Und nun tjabcn wir den Anfang eines AufstandeS. Da mußman in der Tat sagen: weshalb? Regierungsfreundliche Blättersprechen davon. daß eine religiöse Bewegung derMohammedaner die Ursache sei; das erscheint kann» glaub«l i ch; denn einmal ist die christliche Mission noch gar nicht indiese Gegend eingedrungen und dann hat sich die deutsche Ne-gierung gerade hier sehr auf die Seite der Moham-m e d a n e r gestellt und die Fulbesultanate gegen die heidnischenBergvölker unterstützt. Da hätten doch die Mohammedaner-gar keinen Anlaß, gegen die Deutschen vorzugehen. Sindvielleicht von deutscher Seite aus U e b e r g r i s f e gemachtWorden, und war man in der Auswahl der Personenwieder einmal unglücklich? Bestimmte Nachrichtenliegen nicht vor; aber es muß daran erinnert werden, daß derfreisinnige Abg. Ablaß am 15. Dezember 1905 gegen den in denAdamaualändern tätig gewesenen und daselbst ermordetenHauptmann T h i e r r tz s ch w e r e A n k l a g c n erhoben hat; erteilte damals mit, daß Hauptmann Thierry„den Vater einesZöglings der katholischen Mission in Lome, der sich aus Angst vorThierry auf einen Baum geflüchtet hatte, einfach von dem Baume- heruntergeschossen hatte". Diese Anklage war schon früher demReichskanzler zugestellt worden, ohne daß er, wie esscheint, eine Untersuchung veranlaßt hätte. Der frei-finnige Abgeordnete Ablaß' aber hat noch weiter die Anklageerhoben, daß Thierry„E i n g eb o r ene w i e Wild ni e d er-geschossen haben soll, und daß er wegen seinerGrausamkeiten in dem ganzen Schutzgebiet be-r ü ch t i g t gewesen i st." Die Antworten von amtlicher Seitewaren sehr inatt; sie gipfelten in dem Satze, daß nach ThierrysTode eine Weiterverfolgung sich erübrigt habe, welche Ansicht wirnicht teilen können. Derselbe freisinnige Abgeordnete Ablaß sprachauch über Grausamkeiten des Hauptmannsv. Vesser, den ein Offizier schwer beschuldigt hätte, und derbeim Kriegsgericht sehr milde wegkam; auch diese Dinge habensich in Kamerun abgespielt. Sie werden durch Eingeboreneweiterverbreitet, und man kann sich vorstellen, was alles sichdaraus entwickelt. Jedenfalls stehen die höchst zuverlässigen Aus-lassungen deL früheren Gouverneurs und die heutigen Unruhen ineinem sehr schroffen Gegensatz."Die Aeußerungen Puttkamers, deS ExgouverneurS vonKamerun, stehen in einem eigentümlichen Gegensatz zujener Taktik, die die von uns vorgestern zitierte Stelle aus deramtlichen Denkschrift über Kamerun empfiehlt.Puttkamer empfahl eine„ruhige und gerechte Behand-lung" der mohammedanischen Falbes. Die deutschen Residentenmüßten sich darauf beschränken, die Berater und Beschützer derSultane zu sein, sie hätten ihnen die Exekutive und das Re-gieren völlig zu überlassen.So wenig nun auch Puttkamer selbst für Respektierung dieserseiner eigenen Taktik sorgte— die Duldung der Bestialitäten desThierry im Adamaua-Gebiet beweist seine Nachlässigkeitauf diesem Gebiete— so richtig war doch seine theoretischeAuffassung der Lage im Adamaua-Gebiet. Die Kolonialvcrwaltungscheint aber seitdem ihre Ansicht einer völligen Revision unterzogenzu haben. Statt die Fulbc-Sultanate zu„schützen", hat sie offenbarbegonnen— die Kameruner Denkschrift bezeugt das ja— die„heidnischen" Negerstämme gegen die mohammedanischen Fuldes aus-zuspielen, eine Politik, die unausbleiblich einen Kolonialkrieg ent-fesseln muß, gegen den das Hercro- und Hottentotten-Abenteuertatsächlich ein„Kinderspiel" sein würde.Unsere Kolonialfcxe, die noch soeben die„Herrcnmoral" desPeters verherrlicht, besitzen nun freilich die Stirn, die Vernichtungder Fulbe-Herrschaft als ein Gebot der Zivilisation und Humanitäthinzustellen, da ja die Fulbes Sklaverei trieben I Als ob nicht diesedeutsche Kulturmission in Südwestafrika mit der Ausrottung der Ein-geborenen und der Versklavung des übriggebliebenen Restes geendethätte! Ehe man solche Kultur auch in Kamerun verbreitet, sollteman getrost die„Befreiung" der„Heiden" vom Joche des Mo-hammedanismnS den eingeborenen Stämmen selbst überlassen I Manersparte sich dann wenigstens neue Kolonialschmach, gar nicht zureden von der Ersparnis der Hunderte von Millionen und Tausendevon Menschenleben, die ein Krieg mit den FulbeS zweifellos kostenwürde.Es ist deshalb um so eigenartiger, daß das rheinischeZentrum Sorga n, das, wie wir oben sahen, hinter den neuenUnruhen in Adamaua wohl nicht mit Unrecht allerlei Fehler derKolonialverwaltung wittert, zum Schlüsse selbst fordert,daß man zu„einer konsequenten Islam Politik"kommen, also doch wohl den von Puttkamer widerratenenWeg einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit denFulbes einschlagen möge! Bemerkt doch die„Köln. Volksztg."wörtlich:„Hätte man deutscherseits sich mehr der heidnischenUrbevölkerung angenommen, als der m o h a m m e d a n i sch e nEindringlinge, so stände eS heute besser."Welch ein Unsinn! Wir hätten dann eben den Krieg mit denFulbeS, deren kriegerische Macht die„Köln. Volksztg." doch so ab-schreckend schildert, schon eher gehabt, ohne im geringsten über dieMittel zu verfügen, diesen Krieg aufnehmen zu können I Hat doch,was das ZentrumSblatt selbst hervorhebt, noch im Jahre 1995 derRegierungsvertreter den Bau der Bahn bis zum Tschadseeals eine„Phantasie" bezeichnet.Hier zeigt sich aber nun wieder der Januskopf derultra niontanen Kolonialpolitik. DaS Zentrum zetertüber die ungeheueren Opfer der Kolonialkriege, um andererseits imInteresse der katholischen Mission die Regierung zufrivolen Abenteuern anzureizen, vor denen selbst einBlatt wie die„P o st" zurückschreckt IDiese grundverlogene Stellung des Zentrums zurkolonialen Geldverschleuderung verdient immer wieder festgenageltzu werden I_Der philosophische Reichskanzler.Bekanntlich ist Bülow ein gründlicher Kenner der deutschenPhilosophie, besonders auf dem Gebiet der Kant-, Fichte- und Hegel«forschung leistet er höchst Bedeutendes— was schon allein daraushervorgeht, daß er bei seinen in und außer dem Reichstagegehaltenen feuilletonistischen Plaudereien sich keineswegs auf Zitateaus dem Büchmann beschränkt, sondern sich manchmal sogar aufKant und Hegel bezieht. Es ist deshalb durchaus nicht ver-wunderlich, daß der Reichskanzler auch in seinem Gespräch mitHerrn JuIcS Huret, dem Mitarbeiter des„Figaro", sich nicht ver-sagen konnte, dem Franzosen zu beweisen, wie gründlich er alsdeutscher„Elitemcnsch" in der deutschen Philosophie beschlagen ist.So ergriff er denn mit der ihm eigenen weltmännischenNonchalance die Gelegenheit, dem Herrn Huret in Anknüpfung aneiner von diesem getanen Acußerung zu versichern, daß vor hundertJahren die deutschen Dichter und Denker gegenüber den politischenVorgängen eine grandiose„philosophische Teilnahms-losigkeit" bekundet hätten, und als Beweis für seine gcist-reiche Behauptung auf Schiller und Hegel zu verweisen.Daß Schiller, der Dichter der„Räuber", der„Kabale undLiebe", des„Tell", des„Wallenstein", des„Don EarloS", der Ver-faffer der„Geschichte des dreißigjährigen Krieges" usw. denpolitischen Verhältnissen seiner Zeit völlig teilnahmslos gegen-Übergestanden haben soll, glaubt zwar selbst ein mittelmäßig ver-anlagter Quartaner nicht— doch für einen Reichskanzler geltenbekanntlich, wie Bülow so oft in seinen Reden demonstriert hat,weder die gewöhnlichen Tatsachen, noch die Regeln der gemeinenLogik.Und wie mit seiner Kenntnis Schillers steht es auch mit seinertiefen Erfassung des Philosophen Hegel, der bekanntlich mit Vor-liebe historische Studien trieb und auch eine„Kritik der VerfassungDeutschlands" geschrieben hat. Fürst Bülow hat Herrn Huret sohübsch erzählt, wie Hegel am 14. Oktober 1L0ö, d. h. also amTage der Schlacht, von Jena, an seinem Schreibtisch sah undarbeitete, und als ihm dann die Eisensplitter auf den Schreibtischflogen, das Dienstmädchen erst fragen mutzte, was denn los sei;wie ihm aber dieses von den kämpfenden Franzosen und Preußensprach, da habe er erklärt:«Das ist mir gleich, das alles interessiertmich nicht."Aber zum Leidwesen für den Ruhm Bülows als Hegelkennerist es auch mit der Teilnahmslosigkeit Hegels nichts; und ProfessorTheobald Z i c g l e r macht sich im ,. Schwöb. Merkur" das Ver-gnügen, auch dieses Märchen des„Elitemenschcn" zu zerstören.Er schreibt:„Wie lustig und wie teilnahmslos Hegel an jenen Tagenwirklich gewesen ist, das wissen wir zufällig— oder für diehübsche Anekdote des Herrn Reichskanzlers vielmehr leider!—von dem Philosophen selber. Hegel schreibt nämlich„Montagsden 13. Oktober 1396 am Tage, da Jena von den Franzosenbesetzt wurde und der Kaiser Napoleon in seinen Mauern ein-traf", an seinen Freund Niethammer— auch einen Schwaben,der damals das Schulwesen in Bayern reorganisierte— unteranderem folgendes:„Gestern abend gegen Sonnenuntergang sah ich dieSchüsse der französischen Patrouillen..., die Preußen wurdenaus Winzerla in der Nacht vertrieben, das Schietzen dauertebis nach 12 Uhr, und heute zwischen 8, und 9 Uhr drangendie französischen Tirailleurs, und eine Stunde nachher dieregelmäßigen Truppen ein; die Stunde war eine Stunde derAngst... Den Kaiser, diese Weltseele, sah ich durch die Stadtzum Recognoscieren hinausreiten. Es ist in der Tat einewunderbare Empfindung, ein solches Individuum zu sehen,das hier auf einen Punkt konzentriert, auf einem Pferdesitzend, über die Welt übergreift und sie beherrscht. DenPreußen(gestern sagte man, der König von Preußen habesein Hauptquartier in Kapcllcndorf, einige Stunden von hier;wo er heute ist, wissen wir nicht; aber gewiß weiter weg alsgestern; die Herzogin und ihre Prinzessin war entschlossen,in Weimar zu bleiben) war freylich kein besseres Prognosticonzu stellen, aber von Donnerstag bis Montag sind solche Fort-schritte nur diesem außerordentlichen Manne möglich, denes nicht möglich ist nicht zu bewundern."Das war die„philosophische Teilnahmslosigkeit" Hegels.dem bekanntlich Geschichte das Interessanteste war. an denhistorischen Tagen und an den großen Menschen jener blutigenTage. Am nächsten Abend aber. d. h. also am 16. Oktober, beider Plünderung Jenas, haben dann„die Kerls seine Papierewie Lotterielose in Unordnung gebracht.". Auf diesen„Papieren" aber beruhte Hegels ganze Existenz: es waren dieletzten noch abzusendenden Blätter des Phänomenologie-Manuskriptes, das er bis zu einem eben ablaufenden bestimmtenTermin zu liefern sich verpflichtet hatte. Am 13. Oktober schreibter nämlich wieder an Niethammer:„eine Bitte bin ich ge-nötigt Ihnen vorzutragen: mir durchaus Geld zu schicken, ichbin in dem dringendsten Bedürfnisse". Und dieses Geld war—ein Vorschuß auf das Honorar für die Phänomenologie. Solustig ging es in diesen Tagen bei dem armen Jenenser Extra-ordinarius zu!„Gottlob, daß der Herr Reichskanzler," so schließt der Auf-sah,„nicht der Papst ist, sonst bekämen wir am Ende einen SyllabuSBülow und müßten, um den an unseren Universitäten„fast voll-ständig verdrängten" Philosophiestudien wieder auf die Beinezu helfen, nach seinen Heften in der Philosophie über Hegel undin der Literatur über Schiller vortragen, auch wenn diese Heftemit den Quellen ebensowenig im Einklang stünden wie mit denendes Neuen Testaments die neuen Shllabussätze des gegenwärtigenPapstes. Als Protestanten aber, zu denen wir alle rechnen, diegegen Mythen- und Legendenbildung protestieren, dürfen wires mit den Bülowschen Geschichten und Kritiken glücklicherweisehalten, wie wir es nach Luther mit den Apokryphen halten sollen:„Das sind Bücher, so der heiligen Schrift nicht gleich gehaltenund doch nützlich und lustig(Luther sagt: gut) zu lesen sind."politische(leberlicht.Berlin, den 1. August 1307.Reichskanzler nnd Finanz.Die schweizerische Bundesregierung beabsichtigt, die Gotthard-bahn zu verstaatlichen und vom 1. Mai 1999 ab in eigenen Be-trieb zu nehmen. Nach dem Vertrage mit der Bahngesellschaftwird der Nückkaufspreis schätzungsweise festgestellt, doch hat sichdie Regierung vorbehalten, daß beim Uebergang in staatlichen Be-sitz die Bahn in vollständig befriedigendem Zustande sich befindenmuß, anderenfalls sie das Recht hat, entsprechende Abzüge vomKaufpreise zu machen. Auf Grund dieses Vertrages hat im ver-gangcnen Jahre die schweizerische Bundesregierung an die Gesell-schaft die Forderung gestellt, ein zweites Gleis zwischen Chiassound Giubasso herzustellen. Das ist den Herren Großaktionärenrecht unbequem, und da ein großer Teil dieser Aktionäre ausReichsdeutschen besteht, haben sich einige Berliner Großbanken andas deutsche Auswärtige Amt mit dem Ersuchen gewandt, daß diedeutsche Regierung auf die schweizerische einen Druck ausübenmöge, damit diese sich dazu verstände, die Aktien höher zu be-werten.In einer Korrespondenz der„Frank. Tagespost" aus Berlinwird nämlich berichtet:„Die innigen Beziehungen, die zwischen der Rcichsregierungund der Hochsinanz bestehen, erfahren eine überhelle Beleuchtungdurch ein Ansinnen, daS einige Großbanken an das AuswärtigeAmt gestellt haben. Am Dienstag haben die Direktoren einigerBankinstitute dem Auswärtigen Amt eine Eingabe überreicht,in der nicht weniger verlangt wird, als daß das Deutsche Reichdie schweizer Regierung zwingen solle, bei der Verstaatlichungder Gotthardbahn den deutschen Großaktionären für ihre Aktieneinen höheren Kurs zu bewilligen, als er nach Vermutung derdeutschen Großbanken gezahlt werden wird. Es wird in derEingabe ausgeführt, daß die Besorgnis einer Schädigung um somehr besteht, als die Aktionäre in ihrer großen Mehrheit Aus-länder und zum großen Teil Angehörige des Deutschen Reichessind. Daraus gehe hervor, daß die Schweiz in ihrem Bestreben,die Bahn zu einem möglichst billigen Preise in ihren Besitz zubringen, kaum durch Rücksicht auf das schweizerische Kapital ge-stört werden wird. Aus diesem Umstand wird dann die besonderePflicht der Regierung hergeleitet, die Schweiz an einem möglichstbilligen Erwerb der Bahn zu stören— im Interesse einigerdeutscher Grotzkapitalisten.Ein unverschämtes Ansinnen! Doch würden die GroßbankencS kaum gestellt haben, wenn sie nicht nach ihrer Kenntnis derleitenden Männer, speziell des Reichskanzlers, der Ansicht wären,die Regierung werde sich auf ihr Verlangen einlassen. Und tat-sächlich erscheint es nach den nahen Beziehungen zwischen derHochfinanz und der Reichsregicrung nicht ausgeschlossen, daß sichdiese dazu versteht, im Dienste des lüsternen Finanzkapitals dieSchweiz dazu zu bewegen, auf Kosten ihrer Steuerzahler denfremden Großaktionären hohe Kaufpreise zu zahlen, sjd vieSchweiz allerdings sich dem deutschen Ansinnen fügen wird, ist rechtzweifelhaft, denn sie ist bekanntlich nach Bismarcks Ausspruch—ein wildes Land.Christlich-, igrarische Ethik.Im Haag werden zurzeit wunderschöne Reden über dieWahrung der Humanität im Kriege gehalten. Die Vertreter deseinen Staates suchen die des anderen Staates in humanen Phrasenzu überbieten; dabei aber sind sie ängstlich darauf bedacht, sichdort, wo es in ihrem kriegerischen Interesse liegt, die rücksichts-loseste Ausnutzung der modernen Mordmaschinen vorzubehalten.Und genau wie diese Vertreter des„kulturellen" Europa machenes die patriotischen, in Ethik und Rcligiösität schwimmendenBlätter dieser Staaten, indem sie ebenfalls ihre Absichten mitschönen ethischen Erwägungen garnieren. Recht kennzeichnenddafür ist eine Betrachtung der die höhere Sittlichkeit des christ-lichcn Agrarstaates vertretenden„Deutschen Tageszeitung" überdie Ausnützung der Luftschiffahrt für den Krieg, in der das Blattzu folgenden Wünschen kommt:„Wir möchten dabei noch einmal den außerordentlichen Unter-schied zwischen der Bedeutung des lenkbaren Luftschiffes für denLand- und für den Seekrieg betonen. Zu Lande kann es, vonAusnahmefällen abgesehen, schwerlich Zerstörungen von solcherBedeutung anrichten, wie ein einziger Treffer gegenüber einemder neuesten Riesenschiffe zur See darstellen würde. Dagegenwäre die Wirkung aus die Nerven der Kämpfenden zu Lande einegrößere; denn der Seemann, der immer mit der Möglichkeitrechnen muß, daß ein Torpedotreffer seine schwimmende Festungzerstört, kann den Unterschied in der Richtung, von der aus daSverderbliche Geschoß kommen kann, nicht übermäßig schwerempfinden. Ein Verbot der fraglichen Anwendung des Lust-fchiffes im Landkriege ließe sich also damit rechtfertigen, daßseine tatsächlichen Wirkungen hier nicht im richtigen Verhältniszu den moralischen stehen würden; zur See ist das nicht derFall. Für Deutschland kommt natürlich noch ausschlaggebendhinzu, daß unsere maritime Schwäche es uns zur einfachstenPflicht macht, uns kein Verteidigungsmittel und keine Möglich-keit ihrer Ausgleichung aus der Hand nehmen zu lassen. Ausdiesem Grunde allein halten wir es für ausgeschlossen, daßDeutschland den belgisch-englischen Wünschen in dieser Fragenachgeben könnte."Das alberne Gerede von der moralischen Wirkung und ihremnicht richtigen Verhältnis zur effektiven Wirkung ist nichts alsdekorativer Aufputz zur Bemäntelung der eigenen Roheit. Terkonventionellen Humanitätsheuchelci entkleidet, besagt die Notiznichts anderes, als daß die Anwendung von Luftschiffen zurAusstreuung von Sprenggeschossen im Seekriege deshalb nicht ver-boten oder eingeengt werden darf, weil eine derartige roheKriegführung Deutschland vielleicht in einem Kriege mit Englandrecht nützlich sein könnte. Echte christliche Ethik!»—Die„Brüder von Nordschleswig".Die Rede des O b e r p r ä s i d e n t e n v. Bülow, die ii>versöhnlicher Weise von den„Brüdern in Nordschleswig" sprach,konnte den Anschein erwecken, als ob die Regierung wirklich darandenke, an Stelle der berüchtigten Köller-Politik eine Politikder Versöhnlichkeit treten zu lassen. Dem ist aber nicht so. DasGeschrei der schleswigschen Agrarier, die befürchteten, bei einer Ab-kehr von einer antidänischen Trutzpolitik in ihrer wirtschaftlichen Beute-Politik geschädigt zu werden, scheint etwaige Anwandlungen von Ein-ficht in den höheren Regionen rasch wieder verscheucht zu haben.NeunundsechzignordscheswigerGeistliche hattenbeantragt, die Einführung von zwei fakultativen dänischenSprachstunden in denjenigen Schulen NordschlcSwigS zu gestatten,in denen dänischer Religionsunterricht erteilt wird. Dies Gesuch ist'von der Regierung abgelehnt worden. Die Oberpräsidial-Verfügung, die diese Ablehnung zur Kenntnis der Petenten bringt,hat folgenden Wortlaut:Schleswig. 27. Juli 1997.Auf das gefällige Schreiben vom 23. Juli d. I. gestatte ichmir Euer Hochwürden zu erwidern, daß ich die wohlgemeintenAbsichten, von welchen Euer Hochwürden und die anderen 98 Geist-lichen, welche die an mich gerichtete Eingabe vom 8. Juli unter-schrieben haben, sich bei dem Vorschlage der Wiedercinführimgvon wöchentlich zwei fakultativen dänischen Sprachstunden habenleiten lassen, zwar nicht verkenne.Nachdem aber die hierüber auch im Schöße der königlichenStaatSregierung wiederholt stattgehabten Erwägungen stets zudem gleichen Ergebnis geführt haben, die Sprachenanweisung vom18. Dezember 1883 in der von Ihnen gewünschten Richtungnicht abzuändern, ersuche ich Sie, sich numnehr darin zu finden,daß die Abschaffung des dänischen S p r a ch u n t e r-richts in der Volksschule eine Tatsache ist,welche einer Aenderung nicht mehr unter-w o r f e n w e r d e n w i r d. v. B ü l o w.An denKirchenpropst Herrn Gottfriedsen, Hochwürden,in Grotz-Nnstrup.Was kann näher liegen und selbstverständlicher erscheinen, aledie Erteilung eines— noch obendrein fakultativen— fremd-sprachlichen Unterrichts in einem Grenzgebiete, wo die Unkenntnisder betreffenden Sprache für die Bewohner direkt materielleSchädigungen mit sich bringen kann. Aber die Regierung beharrttrotz der schönen Rede des Oberpräsidenten von den„Brüdern inNordschleswig" auf ihrem bornierten Zwangsgermani-sierungsstandpunkt!—_Ein Berfasfungsstreit um— Kaninchen.Ein drolliger Streit, wie ihn nur die HundStagS-Hitze ausbrüten kann, ist, wie die„Köln. Ztg." be-richtet, bei der Verabschiedung des Etats zwischen derErsten und Zweiten württembergischcn Kammer ausgc-brachen. Der Sachverhalt ist kurz folgender: Der Bund derWürttembergischcn Kaninchenzüchtervcreme hatte an die Ständeeine Eingabe gerichtet, in der er um Unterstützung der Kaninchen-zucht bittet. Die Zweite Kammer war entschlossen, den Kaninchen-züchtern unter die Arme zu greifen, und zwar mit der Riesen-summe von— 599 M. Und zwar sollte die Unterstützung nochdurch diesen und nicht erst durch den nächsten Etat geschaffenwerden. Hätte man nun beschlossen, die Petition der Kaninchen-züchtcr der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen, so hättendie 599 M. erst in den nächsten Etat eingestellt werden können.Den Kaninchenzüchtern sollte aber schnell geholfen werden. Deshalbfaßte die Zweite Kammer zum Etat den Beschluß,„der königlichenRegierung gegenüber die Bereitwilligkeit auszusprechen, einen Bei-trag von 599 M. an diesen Bund nicht zu beanstanden". Die ErsteKammer hat jedoch beschlossen, die Eingabe der Regierung zur Be-rücksichtigung zu überweisen, mit der Konsequenz, daß einetwaiger Beitrag zugunsten der Hebung der Kaninchenzucht erstim nächsten Etat bewilligt wird. Demgegenüber beharrte dieZweite Kammer auf ihrem Beschluß und rief den Z 181 der Verfassung an. Dieser Paragraph lautet dahin, daß der Beschluß derZweiten Kammer, wenn diese nach wiederholter Beratung ausihrem von der Ersten Kammer abweichenden Beschluß bcharrt,als Beschlutz der Ständeversammlung zu betrachten ist. DieEr sie Kammer hat, wenn sie sich nicht fügen will,