dürfte, als sich der Kaachf in der Umgegend der Güter SieberS-R ö m e r s h o f und Kokenhulen abspielte und einige dieser„Edel-Herren" seinerzeit ihre„Ehre vor deutschen Gerichten zu reparierensuchic«.Mit keinem Warte sind in der Anklageschrift die Gründe er-mahnt, die die Levöltcrung zu den Waffen greifen ließen. Ver-schwiegen wird auch die Talfache, daß die Belagerer Lenneuwardensdie gefangenen Baron- samt Gepäck abziehen ließen, sobald derDelegierte der lioländischen Ritterschaft, v. Rosen, im Beisein eincöMitgliedes des Köderatwkomiteeö das Versprechen abgegeben hatte.dahin zu Wirten. Saß die von der livländischen Rittcrschafr ausgewirkte Lerhänguilg des Belagerungszustandes rückgängig gemachtwürde, stein Wort auch davon, wie die wortbrüchigen Barone späterin Dragoneruniform Bauernhöfe einäscherten, Weiber und sunderdurchpeitschten und unschuldige Mämicr zu Dutzenden erschießenließen.Wie die Voruntersuchung geführt worden ist. dafür nur einigeBeispiele. Ein gewisser R. wird beschuldigt, an einem von denvielen Ueberfällcn teilgenommen zu haben. Beim Untcrsuchungs-richter hat er es selbsr eingestanden. Bor dem Kriegsgericht behauptet er, daß er während des llebcrfallcs im Gefängnis vonJakobstadt gewesen ist. wovon die Herren„Richter" sich telegraphischsofort üderzeugen könnte». Nachdem der Gefängnischcf von Jakob-stadt diese ÄuSsage bestätigt hat, stellt der Vorsitzende an R.die„indistretc" Frage, weshalb er denn früher eine falsche Aus-sage gemacht habe. Hierauf erfolgt die Antwort:„W e i l m i r d i eRippen gebrochen wurden!" Einer der beisitzendcn Offi-ziere schämt sich nicht, die Bemerkung zu machen:„Halunke, hatnoch zuwenig bekommen I..Trotzdem die meisten Entlaß ungs zeugen gar nicht ver-nommcu, sondern unter Drohungen nach Hause geschickt wordenwaren, gelang eS vielen Angeklagten, ihr Alibi nachzuweisen;sie wurden aber trotz alledem verurteilt.Die meisten waren, ihrer Unschuld bewußt, daheim gebliebenund hatten sich ruhig arretieren lassen, um vor Gericht die Nichts-Würdigkeiten der Edelhunnen zur Sprache zu bringen. Beim Ver-lesen deö Urteils ereignete sich etwas, was die Herren„Richter"geradezu in Raserei versetzte. AlS nämlich dem ehemaligen StationZ-chefgehülfcn P e g a s der Tod durch den Strang verkündet wurde,rief dieser dazwischen:„Banditen, tonntet Ihr nichts weiter füruns ansdenken als die Todesstrasc?!"Im ganzen wurden etwa 150 Zeugen— meist Belastungszeugen— verhört, und seköst diese Zeugenaussagen genügten, uni jedenobjektiv betrachtenden Menschen zu überzeugen, daß die Hauptschuldan dem bewaffneten Aufstand in Südlivland— w:e anderwärts—die deutschen Gutsbesitzer selbst tragen. Sogar ein Mann wie derKorrespondent der regierungsfreundlichen„Noivofe Wrcmja mußdies zugeben. Er schreibt im Leitartikel der Nr. 11 305 folgendermaßen:„Schon anfangs ISOS fai»den in Livland einige Uebcrfälleund Brendstiftungcn statt. Diese Verbrechen vermehrten sich imLaufe des Sommers. Auf Wunsch der Barone wurden aus denGütern kleine Mklitärabteikungen disloziert. Zu derselben Zeitorganisierten die deutschen Gutsbesitzer auf ihren Schlössern Ab-teilungen des sogenannten Selbstschutzes. Tiefe Abteilungen be-standen teils aus Freiwilligen, teils aus Mietlingen. So befandsich in der Selbstschutzabteilung deS Pastors Stoll auch c i»preußischer Reserveoffizier. Viele Gutsbesitzer tratenin die Dienste der Landpolizci und eigneten sich die Bezeichnungrines„E h r e n p a l i z i st e n" an.Allein der„Selbstschutz" ging auch oft zu Angriffenüber. Seine Mitglieder, mit der Polizistenkokarde«in Hute, durchstreiften die Gemeinden Livlands und verübten nicht allein un-gesetzliche Handln, igen, sondern nahmen sogar körpertichi Zückti-»unge» an uuschuldigen SZäuern vor. Die Exekutionen friedlicherLandbewohner worden zu ständigen Erscheinungen. Die Bauen,hatten Grund zur Erregung. ES sind Fälle vorgekonnnen, wo inMilitäruniform verkleidete Zelbstschützler lettische Häuser über-falle» und betrunken gemachte Soldaten nichtsahnendc Bauerngetötet habe«. Besonders verhaßt war dcr Schreiber und Gc-hülfe des jüngeren Kreischefs v. Henning, Maximowitfch, zu dessenCharakteristik folgende Aussage deS Leutnants v. Stern dienenmag: Leim Verlassen des Gutes Störnershof(Sitz dcö Kreiö-chefs) am 10. Dezentver hatte Leutnant Stern zwei gefangeneLetten<i,n Keller des Schlosses) zurückgelassen. Maximowitfchtehrte zurück und erschoß ohne Grund' einen derselben. Die Er-regung der Bevölkerung wuchs. Im Volke verbreitete sich dasGerücht, daß alle diese Greuel von geheimnisvollen„schwarzenBanden" verübt werden, zu deren Bestand auch das in denGütern einquartierte Militär gehöre. Die Furcht»or diesenBanden ioar groß, und hier und da auf dem Lande und in denFlecken organisierte» sich Patrouillen, bestehend sowohl auSDaucrnhofbesitzcrn als auch auS Knechten, die teilweise be-waffnrt wurden."Im großen und ganzen entspricht diese Schilderung den Tat.fachen. Vorläufig hat denn auch kein junkerliches Organ(anderedürfen dergleichen ja nicht kommentiere«) gewagt, an diesen Tat-fachen zu rütteln._ViMhsftlicher Nochenbericht.Berlin, den 7. Dezember 1007.Die Doppelrolle des amerikanischen Kapitalismus.Zu Zchiitauscnden fliehen die europäischen Proletarier, welchesii Amerika noch nicht festen Fuß gefaßt haben, das Land, in dassi« sich aus den unbefriedigenden Zuständen ihrer Heimat geflüchtet.Alle Dampfer sind seit Wochen besetzt und für Wochen hinaus ver-gebe!,. Tie Ballin und Genossen können sich die Hände reiben:sie machen durch die Rückbeförderung der Auswanderer Bomben»geschäste. Man schätzt die Zahl der von den Stahl- und Eisen-werken, den Kohlengruben, Baugescllschaftcn und Eisenbahnen inder jüngsten Zeit Eiulassenen ans rund eine halbe Million— eindeutlicher Beweis, daß alle Beschwichtigungen, in Amerika handeltes sich nur um momentane Verlegenheiten, die sich mittels der Re-gierungsmaßnahmen bald würden beheben lassen, eitel Geflunkersind, daß vielmehr die Finanzkrise sich zu einer Jndustriekrise ver-dichtet hat. Die Arbeitsgelegenheiten haben rapid abgenommen.in Amerika vollzieht sich alles in großen Dimensionen und miteiner Vchemenz, von der sich das alte Europa kaum eine rechteBorstellung macht.Zu sehr ist der von den Herrschenden zur Heimatlosigkeit ber«urteilte Proletarier auf die AugenblickSkonjunktur angewiesen.Verläßt er die Heimat, Ivo er sich bloß„untcrcrnährcn" konnte,um im amerikanischen Torado des Kapitalismus lohnendere Be-schüft igung zu suchen, so kann er natürlich, wenn er sich in seinenErwartungen getäuscht findet, nicht erst auf bessere Zeiten warten.xr kehrt, wenn möglich, zu den heimatlichen WassertSpfcn zurück.Das Jahr 1000 hatte mit seinem wirtschaftlichen Riesenaufschwung für die weitere Entwickelung die denkbar großartigstenAussichten eröffnet. Einige Daten sollen dies illustrieren. TerGesamtwert der landwirtschaftlichen Produktion in den Ver-einigten Staaten wurde vom Washingtoner Ackerbauamte mit070! Milliarden Dollar beziffert, übertrifft dmnit den Wert desVorjahres um rund ein- halbe Milliarde Dollar. Selbstverständlichmuß ei» solches Ernteergebnis der industriellen Produktion er-höhte Schwungkraft verleihen, und in der Tat war das Jahr 1900auch in dieser Beziehung ein Rekordjahr. Was Wunder, daß esauch zu einem Rekordjahr der Einwanderung wurde? Wie einMagnetberg zog die Union die großen Ozeandampfer, welche denTransport ver Auswanderer besorgten, an sich und in dichtenScharen zogen immer neue Massen aus Ost- und Zentraleuropanach den Häfen der Nordsee und des mittelländischen Meeres.Verhielt sich anfangs die Industrie gegenüber der Fragegrößerer Betriebserweiterungen abwartend, so entschloß sie sich»ach längerer Beobachtung der Dinge zu bedeutenden Investitionen.Bor allem stellten die Eisenbahnen gewaltige Anforderungen. Nurmühsam hatten sie bisher das Transportgejchäft abwickeln können;es fehlte nicht bloß an Waggons, als p:clmckr an Geleisen undBahnhofSanlagen. Während der Jahre 100?/0l hatten sie sich inden Aufwendungen für Ergänzung ihrer LekriebZmiitcl dergrößten Zurückhaltung beflissen. Erst nachdem 1905 das Schreckgespenst der„Tarifrevision" gebannt und die geschäftliche De»klommcnheit deS.Wahljahres" überwunden war, traten sie au3der Reserve heraus und begannen sich für den unverkennbarenUmschwung der Wirtschaftslage einzurichten. Abgesehen von um-fangrcichen Abschlüssen in Schienen, Brücken und Baukonstruttions-Material wurden im Laufe des Jahres 1905&il315 Fracht-,"056 Personenwagen und 6250 Lokomotiven bestellt, von denenanfangs 1906 175 860 Fracht-, 2212 Personenwagen und 774 Loko-Motiven noch nicht geliefert waren. Zu diesen kamen die Aufträgedes Jahres 1906 und zwar in einem Umfang, der jenen des Vor-jahres noch übertraf, so daß die Loromotiv- und Waggonfabrikenbis lief in das Jahr 1907-hinein mit Bestellungen versorgt waren.Rechnet man den Frachtwagen zu 8000 Dollars, den Personen-wagen zu 7000 Dollars und die Lokomotive zu 16 000 bis20 000 Dollars, so stellen sich die Arbeiten der Jahre 1906/07 aufetwa eine halbe Milliarde Dollar, die allein aus dem Bedarf-der Eisenbahnen flössen.Dazu kam die mächtige Anregung, die das Baugewerbe bot,dessen Tätigkeit sich in der Periode 1005/06 gegenüber 1901 ver-doppelte! Wurden doch in 21 der bedeutendsten Städte pro 1006insgesamt Baukonscnsc für Gebäude im Bauwerte von 505 048 000Dollar gelöst, und da trotz der schon 1906 fühlbaren GeldknappheitBaukredite leicht erhältlich waren, die Witterung die Ausführungder Bauten begünstigte. Ausstände fast gar nicht vorkamen, sogelangte der größte Teil der Aufträge 1906 zur Erledigung.Endlich muß noch auf den kräftigen Impuls hingewiesenwerden, den die Eisen- und Stahlproduktion von der wesentlicherhöhten Betriebsamkeit der Schisfbauindustric erhielt. Kurz, alleFaktoren vereinigten sich, um den Kapitalismus in Amerikaporwärts zu stoßen. Dabei ließ die Ausfuhr nicht nach, wenn-gleich sie im Hinblick auf den enormen Jnlandsverbrauch nicktforciert wurde. Allein an Eisen- und Stahlwaren exportiertendie Vereinigten Staaten 1904 1 186 349 Tonnen, 1905 1 025 432Tonnen und 1906 1 202 230 Tonnen. Von selbst versteht 6'*. daßdiese riesenhafte Ausdehnung der industriellen Produktion dieKohlenförderung mächtig anspornte, die freilich durch größereLohnkämpfe etwas beunruhigt, keineswegs aber ernstlich gestörtwurde, was aus der Tatsache hervorgeht, daß die meisten Antrazit-und Braunkohlengrubcn der Forderung der Arbeiter nach Ge-tvährung höherer Lohnsätze Folge gaben.Nicht minder bedeutsam ftir die Borgängv in der amcri«kaniscken Jndustriewelt ist der Uebergang von der Bessemcr- zurMartin-Stahlerzcugung, der sich 1006 auf der ganzen Linie vollzogund gleichfalls zu vielen Neuanlagen und Investitionen Anlaß gab.Will man für die Prosperität der Eisen- und Stahlindustrieder Bereinigten Staaten einen Maßstab gewinnen, so braucht mannur die Höhe des Reinertrages des Stahltrusts ins Auge fassen.Derselbe betrug 1902 133 208 763 Dollar. 1902 109 271'152 Dollar.1904 75 176 522 Dollar, 1905 119 787 658 Dollar und 1906156610 111 Dollar.Und charakteristisch für die Erwartungen, die man innerhalbdeS gut informierten Stahltrust, für die weitere Entwickelung derDinge hegte, ist wohl die Tatsache, daß 1906 vom Reingewinn50 Millionen Dollar Jnvestitionszwccken gewidmet wurden, dieteils 1907, teils 1908, und zwar sowohl zur Ausgestaltung und Erweiterung bestehender Betriebe als auch zu Ncuanlagen(darunterdie mit 27 Millionen veranschlagten Eorh-Werke der IndianaSteel Co.), zur Verwendung gelangen sollen.Vermehrung der industriellen Reservearmee durch die zurück-gekehrten Auswanderer, Druck auf die Arbeitslöhne durch dievermehrte Konkurrenz der„Hände", Verschlechterung der Lebens-Haltung der proletarischen Klassen— daS werden die nächstenWirtnngen m den Auowandererstaatcn der alten Welt sein. Weheder Arbeitergruppe. die nicht die Jahre der Hochkonjunktur für diegewertschafttiche Organisation ausgenutzt hat!Eue der Partei.Zum Parteitag in Nürnberg 1908.D In Nürnberg ist Unglaubliches geschehen: der Magistrai istbereit, die Vertreter der deutschen Sozialdemokratie 1903 i« einemstädtischen Gebäude sich versammeln zu lassen. Noch vor kurzemwurde ein Gesuch des Laherischen ArbeitcrsängerbundeS um Ueber-lassung der städtischen Festhalle für sein 1910 geplantes Bundcöfcstnur unter der Bedingung genehmigt, daß keine politischen Sjedcngehalten und keine politischen Lieder gesungen würden, da die Halle„grundsätzlich" zu politischen Zwecken verweigert werde. Manmußte annehmen, daß dieser Beschluß den Borwand für die Ab»lehnung d«S zu erwartenden Gesuches d-S SozialdemokratischenVereins liefern sollte, ihm die Halle für die Eröffnung des Partei-tages zu überlassen. Der Sozialdemokratische Verein ließ sich aberdurch vc»„grundsätzlichen" Beschluß nicht abhalten, trotzdem einderartiges Gesuch an den Mamstwt zu richten, worin er daraufhinwies, daß es wohl kaum Aufgabe einer Stadtverwaltung feindürfte, der politischen Betätigung Schranken zu setzen, um soweniger, als die Mehrheit aus bcrvorragenden Anhängern derliberalen Parteien bestehe. Wenn die Sozialdemokratie in denMitgliedern der Stadtverwaltung auch ihre entschiedenen politischenGegner sehe, so glaube sie doch nicht, daß diese ihre Machtstellungdazu ausnützen würden, Andersgesinnten derartige Hindernisse inden Weg zu legen. Diese Begründung, im Verein mit der scharfe»Kritik, die in den letzten Wochen in der bayerischen Kommer ander Nürnberger Gemeindevertretung geübt wurde, scheint gewirktzu haben, denn in seiner Sitzung am Freitag hob der Magistratseinen„grundsätzlichen" Beschluß wieder ans und bestimmte, daßdie Halle auch zu politischen Zwecken zur Verfügung zu stellen sei.Das Gesuch des Sozialdemokratischen Vereins wurde genehmigt.Zu gleicher Zeit stellte einer der Herren den Antrag, auch diestädtischen Parkrestaurants Rosenau und Stadtpark, die bisher'mit Rückficht auf die Sozialdemokratie politischen Veranstaltungenverschlossen waren, freizugeben, wogegen sich kein Widerspruch er-hob. Ob das der erste Schritt zur Besserung ist, wird die Zukunftlehren.Der nächste Parteitag wicd also in einem städtischen GebäudeNürnbergs eröffnet werden. Die Festhalle ist die zu einem schönenversammlungö- und Ausstellungslokal umgewandelte Maschinen-halle der Bayerischen Landesausstellung 1906 und liegt mitten imLuitpoldhain. Sie ist annähernd so groß wie der Glaspalast inMünchen._lBom preustisKen„BereinSrccht". Die Parteigenossen vonAachen-Land befaßten sich dieser Tage im SozialdemokratischenVerein mit der WahlrechtSfragc. Die Versammlung war infolgedes BeratungSgegenstandes derart zahlreich besucht, daß man ausdem kleinen in den großen Saal deS VcrsammlungShausrS über.siedeln mußte. Der überwachende Polizeitom missar wolltedas nicht dulden, locil der große Saal nicht genügend— geheiztsei. Ferner verlangte er, daß künftig bei der VcrsammlungL-anmeldung nicht nur das VersammlungShauS, sonder» auch an-gegeben werde, ob sie im großen oder im kleinen Saale stattfindenwerde. Endlich forderte er die Entfernung der Frauen ausdem Saale, und er drohte im Weigerungsfälle mit der Auf-lösung. Die Bühne wollte er als„Segment" für die Frauennicht gelten lassen, und so mußten die zahlreich erschienenen loeib-lichen Besucher den Saal verlassen. Sie setzten sich in den Neben-saal, wo sie die Reden hören konnten. Sobald eine Frau sS wagte,sich am Beifall zu beteiligen, nötigte der Polizeirommissar denVorsitzenden zum„Einschreiten".Ein neues Agitationsblatt. Von dem„AltenburgerLandbote n". Monatsülatt für Landarbeiter, Handwerker undKleinbauern, ist soeben die erste Nummer des ersten Jahrgangserschienen. Das Blatt wird ans Beschluß deS letzten altcnburgischenLandespartcitageS als AgitationZschnft unter der Arbeiter-bcvölkernng deS platten Landes allmonatlich gratis verteilt werden.Die erste Nummer beschäftigt sich hauptsächlich mit der Agitationund KampfeSweisc des RcichSlügenverbandcS, und enthält außerdem Leiiärkuek, ber die Aufgaben ded..Landboten" behandelt, nochje eine Rubrik Soziales und Humoristisches. Vorläufig wird dasneue Organ vom Vorsitzenden der altenburger LandeSorganisation,Genossen C. R e m m l e- Alienburg, redigiert, doch soll später dernoch anzustellende Parteisekretär für das Herzogtum die Ar-arbeitung mit übernehmen. M-tt der Ausgabe für diese periodischerscheinende Agitationsschrift bringen die Parteigenossen ein nichrunerhebliches Opfer ldie Beiträge für die Partei wurden auL demGrunde von 20 auf 20 Pf. erhöht), das hoffentlich durch den Siegder Sozialdemokratie bei den nächsten Wahlen wieder aufgewogenwird. �Arbeiter als Schöffen und Geschworene. Infolge eines vonder Kartcllkommission der freien Gewerkschaften in Köln gestelltenZlntrageS ist jetzt auch eine Anzahl Arbeiter zu Schössen oderHülssschöffcn ernannt worden. Tarunter befinden sich auchmehrere Parteigenossen.polireilicbes, SembUicbes uTw.Staatsanwalt JnughauuS in Mannheim, der strebsamste Behüterfeines engeren ValertandeS gegen sozialdemokratische Gefahren, hatwieder einmal einen blinden Eifer in der Verfolgung der dortigen„Volks stimme" zu verzeichnen. DaS Slrafoersabren gegen denGenossen Oökar Geck wegen Gefährdung der StaatSsicherhcir durchindiskrete Berichlersiattung über eine nichtöffentliche Gerichtsver-Handlung(Gesetz vom 5. April 1883) ist am 3. d. Mts. ein-gestelir worden. Herr Junghanns verzeichnet in der kurzen Zeitseiner Mannheimer StaatSrettemen so viele Mißerfolge, daß erauch unserer Teilnahme sicher ist.Sericbts- Reitling.Majestätsbeleibigung durch Sitzenbleiben beim Kaiscrhoch?Ueber einen eigenartigen Straffall verhandelte am Freitag der4. Strafsenat des Reichsgerichts. Vom Landgericht Meseritz ist am12. Juli der Tischlergesellt Ferdinand Müller aus Posen wegenMajestätsbeleidigung verurteilt worden. Er war auf eine ösfent-liche Einladung hin im Januar 1907 in einer Versammlung desdeutschen WahloercinL in Meseritz erschienen. Die Versammlungenwerden dort alle mit einem Hoch auf den Kaiser eröffnet. Sitteist cS, so heißt es im Urteile, in Meseritz und Umgegend, daß alleAnwesenden sich bei solchen Hochrufen erhebcm Ter Anzcklagrcivar zu der Versammlung eigens aus Posen herübergekommen undhatte sozialdemokratische Flugblätter mitgebracht, um sie zu ver-teilen. Ter Vorsitzende eröffnete die Versammlung mit einer An-spräche, die sich, meint das Urteil, wie jeder merkte, auf das üblicheKaiserhoch zuspitzte. Alle erhoben sich, mit Ausnahme des Ange-geklagten, der vielmehr, über seinem Notizzettel gebeugt,„ostentativsitzen blieb", wie es im Urteil heißt. Zuerst wurde er mit Worten,dann mit Faustschläge» und Püffen auf die„Ortssitte" hinge-wiesen. Dennoch blieb er sitzen. Erst als die Entrüstung gegen denAngeklagten allgemein wurde und sein Name festgestellt wordenwar, erhob er sich. Er hat, wie das Urteil hervorhebt, in Posenbeim Grcnadierregiment seiner Militärpflicht genügt.Der Angeklagte behauptete in der Hauptverhandlung. er seibei der Ansprache im Nebenraum gewesen und erst bei der dann fol-«enden Hauptreoe habe er den Saal betreten. Das erachtet das Gerichtfür widerlegt und meint, er wußte, daß das Hoch den Zweck hatte,den Kaiser zu ehren. Durch sein Nichtcrhcbcn— sagt das Urteil—gab er seiner Mißachtung gegen den Kaiser Ausdruck. Er wußtedas auch. Noch vor dem Hoch war er darauf hingewiesen worden,daß in Meseritz die Sitte besteht, beim Kaiserhoch aufzustehen.Die Revision des Angesagten wurde durch Rechtsanwalt Dr.Hübler-Leipzig vertreten. Er führte u. a. aus: Der Standpunktdes Gerichtes ist längst verlassen worden und wird in der Literaturvon niemand geteilt. Der 3. Strafsenat hat 1898 genau denselbenFall entschieden. Der Senat sagte in seinem freisprechenden Urteildamals: ein Omissivdelitt(Straftat durch Unterlassen einerHandlung) sei nur möglich, wenn unbedingt eine Verpflichtungvorlieg«, die durch die Sitte gegeben sei. DaS Landgericht hat dasUrteil des Senates benutzt, aber ohne Konkretisierung, ohne Fest-stellungei», woher die unbedingte Verpflichtung herkomme und wiehergekommen ist, daß diese Sitte einen rechtsverbindlichen Charakterangenommen hat. Nach dem Urteile könnte man glauben, es besteheeine Art Ortsrecht derart, daß jeder Tetluehmer einer Versammlungaufstehen und laut„Hoch!" rusen muß. Da könnte ja einer ver-urteilt werden, weil er nicht laut genug„Hoch" gerufen hat. DieFälle, die daS Reichsgericht meint, setzen voraus, daß dem Unter-lassen bestimmte Hanslungen vorausgehen. Wer z. B. einer Ein-ladung in einen hocharistokratischen Verein folgt, in der Absicht,sitzen zu bleiben, bei dem könnte dies vielleicht zutreffen. Es istader auch nicht festgestellt, daß für den in Posen wohnenden An-geklagten das Meseritzer Ortörecht gültig war. Es ist nicht fest-gestellt, daß Müller, als er sich von Posen nach Meseritz begab,etwas gewußt habe von der Verpflichtung, beim Kaiserhoch aufzu-stehen und auch einzustimmen in dieses. Der Vorsitzende hat nichtsdavon gesagt, daß das Aufstehen und Rufen eine OrtSsitte fei. Erstwährend der Rufe ist der Angeklagte durch Worte. Faustschläge undPüffe der Umstehenden belehrt worden. Daß die Faustschläge abergeeignet waren, dem Angeklagten klar zu machen, daß eine Sittebestehe, kann wohl nicht behauptet werden. Eine Titte setzt dochsittlich hsck'st-'hende Personen voraus, die sie ausüben. Müllerwird l». o.u Personen, die ihn verprügelten, eher eine Unsitte an-genommen haben als eine Sitte. Der Verteidiger beantragte Auf-Hebung des Urteils und Verweisung der Sache an ein anderesGericht.Der ReichSanwalt beantragte dagegen die Verwerfung derRevision.■— Das Reichsgericht gab der Revision statt und hob daLUrteil des Landgerichts Meseritz auf.Das Meseritzer Urteil zeigt, zu welchen Ungeheuerlichkeiten dieTendenz der herrschenden Klasse führt, die RcckrSpflege als Znstru-ment für ihre Klasscnintercssen zu mißbrauchen. Liegt in demNicktauft'tchcn eine Beleidigung— wie kann dann in demAusstehen eine„Ehrung" liegen? Wenn in der Tai in Meseritzdie„Sitte" bestehen sollte, zu Beginn einer öffentlichen Versamm-lung, zu der jedweder Zutritt hat, ein Hoch auf den Kaiser auSzu-bringen, so ist das eine Unsitte, deren Bruch mehr ehrt als dieBefolgung. Eine Unsitte, weil es weniger Rabulifterci als dasverurteilende Erkenntnis enthält, das Hochrufen unter diesen Um-ständen«lS«ine MajestätSbeleidigung. als Anstiftung zu einersolchen und als ekelhafte Heuchelei aufgefaßt werden kann. Maje.stätSbcleidigung begebt der, der solche Sitte einführt oder betätigt.um politisch Andersdenkende unter Mißbrauch der Person desKönigs zu veranlassen, einen Ruf auszubringen, der dem RufFolgenden ein« Anklage wegen MajestätSbeleidigung, ja durch denOberrcichSauwalt unschwer eine HochverratSantlagc zuziehen könnte.Di« ganze Gesinnungslumperei, Feigheit und Heuchelei derer, diekeine ehrlich« Ansicht haben und solch« hassen, aber bestrebt sind.das hundemägige ihrer Natur vor aller Welt zu betätigen, zeigt sichin dem Bestehen solcher„Sitte", wie sie das Meseritzer Gericht an-nimmt.Gotteslästerung.Der Schriftsteller �Eenossc Adolf Störmer hatte zivei MonateGefängnis vom Landgericht Berlin II erhalten, weil er Gottgelästert und zugleich das apostolische Glaubensbekenntnis beschimpfthaben soll. In einer sozialdemokratischen Versammlung, in derzum Austritt au» der Landeskirche aufgefordert wurde, soll er vor200 biS 800 Menschen die Aeußerung getan haben, in der in bezugaus daS Weltregimcnt Gottes und Christi ein drastischer Ausdruckenthalten war. Da die Worte mit einer Stelle im Glaubens-dekenntnis fast übereinstimmten, sei dieses und damit die christlicheKirche beschimpft worden. Obgleich das erste verurteilende Er-kenntniö vom Reichsgericht ausgehoben war und Stürmer in derRevision gegen das zweite, am 27. Juli gefällte Urteil darauf hin-wie?, daß die Aeußerung weder verletzend noch roh gewesen sei,wurde das Nrkcil am Freitag vom Reichsgericht bestätigt.