Abkommen wegen einstweiliger Wciterführung der Rettungswachen ist genehmigt worden; ein An- trag auf sofortige Anknüpfung von Verhandlungen behufs Verstadtlichung der Einrichtungen für Rcttungswesen und Krankenbeförderung mit den beteiligten Organisationen Ret­tungsgesellschaft, Sanitätswachen, Unfallstationen, Verband für erste Hülfe wurde abgelehnt, dagegen ein Antrag angenommen, wonach der Magistrat ersucht wird, bis 1. November 1907 eine Vor- läge darüber zu machen, in welcher Weise vom 1. April 1908 ab insbesondere bezüglich der Sanitätswachen das städtische RettungS- Wesen weiter gestaltet werden soll. Der abgelehnte Antrag auf sofortige Einleitung von Verstadt- lichungsvcrhandlungen hatte auch die baldigste Einbringung einer Vorlage auf folgender Grundlage gefordert: 1. Nachdem die Krankenhäuser Berlins   und der Vororte als Hauptwachen bestehen bleiben und die mit den SanitätSwachen ver- bundenen Rettungswachen in städtische Verwaltung übergegangen sind, werden die Sanitätswachen vom 1. April 1908 von der Stadt übernommen, die Ueberwachung übt ein Kurator in der Person des Vorsitzenden aus, der auch die Kassengeschäfte kontrolliert. 2. Die Sanitätswachen, welche mit Unfallstationen in Verbin- dung stehen, sind verpflichtet, diese Verbindung aufzugeben, da auch hier die Stadt den Tagesdienst übernimmt. 3. Die beteiligten Organisationen sind hiervon in Kenntnis zu setzen mit dem Bemerken, daß vom 1. April 1908 ab der Zuschuß fortfällt. 4. Es soll ein Plan von Berlin   angefertigt werden, in welchem die Lage der Sanitäts- und Rettungswachen, der Krankenhäuser (Hauptwachen) und der Unfallstationen durch besondere Farben kenntlich gemacht wird; hierdurch kann festgestellt werden, in welchen Stadtteilen noch ein Bedürfnis für städtische Wachen besteht, bezw. welche Wachen fortfallen können. 5. Der ärztliche Dienst in den Wachen wird einem Aerzte- verein übertragen, welchem diejenigen Aerzte angehören, die unter den später festzulegenden Bedingungen den Wachdienst zu über» nehmen bereit sind. Diese Resolution soll nach dem Ausschußantrage dem Magistrat als Material überwiesen werden. Stadtv. Singer(Soz.): Ich möchte dem dringenden Wunsche Ausdruck geben, dah der Magistrat dem Ersuchen nachkomme, zum 1. November eine Vorlage an unS zu bringen. Nur unter dem Zwange der Verhältnisse stimmen wir für da? jetzt vorgeschlagene Provisorium. Käme der Magistrat dem Wunsche nicht nach, so würden wir unsererseits die Zeit vom 1. November bis zum Schlüsse des Etatsjahres benutzen, um festzulegen, wie nach unserer Meinung die Sache weiter zu gestalten ist. Nach den Versicherungen des Magistratsvertreters im Ausschüsse haben wir ja aber Hoffnung, dah jener Wunsch erfüllt werden wird. Sehr bedauern müssen wir ferner, dah unsere Anträge wegen der Ver- stadtlichung des KrankentransportwesenS von der AuSschuh- mehrheit abgelehnt worden sind. Ich will keineswegs die be- stehenden Einrichtungen diskreditieren, aber auS dem unS zugäng- lich gemachten Material geht unweigerlich hervor, dah der be- stehende Krankentransport dem Bedürfnis nicht(jenügt. Die Ueberweisung von Kranken an die Krankenhäuser geschieht vielfach in ganz ungehöriger Weise; alle möglichen öffentlichen Fuhrwerke werden zur Beförderung be- nutzt, Kinder werden in Kinderwagen in die Krankenhäuser befördert, oder auf den Armen der Mutter in Omnibussen usw. Solches ist nicht nur nicht im Interesse der armen Kranken, sondern geradezu eine öffentliche Kalamität. Die große Menge kann sich überhaupt bei den teuren Preisen dieser vorhandenen Transportmittel gar nicht bedienen; hier ist die Stelle, wo die Stadt und ihre Mittel ein- greifen müssen. Für die spätere Regelung der ganzen Sache möchte ich dem Magistrat doch anheimgeben, die Frage der Trennung des Rettungswesens von dem Bereich der Zuständigkeit der KrankenhauS-Deputation in Erwägung zu ziehen, d. h. für die Bildung eines besonderen Kuratoriums sich zu entscheiden. ES müssen hier Personen zur Mitarbeit herangezogen werden, deren berufliche Tätigkeit ihnen eine besondere Sachverständigkeit in dieser Richtung beilegt; es müssen Bürgerdeputierte da hinein- kommen, welche aus stadtischem oder allgemein humanem Jnter- esse besonderen Anteil an der Sache nehmen. Bürgermeister Dr. Reicke: Auch dem Magistrat liegt daran. eine Vorlage, wie der Ausschuß sie wünscht, bald an die Versamm- lung zu bringen. Im Ausschuß sind drei Fälle vorgebracht worden. wonach die neue Organisation mit dem Aerzteverein versagt haben sollte. Alle diese drei Fälle haben sich nicht zu einer Zeit ereignet, wo der Aerzteverein den Dienst in den Wachen hatte.(Hört! hört!) Stadtv. Sachs(A. L.): Die Frage des Krankentransport- Wesens hat direkt mit dieser Angelegenheit nichts zu tun. Es müßte doch auch in jedem Falle erst ärztlich konstatiert werden, ob eine ansteckende Krankheit vorliegt. Das Krankentransport. Wesen braucht überhaupt nicht verstadtlicht zu werden; eS war bisher in guten Händen und Verfehlungen der betreffenden be- währten Privatunternehmungen sind Nicht nachgewiesen. Man soll die Angelegenheit damit nicht noch mehr komplizieren. Die AuSschußanträge gelangen zur Annahme, nachdem der Referent noch angeführt, daß im Aueschusse an einer großen Zahl von Fällen nachgewiesen� worden sei. daß der Transport von Kranken in die Krankenhäuser dauernd sich als untunlich erwiesen habe, weil c» den Betreffenden an dem dazu erfor- derlichen Gelde gemangelt habe. Die Angelegenheit der Zuteilung deS Stadt» bezirks!38 behufs Erledigung von Recherchen usw. an den Stadtv. S a s s e n b ach(Soz.) hat neuerdings auch den Ausschuß für Unbesoldete beschäftigt. Mit 6 gegen 2 Stimmen wird von diesem vorgeschlagen, die Zuteilung des Bezirks an den Stadtv. Rosenow für 1907 beizubehalten und den Wunsch des Stadtv. Sassenbach bei der im Januar 1903 vorzunehmenden Neuzuteilung der Stadtbezirke an die Mitglieder in nähere Erwägung zu ziehen. Stadtv. Ewald(Soz.): Es handelt sich hier um einen Kollegen« der überhaupt noch keinen Bezirk zu Recherchen hat; Herr Rosenow hat 4 Bezirke. Kollege Sassenbach wohnt in dem Bezirk seit sieben Jahren; Herr Rosenow hat den Bezirk seit 1894. Es ist immer Gepflogenheit gewesen, dem Stadtverordneten den Bezirk, wo er wohnt, zuzuteilen. Wir haben allerdings am 1. Februar mit 64 gegen 57 Stimmen dem Kollegen Rosenow den Bezirk zugesprochen; aber Herr Rosenow hat doch eben 4 Bezirke, Herr Sassenbach gar keinen, und dieser hat sich rechtzeitig zur Verteilung gemeldet. Nach der Geschäftsordnung soll die Verteilung alljährlich stattfinden; ich kann nicht einsehen, warum jetzt eine Verschiebung beliebt werden soll. Ich beantrage, dem Kollegen diesen Bezirk zuzuteilen. Wir haben hier jüngere Kollegen, welche 7, 8, ja 10 Bezirke zugewiesen bekamen, während meine Fraktionskollegen recht stiefmütterlich be- handelt sind. Wenn ein Kollege den Wunsch äußert, in dieser Weise zu arbeiten, so bitte ich Sie. diesem Wunsche ohne weiteres zu entsprechen. - Die Mehrheit beschließt nach dem Ausschußantrage. Auf dem städtischen Gelände zwischen Thorner-, Schneide- mühler-, Schönlanker- und Paul Hcyscstratze soll eine G e- meindedoppelschule Platz finden, um die Barackenschulen hinter dem Friedrichshain   mit der Zeit zu beseitigen und auch für die Mietsdoppclschule Elbingerstr. 4/5 Ersatz zu schaffen. Stadtv. Körte(Fr. Fr.) bedauert sehr, daß diese Vorlage erst jetzt kommt. Hätte man vor 5 Jahren über das Terrain so dispo- nicrt, so hätte man sich die beiden Barackcnschulen sparen können. Nunmehr solle aber so schleunig wie möglich mit den Vorberei- tungen zum Neubau vorgegangen werden und eventuell solle man' die bestehenden Pachtverträge sofort lösen. Stadtsyndikus Hirsekorn: Sollte die Versammlung in letzterem Sinne beschliehen, so wird der Magistrat alles tun, um den Bau- beginn schon auf den 1. April 1908 festzusetzen. Mit einer entsprechenden Modifikation gelangt die Borlage zur Annahme. Zu der Genehmigung des Schwibbogenbaues zur Ueberbrückung der Französischen st raße zwischen den Ge- schäftshäusern der Deutschen Bank sucht der Magistrat nun- mehr die Zustimmung der Versammlung nach. Die Genehmigung dieses oberirdischen massiven Verbindungsganges soll widerruflich sein und ist eine jährliche Anerkennungsgebühr von 3000 M. stipuliert. Stadtv. Kreitling(N. L.): Daß die geplante Ueberbrückung auch dem die Bank besuchenden Publikum dienlich sein soll, wie die Begründung sagt, möchte ich doch stark bezweifeln. Wir lehnen die Vorlage aus prinzipiellen Gründen ab, denn was wir dem Privaten bewilligen, können wir nachher dem Staate und anderen nicht versagen. Stadtv. Ladcwig(N. L.): Die beiden Gebäude der Deutschen Bank, die durch diesen Schwibbogen verbunden werden sollen, ge- hören ganz verschiedenen Baustilen an; eine architektonische Wirkung kann durch den Schwibbogen also nicht erzielt werden. Die beiden Gebäude liegen auch zu weit auseinander; der Schwib- bogen würde stets nur den Eindruck einer Girlande oder einer Waschleine machen. Der Schwibbogen müßte gestützt werden, und das ist an jener nicht eben verkehrsreichen Stelle wohl möglich. Die Sache sollte deshalb in einem Ausschuß näher geprüft werden. Schließlich ließe es sich ja auch im Wege der Untertunnelung machen.(Heiterkeit.) Der gute Ruf Berlins  darf jedenfalls durch solche unästhetischen Projekte nicht geschädigt werden. Stadtv. Singer: Eine Wcißbierstube wäre wohl der richtigere Ort. solche Gründe vorzubringen, wie sie Kollege Ladewig geltend gemacht hat.(Große Heiterkeit.) Es ist erstaunlich, hier für eine verhältnismäßig so kleine Angelegenheit so große Gesichts- punkte geltend machen zu hören. Wir haben gegen die Vorlage nach erfolgter gründlicher Prüfung in der Fraktion nichts ein- zuwenden und sehen auch keinen Anlaß für Ausschußberatung, da die großen Fragen, welche Kollege Ladewig aufgeworfen hat, auch im Plenunm mit ja oder nein beantwortet werden können. Es handelt sich um eine rein praktische Erwägung. Beachtung verdient lediglich die Besorgnis bor   unliebsamen präjudizierlichen Konsequenzen. Wir behalten indessen jederzeit die Freiheit, von all zu Fall ja oder nein zu sagen; ein Grund, von vorn- erein prinzipiell nein zu sagen, ist nicht vor- handen. Daß das städtische Interesse irgendwie leiden soll, wenn an dem toten Ende der Französischcnstraße diese Ueber- brückung vorgenommen wird, verstehe ich nicht. Man reist doch eventuell Hunderte von Meilen weit, um solche Bauwerke be- wundern zu können. Daß den Anwohnern Luft und Licht ge- nommen werde, stimmt auch nicht, denn es kommt nur ein einziges taus in Frage, und dieses wird in keiner Weise am Genuß von uft und Licht behindert. Alle die anderen Einwände sind nur künstlich herbeigezogen. Stadtv. Landsberg  (A. L.): Das große Berliner   Publikum hat in der Sache gar keinen Vorteil; diesen hat lediglich eine große private Erwerbsgesellschaft. Der Ausschuß soll eben prüfen, ob das öffentliche Interesse bei der Sache nicht zu kurz kommt. In der Bürgerschaft ist Entrüstung und Aufregung darüber entstanden, daß der Magistrat hier für eine Bagatelle einer Bank ein solches Zugeständnis machen will. Auf jeden Fall ist gründliche Prüfung im Ausschuß notwendig. Stadtv. Körte hat von Entrüstung und Aufregung in der Bürgerschaft über daS Projekt und den Magistratsvorschlag nichts gemerkt. Man solle doch einem so gewaltigen wirtschaftlichen Faktor wie der Deutschen Bank nicht Knüppel zwischen die Beine werfen und die Angelegenheit nicht so kleinlich behandeln. Auch Stadtv. Rathan(soz.-fortschr.) meint, ein so einzigartig in der ganzen zivilisierten Welt dastehendes Institut wie die Deutsche Bank müsse anders als ein Privatmann behandelt werden. Von einer Schädigung öffentlicher Interessen sei keine Rede. Stadtv. Architekt Cremrr(A. L.) tritt den Ausführungen Singers bei. Stadtv. Cassel: Auch ich betrachte die Sache nüchtern und vom praktischen Standpunkte; ich meine nur, man soll jeden gleich behandeln und die Vorlage weder mit Hurra annehmen, weil es die Deutsche Bank ist, noch dieser etwas weigern, was zu kon- zedieren uns keinen Schaden verursacht. Es sind aber von Nachbarhäusern Beschwerden über Verlegung der freien Aussicht geführt worden; darüber muß Aufklärung erfolgen. Stadtv. Dr. Hermes: Ich habe gestern den Schwibbogen be- sichtigt. Mein ästhetisches Gefühl wurde dadurch nicht verletzt; aber vielleicht ist es weniger entwickelt wie das des Kollegen Ladewig.(Heiterkeit.) Wie denkt dieser übrigens über die ästhetische Wirkung der Stadtbahn und her Hoch- und Untergrund- bahn auf das Straßenbild, z. B. an der Friedrich- und Flensburger- stratze? Hat er da keine Verletzung seines ästhetischen Fein- gefühls gespürt? Stadtv. Ladewig: Kollege Körte nannte mich einenKunst- rat". Das finde ich gerade von ihm, dem Architekten, wenig ge- schmackvoll; gerade er dürfte sich nicht erlauben, mit solchem AuS- spruch anzudeuten, daß niemand mitzureden habe, der nicht zur Zunft gehört. Kollege Singer erklärte, er kenne keine ästhetischen Bedenken; wenn das der Fall ist, kennt er sie natürlich auch be- züglich dieses Bogens nicht.(Heiterkeit.) An der weiteren Debatte beteiligen sich noch die Stadtvv. Herzberg  (fr. Fr.) und Cassel, welch letzterer darauf ver- weist, daß der mit der Deutschen Bank zu schließende Vertrag da- hin geändert werden mutz, daß für den Fall der Durchlegung der Französischenstraße der Abbruch zu erfolgen hat. Darauf wird die Vorlage mit großer Mehrheit einem AuS« schuß überwiesen. Zu den Betriebskosten deS Kaiserin Auguste- Vik- toria. Hauses in Charlottenburg   zur Bekämpfung der Säuglinge st erblichkeit im Deutschen Reiche will der Ma- gistrat pro 1908 6000 M. Beihülfe gewähren. Die Versammlung ist damit einverstanden. Der Lord- Mayor von London   trifft mit 53 Begleitern am 16. Juni hier ein, um Berlin   einen viertägigen Besuch zu machen. Der letztere erfolgt auf Einladung des Oberbürgermeister