Rheinprovinz.Köln, 9. Januar. Die sieben Volksversammlungen inKöln und Vororten waren sämtlich überfüllt. In der größtenim Kölner Volkshause redete Eduard B e r n st e i n vor 2809Männern und Frauen. Er schloß: Ich fordere Sie nicht zurGewalt auf. Aber machen Sie sich so unbequem wiemöglich. Kommen Sie immer wieder mit unserer Wahl-rechtsforderung. Wenn das Volk will, kann es sich unbequemmachen. Fällt die Entscheidung morgen nicht nach unseremWillen aus, dann wird die Wahlrechtsbewegung noch vielstärker anwachsen und unwiderstehlich werden. Der Vor-sitzende des sozialliberalen Vereins, Dr. Pohlschröder, schloßsich Bernsteins Forderungen an. Er bezeichnete es als An-standspflicht jedes freiheitlich gesinnten Mannes, heute ge-meinsam mit den Arbeitern zu protestierenund das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrechtfür Preußen zu verlangen.Essen, 9. Januar. Die erste Massenprotestversammlunggegen das preußische Wahlunrecht fand abends 6 Uhr inEssen-West unweit Krupps Fabrik statt. Kaum hatte dieKruppsche Fabrikpfeife Feierabend geboten, als die Arbeiterscharenweise die Tore der Wohlfahrtsfirma verließen um teil-zunehmen an der großen Demonstration des Proletariats.Ueber 1000 Genossen und Genossinnen hatten sich eingefunden,um andächtig den Worten des Redners zu lauschen.Der Referent kennzeichnete u. a. auch die„WestdeutscheArbeiterzeitung" des Abgeordneten Giesberts und seine Ar-beiterfreundlichkeit.,Die zweite Versammlung bei Maaß in Rüttenscheidbegann um 8 Uhr. Anfangs war sie schwach de-sucht, als aber der Vorsitzende dem Referenten das Wort er-teilt hatte, erscholl von draußen die Marsellaise, und massen-weise strömten die Proletarier herbei, die demonstrierend, an600 Mann stark, die Straßen vom Versammlungslokal zuEssen-West durchzogen hatten.Die„Internationale", von Arbeitergesangvereinen ge-sungen. bildete den Schluß der imposanten Protestversamm-lung.Krefeld, 9. Januar. Im Wahlkreise Düsseldorf pro-testierten die Arbeiter in sechs stark besuchten Versammlungen.Infolge des verlorenen Textilarbeiterstreiks hatte die großeDemonstrationsversammlung der Krefelder Arbeiterschaftnicht den überaus starken Besuch zu verzeichnen, der erwartetwurde. Im Wahlkreise M.-Gladbach fanden zwei große Versammlungen statt. Mit Begeisterung lauschten überall diezahlreich Erschienen den Ausführungen der Referenten.Elberfeld, 9. Januar. Im Bezirk Niederrhein hatteElberfeld-Barmen vier außerordentlich besuchte Ver-sammlungen. Lange vor Beginn wurden wegen Ueber-fullung die Säle abgesperrt. Große Massen mußten um-kehren. Die Begeisterung war groß, besonders wenn voneventuell schärferen Kampfmitteln geredet wurde. DieFrauen waren sehr zahlreich vertreten. Im WahlkreisLennep-Remscheid-Mettmann tagten vier, im Wahlkreis So-lingen neun, im Wahlkreis Hagen-Schwelm vierzehn Ver-sammlungen. Ueberall war ein sehr guter Besuch und vor-ziigliche Kampfstimmung.Essen. Zwei Massenversammlungen. ISOv Besucher. 600Personen zogen demonstrierend von Essen-West nach dem Versamm-lungslolal in Rüttenscheid.Duisburg. 700 Besucher.MitMbeim(iRuhr). 600 Personen.Solingen. 450 Teilnehmer.Miilticim lRheint. l500 Demonstranten.Remscheid. 600 Personen.Köln. 7 Versammlungen. 6400 Besucher.Aachen. 500 Personen.Ronsdvrf. 400 Personen.Tiifleldorf. 6 Versammlungen; über 2000 Teilnehmer.Krefeld. Massenversammlung.Elberfeld-Barmen. Vier Versammlungen; 4000 Besucher.Außerdem fanden starlbesuchte, vielfach überfüllte Veriamm-langen statt in Wermelskirchen. Dünnwald. WaldiWahlkreis Solingen), Hoch scheid lWahlkreiS Solingen), Bur-scheid(Wahlkreis Solingen), Ohligs(Wahlkreis Solingen),M.- Gladbach, Kueppcrsteg(Wahlkreis Solingen),Velbert, Euskirchen. Delbrück b. Mülheim a. Rh„Rhehdt, Düren, Bonn, Saarbrücken, Porz beiMülheim a. Rh.. Lamsbach, Andernach, Koblenz,Trier, Krefeld.Hessen-Nassao.Frankfurt o. M., 9. Januar. Die Wahlrechtsdemonstration in Frankfurt nahm einen imposanten Verlauf. ZehnMassenversammlungen zeigten begeisterte Stimmung, allesind ohne Zwischenfälle verlaufen. Die Polizei verhielt sichreserviert. Die Referate und die Resolution sowie die Tele-grammabsendung fanden stürmische Zustimmung. Ueberallzeigte sich die Masse entschlossen, für ihr Wahlrecht zu kämpfen.Die Ankündigung der Sonntagsversammlungen rief Bei-fallsstürme hervor.Frankfurt a. M. 10 überfüllte Versammlungen; 7000 Besucher.Hanau. 1000 Personen.Wiesbaden. 600 BesucherHöchst. 400 Personen.Kassel. 800 Demonstranten.Stark besuchte Versammlungen werden ferner gemeldet anSRoedelheim, Wttzenhausen, Eschwege, Eppstein,Nied bei Hoechst. Grohiewikte. Harleshausen,Ochshausen. Fechenheim, Griesheim. Frieda,Emmenhausen, Sandershausen. Hausen,Doernigheim. Gudensberg. Kesselstadt, Mel-sungen. Besse, Oberursel, Cronbach, Kelkheimim Taunus. Langenselbold.Hannover.Hannover. 9. Januar.(Privatdepesche des„V o r w ä r t s".) Die sieben, durchweg stark, teilweise ungeheuer stark besuchten Versaimnlungen in Hannover-Lindenerbrachten den Beweis für die wachsende Empörung und Er-bitterung der Arbeiterschaft über schmachvolle Rechtlosigkeitim Staate. Gering geschätzt, waren an diesem unwirtlichenWinterabend 9000 bis 10 000MännerundFrauenzusammengeströmt, um für ihr Wahlrecht zu demonstrieren.Schon lange vor der festgesetzten Zeit belebten sich in denProletariervierteln ie Straßen. Unabsehbare Kolonnen vonWahlrechtskäinpfern zogen heran, und bald stauten sich in undvor den Lokalen schw>'? Menschenmassen. Im Zentrum derStadt, im„Ballhof", i.>'ssen historischem Saal über tausendDemonstranten zusami.'pfercht waren, redete David. Dieernste Ruhe, mit wet die Versammlung dem Rednerlauschte, löste sich zum Schluß in stürmische Kundgebungenauf. als der Versammlungsleiter Docrnke die Parole ausgab.die Demonstration bereits am kommenden Sonntag mit ver-stärkter Energie fortzusetzen. In der Arbeiterstadt Linden, woBrey im Lindenhof vor 1600 Personen redete, bot sich dasgleiche Bild begeisterten KanipfesmuteS, von bester Vor-bedeutugn für den Londtagswahlkampf im Lindener Wahl-kreise, einem der wenigen, dessen Mandat die Arbeiterschaftauch unter dem gegenwärtigen Schandwahlrecht der Reaktionernsthaft streitig macht. In dem Hildesheimer Wahlkreisfanden auch sieben, in der ganzen Provinz 37 Versammlungenstatt.Stadt Hannover: In 7 Versammlungen 10000 Dernsnstranten.Harburg»nd WilhelmSburg: 6 Versammlungen; 4000 Personen.Grestrmnnde: 500 Personen.Lehe: 500 Personen.Emden: 400 Personen.Hildesheim: 500 Personen.Provinz Sachsen.Rorbhausen.(Telegramm.) Große Straßendemonstoation.An MOO Personen marschierten in größter Ordnung nach zweiiVcrsammlnilgöloka.len. Starke Begeisterung. Die Resolutionfand stürmische Zustimmung.Erfurt.(Telegramm.) Zweitausend Personen demonstriertenin begeisterter Kampfstimmung. Ueberküllte Versammlung. Re-dakteur Hennig referierte. Große Begeisterung als er betonte, eskönnen noch andere Kampsesmittel kommen. Die Resolution fandeinstimmige Annahme. Am Sonntag finden wiederum drei Ver«sammlungen statt. Starkes Polizeiaufgebot, jedoch kein Zwischen-fall. Ueberall herrscht entschlossener Ernst.Magdeburg. Trotz Schneewehen war die Versammlung von2000 Personen besucht. Die Resolution wurde einstimmig ange-nommen und Telegramme an Bülow und den LandtagSabgeordnctcnunseres Kreises abgesandt. Unter den Versammelten herrschteernste KampseSstimmung.Im Regierungsbezirk Magdeburg fanden heut« ebenfallsmehrere Versammlungen statt. Wie telegraphisch gemeldet wird,nahmen daran in Thale 500, in Olvenstedt 400, in Cracau 200, inBarleden 150 Personen teil.Aus Halle a. S. meldet uns ein Telegramm: Di« Protest-Versammlungen im Süden und Norden der Stadt waren von3500 Personen besucht. Die Versammlungen wurden baldpolizeilich abgesperrt. Viele Hunderte fanden keinen Einlaß.Ganz spontan entwickelte fich eine eindrucksvolle Demonstration.Die Massen zogen trotz des herrschenden Schneegestöbers über denMarktplatz nach dem großen Saale des Volksparks, den sie jedochgleichfalls bereits überfüllt fanden.Die Polizei verhielt sich ruhig, die Ordnung wurde dahernirgends gestört. Tie Versammlungen in der Provinz waren-gleichfalls überfüllt, die Stimmung begeistert. Ein Zwischenfallhat sich nicht ereignet.Erfurt. 2000 Teilnehmer.AscherSIebea. 500 Teilnehmer.Quedlinburg. 600 Teilnehmer.Kalbe(Saale). 550 Teilnehmer.Stendal. 700 Teilnehmer.Tangermünde. 600 Teilnehmer.Weihenfels. 550 Teilnehmer.Müklhausen(Thür.) 700 Teilnehmer.Halberstadt. 550 Teilnehmer.Schönebeck(Elbe). 500 Teilnehmer.Magdeburg. 1200 Teilnehmer.Ferner fanden Versammlungen statt in: AlSleben. Burg(bei Magdeburg), Altenglatow, NeuhaldenSleben,R e i che n f ach fen. Gommern, Wernigerode, AI-brecht»(bei Erfurt), Zeitz. Delitzsch, Eisleben,Dttterfeld. Staßfurt, Wetzlar. Lauterberg,Eilenburg, Gangerhausen.Weitere Nachrichten über den Uertanf derWahtrechts-Demonstration bringen wir inunserer nächsten Nummer.Verantwortlicher Redakteur: Hans Weber. Berlin. Für den Inseratenteil verantw.: Ttz-Elocke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärt« Luchdruckerei u. LerlogSauftalt Paul Singer& Sa, Berlin SW,"*"