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Anternatmaltt Knchbinderkongreß. Nürnberg  , 1. Juli. Im Anschluß an den Buchbinder-NerbandStag in Nürnberg  tagte dortselbst am 30. Juni und 1. Juli der erste internationale Buchbinder-Kongreß, auf dem vertreten waren: Deutschland   durch den Vorsitzenden deS deutschen   Buchbinderverbandes, Älolh, dann durch Haueisen, Brückner und Harder-Berlin  , Deutsch-Oesterreich durch Grünwald  -Wien  , Ungarn   durch Weiß-Budapest  , die Schweiz  durch König-Bern. Dänemark   durch Ohlsen-Äopenhagen, Schweden  durch Weidenhayn- Stockholm  , Norwegen   durch Dietrichsen- Kristiania, Belgien   durch Pladet-Brüssel. Die Delegierten ver- traten zusammen 31 000 Mitglieder. Der Kongreß hatte folgende Tagesordnung zu erledigen: 1. UntcrstützungSeinrichtungen der verschiedenen Verbände(Re- {erent Haueisen). 2. Die Möglichkeit und die Form der gegen- citigen Unterstützungen bei Lohnbewegungen(Referent Grünwald- Wien  ). 3. Eventuelle Errichtung einer Zentralstelle für die Gegen- seitigkcitsverbände(Referent Kloth). 4. Die Frauenarbeit in der Buchbinderei(Referent Grünwald-Wien  ). b. Verschiedenes. Der Kongreß wurde am 80. Juni kurz nach 2 Uhr von Kloth eröffnet, der die ausländischen Kollegen herzlich begrüßte. AuS dem In- und Auslände waren verschiedene Glückwunschtelegramme eingelaufen, die zur Verlesung gebracht wurden. Brückner wurde zum Vorsitzenden, Härder zum Schriftführer gewählt. Zu Punkt 1 wurde folgendes beschlossen. Tritt ein Mitglied eincS Verbandes in einen anderen der angeschlossenen Verbände über, so ist dasselbe vom Eintrittsgeld befreit und werden die Beiträge, die das Mit- fllied im ersteren Verband geleistet hat, in dem neuen überschrieben, o daß dem betreffenden Mitgliede die Reise und Arbeitslosen- Unterstützung in dem neuen Verbände zugute kommt. In der Sitzung vom 1. Juli, die vormittags 8 Uhr begann, nahm der Kongreß folgende Resolutionen an: «Die erste internationale Konferenz der Buchbinderverbände Europas   verpflichtet die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Verbände, den Lohnkämpfen der Buchbinder in jedem Lande er- höht« Aufmerksamkeit zu widmen. Die Notwendigkeit hierzu er- gibt sich aus der unverkennbar immer mehr zunehmenden Schärfe dieser Kämpfe und aus der immer deutlicher zutage tretenden Tatsache, daß der Ausgang jedes derartigen Lohnkampfes nicht ohne Rückwirkung auf die Lohnverhältnisse der Buchbindereien der benachbarten Länder bleibt. Im weiteren erkennt die Kon- ferenz die Notwendigkeit der gegenseitigen Unterstützung der Lohnkämpfe an. Diese hat vor allem in der Verhinderung jed- weben Zuzuges von Arbeitskräften in das Lohnkampfgebict, in der tunlichsten Unterstützung jeder Art an die aus dem Lohn- kampfgebiete Zureiscnden und in der tunlichsten Verhinderung der Anfertigung von Streikarbeit zu bestehen. Bezüglich der finanziellen Unterstützung der Lohntämpfe spricht die Konferenz ihre Ansicht dahin aus, daß eS die Pflicht eines jeden im Gegen- seitigkeitSverhältniS stehenden Verbandes ist. in einen Lohnkampf erst dann einzutreten, wenn er die hierzu voraussichtlich nötigen Mittel aus eigenem aufzubringen in der Lage ist. Erst wenn diese Mittel erschöpft sind, sowie insbesondere bei Lohnkämpfen, bei denen eS sich um die Abwehr von beabsichtigten Verschlechte- rungen der Arbeitsverhältnisse handelt, ist der im Lohnkampf stehende Verband berechtigt, an das Internationale Sekretariat um die Unterstützung durch die GcgenseitigkeitSverbände heran- zutreten." ..Die Konferenz empfiehlt den vertretenen Verbänden die Errichtung eines internationalen Buchbindersekretariats, das seinen Sitz in Berlin   hat. Das Sekretariat soll folgende Auf. gaben erfüllen: a) Die Verbindung zwischen den einzelnen Organisationen der verschiedenen Länder herzustellen, d) Eine gegenseitige Benachrichtigung und Verständigung über wichtige Fragen und den Abschluß von Gegenseitigkeitsverträgen zwischen den'Landesorganisationen Herbeizuführen, c) Bei Lohnkämpfen den Zuzug fremder Arbeitskräfte abzuhalten, ck) Wenn not. wendig und möglich, die finanzielle Unterstützung größerer Streiks und Aussperrungen vermitteln, e) Im allgemeinen ein sali- darischeS Zusammenarbeiten der Buchbinderverbände zu er- streben, k) Ueber die weitere Ausgestaltung, Verfassung und Verwaltung deS Internationalen BuchbindersekrctariatS wollen sich die auf der Konferenz vertretenen Verbände verständigen und den Kollegen Kloth als Vorsitzenden des Sekretariats an- erkennen, der damit auch die Pflicht hat, ein Statut aus- zuarbeiten." Der Kongreß wurde nach Annahme dieser Resolutionen gc- schlössen-__ Soziales* Zum Begriff des Betriebsunfalls. Zu den Klagen gegen bis in den letzten Jahren verschlechterie Rechtsprechung des ReichSverstcherungSamteS gehört auch die, daß der Begriff deS Betriebsunfalles imnier mehr eingeengt wird. Während in der Regel der Betrieb nicht die alleinige, sondern nur eine mitwirkende Ursache für den Unfall bildet, sucht das Reichs- verficherungSamt immer mehr den Begriff»Unfall- dahin zum Schaden der Arbeiter einzuengen, daß es öfters bei mitwirkenden körperlichen Ursachen(Bnichanlage.Hcrzschlag.Lungeiikrankheit usw.) das Borliegen eines Unfalls verneint. Daß diese Auffassung des Reichs- Versicherungsamts eine unhaltbare, gegen den Begriff eines Unfalls verstoßende ist, ist wiederholt von uns, in Berichten der Arbeiter- sekretariate und im Reichstag betont. Das Reichsgericht hat eS konsequent abgelehnt, den Spuren des Reichsversicherungs- amts nach dieser Nichtimg zu folgen. Lehrreich für die zutreffende Auffassung über den Begriff eines Betiiebunfalls ist ein dieser Tage vom Reichsgericht in einem Zivilprozeß gefälltes Urteil. Der Sachverhalt ist folgender: Die Geiverkfchaft Dorstfeld hatte den bei ihr an- gestellten Reviersteiger Bergmann bei der Kölnischen Unfall- Versicherungsaktiengesellschaft in Köln   gegen Unfall versichert, und zwar auf den Todesfall für 5000 M. Nach§ 1 Absatz 1 der allgemeinen Versicherungsbedingunge» galt die Ver- ficherung als gegen die Folgen von Unsälleu geschloffen, sofern durch dieselben für sich allein und nicht beeinflußt durch irgend welche mit den, Unfall nicht in ursächlichem Zusammenhange stehende Krankheiten oder andere Umstände der Tod verursacht worden ist. Als Unfälle gelten nach Absatz 2 der genannten Verstcherungsbedingungen nur solche körperliche Beschädiguncien, von welche» der Versicherte durch plötzliche äußer« Gewalteinwirkung unfreiwillig betroffen wird. Zerreißungen, die durch einen in die Versicherung eingeschlossenen Unfall entstanden sind, gelten als Unfälle(Absatz 4), nicht aber Krankheiten. Schlag- anfalle, Temperatureinflüsse und Folgen von Ueberanstrengungen (Absatz 6). Am 5. Januar ist B. plötzlich verstorben. Nach den Be- bauptungen der jetzt klagenden Gewerkschaft infolge eines Unfalles. Er sei nach sehr onstrengeitder Tätigkeit im Dienst sehr erhitzt ge- Wesen. Trotzdem habe er sich sofort zu einer eisigknlten Entgleisungs- stelle begeben müssen, um durch kräftiges Zugreifen eines Wagens den etwa 18 Zentner schweren Wagen wieder auf die Schienen zu bringen. Hierbei sei er plötzlich umgefallen. Da er«in gesunder und kräftig gebauter Mann war, lasse sich sein Tod nur dahin er- klären. daß der Körper deS v. infolge der Uederanstrenguug und de? eisigen ZugeS nicht mehr so widerstandsfähig wie sonst gewesen und daß durch die ruckweise gewaltsame Bewegung beim Hebel- artigen Niederdrücken der«inen Wagenseite die innere Funktion deS Körpers versagt habe. Während die Klägerin die Auszahlung der SOOO M. betragenden Versicherungssumme verlangt, verweigert die Gesellschaft diese Summe deshalb, weil Bergmann nicht von einem Unfall betroffen worden, sondern infolge eines alten Herzfehlers und der Ueberanstrengungen an einem Herzschlage ge- starben sei. v»sA»ndgerichtKöln erkannte auf Abweisung der Klage. Im«lben Sinne entschied auf die Berufung der Klägerin das O b e sie ndesgericht Köln  . Gegen daS oberlandeSgerichtliche Urteil hatte die Klägerin Revision eingelegt. Der VII. Zivilsenat des Reichs- gerichts kam zurAufhebung des o b er l a n d e s g e r i cht- lichen Urteils und verwies die Sache ans den folgenden Erwägungen an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts Köln zur nochmaligen Entscheidung zurück. Das Ober- landesgericht habe nnt Recht angenommen, daß beim Auf- heben deS entgleisten, sehr schweren Kohlenwagens durch Bergmann ein Rllckdruck deS Wagens und damit eine plötzliche äußere Ge- walteinwirkung des Wagens auf den Körper des Bergmann, alsoein als Unfall sich darstellender Betriebsvorgang- statt- gefunden habe. Wenn das Berufungsgericht dann aber die Klage abweise, weil die Gewalteinwirkung nicht für sich allein, sondern durch die plötzliche Verschlimmerung deS Herz- fehlcrS den Tod des Bergmann herbeigerufen habe und weil Berg- maun an einemsHerzschlage verstorben sei. so unterliege diese Begründung rechtlichen Bedenken, die zur Aufhebung deS BerufungSurteilS habe führen müssen. Schon im Urteil voin 3. Juli 1830(III 88/30) habe der dritte Zivilsenat des Reichsgerichts folgendes ausgeführt: Der Tod fei als unmittelbare Folge eines Unfalles dann an- zusehen, wenn sich kein anderes späteres Ereignis als mitwirkende Ursache zwischen den Unfall und den Tod eingeschoben hätte. ES würde dem das Unfallversicherungsgesetz beHerr- schenden Grunds atze von Treu und Glauben zu- widerlaufen, wenn die Versicherung nur auf die Zeit normaler Gesundheit de» versicherten beschränkt und dann ausgeschlossen sein sollte, wenn diese im Laufe der Versicherungsperiode durch allmählich eintretende natürliche Zustände, wie Alter, allgemeine Krankheit, Schwäche einzelner Organe gemindert und hierdurch die nachteilige Einwirkung eines von außen kommenden Unfalles erhöht wird. Im gleichen Sinne habe» sich das Reichsgericht in einer Reihe anderer Entscheidungen VII 147/01. VII 300/02, VII 43/04. VI» 130/30. VII 223/00) dahin ausgesprochen, daß ein Unfall als die direkte und ausschließliche Ursache des Todes auch dann be- zeichnet werden könne, wenn eine gewisse Empfänglichkeit des Körpers für die nachteiligen Einwirkungen des Unfalles vor- Händen gewesen sei. In der neuen Verhandlung habe der BerufungS- richter deshalb zu erwägen, daß der jetzt erkennende Senat in den beiden Urteile» vom 24. Juni 1904, VII 49/04, und vom 24. Februar 1905, VII 848/04, sich dahin ausgesprochen habe, daß eine zur Zeit deS Unfalles bei dem Verletzten vorhanden geweseneHerz- muskelschlaff hei i- undfehlerhafte Beschaffenheit d e S H   e r z e n s-, die zum tödlichen Ausgange m i t gewirkt hätten, der Annahme nicht entgegenstanden, daß der Tod auf den Unfall zurückzuführen sei._ Unzulässige Beschräiikungen im Gewerbebetriebe. Die für Nordhausen   erlassene Polizeiverordnung über den Be- trieb von Restaurants mit Damenbedieuung bestimmt in ihrem§ 3, daß die Wirte als Kellnerinnen nur solche Personen annehmen dürften, die durch ein behördliches Zeugnis nachweisen können, daß sie innerhalb eincS bestimmten Zeitraumes nicht wegen Eigentums- vergehen und ähnlicher Straftaten bestraft worden seien. Wegen Uebertretung dieser Verordnung. namentlich aber des Z 8, war in zweiter Instanz der Gastwirt Müller ver- urteilt worden, welcher in Nordhamen ein Wiener   Cafö betreibt. Das K a m m e r g e r i ch t hob dies Urteil auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück, indem es den§ 3 für u n g ü l t i g erklärte. Er verstoße gegen Z 41 der Gewerbeordnung, welcher be- stimmt:Die Befugnis zum selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes begreift das Recht in sich, in beliebiger Zahl Gesellen. Gehülfen, Arbeiter jeder Art und. soweit die Vorschriften deS gegen- wärtigen Gesetzes nicht entgegenstehen, Lehrlinge anzunehmen. In der Wahl des Arbeits- und HiilfSperfonalS finden keine anderen Beschränkungen statt, als die durch das gegenwärtige Gesetz fest- gestellten I- Solche Beschränkunqen, wie der§ 3 der Polizeiverord- iimig, kenne nun die Geloerbeordnung nicht. Daraus ergebe sich die Ungültigkeit des Paragraphen. Zur Nachprüfung der eventuellen Anwendung anderer Vorschriften der Verordnung müsse die Sache nochmals an das Landgericht verwiesen werden. Steuerschraube gegen die Arbeiter. DiePreußische Gesetzsammlung- publiziert die zum ß 23 des Einkommensteuergesetzes vom Abgeordnetenhaus und Herrenhaus beschlossene Verschärfung. Sie legt den Arbeitgebern die Ver» pflichtung auf, über das Einkommen der von ihnen beschäftigten Arbeiter der Steuerbehörde Auskunft jju erteilen. Ferner müssen die Hausbesitzer der mit der Personenstandaufnahme betrauten Be- Hörde angeben, wer der Arbeitgeber und wo die Arbeitsstätte der Arbeiter, Dienstboten und Gewerbegehülfen ist, die in ihrem Hause wohnen. Die Arbeiter haben die hiernach erforderliche Auskunft den Haushaltungsvorstäiiden zu erstatten. Den Wortlaut' dieses Paragraphen, der Fürsorge treffen soll, daß ja nicht ein Pfennig des Arbeitereinkommens unbesteuert bleibt, haben wir imVor- wärts" vom 14. Mai d. I. veröffentlicht. DicS neue Ausnahme- Finanzgesetz tritt am IS. Juli in Kraft. Slrbritcrquartlrre und Schlafstellen. Es ist eine bekannte Erscheimmg. daß die Arbeitgeberihre" Arveiter, insbesondere die vom Auslände importierten billigen Arbeitskräfte, oft in Räumen unterbringen, die weit hinter den Vieh- stallen zurückstehen. Aufgeklärte klassenbewußte Arbeiter wehren sich gegen solcheWohnungen. Anders steht es mit den noch auf einer tiefen Stufe der Kultur stehenden ausländischen Arbeitern, die als AnSbeutungSobjekte von den Arbeitgebern nach Deutschland   gelockt werden, um unbewußt ihren deutschen Kollegen in den Rücken zu fallen. Diese sind infolge der R e ch t l o s i g k e i t, in der sie durch die Gefahr der Ausweisung leben, reckt häufig gezwungen, mit den elenden Quartieren sich zu begnügen. Wie diese Arbeiterquartiere beschaffen sind, lehrt ein Blick in die von der Medizinalabteilmm des preußischen Kultus« Ministeriums veröffentlichten Berichte der Kreisärzte. So wird aus dem Regierungsbezirk Allen st ein mit- geteilt, daß es eigentliche Schnitterhäuser dort kaum gab; die Wander- arbeiter, deren Zahl keine geringe war. wurden vielfach in Scheunen untergebracht, wobei oft eine Trennung der Ge« schlechter nicht stattfand. Auch im Regierungsbezirk Potsdam genügten die Massenwohmmgen der landwirischaftlichen Arbeiter meist nicht den polizeilischen Anforderungen; Ueberbelegung. Fehlen von Krankenstuben kamen häufig vor. Im Kreise Nieder- ' arnim waren die Quartiere des Rittergutes Stolpe, auf dem eine Reihe von Cholerafällen ausbrach, stark überfüllt und hatten nicht die vorgeschriebene Krankenstube. Oft fehlte es bei den Arbeiterwohuhäusern auf den Gütern an jeder Aborts- anlage, einmal mangelte es auch bei denen einer Domäne daran. Im Regierungsbezirl Stettin   wurden im Kreise Regenwalde   die Hölzemen Baracken, in denen zahlreiche Bahn- streckenarbeiter untergebracht waren, auf Ersuchen der Ortspolizei- behörde vom Kreisarzt einer Revision unterzogen. Dabei fand sich, daß der S ch l a f r a u m zu stark belegt, das Lager st roh unsauber war. Wafchgelegenheit und Aborte fehlten. J>n Regierungsbezirk K ö s l, n wurden mit wenigen Ausnahmen den ausländischen Arbeitern Quartiere zur Unterkunft gebolen, die der Kreisarzt als bedenklich bezeichnet. Große Ncbelstände herrschten vielfach noch im Regierungsbezirk Bromberg, Ivo besonders dürftig die Quartiere im Kreise Wittkowo waren. In manchen Gegenden wurden die ausländischen Arbeiter nicht zusammen untergebracht, sondern auf einzelne einheimische Familien verteilt. Diesen, Verfahren ivar eine Ausbreitung der Pocke», die von Ausländern fast in jedem Jahre eingeschleppt»Verden  , zu danken. Wegen der vielen Miß- stände wurde durch eine RegierungSberfügung angeordnet, unverzüglich unter Zuziehung des Kreisärzte» sämtliche U n t e r k u n f t S st ä t t e n von Wanderarbeitern einer Besichtigung zu unterziehen. Im Regierungsbezirk Breslau   machten die Arbeiter- quartiere langsame Fortschritte zum Besseren, ließen allerdings auch stellenweise, besonders im Kreise Wohlau  , noch viel zu wünschen übrig. Auch im Regierungsbezirk Liegnitz   herrschten vielfach Mißstände, in Neudorf(Kreis Goldberg  ) mußte sogar ein in einer Scheune aufgeschlagenes Maffenquarticr für beim Bahnbau be- fchäftigte galizifche Arbeiter aus hygienischen Rücksichten aufgehoben werden. Die Benutzung von Räumlichkeiten, die für den Aufenthalt von Menschen völlig ungeeignet sind, steht keineswegs vereinzelt da. Wenn z. B. einem Besitzer im K r e i f e G a r d e l e g e n die Er- laubnis zur Annahme ausländischer Arbeiter mir unter der aus­drücklichen Bedingung erteilt wurde, daß er bessere Unterkunftsräume beschaffe, so kann man sich denken, wie die bisherigen Räume beschaffen waren. Aus dem Kreise Jerichow II wird ge- meldet, daß zwar die Quartiere den Anforderungen genügten, daß aber den polnischen Arbeitern daS Verständnis für Ordnung und Reinlichkeit abgehe; die frisch geweißten Räume mit ihren weißen Betten sollen nach kurzer Zeit der Gewöhnung nicht wieder- zuerkennen sein, die Aborte sollen bielfach nicht benutzt, sondern die Fäkalien in der Umgebung der Logierhäufer abgelagert werden. Im Regierungsbezirk Schleswig   war es mit der Trennung der Geschlechter noch vielfach schlecht bestellt. Geradezu haarsträubend ist das, was aus dem Kreise Hadersleben   berichtet wird. Hier hausten auf einem Hof in einem geräumigen Zimmer drei Ehepaare mitKindern und ein junger Mann; eine Frau war eben entbunden, während eine andere kurz vor der Entbindung stand. Im RegierungS  - bezirk Arnsberg   wurden durch den Talsperrenbau in Lubach und Oestcrtal im Kreil e Altena   zahlreiche ausländische Arbeiter heran- gezogen, die in Baracken, Schuppen, Kellerwohnungen mangelhaft, besonders zu eng untergebracht waren. Die gleichen Mängel wie die von Arbeitgebern errichteten Ar« beiterquartiere weisen die Schlafstellen auf, die sich die Ar- beiter selbst mieten. AuS leicht erklärlichen Gründen ziehen die Arbeiter eine Schlafstelle in einer Familie dem Aufenthalt in einer Arbciterlaserne vor, aber auch um diese Schlafstellen ist eS oft recht traurig bestellt. Besonders arg scheint eS in der Stadt Posen zu sein. Hier gab es im Jahre 1305 nicht weniger als 8313 Schlafgänger in 2111 Haushaltungen, in 130 Haushaltungen waren je 3 und in 112 sogar mehr als 3 Schlafleute einquartiert. Oft wohnten Schlafgänger bei sittlich verkommenen Leuten, oft solche männlichen Geschlechts in demselben Raum mit Witwen und deren Töchtern, oft zwei männliche Schlafgänger in einem Bette. Die Räumlichkeiten waren viel zu klein, verwahrlost usw., so daß dieser Zustand zu starken Bedenken Anlaß gab und eine Polizei- Verordnung Abhülfe schaffen muß. Wir begnügen unS mit diesen wenigen Beispielen. Diese Dokumente preußtsch-deutscher Kultur im 20. Jahrhundert sind eine treffliche Illustration zu dem stolzen Worte: Preußen in Deutschland  voran, Deutschland   in der Welt voran! Unseren Sittlichkeitsaposteln, die nicht genug über die zunehmende Uusittlichkeit in der Arbeiter- bevöllerung zetern können, möchten wir den Rat geben, sich einmal mit diesen' Verhältnissen etwas näher vertraut zu machen. Dann müßten sie, wenn sie sich von dem Gerechtigkeitsgefühl leiten ließen, die Schuld nicht den Arbeitern in die Schuhe schieben, sondern an« erkennen, daß das auf seinen Profit bedachte Unternehmertum die einfachsten Gebote der Menschlichkeit, die Forderungen der Sittlichkeit und die Vorschriften der Volksgesundheit mit Füßen tritt. Mit bloßen Polizeivorschriften, wie sie hier und da erlassen werden, ist eS nicht getan, zumal da diese Vorschriften gewöhnlich so milde sind, daß die Unternehmer sich leicht darüber hinwegsetzen können und da ihre Uebertrctungen meist so gut wie gar nicht geahndet werden. Damit eine Wandlung zum Besseren eintrete, müßten die gesetzgebenden Körperschaften, voran der Reichstag  , sich endlich ihrer Pflichten auf dem Gebiete der WohnungSgesetzgcbung bewußt werden und diese mit Energie verfolgen. Von der sozialdemokratischen Fraktion ist seit Jahren ein reichsgesetzliches WohnungSgesetz und WohnungS- lnspektion gefordert. Vermischtes. Fürstin und Diener. Das Verfahren gegen die Fürstin Wrede ist, wie dl> Zeitungen zu melden wissen, eingestellt. Diese verehrte Dame hat bekanntlich eine besondere Vorliebe für Silberzeug und Tischzeuge, und sie benutzt« den Aufenthalt in den fashionabelsten Hotels dazu, ihre Silberkammer auf dem Schloß Basedow   zu bereichern. Der ehemalige Diener Glase deS Fürsten denunzierte, nachdem er aus dem Dienst entlassen, die Fürstin, woraus eine Haussuchung auf dem Schlosse vorgenommen wurde. In der Tat fand man eine Unmenge Silber vor, das aus verschiedenen Hotels in Paris   und anderwärts herstammte. Die Masse des gestohlenen Silbers war so groß, daß es in mehreren Kisten und Körben nach der Pfand- kammer des Landgerichts Güstrow   gebracht werden mußte. Zum Teil waren die Originalstcmpel der Hotels abgeschlagen und durch andere ersetzt worden. Man verhaftete natürlich sofort nicht die Fürstin W., wohl aber den Diener, der der Erpressung be- schuldigt wurde. Diesem wurde der Prozeß sehr schnell gemacht, er wurde zu 3 Monaten Gefängnis und 2 Jahren Ehrverlust ver» urteilt und hürftp jetzt seine Strafe wohl schon verbüßt haben. Außerdem sollte gegen ihn noch ein Verfahren wegen Meineid ein- geleitet werden, weil er bei einer seiner eidlichen Vernehmungen behauptet habe, daß in seinem, an den Fürsten Wrede gerichteten Briefe, der ihm die Anklage wegen Erpressung zugezogen hat, aus- drücklich vermerkt gewesen sei. daß das von ihm verlangte Geld für die Armen bestimmt sein solle., Die Justiz hatte hier schnell und energisch eingegriffen. Glimpflicher wurde mit der Fürstin verfahren: Natürlich kann eine so hohe Frau nicht der gewöhnlichen Mauserei obliegen, sondern alle Welt war sich sofort darüber klar, hier müsse ein krankhafter Hang zum Stehlen, Kleptomanie, vorherrschen. Die be- rühmtesten Psychiater bemühten sich um die schwerkranke Dame und daS, was das große'Publikum sofort vorausgesetzt hatte, bestätigte sich. Die ZeitungSlescr wurden pflichtschuldigst von Zeit zu Zeit über daS Befinden der durchlauchtigsten Kleptomnnin unterrichtet. Zunächst wurde sie im Sanatorium in Lankwitz   zur Beobachtung untergebracht. Später durfte sie mit Genehmigung des Gerichtes diegewohnte ärztliche Hülfe" in Paris   in Anspruch nehmen. Bald darauf wurde mitgeteilt, daß die Psychiater zu der Ueberzougung gelangt seien, daß die Fürstin geisteskrank ist. Sie soll aber nicht an Kleptomanie leiden, sondern es soll sich um einen von den verschiedensten körperlichen Krankheitserscheinungen be- gleiteten vorzeitigen Verfall der körperlichen und geistige» Kräfte mit schwer belasteter Grundlage handeln. Jetzt wird die besorgte Mitwelt endlich vollkommen über das Schicksal der Fürstin be» ruhigt. AuS Güstrow   kommt, wie wir schon oben mitteilten, die Nachricht, daß die Strafkammer das Strafverfahren gegen die Fürstin Wrede und ihre Gesellschafterin Fräulein Weidig auf Grund des§ 51 des Strafgesetzbuches eingestellt hat. Die Staats- lasse trägt die Kosten des Verfahrens. Die Einstellung des Ver- fahrenS ist wohl zweifellos aus Grund der ärztlichen Gutachten er- folgt und wir haben selbstverständlich keinen Anlaß und fühlen uns nicht berufen, den Gutachten der Psychiater den leisesten Zweifel entgegenzusetzen. Nur wünschten wir. daß allen Verbrechern eine solch eingehende gründliche Behandlung von Acrzten zuteil werde; die Gerichte hätten sicherlich nicht die Hälfte ihrer jetzigen Arbeit zu verrichten._ evaslerstand am 3. Juli von», eibe Bei Austlq Meier. BA Dresden 1,53 dp. Elbe bei Magdeburg 1,(50 Meter. Oder Bei Nalibor 1,35 Meier. Oder bei Brctlan 1,SS Meter.-»- Oder bei Brlcg i,SS Meier. Neibemündung 1.1S Meter.