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Nr. 20B. 24. Jahrgang. 1. Kilaze des Jstiüüttf Kerlim Bollisliliitt. Zonckend, 81. AiiMß 1907. Die Partelpreffe über den Internationalen [ozlallltilcfien Kongreß. Die Kolonialpolitik. II. 8ol!86ote"(Stettin  ): OIn der Kolonialfrage gelang es den Genossen van Kol und Dr. David nicht, für den Gedanken einer sozialistischen  Kolonialpolitil eine Mehrheit im Plenum zu finden. Immerhin sprach sich der Kongreß aber doch dafür aus, daß es Pflicht der Sozialdemokratie sei,für Reformen einzutreten, um das Los der Eingeborenen zu verbessern." Dieser Beschluß wird auch die deutsche Sozialdemokratie nötigen, mit positiven Vor schlügen hervorzutreten und ein Programm sozialer Re formen für die Kolonien aufzustellen. Ob man nun diese reformatorische Tätigkeit der Sozialdemokratie sozialistische Kolo nialpolitik oder anders nennt, scheint uns im Grunde nur ein Wortstreit zu sein. Jedenfalls handelt es sich doch hier um eine vom Geist des Sozialismus getragene Aktion, deren Ziel es ist die Rechte der Eingeborenen zu schützen, ihre Ausbeutung und ihre Versklavung zu verhindern." BolkSzeitung"(Königsberg  ): Obwohl gerade die meisten deutschen   Delegierten in der Kolonialfrage anderer Meinung waren, hält der Schreiber dieses Artikels doch die von der Mehrheit schließlich angenommene Resolution zur K o l o n i a l f r a g e für die richtige Auffassung. Die Minderheit wollte sich für einesozialistische" Kolonialpolitik aussprechen und nur die heutige Methode, zu kolonisieren, ver werfen. Nach dem Wortlaut hätte die Resolution der Minderheit nach unserer persönlichen Auffassung angenommen werden können� ivenn nicht die Begründung insbesondere seitens unseres holländischen Genossen van Kol ergeben hätte, daß untersozialistischer"' Kolomalpolitik nicht eine solche verstanden wurde, die vielleicht nach dem Sturz der kapitalistischen   Gesellschaftsordnung die sozialistische Menschheit treiben wird. Vielmehr war gemeint, daß auch unsere heutigen Staaten unter Aenderung ihrer gegen wartigen grausamen Methode sehr wohl einmal eine Kolonial Politik treiben könnten, welche die Zustimmung der Sozialisten findet. Da aber die einzigen Zwecke, welche die heutigen Staaten mit Kolonialpolitik verfolgen, nur möglich sind mit dem bekannten, die Eingeborenen unterdrückenden und die ein- heimischen Steuerzahler belastenden, sowie internationale Kon flilte in seinem Schöße bergenden System, ist innerhalb der be stehenden Gesellschaftsordnung keine Kolonialpolitik denkbar, die sich mit den Interessen der Arbeiterklasse vereinbaren läßt. Welche Maßnahmen die künftigen Völker nach Verwirklichung des So zialismus ergreifen werden, um den rückständigen Rassen die Segnungen der Kultur und der Menschheit die natürlichen Schätze brachliegenden Bodens zu verschaffen, das ist ein Problem, dessen Studium wahrlich nicht eilt." Voltsstimme"(Augsburg  ): .DaS Plenum verwarf mit knapper Mehrheit 121 gegen 107 Stimmen, bei 10 Enthaltungen die Resolution der Mehr heit, die auch die Zustimmung der deutschen   Delegation gefunden batte, und erhob die Abänderung der Kommissionsminderheit zum Beschluß. Diese Abstimmung und diese Entscheidung hat schon in der bürgerlichen Presse viel Beachtung gefunden; unsere Gegner erblicken darin den Beweis für diestarre Verneinung" der Sozialdemokratie. Sie wird unzweifelhaft in der Partei noch lebhaft besprochen werden und in Essen einen starken Nachklang wecken. Was dort auch immer für oder gegen gesagt werden mag, das eine Förderliche wird die Erörterung vor, in und nach Essen haben, daß sich die Partei systematischer und gründlicher als bisher mit dem Kolonialproblem beschäftigt und daß die theoretische Schulung und Festigung der Massen bei diesen Debatten noch weiter gewinnt und noch weiter sich vertieft." BolkSblatt für Anhalt"(Dessau  ): Der Gegensatz der Auffassung bestand darin, daß die einen eine Kolonialpolitik mit Unterwerfung eines Volkes unter ein anderes, das kolonisierende, mit dem Sozialismus überhaupt für unmöglich erklärten, weil nach den Prinzipien des Sozialismus jedes Volk das Recht der freien Selbstbestimmung habe, während die anderen eine Kolonialpolitik unter sozialistischem Regime wohl für möglich, ja für zweckmäßig erklärten. Die her vortretenden Träger dieser gegensätzlichen Auffassung waren in der deutschen   Delegation Ledebour   und K a u t s k y einerseits und Bernstein   und David andererseits. Die beiden letzteren stützten sich für ihre Auffassung wesentlich auf eine Aeußerung Bebels, die derselbe als Etatsredner im Reichstage am 1. De zember 1606 über die Kolonialfrage getan hat. In der deutschen  Delegation war der Gegensatz durch die beiden Genossen Wurm und David, die den Auftrag hatten, eine Einigungsformel zu finden, dadurch zur Aufhebung gebracht worden, daß man fol> genden Abänderungsantrag stellte:In der Erwägung, daß der Sozialismus die produktiven Kräfte des ganzen Erdkreises ent- falten und alle Völker zur höchsten Kultur emporführen will, ver- wirft der Kongreß nicht jede Kolonialpolitik prinzipiell, da diese unter sozialistischem Regime zivilisatorisch wird wirken können." Dadurch.daß im Plenum die von der Kommissionsminderheit beantragte Einleitung der Resolution, welche rein negativ die kapitalistische Kolonialpolitik verurteilt, mit 127 gegen 108 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen der Holländer angenommen ward, kam das Amendement Wurm-David nicht mehr zur Abstimmung. Deutschland  , Oesterreich, Böhmen  , Belgien  . Holland  , sowie Frank- reich und England zum Teil stimmten für die Resolution der Kommissionsmehrheit, die nicht jede Kolonialpolitik prinzipiell ab- lehnte. Gegen jede Kolonialpolitik stimmten hauptsächlich Staaten, die gar keine Kolonien haben. Sebr bedeutungsvoll zeigte sich hier auch die Art der Stimmenverreilung. Ungarn   hatte zum Beispiel neben Oesterreich  , das für sich 20 Stimmen zählte, auch selber 6 Stimmen. Rußland   hatte ebenfalls 20 Stimmen, Polen  und Finnland   aber daneben 10 bezw. 8 Stimmen. Mit dem- selben Rechte hätte man Deutschland   in alle seine einzelnen Bundesstaaten zerlegen und jedem Bundesstaat eine entsprechende Stimmenzahl zulegen können. Das kleine Luxemburg   mit noch nicht einer Viertelmillion Menschen verfügte über 2 Stimmen. Und wie jämmerlich stehtS dort mit der Organisation! Mit dem gleichen Rechte hätten wir Anhaltiner auch besondere Stimmen und zwar noch ein paar mehr als Luxemburg beanspruchen können. Auf die Stimmenzahl der Abstimmungen kann daher absolut kein Wert gelegt werden. Wenn wir an einen Erfolg einer Resolution nicht glauben, so ist es der der Resolution in der Kolonialpolitik. Es wird wohl bei der Erklärung bleiben, die Bebel am 1. Dezember 1606 im Reichstage abgegeben hat. Offenbacher Abendblatt: Die Entscheidung in der Frage der Kolonialpolitik wird allerdings keine endgültige sein. Es wird darüber noch mancherlei zu reden sein; uns in Deutschland   werden die Gegner so manchesmal die Rede van Kols vorhalten. Seine Darlegungen über die Notwendigkeit, praktische Politik zu treiben entspringen dem brennenden Wunsche, die Kraft und Macht der sozialistischen  Bewegung nutzbar zu machen für Reformen; er übersieht aber dabei einmal, daß trotz ihrer prinzipiellen Ablehnung der kapi- talistischen Kolonialpolitik die deutsche Sozialdemokratie unaus- gesetzt Reformen durchzusetzen sucht: sie lehnt ja auch den Milr iorismus ab und fordert doch Reformen; eines schließt das andere nicht aus. Und zweitens liegt Unklarheit über den B e g r i f' Kolonialpolitik zugrunde. Kolonien sind niemals große Komplexe für Güteraustausch gewesen, vielmehr dienten sie dem Kapitalis mus immer als Ausbeutungsobjekte. Der Kapitalismus produziert nicht zum Zwecke der Befriedigung der Bedürfnisse, sondern um Profit zu machen. Und er hat die Produktion so ergiebig gemacht daß er im Mutterlande nicht mehr weiß wohin mit dem Reichtum und wo profitabel den angesammelten Profit anlegen. Deshalb zielt neuerdings der Kapitalismus dahin, Kolonien zu gewinnen als Absatzmärkte, als Anlegeplätze für Kapitalverwertung und gleichzeitig befreite die Kolonialpolitik durch die damit vev bundenen maritimen und militärischen Rüstungen die Kapitalisten klaffe jedes Landes von einem Teil des Warenüberschusses, gibt auch ihnen abermals Gelegenheit zur Profitmacherei. Zu alldem steht die Sozialdemokratie in Theorie und Praxis im Gegensatz sie fordert Sozialpolitik, Kräftigung der Kaufkraft der Arbeiter massen auf die Gefahr hin, daß schließlich das Kapital überhaupt keinen Profit mehr machen kann. Den Kapitalismus zu über winden, das ist ja der Zweck unserer Aktion. Die sozialistische Produktionsweise wird kein Bedürfnis nach Profitmacherei haben sie ist nicht Warenproduktion, sie braucht nicht zu kolonisieren oder aber man müßte mit dem Worte einen ganz anderen Begrif decken wollen: den nämlich, daß die sozialistische Gesellschaft zu fremden Völkerschaften in Tauschbeziehungen tritt. Ueber diesi Zukunftsfragen brauchen wir uns heute nicht die Köpfe zu zer brechen, wir haben nur den Proletaricrmassen klar zu machen, daß der Kapitalismus der Kolonialpolitik bedarf und daß ihni die Kolonialpolitik ein Mittel ist zur Aufrechterhaltung und Aus breitung seiner Ausbeutungsinteressen; daß dagegen die Arbeiter klasse die Ausbeutung bekämpfen muß, richte sie sich gegen ein Volk, eine Rasse, eine Klasse oder ein Geschlecht. Im übrigen hat van Kol selbst festgestellt, daß der Kolonialkapitalismus im Mutter lande seine eigene EntWickelung hemmt und dadurch die prole tarischen Interessen schädigt." Bolksstimme"(Frankfurt   a. M.): ... In den beiden wichtigsten Fragen des Kongresses, in der Kolonial- und Militärfrage, wirkte die Stuttgarter   Tagung scheinbar ganz verschiedenartig. Bei der Kolonialfrage glaubt der oberflächliche und unkundige Beurteiler einen Zug nach rechts, bei der Mllitärfrage einen Zug nach links in den Beschlüssen zu erblicken. Nichts falscher als diese bürgerlichen Flüchtigkeits- urteile! Auf beiden Gebieten betätigte sich vielmehr der mächtige Drang der stark gewordenen roten Internationale, nicht tatenlos mehr zur Seite zu stehen, sondern dabei zu sein, wenn über die Geschicke von Millionen Schwarzer oder Weißer souverän verfügt wird. Der kapitalistischen   Kolonialausbeutung den Krieg, aber gleichzeitig Eindringen in die Kolonialvcrwaltung und allmähliche Durchdringung derselben mit den zivilisatorischen Grundsätzen des Sozialismus..." BolkSzeitung"(Mainz  ): Gleich in der Kolonialfrage brach die Auffassung durch, daß die sozialistischen   Parlamentsfraktionen nicht bloß Kritik zu üben haben an der jetzigen, von kapitalistischen   Interessen und Mächten geleiteten kolonialen Raubpolitik; sondern daß ihnen darüber hinaus auch eine positive Aufgabe gestellt ist. Angesichts der un- abänderlichen Tatsache, daß die Kolonien da sind und daß die kolonisatorische Erschließung der Naturschätze des ganzen Erd kreiseS   eine kulturelle Notwendigkeit ist, sehen sich die sozialistischen  Parteien der einzelnen Länder vor die Aufgabe gestellt, eine Schutze gesetzgebung für die Eingeborenen zu schaffen, für geordnete Rechts Verhältnisse, Selbstverwaltung usw. in den Kolonien zu sorgen. Zwar hat der von einer kleinen Minderheit der deutschen  Delegation verfochten- Standpunkt, daß die Kolonisation als solche unnötig und verwerflich sei, und daß darum auch an der heutigen Kolonialpolitik nichts zu reformieren sei, bei der Abstimmung noch einmal formell gesiegt. Allein die fortgeschrittensten West- europäischen Nationen haben den prinzipiellen Standpunkt einer positiven, sozialistischen Kolonisationspolitik anerkannt. Kein Zweifel, daß dadurch ein starker Impuls gegeben worden ist für die Inangriffnahme unserer praktischen zivilisatorischen Aufgaben m den Kolonien im Interesse des Schutzes der Eingeborenen und des Gesamtfortschritts der Menschheit." Bolksstimme"(Aachen  ): «Die Frage drehte sich darum: ist eine sozialistische Kolonial Politik möglich oder bedeutet jede koloniale Politik Eroberung des Koloniallandes und Unterdrückung sowie Ausbeutung seiner Be- völkerung? Uns scheint, daß die Frage zu allgemein gestellt und der Unterschied in der Kulturhöhe der zu kolonisierenden Länder nicht in Rechnung gesetzt wurde. Bei Südseeinsulanern und Australnegern wird bei der Kolonisierung eine andere Taktik ein- zuschlagen sein, als wenn es sich um alte Kulturländer, wie bei- spielsweise Indien   oder China  , handelt. Der Kapitalismus macht aber keinen Unterschied; ihm bedeutet Kolonisierung Ausbeutung und Unterdrückung der Bevölkerung, gleichgültig, ob Hottentotten und Buschmänner in Afrika   oder ob Chinesen, wie in Kiautschou, mit ihrer eigenartigen, aber alten Kultur in Frage kommen. Im übrigen ist die Voraussetzung der Kolonialpolitiker, als ob ohne kapitalistische Kolonisierung die zurückgebliebenen Völker sich nicht weiter entwickeln würden, erfahrungsgemäß falsch.... Japan  ist zur kapitalistischen   Wirtschaftsform gekommen, ohne daß eS zuvor zum Kolonialland heruntergedrückt worden wäre. Anders in O st i n d i e n.... Wäre der Führer des Auf- tandes(von 1859), Nena Sahib, Sieger geblieben, und hätten die Engländer ihre Herrschaft über Indien   dauernd verloren, so würde wenn man sich die EntWickelung Japans   vor Augen hält das Land heute sicherlich über keine geringere, höchstwahrschein- lich aber über eine höhere Kultur verfügen. Dafür würde dann allerdings das arbeitslose Einkommen in England eine ent- sprechende Minderung erfahren haben.... Zuungunsten Indiens  stricht auch noch, daß unter der kolonialen Herrschaft noch kein ämpfendes Proletariat entstanden ist, während in Japan   bereits die recht beachtenswerten Anfänge einer klassenbewußten Arbeiter- bewegung zu verzeichnen find." DerBolksfreund"(Karlsruhe  » I?at sich den von uns besprochenen Artikel des Genossen Eduard David   in der MainzerVolkszeitung" zu eigen gemacht. «Münchener Post": Weniger erfreulich ist die Entscheidung in der Kolonial- rage. Wir haben bereits früher die Abstimmung hierüber mit einigen kritischen Bemerkungen gewürdigt. Die Kommission zur Vorberatung der Kolonialpolitik hatte eine gründliche und vorzüg- liche Arbeit geleistet. Ein anerkannter Praktiker in Kolonialfragen, der holländische Delegierte van Kol, hatte durch sein sachverständiges Urteil jene Richtlinien gewiesen, die vom sozialdemokratischen Standpunkte aus einzuschlagen sind, um Einfluß auf die W- taltung der Kolonialpolitik zu gewinnen. Und diese Grundsätze landen im Einklang mit der Haltung der deutschen   Reichstags. raktion und des deutschen   ParteivorstandcS. Beide haben noch während der letzten Reichstagswahl betont, daß die Sozialdemo. kratie nicht Gegnerin jeder Kolonialpolitik sei. Wir können uns wohl eine Kolonialpolitik denken, die erstrebt, uns den auf tieferer Kulturstufe stehenden Kulturvölkern als Freunde und Befreier zu nähern im Gegensatz zu der kapitalistischen   Brutalisierungs- und Unterjochungspolitik. Dieser.Kulturtätigkeit der Sozialdemokratie in der Kolonialpolitik wurde in der Mehrheitsresolution der Kom- Mission Rechnung getragen und der Berichterstatter van Kol ver- trat mit eindrucksvollen Worten die Auffassung der Mehrheit, die nichts weniger wollte, als ihr irrig unterstellt wurde: eine An- Näherung an die bürgerlichen Auffassungen der Kolonialpolitik. Im Gegenteil: es wurde in der Resolution durch eine von Wurm und David formulierte Fassung die von der Kommission akzeptiert war ausgesprochen:In der Erwägung, daß der Sozialismus die produktiven Kräfte des gesamten Erdkreises ent- falten und alle Völker zur höchsten Kultur cmporführen will, ver« wirft der Kongreß nicht jede Kolonialpolitik prinzipiell, da diest unter sozialistischem Regime zivilisatorisch wird wirken können." Die vom Kongreß angenommene Minderheitsrcsolution Wik sich gegen diese Auffassung wenden. In einem Absatz verlangt su aber eine Politik,die die friedliche kulturelle Eutwickelung ge währleistet und die Bodenschätze der Erde in den Dienst der Höher eutwickelung der gesamten Menschheit stellt". Also auch ein» kulturelle Kolonialpolitik, wie sie nur vom Sozialismus im Sinne der von van Kol dargelegten Gesichtspunkte geleistet werden kanw Man hatte den Eindruck, daß es sich mehr um einen Streit un Worte als um verschiedene Auffassungen handelt... Die Aeußerung der Fränkischen Tagespost"(Nürnberg  » ist schon in dem ArtikelDer Sozialismus det Aktiv n" in Nr. 199 desVorwärts" wiedergegeben worden. Schwäbische Tagwacht"(Stuttgart  ): In der Kolonialdebatte gelang es noch nicht, zu dieser Ein- stimmigkeit zu kommen. Der Gegensatz ist noch vorhanden, er wird erst in einem künftigen Kongreß der Internationale seine Lösung finden. Einig ist man nur darin, daß man die Kolonial- Politik in ihrer jetzigen Methode verivirft, einig auch darin, daß man trotzdem mit allen Mitteln bemüht sein muß, wenigstens die schwersten Schäden zu verbessern. Aber in der Betonung der grundsätzlichen Ablehnung und der innerlichen Reformierung tritt der Unterschied zutage. Die beschlossene Minderheitsrcsolution läßt eine zivilisatorische Llolonialpolitik innerhalb der kapi­ talistischen   Gesellschaftsordnung aussichtslos erscheinen, die ab- gelehnte Mehrheitsresolution der Kommission legt das Haupt- gewicht auf die innere Umgestaltung der Kolonialpolitik, indem sie die einmal geschichtlich gewordene Tatsache der Kolonialpolitik an- erkennt und sich mit ihr abfindet. Daß über die Aufgabe der Kolonialpolitik selbst keine Meinungsverschiedenheit besteht, das bewiesen die stürmischen Kundgebungen für die Jndierin Kamar, welche die Leiden Indiens  und seiner von England brutal ausgebeuteten Bevölkerung schilderte. Diese Kolonialpolitik lehnt die Jnternati«ale ohne Unterschied ab. Aber man drängt auch hier, aus der Negation zur Aktion zu gelangen. Hinter der Minderheit standen ja gerade die Länder mit starker sozialistischer Bewegung, auch die große Mehrheit der Deutschen  ."_> Mehrere Parteiblätter, so dieSchleswig-Holsteinische Volkszeitung"(Kiel  ) und dasNorddeutsche Volksblatt" (Bant) und dasGothaer Volksblatt" haben der Auf- fassung desV o r w ä r t s" durch Abdruck feines Schluß- artikels über den Kongreß beigestimmt. SSchIllche fabrlliinipelUlon 1906. Mit erheblicher Verspätung sind die diesjährigen Jahresberichte der sächsischen Gewerbeaufsichtsbeamten erschienen. Wer aber nun hoffte, auch einmal etwas Besseres als früher zu bekonmien, ivürde arg enttäuscht werden. Auffällig ist schon, daß der äußere Umfang deS Bandes abermals reduziert worden ist, und zwar gegen das Vorjahr um rund 100 Seiten; obwohl darin noch ein allerdings recht nichtssagender Sonderbericht über die Zustande m Glashütten enthalten ist. Die an d?n maßgebenden Stellen herrschende Tendenz scheint dahin zu gehen, die Berichte immer dürftiger werden zu lassen und Meinungsäußerungen der Aufsichtsbeamten über die Existenzverhältnisse der Ar- beiter, Mißstände in Fabriken usw. möglichst zu unterdrücken. Tatsächlich findet man solche Auslassungen jetzt äußerst selten, da- gegen hat man trotz des beschränkten Raumes mit der Aufzählung von WohlfahrtSeinrichtungen, Fabriksparkassen, Bettelsuppenverab- reichung durch die Unternehmer usw. nicht gespart. Obwohl nun kein Zweifel mehr darüber bestehen kann, daß die Wirksamkeit der Gewerkschaften für die Lebenshaltung der Arbeiter und die Lohn- und Arbeitsverhältnisse weit wichtiger ist, findet man davon in den 'ächstschen Fabrikinspektionsberichten so gut wie nichts. Diese Art der Berichterstattung ist natürlich nicht dazu angetan, das Vertrauen der Arbeiter zu den Gewerbeaufsichtsbeamten zu wecken. ES zeugen denn auch die Angaben in den vorliegenden Berichten wiederum davon, daß die sächsischen Fabriken so gut wie keine Fühlung mit den Arbeitern haben und daher ihrer Tätig« keit eine der wichtigsten Voraussetzungen mangelt. Von den 17 Amtsstellen hatten.nur zwei einen nennenswerten Verkehr mit Arbeitern, und zwar die in Annaberg  , wo 180 Arbeiter sich Rat holten oder Beschwerden vorbrachten und in Aue, wo 209 Arbeiter vor- 'prachen; sonst wandten sich in der Regel mehrere hundert Unternehmer vertrauensvoll um Rat und Hülfe an die sächsischen Fabrikinspektoren und daneben nur 610 Arbeiter. Freilich jede Berührung mit den Arbeiterorgani« ationen haben auch die sächsischen Aufsichtsbeamten nicht ver- meiden können, daS bewirkte schon die schnell gewachsene Stärke und Bedeutung der Gewerkschaften. Insbesondere haben sie sich mit Beschwerden und Anzeigen über Mißstände in Betrieben be- 'chäftigen müssen, die von Arbeitersekretären und gelverk- schaftluhen Vertrauensmännern ausgingen. Und einige In- 'Pektoren können nicht umhin, dieses Verfahren als vorteil- Haft zu bezeichnen. So berichtet der Beamte des Leip- i g e r Bezirks, es müsseanerkannt werden, daß die G e w e r k- ' ch a f t e n und insbesondere das Arbeitersekretariat be­müht gewesen sind, nur berechtigte Beschwerden zu überreichen", und aus Würzen wird gemeldet, daß un- berechtigte Beschwerden seltener vorgekominen eien, was jedenfalls dem Einflüsse der Ver» rauenSpersonen der Arbeiter zuzuschreiben sei. Früher haben die sächsischen Aufsichtsbeamten zuweilen auch kritische Erörterungen über Betriebsmißstände in der sozialdemokratischen Presse verfolgt und darauf hin Revisionen vorgenommen, die diesjährigen Berichte enthalten darüber jedoch keinerlei Mitteilungen mehr. Sollte eine Anweisung ergangen sein, derartige Notizen nicht mehr zu beachten? Vereinzelt sind auch Aufsichtsbeamte in Gewerkschaftsversammlungen erschienen, in denen über Zustände in Fabriken verhandelt wurde. Auch über diese Art Wirksamkeit verlautet nichts mehr. Nur ein einziger Fall wird er- lvähnt, wo ein Bericht über eine solche Versammlung Anlaß zu einer Revision gewesen fft. Die letztjährige Revisionstätigkeit der sächsischen Aufsichtsbeamten erstreckte sich auf eine Periode geschäftlicher Hoch- �onjunktur. DaS wird in den Berichten mehrfach betont, das ersieht man auch aus der starken Zunahme der Arbeiter und der Unfälle. Der Arbeiterzuwachs ist der stärkste, der jemals in einem Jahre zu verzeichnen war, obwohl mehrere tausend streikende oder ausgesperrte Arbeiter bei der regelmäßigen Zählung nicht mit berück- 'ickitigt werden konnten. Während am 1. Mai 1601 in Sachsen  588 832 Arbeiter gezählt wurden, 1605 614 714, waren eS 1'906 644 084, mithin in diesem Jahre ein Zuwachs um 29 370, während bisher die höchste Zunahme 26 300 betrug. Dennoch wird aus fast allen Bezirken von Klagen der Unternehmer über Arbeitermangel berichtet, besonders scheint das billige und willige und daher be- sonders begehrte weibliche Arbeitspersonal knapp für die Nachfrage