Auch auf religiösem Gebiete gilt für uns Liberale einzig undallein der nationale Gesichtspunkt, und da sind die„antinationnlcnParteien" zweifellos die preußischen Nationalliberalenund die Konservativen unter Führung deS Fürsten Bülow' denn sie haben daS unheilvolle Gesetz gegeben, das unserepreußische Volksschule nach der Konfession ge-spalten hat. Und da sagt Pachnicke, wir brächten keinOpfer deS Intellekts, wenn wir mit solchen Politikernzusammengehen I Wenn ich mich darauf besinne, daß man auchnur die Zumutung an meine Partei stellt, eine N e g i e r n n g znunterstützen, die jeneS Gesetz und den räuberischenZolltarif durchgeführt hat, so schäme ich mich. Mirscheint daS ein ungeheueres Opfer.Und wofür bringen wir es?...Und wenn man uns sagt:.Ihr dürft nicht schreien,ihr sollt nicht auf die Straße herabsteigen!" soantwortet das Volk:„Am liebsten redeten wir auch ruhig undverständig im hohen Hause der Abgeordueten, aber wenn manuns dort die Türen schließt, wenn die Stimmen der wenigen, diedort unseren Willen vertreten, vom Hohngelächter derherrschenden Parteien übertont werden, so setztman uns eben ans die Striche und aus der Straße muß man lautreden, wenn man gehört werden will!"Ob der Hofrat die„klapperbeinigen" Salon-Demokratendes Freisinns auf die Beine bringen wird?Wir erwarten einstweilen wenigstens, daß sich die frei-sinnigen Arbeiter nicht von einem Hofrat beschämen lassenwerden ILine«ientich-baltisthe€delinann$beft)e.Die Gegenrevolution in den baltischen Provinzen Ruß-lands gebiert entsetzliche Greuel. Deutsche Junker, die sichder russischen Regierung als Ehrenpolizisten zur Verfügungstellen, um ihren viehischen Trieben gegen die unglücklichenLetten und Esten ungehindert frönen zu können, wüten wietrunkene asiatische Despoten. Sie sind trunken von Rachedurst und Blutgier.Ein Fall ist zu berichten, ein Fall unter vielen, ein Fall.der— entsetzlicherweise— nicht schlimmer ist, als hundertandere, den wir aber besonders hervorheben, weil wir dies-mal in der Lage sind, infolge der Energie tapferer Menschen,den Tatbestand in allen Einzelheiten aufs genaueste festzu-stellen und zu erhärten. Das Dunkel, in das sonst die schänd-lichen Verbrechen der deutschen Junker Baltikums gehülltsind, ist hier zu grausamer Helle zerstreut.Am Montag, den 2. September, brachten die offiziellen!Zcitungen Kurlands die Nachricht, daß der in Untersuchungs-liaft befindliche lettische Revolutionär R o h l a u bei einemFluchtversuch auf dem Transport nach dem LibauerGefängnis bei Grobin von den begleitenden Dragonern e r-schössen worden ist.R o h l a u, der dem Auslande bekannt ist durch Ver-offentlichung über die Grausamkeiten der Kosaken und derkurländischen Barone, der die ganze zivilisierte Welt auf-gerufen hat gegen die Rigaer Folterungen, war am 11. Augustin Odessa verhaftet worden unter der Anklage der Be-teiligung am Morde hochgestellter Personen im Jahre 1905.Er wartete in Zuversicht auf die Verhandlung vor demLlricgsgericht, er konnte, seine Unschuld an denihm vorgeworfenen Taten beweisen.Rohlau hat keinen Fluchtversuch gemacht, er ist ermordetworden, ohne auch nur verhört worden zu sein.Dte Einzelheiten dieses Meuchelmordes sind diedenkbar gräßlichsten und sind der Bevölkerung genau bekannt.Am 31. August um 5 Uhr morgens wurde der Gefangene,an Händen und Fiiszen gebunden, aus den: Gefängnis inGrobin nach Libau transportiert, unter Begleitung von18 Dragonern, eines Offiziers, eines älteren KreiSchef-gehi'llfen, eines Ehrenpolizisten Baron Ropp und dessen Ge-nossen Henkel. Der Gefangene konnte sich nur mühsam fort-bewegen, eine Flucht war ihm unmöglich.Dreiviertel Werst vom Orte Grobin befahl der voran-reitende Offizier Halt. Zwei Bäuerinnen melkten nahe derLandstraße ihre Kühe.Sie hörten den Gefangenen bitten, ihn nicht zu toten,ihn vor Gericht zn stellen.Sie hörten, wie dem Gefangenen befohlen wurde, alleinaufs Feld zu gehe», wie er sich weigerte und bat, wenn manihn töten wolle, so solle man ihn nicht gnälrn.Sie sahen, wie Baron Ropp sich auf den Gefangenenstürzte, ihn mit einem Peitschenstock srngelte, ihm dreimaleine Rcvolverkugel in den Rücken schoß.Siesahcn, wie Baron Ropp und„einer seinesgleichen mitNamen Henkel" den Gefangenen aufs Feld trieben, den ineinen Graben Stürzenden herausrissen und fortwährendprügelten und schössen.Sie hörten den Gefangenen schreien und flehen� sie sahenendlich, wie Baron Ropp und Henkel den blutüberströmten,zerschlagenen Gefangenen noch durch den Kopf schössen.Die Soldaten hatten keinen Schuß abgegeben.die feigen Meuchelmörder waren Baron Ropp und Henkel.Die Leiche ließ man bis Abend im Graben liegen: dannerhielt die Gemeinde den Befehl, den„auf der Flucht Er-fchossenen" zu begraben. Die Frauen, die den Körper reinigentvollten, fanden keine heile Stelle an demselben, Glieder undRückgrat waren gebrochen. Er war von 5k»geln vollständigdurchlöchert.So der gräßliche Hergang, wie er festgestellt worden istund jederzeit vor Gericht erhärtet werden kann!Und dabei wagen die deutsche Ordnungspresse und derProfessor Schiemann. die deutschen Junker der baltischenProvinzen als verfolgte Unschuldslämmer hinzustellen, undkann sich nicht genug entrüsten über die Greueltaten derRevolutionäre.Wahrlich, die feigen Meuchelmörder Baron Ropp undHenkel, die ihr wehrloses Opfer bestialisch martern, ehe siees morden, sind der Protektion der„K r e u z z e i t u n g",der„Deutschen Tageszeitung", der„Post" undähnlicher Organe würdig. Und sie sind nur zwei unter vielen!Eine grauenhafte Blutschuld lädt das deutsche Junker-tum des Baltikums auf sein Haupt. Eine furchtbare Saatstreut es aus! Wehe ihm, wenn die Ernte kommt!tlförMo.Die Meldung vom Bombardement Mazaganswar falsch. Skrupellose Berichterstatter englischer und fron-zösischer Blätter zu Casablanca haben, nachdem der Befehlzur Abfindung französischer Truppen nach Mazagau gegebenwar(er wurde später wieder zuriickgezogen) die Besetzungund das Bombardement Mazagans noch vor demStattfinden melden zu können geglaubt. Die Franzosen habensich indes nach den bitteren Erfahrungen von Casablanca dochetwas zurückzuhalten verstanden. Sie haben die Auslieferungder in Mazagan liegenden Waffen und Munition anMulay Hafid nicht mit Waffengewalt zu verhinderngesucht, sondern haben sie geschehen lassen gegen das VersprechenMulay HafidS, sie nicht gegen die Franzosen zu gebrauchen.Wenn der neue Sultan sein Wort halten will, so hindert ihnnichts daran, diese Waffen gegen seinen Bruder Abdul Azizzu verwenden. Vielleicht ist das den Franzosen nicht un-angenehm. Denn wahrscheinlich hoffen sie, sich mit MulayHafid verständigen zu können, wenn er der alleinige Herrscherüber Marokko ist.Wenn indes der Wunsch der französischen Regierung ist,zu einer friedlichen Regelung mit Marokko zu kommen, so istnicht zu verstehen, wie sie einen Plan verfolgen kann, dessenVerwirklichung das KriegSfeuer in alle Hafenstädte Marokkosschleudern heißt. Sie beabsichtigt nämlich im Einvernehmenmit der spanischen Regierung, die nach der AlgcciraS-Akte fürdie marokkanischen Hafenstädte zu bildende Polizeitruppe nichtwie die Akte vorsieht, aus Marokkanern, sondern durchwegaus französischen und spanischen Mannschaften zu bilden. Be-gründet wird diese Verletzung der AlgeciraS-Akte. die, wieimmer in solchen Fällen, eine zeitweilige sein soll,mit den gegenwärtigen Zuständen, die also die Ein-stcllung von Marokkanern schon wegen der Lebens-gefahr, die sie für die europäischen Offiziere bedeutenwürden, unmöglich machen. Die Signatarmächte sind bereitsum ihre Zustimmung zu dem Plane angegangen»vordcn, dereinfach eine Besetzung der marokkanischen Hafenstädte mitfranzösischen Garnisonen unter der Bezeichnung Polizeitruppcnbedeutet. Die paar spanischen Soldaten kommen praktischkaum in Betracht. Für die deutsche Regierung. wird diestimmung eine harte Nuß sein, da vorauszusehen ist. daß diesefranzösischen Besatzungen die Tendenz haben iverden. sich zudauernden Einrichtungen auSzuwachsen. Ein Artikel der„Kölnischen Zeitung" gibt die Bedenken der deutschen Regierungalso zu erkennen:Ganz abgesehen vom Vertrage von AlgeciroS hat der Vorschlag,auch praktisch betrachtet, seine Schattenseilen. Wenn da? gcplniitcfraiizösffch-spanische Polizeikorps sich in seiner Stärke auch nur an-nähernd in den in AlgeciraS vorgeschriebenen Schrankenhalten soll, so ist die Wiederkehr ähnlicher Ereignissezu besorgen wie in Casablanca, und daß die Mächte, dievi« Interessen ihrer Landsleute in den marokkanischen Hafenstädtenzu vertreten haben, eine solche Möglichkeit nur mit ernster Pesorgnisins Auge fassen, kann man ihnen nicht verdenken. Von sranzöstlcherSeite wird betont, daß die Maßregel nur provisorisch sein solle, undmau ist nicht berechtigt, an der ehrlichen Absicht der Franzosen zuzweifeln. Sie selbst aber haben bei Casablanca sehen müssen, daßman nicht genau beurteilen kann, wie weit m anzugehengezwungen» st. nachdem man einmal eine bestimmte Bahn ein-geschlagen hat.So konnte cö auch geschehen, daß. wenn man einmal an, Ver-trage von AlgeciraS ändert, diese Aendcrung dann weitere Folgennach sich zieht, die mit dem Vertrage noch weniger in Einklangstehen. Wir halten den Vertrag nicht für eine Losuiia, die überjede Anfcchtuna erhaben wäre, aber nachdem er einmal vestcht, hater sich doch insofern bewährt, als er der Tätigkeit der einzelnenMächte eine bestimmte Richtlinie vorschrieb und eine Tätigkeit neben-einander ohne scharfe Reibungen ermöglichte.Wo durch A u s st ä n d e und Metzeleien ein militärischesEingreifen Frankreichs herbeigeführt wurde, hat man dagcge» keineEiiiwendlingen erhoben, und man gedenkt auch fernerhin, wie wirschon sagten, dem militärischen Vorgehen Frankreichskeine Hindernisse zu bereiten. ES wäre aber sehrzu wünschen, daß die Franzosen sich darauf beschränkten,»nd daß etwaige organisatorische Aenderungen einer Zeit vor-behalten blieben, in der da» Land wenigstens z» einiger Ruhe ge«kommen ist.Daß die Marokkaner die französischen Polizcitruppennicht ruhig hinnehmen würden, ist anzunehmen. Die Londoner„Morning Post" meldet z. B. nach der„Voss. Ztg." ausM o g a d o r, daß K a i d A n f l u ß und die anderen benach-barten Häuptlinge eine abwartende Haltung beobachten. Solange kein Versuch gemacht werde, eine fremde Kontrolle ein-zuführen, wollen sie Ordnung halten, aber ihre A b s che ugegen die Franzosen sei durch die Berichte über dieNiedcrmetzelung ihrer Brüder in Casablanca dergestalt ge-lvachsen, daß sie und ihre Leute sich bis zum letzten Blutstropfender Landung fremder Soldaten, die entwedcr als Kriegsmachtoder als Polizeitruppe kämen, widersetzen würden. Achnltchesdrahtet„Reuters" Vertreter, der meldet, daß sich die Ein-geborenen respektvoll gegen die Europäer verhalten und die Hoff-nung atisdrückcn. die anderen europäischen Nationen würden die Be-setzmig Marokkos durch die Franzosen verhindern. DerFranzosen-haß nehme täglich zu. Der Berichterstatter der„MorningPost" in Tanger befürchtet, daß sich in allen von FrankreichzubesetzendenHäfen die Mordszenen vonCasab l ancawiederholen werden.Die Meinungen der übrigen Signatarmächte über den'ranzösischen Plan sind noch nicht kundgegeben worden.Die Meldungen vom Tage lauten:Pari«, 7. September. Der Torpedobootszerstörer.Cassini" hatden Befehl erhalten, von Mazagan nach Tanger in See zuzehen. um,'wie der«Petit Parisien" nieldet, den dortigen Vertretern?er Mächte von der Abmachung Mitteilung zu machen, die in Mazaganzwischen dem Kommandanten des Kreuzers„Condü" und einemvon Mulay Hafid dorthin entsandten Kaid getroffen worden ist.Mulay Hafid hat sich schriftlich bereit erklärt, die inMazagan lagernden Waffen- und Munition?-vorräte in Marrakesch zu behalten und nick)tden gegen Frankreich kämpfenden Stämmen aus-uliefern. Unter dieser Bedingung bewilligtenie französischrn Behörden die AuSfolgung derWaffen sowie der Munition an den AbgesandtenMulay Haftds.Paris, g. September. Laut Nachrichten, die heute nachmittaghier eintrafen, wird in M a g a z a n die unmittelbar bevorstehendeAnkunft eines Abgesandten Mulay HafidS erwartet, der von diesembeauftragt ist, die bei der dortigen Zollbehörde lagerndinWaffen« und Munitionsvorräte in Besitz zunehmen. ES darf angenommen werden, daß die Zollbehörde sieausliefern wird und daß sie daher nicht in die Hände der gegen dieFranzosen kämpfenden Stämme'gelangen werden.London, 6. September. Wie dem Reuterschen Bureau ausCasablanca von heute gemeldet wird, wäre der bezüglich der Tin-chiffnng von drei Kompagnien der Fremden leatonnach Mazagan erteilte Gegenbefehl auf den Eingang von Nach-richten zurückzuführen, nach denen Mulay Hafid sich der im Zoll«amte von Mazagan lagernden 1 700 000 Patronen, welche dieFranzosen mit Beschlag zu belegen beabsichtigten, bemächtigt hätte.Mulay Hafid würde durch diese Patronen für lang« Zeit mitMunition versorgt sein.Casablanca, 7. September.(Meldung des Reuterschen Bureaus.)Mehrere Stämme baten um Einstellung der Feindseligkeiten, um inFriedensverhandlungen einzutreten. General Drudegab ihnen bis zum 8. dS. MtS. Zeit, um sich zu ergeben: alleinman glaubt, daß der einzig« Zweck der Bitte ist, Zeit zu gewinnen.PariS, 6. September. In einem Telegrainin, da» über dieVerteilung der französischen Kriegsschiffe in den marokkanischenHäfen berichtet, teilt Admiral Philibert unter den, gestrigen Datumaus Mazagan mit. baß dieZahl d e r A n h ä n g e r MulayHaftds zunimmt.politische(lederlicht.Berlin, den 7. September 1907,Hammerstein Moral.Eine große moralische Aufregung hat fich der agrarisch-konservativen Junkerpreffe bemächtigt. Diese biederen Moralpächtcrdrucken eine Sudelei der„Deutschen Volkswirtschaft-lichen Korrespondenz" nach, jener„Klapper"-Schlange,die ihr geistig-mferioreS Dasein nur fristen kann, weil ihre Hinter-männer dank unserer Zollwucherpolitik im Fette schwimmen.In diesem Geschreibsel Wird ein demagogisches Geschrei darüberangestimmt, daß in der letzten Generalversammlung der BerlinerArbeiter-BildungSschule aus den AuSschlußbestimmungendie Worte:„wegen ehrloser Handlungen" gestrichen wurden mit derBegründung, daß«ehrlose Handlungen im Sinne der gegenwärtige!!Gesellschaft nicht auch solche im Sinne des Proletariats zu seinbrauchen". An sich sind wir auch der Meinung, daßder betreffende Passus im Statut der Arbeiter-Bildungs-schule ebenso gut hätte stehen bleiben können, wie er aus gutenGründen im Organisationsstatut der Gesamtpartei steht. DaS letzteWort über diese Streichung ist überhaupt noch nicht gesprochen, daeine Statutenänderung der Schule zwei Generalversammlungenpassieren und in der zweiten init zwei Drittel der Stimmen angenommenwerden muß: während dieser Antrag neulich nur mit einer knappenMajorität angenommen wurde. Aber selbst wenn die Streichungbestehen bleiben sollte, läge für die junkerliche Presse kein Grund zueinem Moralgehcul vor!Denn eS ist eine infame Verleumdung, wenn nun die erwähnteKorrespondenz die Schule zu einem Sammelbecken allerlei Kriminal-Verbrecher zu stempeln sucht und den Unterstützern jenes Antragesunterschiebt, sie hätten jede ehrlos« Handlung schlecht-hin geleugnet. Was mit der Streichung der Worte«ehrloseHandlung" gesagt sein sollte, deutet der Versammlungsberichthinlänglich an, nämlich: daß nicht jede ehrlose Handlung imSinne der gegenwärtigen Gesellschaft, besser: der gegen-wältigen herrschenden Gesellschaftsklassen, auch einesolche im Sinne des klassenbewußten organisiertenProletariats, zu sein braucht. Damit ist lediglich dievon niemand, der historisch zn denken vermag, geleugnete Tatsachekonstatiert, daß jede Geschichtsperiode, und in jeder Ge-schichtiperiode wieder jede Klasse, verschiedene Moralbegriffe hat.DaS Proletariat, soweit et klassenbewußt und in der Sozial-demokratie organisiert ist, lehnt es ganz energisch ab, dieselbenMoralbegriffe zu haben wie die preußischen Junker der„Kreuz-Zeitung" und der„Deutschen TageSztg.": Moralbegriffe, denen zumBeispiel die krasseste Ausbeutung der Landarbeiter als„gottwohl-gefällig" und der Zollivncher als kategorischer Imperativ gilt.Geradezu grotesk lächerlich ist e», wenn die„Deutsche volkSW.Korresp." unsere Vertreter in den Parlamenten, die z. B. kolonialeGreuel zn untersuchen verlangen, als Denunzianten bezeichnet,die nach Streichung der„ehrlosen Handlungen" einen Ehrenplatz inder Berliner Arbeiter-BildungSschnle verdienten. Freilich die An-betör der Peter», Leist, Aehlan und Konsorten find„ehrenwerteMänner" und die Bebel und Ledevour, die diese Schandtaten an denPranger gestellt und Untersuchungen verlangt haben, sind„ehrlos".In der Tat: wir find stolz darauf, daß sich unsere Moral-begriffe von denen jener junkerlichen Sippschaft scharf und unüberbrückbar. scheiden IDer„Kreuz-Zeitung", die mit Wohlbehagen die moralischeEntriisinngSleistung der„Deutschen volkswirtschaftl. Korrespondenz"nachdruckt, können wir übrigen» nebenbei versichern, daß selbstdann, wenn der betreffende PassuS gestrichen bleiben sollte,die Mitglieder der Arbeiter-AildungSschule sicherlich einenHa mm er st ein nicht so lange unter sich duldenwerden, wie dieser in der Redaktion der„Kreuz-Zeitung" ge-duldet und als Interpret junkerlicher Ehrbegriffe„geschätzt" wordenist. Und dasselbe gilt von so manchem anderen journalistischenVerfechter der höheren Sittlichkeit der Raubritter-Epigonen. derheute in konservativen Preßorganen sein Wesen treibt.—Ein Kolonialfrennd über unsere Kolonien.Wir lesen in unserem R o st o ck e r Parteiorgan:In einer dem ja nun ausgewanderten Herzog JohannAlbrecht zu Mecklenburg gewidmeten Broschüre, dieden Auswanderern einige Winke geben soll, wird allerlei Jnter-essanteS ausgeplaudert über die Kolonien. Der Verfasser, Dr. Bon-g a r d- Berlin(Verleger ist Süsser ot-Berlin). gibt uns da zunächsteine Schilderung der deutschen„Kulturträger". Er sagt:„Ich habein Ost-»nd Südwestafrika eine große Anzahl Leutekennen gelernt, welche aufs Geratewohl ausgewandert waren.Hauptsächlich trieb sie Abenteuerlust hinaus. Die meistenhatten gar keine oder nur eine unklare Vorstellung davon, was sieeigentlich anfangen wollten. Viel« waren von schlechterCharalterveranlagung. Ihnen war der Boden in derHeimat zu heiß geworden und sie hofften ihr l o ck e r e sund verwerfliches Leben in noch leichterer Weife inden Kolonien fortführen zu können."Der Verfasser Dr. Bongard, der Freund der deutschenKolomalherrlichkeit, kann ferner nicht umhin, die Kauslcute, Arbeiterund Handwerker zu warne n. Cr erklärt:„Für den Kaufmann liegen gegenwärtig die Verhältnissenicht sehr günstig. In Südwestafrika hat der Krieg mitseinen großen Lreferungen und Bedürfnissen eineMenge größer« und kleinere deutsche und ausländische Kaufleutein das Land gezogen. Dte Einkehr friedlicher Verhältniffe unddie damit verbundene Verminderung der Schutztruppemacht einen großen Teil dieser Kaufleute überflüssigund über manche nicht sehr kapitalkräftige wird wohl die Kata-strophe hereinbrechen. Die Eingeborenen sind durch denKrieg gewaltig dezimiert worden und die übriggebliebenen sindgänzlich verarmt. Also auch der Handel mit den Ein-geborenen bietet für den Händler keinerlei Aussicht.E« ist einleuchtend, daß unter diesen Umständen dem Kauf-mann von der AnSwandernng nach Südwestafrika vor-läufig abgeraten werdei: muß. Auch in O st a f r i k a sind dieVerhältnisse n i ch t günstig. Der Kleinhandel mit den Ein-geborenen liegt fast ausschließlich in den Händen der Inder, mitdenen der Deutsche nicht konkurrieren kann. Für den Klein-Handel der Europäer und den G ro ß h and« l g e-n ü g t dte Anzahl der vorhandenen Kausleutevollkommen. Die jahrelang anhaltende Krisis in derGeschäfiSlage war dte Ursache, daß einzelne Gcschästsleut« sich nurmühsam über Wasser halten konnten.In den tropischen Kolonien kann der Europäer nicht aufdie Dauer schwere körperliche Arbeit verrichten; für dendeutschen Arbeiter sind sie daher kein Aus-wanderungsgebtet. Für Handwerker ist nur in beschränkterZahl Verwendung. Ist Ostafrika decken die Inder und die in denHandwerlSschulen und durch Missionare ausgebildeten Eingeboreneneine» großen Teil deS Bedarfs.Ist Südwestafrika fanden vor und während des NufstanbcSeine stattliche Zahl Handwerker und Arbeiter lohnenden Verdienst.Mit der eingetretenen Beendigung deS Krieges werdenaber viel» von ihnen überflüfsig. Dte Auswanderung nachSüdwest ist aus diesem Grund« für Handwerker und ebenso wirfür Kauflente zurzeit bedenklich.