die Regierung bei ablehnender Haltung der Parteien zu tun gedenkt. Offenbar sieht auch die Regierung in dieser Be- ziehung nur das Dunkel völliger Ungewißheit vor sich. Sie weiß noch nicht, was sie unternehmen soll, sie weiß offenbar auch noch nicht sicher, wie'sich die Parteien endgültig ver- halten werden. Von den sonstigen Vorlagen ist noch zu nennen eine solche in der Gehaltserhöhung für die Volks- s ch u l l e h r e r, sie sollen M. Minimalgchalt und nach ZOjähriger Dienstzeit 2800 M. Mindesthöchstgehalt erreichen. Außerdem sollen die Staatszuwendungen für die Alters- zulagen der Lehrer neu geregelt werden. Auch die Vorlage, durch dse der 25prozentige Einkommensteuerzuschlag verewigt werden soll, ist bereits erschienen. Neben den Regierungsvorlagen ist dem Landtage eine größere Anzahl Interpellationen und Anträge aus den Parteien zugegangen. Die Freisinnigen fordern Maßnahmen gegen die hohen Getreidepreise. Warum die Popularitätshascher das nicht ihren Blockfreunden im Reichstag überlassen, könnte rätselkpft sein, wenn man nicht wüßte, daß die freisinnigen Demagogen immer da radikal sind, wo ihre Vorstöße ungefährlich für Reaktion und Brot- Wucher sind.— Ein anderer freisinniger Antrag verlangt Auf- klärung über die Schiffahrtsabgabe. Drei Anträge fordern eine Reform der Ersten Kammer. Jede der drei bürgerlichen � Parteien hat einen besonderen eingebracht. Alle wollen eine Anzahl industrieller Vertreter in die jetzt von Rittergutsbesitzern besetzte Pairskammer, doch gehen sie in der geforderten Zahl auseinander. Die Nationalliberalen wollen 10 Vertreter der Industrie. 2 Vertreter des Gewerbes, 1 Arzt, 1 Rechtsanwalt, 1 Lehrer— also Vertreter von so zienrlich allen Berufsständen, nur nicht von den Arbeitern. In den anderen Anträgen werden besondere Angaben nicht gemacht. Ein Antrag fordert auch eine erweiterte Ueber- rrahme der Volksschullasten auf den Staat. Die Eingabe rührt von den Konservativen her. die hier. von der Notwendigkeit getrieben, jetzt schüchtern die Pfade eingeschlagen, die die Sozialdemokraten schon vor 30 Jahren gebahnt haben, als sie im sächsischen Landtage unter Bebels Führung die Uebernahme der Volksschullasten auf den Staat forderten. Wir haben bereits in der ersten Ab- Handlung über den sächsischen Landtag darauf hingewiesen, daß die armen Gemeinden unter den Schullasten bald zu- fammenbrechen und doch nicht das Nötige für ihre Schulen tun können, während reiche Orte sehr wenig von Steuern bedruckt werden. Das würde heute alles besser sein wenn man vor 30 Jahren die s o z i a ld e m o k r a- tische n A Ii träge angenommen hätte. Die belgischen KomitiunalwalRn. Brüssel , 18, Oktober,(©ig. Ber.) Solange der Klcrikalismus und mit ihm der Widersacher der drei großen politischen Reformen(allgemeines Wahlrecht, obligatorischer Unterricht. Militärreform) am Ruder ist. wird sich jede Wahl in Belgien , gleichviel ob für die Kammer oder für die Gemeinden, im Zeichen der Kampfformel für oder gegen diese Reformen vollziehen. So bereiten sich denn auch die am Sonntag, den 20. Oktober, stattfindenden Kommunalwahlen unter einem im wesentlichen politischen Gesichts- punkte bor. Das niederträchtige Schwindelwahlrecht, dem— nächst dem Analphabetismus— der Klcrikalismus in Belgien die Erhaltung seiner Macht und seines Einflusses zu danken hat, ist es, das wieder ein Zusammengehen der beiden antiklerikalen Parteien. der Liberalen und der Sozialisten, zu einer politischen Not- wendigkeit machte. Dieses Wahlbündnis ist nach einer beiläufigen Schätzung in etwa ?00 Gemeinden durchgeführt, darunter in acht Vororten Brüssels sowie in den meisten bedeutenderen Kommunen, z. B. des Centre, in Antwerpen , in Charleroi , Huy usw. Eine be- deutende Gemeinde fehlt allerdings in der Reihe der kartellierten: nämlich Brüssel selbst I Wenn das Kartell einen zwingenden politischen Sinn hat, dann hat es ihn naturgemäß und erst recht für die Hauptstadt des Landes. Von der gesamten Mrgerlich-liberalen Presse wurde denn auch gerade auf das Zu- standckommen des Brüsseler Kartells großer Wert ge- legt. Auch unsere Partei und der„Peuple " setzten sich für das Kartell ein; denn sein Zweck, die Gegner der Wahlreform aus den Kommunen zu werfen, hatte gerade für Brüssel eine sehr wirksame Basis: es galt, die vier ausscheidenden Klerikalen zu eliminieren, was bei dem bestehenden Wahlgesetz nur möglich wäre, wenn Liberale und Sozialisten eine gemeinsame Kandi- datenliste aufstellen. Die Vereinigung der„Doktrinär"- Liberalen hat jedoch lieber das Risiko, die drei oder vier klerikalen Vertreter wieder einziehen zu sehen, in den Kauf genommen, als die Minorität der Sozialisten sie betrug 12 Mitglieder— um eine Stimme zu vermehren II Beim doktrinären Flügel des Liberalismus hat der Antiklerikalismus und die Wahlreform- Freundlichkeit eben seine Grenze an der— Sozialistenfurcht.... Parteipolitisch genommen, war der Beschluß der doktrinären Liga, nachdem die ganze liberale Presse Feuer und Flamme für das Kartell gewesen, ja sogar die„Etoile" ihre noble Zurück- Haltung aufgegeben und nachdem die p r o g r e s s i st i s ch e „Association liberale " das Kartell debattelos an- genommen hatte, eine Blamage für den ganzen Liberalismus. Die liberale Presse macht denn auch die komischsten Bocksprüngc, um sich schließlich mit einem schönen—- Leitartikel gegen den Klerikalismus zu trösten. Der Liberalismus spendet sich nun zwar ein bißchen arg viel Lob für seine Tätigkeit in den liberalen Kommunen. Aber jeder allerkleinste Schritt auf dem Wege der Volkshygiene, des Schul- Wesens, der kommunalen Sozialpolitik nimmt sich wie der Gipfel der Modernität lind Großzügigkeit aus, blickt man auf die er- bärmliche Wirtschaft in den klerikalen Verwaltungen. Die Klerikalen haben, wo sie nur konnten, die Kommunalschulen unterdrückt, um die kongrcgationistischen zu erhalten. Volk- reiche Gemeinden, z. B. Etterbeek mit einer Bevölkerung von 26 000 Einwohnern, besitzen eine Gemeindeschule, dagegen eine Reihe von den Klerikalen subventionierter konfessioneller Schulen.— Während ferner in den Gemeinden, wo Liberale und Sozialisten die Mehrheit bilden, die Besoldung der Gemeinde- arbeiter freilich vorzugsweise unter dem Antrieb der Sozia- listen—> eine menschenwürdige wurde, zahlt Etterbeek , die klerikale Vorstadtgemeinde Brüssels , ihren Arbeitern Löhne von 2,50 Fr. pro Tag! Dabei hatte ein liberaler Bürgermeister, Buls. berechnet, daß ein Arbeiter, um leben zu können, ein Minimum von i Fr. Pro Tag in den Brüsseler Vorstädten benötige! Derselbe Geist herrscht auf allen Gebieten kommunaler Ver- waltung. wo die Klerikalen an der Macht sind. Was hilft's aber, daß ein belgischer Liberaler einmal empfahl, sich mit dem T e u f e l, lvenn nötig, zu verbinden, um die klerikale Macht zu entwurzeln? Du lieber Gottl Die Brüsseler Liberalen fürchten ja schon einen — Sozialisten! •«• Noch läßt sich der Gesamtcharakter des Wahlbildcs vom Sonntag nicht überblicken. Von den Einzelheiten wäre einstweilen folgendes hervorzuheben: Das libcral-sozialistische Kartell hat glänzend gesiegt in Gilles, Saint Josse, Jette Saint Pierre, der Brüsseler Vorstadt Forest, Antwerpen , Soignics, Ath, Ninove , Vise und Huy.— Die Liberalen erleiden sehr erhebliche Einbußen in Nivelles , Diest , Vilvorde, Blankenberghe, Dinant , Dvoir und in zahlreichen kleinen Ortschaften der Provinzen Luxemburg und Namur . In der Brüsseler Vorstadt Lacken wird die liberale Kommunalverwaltung voraussichtlich gestürzt werden. Bei den Gemcinderatswahlen in Brüssel (Stadt) ist durch die Wahl von sieben Liberalen, vier Katholiken und vier Sozialisten der Status quo erhalten geblieben. Das von den Liberalen und Sozialisten ge- schlossene Kartell hat in allen industriellen Orten gesiegt und außer- dem in Charleroi , Rausart, Lodelinsart, Andrimont, Montigny sur Sambre, Marcinelle, La Louviöre, Jumet usw. Das Kartell hat versagt in den Orten, wo die bürgerlichen Elemente die Ober- Hand haben, besonders in Schaerbeek , der Vorstadt von Brüssel , wo die Katholiken 7 Kandidaten, d. h. ebenso viel wie die Liberalen, durchbrachten. Leichte Erfolge haben die Liberalen davongetragen in Renaix , Ostrnde, Erquelinnes u. a. Die Katholiken haben den Liberalen schwere Schlappen beigebracht in Hat, Andcrlccht(Vorstadt von Brüssel ), Uccle , Tournai , Chimay, Brügge , Louvain , Diest usw. W. T. B. sucht das Wahlergebnis folgendermaßen zu resümieren: Erfolg des Kartells in den Orten, wo das Arbeiterelement das Uebergewicht hat, zum Schaden der Katholiken, teilweiser Mißerfolg des Kartells in den bürgerlichen Orten, zum Vorteil der Katholiken, und schwere Schlappen der Liberalen zum Vorteil der Katholiken in zahlreichen Landorten. In der Brüsseler Vorstadt Lacken wird der Mißerfolg der Liberalen von diesen auf lokale Nebenbuhlerschaften zurückgeführt»__ IllarM». DaZ Idyll von Casablanca ist plötzlich gewaltsam zerstört worden. Auf zwei französische Kompagnien ist ein Angriff marokkanischer Streitkräfte erfolgt. Die Meldungen besagen: Paris , 26. Oktober. Nach einer Depesche des Generals Drude aus Casablanca unternahmen gestern zwei Kompagnien eine Rekognoszierung in der Richtung auf T a d d e r t. Die Abteilung erhielt unterwegs von einer Anzahl Marokkaner Feuer und hatte einen Verlust von zwei Tote», darunter einen Hauptmann, und sechs schwer Verwundete. Paris , 21. Oktober. Auf die Meldung von dem Angriff der Marokkaner eilke General Drude sofort mit zwei weiteren Bataillonen zur Unterstützung der bedrängten Franzosen herbei, doch ergriffen die Marokkaner bei dem Eintreffen der französischen Verstärkungen sofort die Flucht. General Drude ist hierauf nach Casablanca zurück- gekehrt. Paris , 21. Oktober.„Le Journal" schreibt:„Die Lage ist jetzt klarer. Bisher konnten wir ablvarten und im VerteidigungS- zustande bleiben, jetzt sind wir herausgefordert worden. Wir müssen unsere Toten rächen und den neuen Gegner unsere Stärke fühlen lassen: alles muß von neuem begonnen werden. Paris , 21. Oktober. Mehrere Blätter halten es für möglich, daß die Marokkaner, die am Sonnabend die zwei französischen Kompagnien bei Casablanca überfielen, zu den Borposten der Mahallsa Mulay Hafids gehören, die sich vor einigen Tagen 36 Kilometer südlich von Casablanca befanden. Die letzte Meldung zeigt, daß Frankreich , nachdem es sich zur Unterstützung des Sultans Abdul-Aziz entschlossen hat, den neuen Angriff gern dem Gegensultan Mulay Hafid in die Schuhe schieben möchte. Dessen Aktien erscheinen ini Lande, namentlich im Süden noch immer zu steigen. Bei den Mächten findet er dafür, nachdem Frankreich sich für den Sultan erklärt hat, um so weniger Gegenliebe. Seinen Ab- gesandten ist in London , in Berlin und neuerdings in Rom von allen amtlichen Stellen der Empfang verweigert worden. Im Lande gehen die Operationen Mulay Hafids weiter, wie die folgenden Meldungen zeigen: Mazagan, 26. Oktober. Mulay Hafid hat hier eine neue Finanz- Verwaltung ernannt. Er nahm eine Summe von 4666 Dollar an sich, die ans Zolleinkünften stammt. Mogador, 26. Ottober. Es bestätigt sich, daß je eine Mahalla Mnlay Hafids nach Mogador und nach Haha abgegangen ist. Die beiden Städte werden sofort besetzt werden, sobald die Gouverneure den Mahallas den Einzug verweigern. Aus Tauger meldet der Londoner „Daily Telegraph ", daß wilde Stännne aus dem Innern von Marokko die Stadt M a r r a- k e s ch überfielen und ein großes Massaker unter den Juden veranstalteten._________ politifcbc Qcbcrlicbt Berlin, den 21. Oktober 1907, Ein neuer Raubzug. DaZ„Berk. Tagebl." bringt in seiner heutigen Abendausgabe eine ungeheuerliche Meldung. Das Blatt schreibt: „Wir hören aus bester Quelle, daß die ReichSrcgierung sich dahin entschieden hat. schon in der kommenden Session eine Branntwcinmonopolvorlage dem Reichstage zu unterbreiten. Die Verhandlungen mit dem Spiritus- syndikat sind so gut wie abgeschlossen. Die Hauptpunkte sind kurz folgende: Die Reichsregieruug verstaatlicht das Spintussyndikat in seiner jetzigen Form und Gestalt. Die großen Spritfabriken werden vom Reiche aufgekauft; die kleineren werden entsprechend a b g e f u n d e n. Die Reichsregieruug bietet den Spiritusproduzenten die Ge- währ, für den zu liefernden RohspirituS derartig hohe Preise zu zahlen, daß sie den unter den jetzigen Verhältnissen erzielten Preisen zun, mindesten gleichkommen, wenn nicht gar darüber hinausgehen. Die Brauntwcinprcise werden entsprechend erhöht z die Mehrkosten sind also vom Konsumenten zu tragen. Der Reinertrag des Branntweinmonopols wird für die nächsten Jahre auf zirka 70 Millionen ben, essen. Später soll die Einnahme aus den, Monopol gesteigert werden. Das sind die G r n n d z n g e des geplanten Branntwein- Monopols? die Einzelheiten der Verhandlungen zwischen der Reichsregierung und der Jnteressentenvereinigung entziehen sich vorläufig noch der Oeffentlichkeit. Doch sei erwähnt, daß die preußische Regierung an diesen Verhandlungen zum Teil ausschlaggebend mitgewirkt hat." Die Regierung hat unlängst durch den Abschluß der Kohlen« und Stahllieferungen auf drei Jahre zu Hochkonjuntturpreisen den Industriellen eine nicht unbeträchtliche Summe zufließen lassen. Nun sollen die Agrarier ihren Teil und natürlich einen unvergleichlich größeren erhalten. Man weiß, daß die deutsche Steuergesetzgebung eS ist, die ein Syndikat der Brennereien geradezu provoziert hat. Das Syndikat hat seine durch Hülfe der Gesetzgebung erlangte Macht natürlich dazu benützt. die Spintuspreise aufs höchste hinaufzuschrauben. Die Rentabilität der Betriebe ist dadurch außer- ordentlich gewachsen. Nun sollen nach der Meldung des„Berl. Tagebl." diese künstlichen, geschraubten Preise zur Grundlage der Ablösung gemacht und die Monopol- g e w i n n e den Herren Brennereibesitzern ans ewige Zeiten g a r a n» tiert werden. Daß diese Gewinne nämlich immer so hoch sein werden, ist sehr ungewiß. Eine Neuregelung der Spiritus- steuer und die Beseitigung der Liebesgabe ist eine alte Forderung, die von den Freisinnigen stets lebhaft vertreten ivurde. Sie war übrigens auch eine von den liberalen Block- Hoffnungen. Spätestens 1912 hätte eine Neuregelung stattfinde!, müssen, und daß selbst die bisherigen Geschenke an die Junker ewig dauern sollten, war selbst diesen Leuten unwahrscheinlich. Nun soll das staatliche Monopol helfen. Der Staat hat zuerst das Monopol des Spiritussyndikats geschaffen. Jetzt soll eS dieses Monopol zu wahnsinnigen Preisen ablösen. Aber die Steuerzahler sind nicht nur dazu ausersehen, den Monopolgewinn zu kapitalisieren und das Kapital den Junkern zu schenken: der Vater Staat braucht ja auch für sich Geld und deshalb müssen die hohen Syndikatspreise weiter so gesteigert werden, daß noch 76 Millionen für den Fiskus abfallen. Das ist toll, das ist unmöglich! Jawohl, aber waS ist in der Aera der Blockpolitik nicht möglich?-- Liberales. Ueber die geplante Komödie auf dem Frankfurter Eimgungstag der Liberalen schweigt die liberale Presse mit einer Konsequenz, die siebet Verfechtung einer liberalen Forderung stets vermissen läßt. Nur die Berliner „VolkSzeitnng" bespricht heute unsere Nachricht und— bestätigt sie. Sie schreibt nämlich: „Wenn aber jene Pläne bestehen, was wir leider nicht für ausgeschlossen halten können, so mißbilligen und verwerfen wir sie aufs allerentschiedenste.. In, übrigen spricht sie sich entschieden für das gleiche Wahl- recht aus und nennt Barths Vorschläge, ebenso wie wir. allzu bescheiden. Wir konstatieren das um so lieber, als das Blatt mit Unrecht uns vorwirft, wir hätten es gleichfalls unter die liberalen Verräter gerechnet. Es ist dies ein Mißverständnis, das auf einem Druck- fehler beruht. Der Druckfehlerteufel hat nämlich aus der zun. Tot- schweigekartell gehörenden„Vossischen Zeitung' eine „Volkszeitung" gemacht. Uebrigens scheinen„liberale" Politiker Freude an dem Hand- werk des Verrats zu finden. Die rechtsliberale„Weser- Zeitung" beruft sich zunächst auf eine Erklärung des Organs der Freisinnigen Volkspartei , daS auf die Ausnahmebestimmungen im neuen Vereinsgesetz hingewiesen hat. ohne dazu ihrerseits irgend eine Bemerkung zu machen. DaS Blatt findet dieses Stillschweigen be- deutsam. Dem,„wer schweigt, wo er reden konnte und mutzte— scheint zuzustimmen". Nach der Meinung dieses freisinnigen Blattes wäre also die Freisinnige Volkspartei bereit, zum Verrat in der Wahlrechtsfrage den Verrat in der Frage des Vereins- und Ver- sammlungSreckitS zu fügen. Das ist ja sehr pessimistisch. Aber das freisinnige Blatt muß doch seine Parteigenossen kennen. Wir halten allerdings jetzt bereits alles für möglich.— Die Einberufung des preußischen Landtages soll nach einer Berliner Meldung der„Kölnischen Zeitung " zun, 3. Dezember erfolgen. Das ist reichlich spät. Die Regierung will dem Landtag offenbar nicht viel Zeit für andere Dinge als die Erledigung der Regierungsvorlagen lassen. Die Konkurrenz der Ehrenmitglieder oder Ter Kartoffelkrieg im katholischen Arbeiterverein. Die katholischen Arbeitervereine haben neben ihren„gewöhn- lichen" Mitgliedern auch sogenannte Ehrenmitglieder. Zu dieser Würde kann, wie es im Normalstatut des Kölner Diözesau- verbandcs heißt, der Vorstand Männer ernennen, die sich um die Sache des Arbeitervereins verdient gemacht haben. Außerdem kau» die Ehrenmitgliedschaft von solchen Personen erworben werden, die einen jährlichen Beitrag von 3 M. oder eine einmalige größere Gabe an die Vereinskasse entrichten. Nun haben zwar die Ehrenmitglieder nur das Recht, den Ver- sammlungen und Veranstaltungen des Vereins beizuwohnen, nicht aber an den Beratungen und Abstimmungen teilzunehmen, immerhin scheint sich das Institut der Ehrenmitgliedschaft zu lohnen. Zunächst für den Verein, der dadurch seiner Kasse und seinem Mitglieder- bestände aufhilft, dann fiir die Unternehn, er, die sich auf diese Weise Einfluß im Arbeitervereine verschaffen: endlich für jene spekulativen Köpfe, die als Krämer, Wirte und dergleichen vom Arbeiterverein auf Kundschaft rechnen. Von dieser letzten Art„Ehrenmitglieder" berichtet eine Zuschrift in der letzten Nummer der„W e st d e u t s ch e n Arbeiter« Zeitung", worin es heißt:„In unserm Verein ist zurzeit die Frage des gemeinsamen Kartoffelbezuges brennend. Nun gehören den, Verein mehrere Kartoffelhändler als Ehren» Mitglieder an, von denen jeder erwartet, die Liefe- rungzuerhalten. In den Vereinsversammlungen bilden sich unter den Mitgliedern Gruppen: von denen die eine sich für diesen, die andere sich für jenen Händler ausspricht. DaS ist schon unerquicklich genug. Nun kommt aber ein weiterer Lieferant, der nicht Ehrenmitglied ist und bietet seine Kartoffeln billiger an, als die Ehrenmitglieder. WaS tun? Meiner Meinung nach sind die Mit- glieder in ihrem Beschlutz hinsichtlich der Vergebung der Lieferung nicht an die Ehrenmitglieder gebunden. Wo ihnen daS beste An« gebot gemacht wird, da greifen sie einfach zu. Damit stoßen sie aber die Ehrenmitglieder bor den Kopf und— vielleicht— ziehen sich diese von, Verein ganz zurück. Meiner Meinung nach muß mau solche Leute ruhig gehen lassen." Die„Westdeutsche Arbeiter-Zeituug" sieht sich angesichts solcher Vorkommnisse zu der Frage veranlaßt, ob eS da nicht besser sei, das System der Ehrenmitglieder überhaupt abzuschaffen, denn lieber gar keine Ehrenmitglieder als solch unerquickliche Kämpfe um die Kartoffel- lieferung! Bekanntlich spielen die katholischen Arbeitervereine mit ihren mehr als 366 666 Mitgliedern eine bedeutende Nolle auf dem gegen- wärttg tagenden„Deutschen Arbciterkongreß". Zur Kennzeichnung der Organisationen, die an diesem Unten, chmen beteiligt sind, ist der lustige Kartoffelkrieg jedenfalls ein interessanter Beitrag.— „Die Tyrannei des gewissenlosen und unfähigen Demagogentums" soll nach den Mitteilungen der„We st deutschen Volks« zeitung"(FuSangel) in der Zcntrumspartei des Reichstags- Wahlkreises Hagen -Schwelm herrschen. Alles, was in stied- licher Zusammenarbeit seit fünfzehn Jahren geschaffen sei. scheine in Frage gestellt. Ein großer Teil des katholischen Volkes tue nicht mehr mit und insbesondere die katholischen Arbciterlreise sähen mit großem Befremden,„wie an Stelle der auf breitester Grund- la ge ausgebauten Organisation die gehässigste aller Tyranneien: die Tyrannei des skrupellosen und unfähigen Demagogentums getreten ist." Weiter heißt es: „Eine den Parteistatuten entsprechende rechtmäßige Parteileitung ist nicht mehr vorhanden. Alles was ordnungsgemäß nach der letzten Wahl hätte geschehen müssen, u», eine solche einzusetzen, ist unterlassen worden.... Durch Einladungen von nicht zuständiger Seite ist eine Versammlung einberufen worden, die fich als Wahlkreis- komitee konstituiert hat, ohne dazu formell und materiell berechtigt zusein. Dabei wird das katholische Volk, das weniger als je gehört wird und weniger als je zu sagen hat.