lisch den üiomiminslcvshlen. AuZ Brüssel wird uns geschrieben: Die klerikale Presse versucht, mit dem Resultat der letzten (§cmeindcwahlen zu prunken. Das gelingt ihr insofern, als sie die beträchtlichen Mißerfolge weise verschweigt und trium- phiercnd verkünden kann, daß der Klerikalismus nicht, wie die antiklerikale Presse prophezeite,»auf der Strecke geblieben" sei — Vielleicht wäre es nun in der Tat vernünftiger, wenn die antn klerikal-bürgerliche Presse am Vortage der Wahlkämpfe nicht immer die pompöse Prophezeiung von der vollkommenen Vernichtung des Klerikalismus hinausschleuderte; denn einmal ist es ja klar, daß man einen Gegner, der mehr als zwei Jahrzehnte mit allen Mitteln der Korruption und Demagogie das Land demoralisiert und zum Schutz gegen das antiklerikale Bürgertum und den Sozialismus sich selber ein mit jesuitisch -raffinierten Künsten auf den Leib geschnittenes Wahlsystem fabriziert hat, nicht mit einem Wurf niederstrecken kann. Zum zweiten kommt aber hinzu, daß das„antiklerikale Bürgertum" neben ehrlich-radikalen und demokratischen Elementen«ine breite Schattierung von elegant abgetönten, aber darum nicht weniger echten Reaktionären aufweist, die— wie sich gerade bei dieser Wahl gezeigt hat— lieber die Klerikalen in der Kommune haben als Leute, die zwar antiklerikal, aber auch— Sozialdemokraten sind. Diesem tapferen «Antiklerikalismus" schulden die Liberalen auch ihre blamabelsten Niederlagen. Wovon noch zu reden ist.—• Nun, eine„Vernichtung" der klerikalen Partei brachte der Wahltag allerdings nicht. Dagegen ein so buntes Spiel von Er folgen und Mißerfolgen auf beiden Seiten, daß die Klerikalen, auch sonst wohlbewandert in handwerksmäßiger Fälschung und Ver- drehung, es nicht allzuschwcr hatten, die Mathematik der Resultate zu ihren Gunsten zu korrigieren. Am frechsten allerdings ist das Wcglügcn der unstreitbar glänzenden Erfolge des liberal-soziali- stischcn Kartells, wobei gleich vermerkt sein soll, daß i h m die Liberalen ihre besten Erfolge verdanken, während sie dort, wo sie stolz der eigenen Kraft vertrauten— wie z. B. in T o u r n a i und Lacken— die schlimmsten Schlappen erlitten. Und wie wenig der Liberalismus fähig ist, mit eigenen Kräften den Kleri. kalismuS zu besiegen, zeigt besonders augenscheinlich das Brüsse- l c r Excmpcl. Bekanntlich haben in Brüssel die Doktrinär- Liberalen das Kartell unterdrückt, in der Voraussetzung und Hoffnung, die Liste der Liberalen mit absoluter Majorität durch- zubringen und damit nicht nur die ausscheidenden Klerikalen, sondern auch die ausscheidenden Sozialisten loszuwerden. Ihre eigene Kraft hat da aber gerade gereicht, die Zahl ihrer Mandate aufrecht zu erhalten, ohne die Klerikalen oder Sozialisten zu hindern, in alter Stärke einzuziehen. Eine weniger sozialisten- ängstliche Taktik hätte die Durchdringung der Kartell-Liste mit 26 000 Stimmen gegen die 11000 der Klerikalen ermöglicht, und die vier Klerikalen wären ausgeschieden ge- Wesen!— Wie sieht es nun mit den Erfolgen der Klerikalen aus? Sic haben in der Tat in Schaerbeek , dem bedeutendsten Vorort Brüssels , sechs Mandate gewonnen, so daß nunmehr der anti» klerikalen Majorität von 13 Stimmen eine klerikale Minorität von 1ö Stimmen gegenübersteht. Von den sechs Mandaten ver- lieren die Sozialdemokraten fünf. Genosse Bertrand, der sich um die Kommune die größten Verdienste erworben, erhält auf Grund der Kartellvercinbarungcn das Mandat eines Liberalen. Einen weiteren Erfolg verzeichnen die Klerikalen in Lacken, der Residenz des Königs, wo— wie übrigens auch in Schacr- beck— Gründe lokaler Natur den Sieg bewirkt haben— vondenMachi- Nationen und Pressionen der Klerikalen ganz zu schweigen. Neben der Vorstadt Etterbeek , wird nun also die königliche Residenz den „Ruhm" haben, von einer klerikalen Majorität„verwaltet" zu werden. Außerdem haben die Klerikalen von Brüsseler Vororten r.och in Ucclc einen und in Anderlecht zwei Sitze gewonnen. Dem- gegenüber stehen die glänzenden Kartellsiege in St. Gilles(wo die Klerikalen drei Sitze verloren), in St. Josse, Jette S t. P i e r r e. In der P r o v i n z haben die Klerikalen eine Reihe von liberalen Majoritäten gestürzt, so in Tournai , in Diest , in N i n o v e— lauter alter liberaler Besitzstand. Ferner haben sie in Löwen den Sozialisten zwei und den Liberalen fünf Mandate abgenommen. Demgegenüber stehen nun wieder— und mehr als ausgleichend -- bor allem der Kartellsieg in Antwerpen , der die Liste der 12 Klerikalen warf und die klerikale Minorität um v i e r M i t- glicder verringerte. Glänzend waren auch die Siege desi Kartells in den bedeutendsten Gemeinden Lüttichs und des Hcnncgau. Gestürzt wurden katholische Majoritäten u. a. in Ohaim.Pcrwez.Herve(Brabant). in H e y st, K n o ck e, M a s e h k. Den Liberalen sind überdies kleine Breschen in eine Anzahl klerikaler Gemeinden Flanderns gelungen, insbesondere im Wahlkreis Dixmude-Furnes-Ostende, in die zum ersten Male antiklerikale Gemeinderäte gewählt wurden. Mögen sich nun auch in vielen Fällen Erfolg und Mißerfolg arsgleichen, so bleibt doch immer noch als sicheres Plüs auf dem „antiklerikalen Konto" der fast durchschlagende Erfolg des Kartells, der nicht nur ziffernmäßig einen Erfolg darstellt, sondern für die antiklerikalen Parteien als ein wichtiger politischer Faktor ins Gewicht fällt; denn Erfolge wie Miß- erfolge dieser Wahlen haben gelehrt und mit den schlagendsten Beispielen positiv und negativ bewiesen, daß die herrschende kleri- ka'e Macht bei dem alle politischen Kräfte fälschenden Wahlsystem nur zu entwurzeln ist, wenn sich alle Gegner dieser Macht auf einer Kampflinie sammeln. Die Sozialdemokratie hat außer der Einbuße der vier Mandate in Schaerbeek ihre Positionen aufrecht erhalten und alles in allem Mißerfolge durch Erfolge wieder wettgemacht. Verfälscht und ver- zerrt auch das Schwindelwahlrccht der„vier Jnfämieen", wie es A n s e e l e treffend getauft hat, jedes tatsächliche politische Kräfte- Verhältnis, so zeigt doch selbst ein so trugvolles Zerrbild, wie cS das Skrutinium des Pluralsystems ergibt, daß sich auch hier die industrielle Arbeiterschaft immer mehr mit der Sozialdemokratie identifiziert. *» Von speziellen sozsalistischen Erfolgen ist noch folgendes nach- gliholen: Im Gebiete des B o r i n a g e hat die Sozialdemokratie(neben einigen Mißerfolgen) den stattlichen Gewinn von 24 Mandaten zu verzeichnen. Der große Erfolg des Kartells in C Harleroi und seinem angrenzenden Industriegebiet ist vor allem durch die sozialistische Arbeiterschaft gesichert worden. Eine Reihe von Sitzen wurden im Centre, dem großen Kohlenrevier, erobert, u. a. in der Gemeinde La Hestrc. Am sichtbarsten zeigte sich das Vordringen der sozialistischen Idee im L ü t t i ch e r Gebiet. In Lütt ich selbst wurde ein Mandat gewonnen, weitere u. a. in Herstal , Flemalle, Verviers und insbesondere in H u y, wo zwölf neue sozialistische Gemeinderäte ein- ziehen. Auch in zwei Gemeinden in Limburg wurden Genossen zum ersten Male gewählt. Der sozial! st is che Generalrat wird demnächst eine Matcrialsammlung herausgeben, aus der im Detail zu ersehen sein wird, in welchem Maße der sozial istifchi Einfluß in den Gemeindeverwaltungen seit den letzten Wahlen im ganzen Lande gewachsen ist. Selbst eine oberflächlich« Schätzung zeigt jedoch, wie keck das Rechcnmanöver der klerikalen Presse ist, die für die Sozialisten und den Antiklerikalismus einen„Rückzug" heraus- lügen will und von einem„Scheitern" des Kartells faselt. In welchem Maße sich dieses bewährt hat, zeigt ein Blick auf die bürgerliche Presse, auf die dort ausgesprochenen Meinungen der einflußreichsten und bedeutendsten Politiker, die alle für die aus- gedehnteste Kartellpolitik bei den Wahlen eintreten, um so zur Niederwerfung der klerikalen Macht und ihres Schwindelwahlrechts zu kommen. Die sozialistischen Gemeinderäte werden übrigens in ihren Gemeindeverwaltungen nach dem Wieder zusammentritt eine einheitliche Kundgebung für die Einführung des allgemeinen Wahlrechts veranstalten. Sie Aahlen und die Mobristilche lilsjoiität der dritten Duma. Petersburg, 25. Oktober,(©ig. 33er.) Wenn diese Zeilen in den Druck gehen, sind die Wahlen in ihr letztes Stadium getreten. Durch Befehl an den dirigierenden Senat ist für eine Anzahl Gouvernements der 14.(27.) Oktober als Wahltermin festgesetzt, eine Reihe anderer Gouvernements wählt am 19. Oktober(I. November). Die bitte Duma tritt am 1.(14.) November zusammen. Unter normalen politischen Verhältnissen würde die Ocffcnt- lichkeit über den Gang der Wahlen genau unterrichtet und nicht auf offiziöse verlogene Ziffern angewiesen sein. Die Partei- kandidatcn der Linken müßten sich nicht unter verschiedenen Bezcich- nungen verstecken, und es ließe sich zur Stunde eine genaue Auf- stellung über den Ausgang der Wahlen machen, statt daß noch alle Parteien über das Ergebnis so ziemlich im Dunkeln tappen. Die Zusammenstellung der Wahlmännerlisten zu den Gouver- nements-Wahlversammlungen ist so buntscheckig, daß sich die Majoritäten nur schwer bestimmen lassen. In vielen Fällen werden diese jedenfalls nur mit einer oder zwei Stimmen cnt- scheiden. Immerhin steht fest, daß diese Wahlen ein ganz anderes Ergebnis bringen werden als die zur ersten oder zweiten Duma. Darüber lassen die Wahlmänncrwahlen keinen Zweifel übrig. Wohl wählten auch diesmal die Städte und die Bauern oppo- s i t i o n c l l c Wahlmänner, doch das Staatsstreichwahlgcsetz vom 3.(16.) Juni hat ja von vornherein dem Großgrundbesitz und der ersten Kurie der städtischen Wähler, dem städtischen Geld- sack, ein Uebergcwicht in den Gouvcrncmcnts-Wahlversammlungen geschaffen, sodaß die demokratischen Wahlen der städtischen Kreis- Wähler, der zweiten städtischen Kurie und der Bauern in vielen Gouvernements durch die künstlichen Majoritäten der Grund- und Hausagrarier zunichte gemacht werden. Das Wahlgesetz vom 3.(16.) Juni will die dritte Duma jenem tumpfcn, reaktionären Element ausliefern, das die Städtedumas und die dunklen Ecken in den Landschaften füllt, und das wird der Regierung gelingen, wenn auch nicht in d e m M a ß e, wie sie gehofft hat. Daß sie mit einer Duma, in der nur Leute wie Purischkewitsch säßen, keinen Schritt vorwärts käme, war für sie klar. Deshalb mußte sie Umschau halten nach einer Partei, die ihr stets gefügig wäre, die aber den Anschein erweckte, als oh sie auch gesellschaftliche Interessen verträte. Als eine solche Partei 'tand der Regierung der Verband vom 17.(30.) Oktober zur Ver- ügung. � Der. Oktobervcrband ist eigentlich keine Partei, fondern ein Konglomerat verschiedener Elemente, ohne Parteidisziplin und ohne reguläre Parteitätigkeit. Es ist ein Gemisch von mo- dernisierten Bürcqukratcn, Glücksjägern, Stxebcrn,.Agrariern, ein bunter Haufe« der nur um eine Nuance von dem echtrussischen Volksverband abweicht, mit diesem aber, wie jetzt die Wahlen bc- weisen, überall, besonders aber in der Provinz, zusammen- geht. In der zweiten Duma hatte der Oktoberverband nur wenige Vertreter, jetzt dagegen rechnet er. wie Gutschkoff, der Führer der Oktobristcn, in Moskau erklärt hat, auf nicht weniger als 288 Ab- geordnete, während nach seiner Meinung die Opposition nur über 154 Mandate verfügen werde. Ueber diese Zahlen wird viel ge- tritten, und die Opposition glaubt, daß sie bei den Wahlen doch noch besser abschneiden wird. Jedenfalls ist schon jetzt damit zu rechnen, daß die Regierung in der Duma eine Majorität haben wird, die unter Umständen zwei Drittel der Abgeordneten umfassen kann. Diese Majorität würde sich zum Teil aus rein oktobristischen Ab- geordneten zusammensetzen, zum Teil aus Abgeordneten der extremen Rechten. Der Unterschied zwischen diesen beiden wird aber kein wesentlicher sein, es kann aber als feststehend ange- nommen werden, daß diese Majorität eine.ziemlich geschlos- 'ene sein dürfte. Gutschkoff, der wohl auch der Führer der oktobristischen Re- gierungsmajorität in der Duma sein wird, hat sich in Moskau offen und öffentlich ausgesprochen. Als leitendes Motiv seiner Reden tritt scharf hervor: Die Duma muß der Regierung„behülf- lich sein"! Was Gutschkoff darunter versteht, ist daraus zu er- 'ehen, daß von der Regierung verlangt wird, sie möge gleich e i n Gesetz gegen den„Terror" einbringen! Als ob die Regierung nicht bereits alles täte» um den„Terror" schon jetzt zu unterdrücken. Der Kriegszustand im ganzen Lande, die un- zähligen Galgen, Verschickungen, Zwangsarbeit— sind das nicht alles Werkzeuge im Kampfe gegen den„Terror"? Zu denken, daß eine Regierung noch mehr tun könnte durch Anwendung von Strick und Kugel, das vermag nur der politische Wahnwitz. Wenn aber die Oktobristcn unter„Terror" auch z. B. die kargen Reste der„Preßfreiheit " verstehen, wie das nach einigen Artikeln der„Nowoje Wremja" zu schließen ist, dann ist allerdings noch einiges gegen diesen„Terror" zu tun.... Die„Echtrussen" verlangen auch, daß die Regierung ein drakonisches Gesetz gegen Streikende erlasse, und die lieben Oktobristcn werden da ihren werten Bundesgenossen gewiß ebenfalls entgegenkommen müssen. Der.Konstitutionalismus" der Oktobristcn wird also darin be- tehen, nicht nur die bisherigen Maßnahmen von Stolypin und Konsorten guzuheißen. sondern noch mehr darin, die Restauration systematisch bis zu Ende durchzuführen. Aus den Ausführungen Gutschkoffs ist weiter zu entnehmen. daß die Regierung diesmal auch keine Scherereien mit dem u d g e t haben wird, das in der Duma gleich nach der Er- öffnung in Beratung genommen werden soll. Nach allem will man die dritte Duma zu einer Kanzlei des Ministerrates, zu einem Organ des BureaukratenstaateS, zu einer Stütze der alten Ordnung machen. Der Oktobrismus ist derselbe alte Bureau- k r a t i s m u s, und eine Duma des Oktobrismus ist eine Duma der Knechtung und des alten Systems. Darüber ist man zur Stunde nicht mehr im Zweifel. Wird aber die dritte Duma eine so feste Opposition in ihren Reihen haben, daß es ihr möglich sein wird, die Dumamajorität zu Konzessionen an die Forderungen der Demokratie zu zwingen?— Werden vor allem die Kadetten wieder etwas Rückgrat bekommen?—» Die letzten Wochen haben gezeigt, daß die Kadetten nach wie bor an eine ernsthafte Opposition nicht denken; sie schielen nach oben! Sie waren bereit, den Oktobristcn die Hand zu Wahl- bündnissen zu reichen, und die Kluft zwischen ihnen und der linken demokrattschcn Opposition hat sich während der Wahlen noch er- weitert.... Die revolutionäre Linke wird in der dritten Duma eine nur geringe Anzahl Mitglieder zählen, und nicht an ihnen wird es liegen, dem Kadaver der dritten Duma Leben ein- zublasen. Die Majorität der Oktobristen zusammen mit den Kadetten werden schon wissen, jenen den Mund zuzudrücken, wenn sie ihnen zu unbequem werden sollten. So kommen wir allmählich aufs neue zu einer Lage, in der die Revolution wieder ganz in ihre Rechte tritt, und es kann leicht geschehen, daß das Karten- Häuschen der dritten Duma sehr bald harte Stöße erhält. Es ist interessant, zu sehen, daß die reaktionäre Presse sich schon jetzt mit der Frage beschäftigt, ob es der Regierung gelingen werde, mit der willfährigen dritten Duma das Land zu beruhigen. Und die Antwort ist für sie eine niederschmetternde. Gestern z. B. brachte die„Nowoje Wremja" aus der Feder Mcnschikoffs einen Artikel, in dem die genannte Frage eingehend erörtert wird. Die Statistik beweist, so führt er aus, daß die großen rc- volutionärcn Explosionen abgenommen haben, dagegen ist die Welle der kleineren in fortwährendem Wachsen. Das fläche Land kennt wohl keine Räubereien, der Bauer schaut aber mit Wolfsaugen. Boykott und Sabotage sind auf der Tagesordnung; vielerorts wollen die Bauern für kein Geld bei den Grundbesitzern arbeiten!— Mit Schrecken schaut Menschikoff in die Zukunft: Der Kriegszustand tauge nicht, man sehe nur, wie die Ver- schwörungen blühen. Die Regierung habe das Land nicht bc- ruhigen können. Was aber soll unter diesen Verhältnissen eine Duma derselben alten Bureaukratiel? • Petersburg, 28. Oktober. Bisher(6 Uhr abends) liegen Meldungen iiber 260 Slbgeordnetenwahlen vor. darunter 127 Rechie und Monarchisten, 83 Oktobristen und Gemäßigte. 1 friedliche Erneuerung, 17 Kadetten. 6 Mohammedaner, 7 Sozialdemokraten und 19 Linke. Dem„B. T." wird telegraphiert: In einer Reihe von Städten wurden nach den Wahlen „patriotische" Kundgebungen veranstaltet, bei denen die National- Hymne gesungen und ErgebenheitSdepeschen an den Zaren ab' gefertigt wurden. Kischinew wählte das bekannte ÄleeblaN Purischkewitsch . KrupenSki, Sinadino wieder; in Witebsk siegte gegen die Erwartung der Opposition der russische Block, da die Polen und Jude», nachdem sie erkannt hatten, daß sie in der Minderheit seien, demonstrativ den Saal verlassen hatten. Auch in einigen anderen Gouvernements, so in Grodno , hat die Opposition Niederlagen er- litten, obwohl sich in de» offiziellen Angaben bei einiger sorg- sättigen Prüfung ohne Ztveifel Fehler herausstellen werden. Mancher als Mitglied der Rechten verzeichnete Abgeordnete dürfte sich später als loaschechtcr Kadett erweisen. Da noch 236 Ab- geordnete zu wählen sind, so erscheint der Jubel in den Nc- gierungSkrerse» vielleicht ein wenig verfrüht, obgleich aller- dings gestern die Blüte des Schwarzen Hunderts gewählt worden ist. Und in der„Voss. Z t g." lesen wir: Die folgenden Tage lverden voraussichtlich ungünstiger für die Rechte und günstiger für die Opposition sein, da die Wahl- terminc von der Regierung absichtlich so festgesetzt wurden, daß die Gouvernements mit gesicherter Regierungsmehrheit in die erste Reihe kamen.(I) Außerdem ist zu erwarten, daß aus- stehende zahlreiche Stichwahlen einen viel größeren Prozent- satz von oppositionellen Abgeordneten ergeben werden als die Hanptwahlen. Der biedere Stolypin fühlt sich seiner Sache jedenfalls schon so sicher, daß er ans Mätzchen wie Amnestien und dergleichen verzichte» zu können meint. Das beweist folgendes Telegramm: Petersburg , 28. Oktober. In einer geheimen Minister- sitzung ist beschlossen worden, keinen Entwurf eines Amnestie- erlasses dem Zaren vorzulegen. Stolypin befürchtet nämlich, baß die durch Verhaftung zahlreicher Führer der Revolution gedämpfte Arbeiter- und Bauernbewcgung wieder.in hellen Flamnien entbrennen würde, sobald die sich jetzt hinter Schloß und Riegel befindlichen Aufivicgler und Terroristen in Freiheit gesetzt wären. Es ist also als sicher anzunehmen, daß die dritte Duma nicht mit einer Amnestie vom Zaren begrüßt werden wird.... politische deberllckt. Berlin , den 28. Oktober 1907. Erkenntnis! Die„Berliner Bolks-Zeitung" veröffentlicht folgenden Aufruf an die fortschrittlich- freiheitlich denkende Arbeiterschaft: Immer mehr bricht sich auch unter den Arbeitern, die weder der Sozialdemokratie, noch dem Zentrum respektive den Christlich - sozialen angehören, sondernder liberal-demokrati chen Richtung zuneigen, der Gedanke Bahn, daß auch sie sich mehr politisch betätigen und politisch organisieren . müssen. Heute stehen diese Arbeiter meistens jeder lebhafteren politischen Betätigung und politischen Organisation fern. Sic haben sich viel vielfach seit Jahren in den Schmollwinkel zurück- gezogen, weil sie bei führenden liberalen Politikern nicht das nötige Maß von Entgegenkommen, das Verständnis für die gegenlv artigen Zeitverhältnisse und Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung fanden. Der Kern des liberal- demokratischen Gedanken», daß die per- s ö n l i ch e Freiheit das höchste Gut des Meuschen sei. wird auch von diesen Arbeitern anerkannt. Die großkapitalistische Eni- Wickelung hat jedoch allmählich gönnen angenommen, welche die persönliche Freiheit des Arbeiter? schwer bedrohen. ja o f t g ä n z l i ch aufheben. Die Selbsthülfe durch Gcwcf.- vereine und Genossenschaften genügt allein diesen Mächten gegen- über nicht, um das hohe Gut der persönlichen Freiheit zu wahren. sondern eS muß die Aufgabe der Staatsgewalt sein, sich des Schutzes der wirtschaftlich Schwachen anzunehmen und eine kräftige Sozialreform zu betreiben. Dieser Idee stehen liberale Kreise aber noch vielfach gleich- gültig, wenn nicht gar feindlich gegenüber. wie auch die Wahrung der staatsbürgerlichen Rechte der Arbeiterschaft oft ihrerseits die nötige Festig- keit vermissen läßt. Eine Aenderung wird jedoch nicht eher eintreten, bevor nicht die liberal-demokratisch denkende Arbeiter- schaft ihr Schmollen aufgibt, sich künftig lebhafter poli- tisch betätigt, den politischen Organisationen beitritt und ihren Wünschen und Ansichten zur Aneickennung verhilft. Von diesen Ansichten ausgehend, haben sich die Unterzeichneten zusammengefunden, um die' Frage der politischen Be- t ä t i g u n g nnd Organisation in die Hand zu nehmen. Wir richten daher an alle GesiimungSgenossen die Aufforderung. unsere Bestrebungen zu unterstützen. Wir sind bereit, Versamm- l u n g e n zu arrangieren uvd Redner dahin zu entsenden, Ivo man gewillt ist, dem heutigen Zustande der politischen Gleich- gültigkeit ein Ende zu bereiten und als gleichberechtigte Mitglieder und Mitarbeiter den uns nahestehenden politischen Parteien bei- zutreten.