«Zozialpolirik incht der arbeiterfeindlichsten Partei ausgeliefert unddah anderenteils der Weg zu einer fruchtbaren Sozialreform frei-yelegt wird.Sie CrelgniEie In Portugal.DaS Begräbnis.Tonntag hat die Beerdigung des Königs und deS Thronfolgersstattgefunden. Die Regierung hatte umfassende VorsichtSmabregelnergriffen, da sie neue Unruhen befürchtete. Trotzdem war dasGefühl der Unfickerheit so stark, daß die Königin Ainelie und KönigMaiiuel nicht am Begräbnis teilnahmen. Die Zvlenge, die aus Neu-gierde zusammengeströmt war, verhielt sich tcilnahmloS. DaS Dacheiner Geninsehalle, das etwa 50 Personen, um bester sehen zu können,erklettert hatten, brach zusammen, wobei viele Verletzungen vor-kamen. Im übrigen verlief der Tag ohne einen bedeutsamen politischen Zwischenfall.Die Neuwahlen.Lissabon, 10. Februar. Die Kammerwahlen sollen nun doch erstam S. April stattfinden, wie sie bereits von dem srühereii Ministeriumangesetzt waren.Rückkehr von FrancoS Gegner«.Lissabon, S. Februar. Der frühere Minister Josä Alpolm, derdie Hauptstadt uninittelbar nach der Ermordung des Königs unddes Kronprinzen verlassen halte, ist gestern abend von Salamaucahierher wieder zurückgekehrt.Die verschobene Krönung.Paris, 10. Februar. Wie aus Lissabon gemeldet wird, glaubtman in politischen Kreisen, daß König Manuel sich srühesteus in zweibis drei Monaten krönen lassen werde. Vielfach ist man sogar derUeberzeugung, daß eine Krönung auS SparsamkeitS-rücksichten überhaupt unterbleiben werde.Die Republikaner.Lissabon, 10. Februar. In der kommenden Nacht wird, wie die.Franks. Ztg." meldet, sich hier ein republikanisches Direk-t o r i u m konstituieren, bestehend auS fünf Mitgliedern, darunterje zwei aus Lissabon und Oporto. Präsident ist Professor Bern-Harbin Machado. Die Aufgabe des Direktoriums soll die Vor-bereitung der Verfassung der Republik sein,deren Kommen man baldigst erwartet. Die Republikaner rechnendabei vielleicht mehr mit den unüberbrückbaren Differenzen undder immer grösser>o erdenden Verwirrung im monarchistischenLager als mit der eigenen Vollkommenheit. Die republikanischePartei glaubt zuversichtlich, die Monarchie werde keinlanges Leben haben und nach einige» weiteren schnell wechseln-den haltlosen und unhaltbaren monarchischen Regiernngen werde sichdie Unmöglichkeit deS Fortbestandes des Königtums und damit alseinziger Ausweg die Erklärung der Republik ergeben. Dieses alleswerde sich noch im Laufe dieses Jahres vollziehen. So die Meinungder hervorragenden Republikaner in Lissabon.MsroKKo.Der Kampf bei El Mekki.Paris, 8. Februar. Nach einem Telegrainnt des Generalsd' Am ade fand der Angriff auf das französische Lager beiE l M e k k i in der Nacht vom 5. zum 6. d. M. statt. Nacheinem Kampfe im Lager selbst hätten die Truppen die„Nebellen" bis nach Settat verfolgt. Die Operationen hätten2l Stunden gedauert. d'Nmade ist der Ansicht, dass die Nach-richt, Mulay Hafid habe den Schaujastämmen Waffen undMunition geliefert, auf tendenziöser Erfindung beruht. DieFranzosen hätten 3 Tote und 2-1 Verwundete gehabt.Nach dieser offiziellen Darstellung ist es also den an-greifenden Marokkanern gelungen, in das französische Lagereinzudringen. Ein Umstand, der da zeigt, daß die Situationfür die Franzosen nicht ungefährlich ist und daß die Marokkanerdurchaus nicht entmutigt sind.Marokkodebatte in der französischen Kammer.Paris, 10. Februar. In der Deputiertenkammer be-fragte Jan res die Regierung über die jüngsten Ereignissein Marokko und verlangte besonders Aufklärung darüber.warum die französischen Truppen am 5.und 6. d. M. bis Settat vorgedrungen seien.Wir werden die Ruhe, sagte der Redner, nicht wieder her-stellen, wir müßten denn bis in das Herz Marokkos vor-dringen, und die Lage Frankreichs ist lächerlich und gefährlich,wenn Abdul Asis. den wir mit unserem Gelde und unserenStreitkräften unterstützen, wirklich einen Appell an die Mächte.die die Algecirasakte unterzeichnet haben, und besonders anDeutschland gerichtet hat. Hat Deutschland unshierüber Mitteilung gemacht?(Beifall auf deräußersten Linken.) Hieraus ergriff der Minister des AcußcrnP i ch o n das Wort.Er erklärte:„Wir sind gegen unseren Willen in Casa-blanca und nur infolge ganz spezieller Ereignifie, wir werdenEasablanca nur verlassen, nachdem unsere Rechte, unsereInteressen und unsere Ehre gewährleistet worden sind". DerMinister verlas alsdann die Instruktionen, welche dem Generald'Amade erteilt worden sind. Auf sdas JnterventionsgesuchAbdul Asis an die deutschen Vertreter übergehend, teilte derMinister Pichon mit. die deutsche Regierung habe diefranzösische Regierung informiert, daß Abdul AfiS durchVermittelung des deutschen Vertreters in Tanger denWunsch ausgedrückt habe. Deutschland möge FrankreichsAktion in Marokko einschränken. Der Minister fügte hinzu.nach Erkundigungen, welche wir in Rabat eingezogen haben.dementiert Abdul Asis diese Intervention. Die Sacheist die, daß das marokkanische Gesuch nicht dem deutschen Ver-treter in Tanger, sondern einem deutschen Kaufmanne, derdas Amt eines deutschen Konsuls versieht, unterbreitet wordenist. Die Haltung der deutschen Regierung in dieser Angelegen-heit ist eine vollständig taktvolle gewesen. DieHaltung Mulay Hafids ist verständlich, dagegen diejenigeAbdul Asis' weniger verständlich.Der Zwischenfall wird hierauf als erledigt betrachtet.politische debersicbt.Berlin, den 10. Februar 1908Die Freifinnigen ans dem Block ausgestofte».Im prentzischen Dreiklassenparlament verkündete heuteals Einleitung zu der großen landwirtschaftlichen Woche derBündler Dr. Dicderich Hahn die Bildung und daS Programmeines neuen Blocks, des Nationalwirtschaft-l i ch e n Blocks, dein alle Zollwucherer, einschließlich desZentrums angehören, aber die Freisinnigen nicht. Beim Etat derZentralgenossenschaftSkasse, die bekanntlich die Aufgabe hat, mithundert Millionen Marl Kapital agrarische Gründungen nachder Ar! der mit acht Millionen Defizit verkrachtenBerliner Michzentrale möglichst lange über Wasser zuhalten.' wagte der Freisinnige Dr. Crnger- Hagender Anwalt der Schultzc-Delitzschschen Genossenschaften" undAufsichtsratsmitglicd der Dresdner Bank ist, einige schüchterneEinwendungen gegen die unvorsichtige Geschäftsführungdieser Preußenkasse, und die unlautere Konkurrenz, die dieGenossenschaften mit billigem StaatSkrcdit den auf Selbst-hülfe beruhenden freien Kreditorganisationen bereiten. Dasgenügte, um ihm die schmähliche Ausstoßung aus der Reiheder preußischen RegierungSfreirnde zuzuziehen. Namens allerParteien deS Dreiklassenparlamcnts verkündete Dr. Hahn,der einst so laut über die gräßliche Flotte krähte,daß die Freisinnigen nicht national seien. daß aberalle anderen Parteien— zu seiner Genugtuungauch das Zentrum— sich auf dem Boden des national-wirtschaftlichen Blocks und der agrarischen Pumpstation derZentralgenossenschaftskasse geeinigt hätten. Eine weitere Tot-sünde beging Dr. Criiger, indem er die Behauptung aufstellte,daß Christentum und Geschäft nichts mit einander zu tunhätten. Dafür fuhr ihm der preußische Finanzniiuister Frhr.von Rheinbaben derb über den Mund: Gewiß seien dieGenossenschaften etwas rein Geschäftsmäßiges, aber siewirkten moralisch, indem sie dem christlichen Grund-satze folgten: Liebet eure Brüder! Das Christentumder Prozentpatrioten will von der Liebe gegen die Feindealso nichts wissen und unterstellt dem Gründer ihrer Religioneine banale Selbstverständlichkeit, bloß um ihre dunklenGeschäftspraktiken zu decken. Natürlich waren alle ParteiendeS Drciklafienparlaments über dieses revidierte NeueTestament höchst entzückt, nur Dr. Arendt vergaß vor Be-stürznng, der neuen Lehre des Religionsstifters Rheinbabenseine begeisterte Huldigung darzubringen und wurde dafürvon dem Zentrumsredner Busch, der im Namen der Mehrheitund der Regierung sprechen durfte, derbe gerüffelt.AuS dem Geschäftsgebaren der Zcntralgenoficnschafts-kaffe ist hervorzuheben, daß sie an mehreren verkrachtenGründungen erhebliche Verluste gebabt hat, und infolgedeS niedrigen Standes der StaatSpapiere, der durch die Welt-Politik und die sinnlose Schuldenwirtschaft des Reiches verschuldet ist. nicht einmal die Einlagen mit den versprochenen3 Proz. hat verzinsen können. Um überhaupt weiter zu ar-beiten, hat sie gerade in der schwierigsten Zeit kurz vor demJahreswechsel, der Reichsbank 67 Millionen abgepumpt.um sie dann in die Kassen der Agrarier fließen zulassen. Diese ganze Praxis wurde natürlich von demneuen nationalwirtschaftlichen Block lebhaft begrüßt undtrug dem Finauzminister und dem Präsidenten Heiligen-stedt von der Preußenkasse lebhafte Ovationen der Brot-Wucherer ein. Die Freisiimigen aber waren über ihren Aus-schlutz aus dem neuen Block so bestürzt, daß Dr. Crüger, deran Mut mit Fischbecl rivalisieren dürste, nicht mehr zu ant-Worten wagte.Am Mittwoch steht der Kultusetat auf der Tagesordnung.Die„modernistische" Revolte.Die Rebellion der katholischen Professoren gegen die letzteEnzyklika des Papstes scheint weiter um sich zu greifen. Auch derProfessor des Kirchenrcchts an der Universität Innsbruck, Dr. Lud-wig Wahrmund, hat dieser Tage eine Schrift erscheinen lassen, inder er die Enzyklika„Lskecndi eter" sowie den Syllabus PiuS X.kritisiert, und zwar fast noch schärfer als der Münchener ProfessorSchnitzer. SoheißtcSz.B.in bezug auf die These? des neuen SyllabuS,der nicht nur von den Theologen, sondern von allen Gläubigen eineinnere Zustimmung zu den von der Kirche erlassenenUrteilen fordert:„Wahrhastig, seit die römische Kirche freie Geister zu unter»jochen bestrebt ist, hat kein Theoloaenhirn jemals einen furcht-bareren Satz ersonnen als dieser ist! ES genügt nicht, sich denAusgeburten eines hierarchischen Despotismus inder Tugend deS Gehorsams stumm zu unterwerfen. ES genügtnicht, zu schwe-gen und seine eigene bessere Ueberzeugung in derBrust zu verschließen. Man muß auch diese Ueberzeugung selbstnoch in Trümmer schlagen; man muß sie zwingen, daSWeisse schwarz und das Feuer kalt zu nennen;man muss die Fesseln nicht bloß am Leibe, sondern auch inder See le tragen.Mit all dem hat das Papsttum meines ErachtenS die letzteBrücke zwischen seinem eigenen Mvchtbezirk und der modernenKulturwelt abgebrochen; cS hat dem geistigen Leben der latholi-scheu Kirche den Todesstoß versetzt."Professor Schnitzer wird wahrscheinlich exkommuniziert werden.Tie ultramontane Presse gefällt sich bereits in den heftigsten An-griffen gegen ihn. So schreibt z. B. der„Bayer. Kurier" kirchen-offiziös:„Herr Professor Dr. Schnitzer hat am gestrigen Freitag seineVorlesungen über Dogmengeschlchte eingestellt in der Voraussicht,ldass deren Besuch den Theologen in Bälde allgemein ver-boten wird. Im übrigen machte eS in den letzten Tagen einenmerkwürdigen Eindruck, Thcologiestudierende im Talar unter denDemonstranten und Neugierigen zu bemerken, die ScknitzerS Vor-lesungen in naheliegender Absicht besuchten.... Nach mensch-lichem Ermessen ist im Fall Schnitzer eine Aussöhnung leidernicht zu hoffen, die Gegensätze, die aus Jahre zurückdatieren,klaffen zu weit, und Herr Dr. Schnitzer wird, soweit wirden persönlich so liebenswürdigen Hochschullehrer kennen, auchkaum Gewicht darauf legen, denZusammenhangmit derKirche aufrecht zu erhalt en. Die Gelegenheit scheintihm günstig zu einem Schritte, der kommen muhte, undschon lange hätte kommen können und sollen. Diesmal, someinte wohl Herr Dr. Schnitzer, werde doch einmal die„römischeWach- und Schliessgesellschast"— dies sein Ausdruck— nichtumhin können, ihres Amtes zu walten. Damit ist die Situationgekennzeichnet."_Noch immer keine Charlotte Corday?Unsere Leser entsinnen sich wohl noch der heileren Zuschrift, dievor etwa Jahresfrist die„Post" erhalten haben wollte. Eine.deutsche Frau", so erzählte damals die Redaktion der„Post", habeihr einen Brief geschrieben. In diesem angeblichen Briefe aberwurde Bebel gedroht, daß sich für ihn, wenn er mit seiner wüstenHetze fortfahre, auch noch einmal eine Charlotte Cordayfinden werde, die den Dolch gegen den„grauen Sünder" zücke.Da es bei dieser Drohung geblieben ist, die CharlotteCorday der„Post" offenbar noch keinen passenden Dolch gefundenhat, trotzdem Genosse Bebel, wie wir ihr verraten wollen, eineBadewonne besitzt, um im historischen Kostüm oder vielmehr Nicht-kostüm den Besuch dieser deutschen Charlotte Corday empfangen zukönnen, hat sich die„Post" jetzt eine neue Zuschrift bestellt. Indieser Zuschrift heißt eS:„In der Februarnummer des Leipziger„Hammer" sagt dessenverdienter Herausgeber Theodor Fritsch:„Gleiche« Recht!— Die Sozialdemokratie fordert gleichesRecht für alle.— Gut. Sie billigt es. ihre politischen Gegnerdurch Meuchelinord, mit Pulver und Dynamit zu vernichten.Wenn sie konsequent sein will, muß sie ihren Gegnern daSgleiche Recht zugestehen. Sie darf sich also nicht beklagen,wenn die bürgerlichen Parteien demnächst die Losung auS-geben: wer Bebel, Singer oder Stadthage«aufspießt, der tut ein gutes Werk."Wir wüßten tatsächlich keinen irgendwie stich-h a l ti g e n E in w a n d gegen die Logik dieserAus»fnhrungen. Wenn die berufenen Vertreter der Staatsgewaltauch weiterhin den verbrecherischen Hetzereien der intellektuellenUrheber deS KönigSmordcS und StaalsuinstiirzeS untätig undgeduldig zuichauen, dann dürfte eS anstaatS-und köntgstreuen Nachfolgern der CharlotteCorday nicht fehlen.—Daß der Verfasser der Zuschrift in dem Erguß deS„verdienten"Herrn Theodor Fritsch keinerlei Verstoß gegen die Logik findet, be-greife» wir. Die Zuschrift stammt wohl wiederum auS dem Orte,von dem die„Post" gewöhnlich ihre Inspirationen erhält: auSKropp._Das offiziöse Armutszeugnis.Tie„N o r d d. A l l g. Z t g." hat auch heute noch keineAntwort auf unsere Entgegnungen vom Sonnabend uirdSonntag gefunden. Daß sie nichts Gescheutes würde ant-Worten können, wußten wir ja im voraus. Nach ihrem schmäh-lich mißglückten Versuch, einmal sofort, statt, wie gewöhnlich.nach acht Tagen zu entgegnen, war ja größere Vorsicht zuerwarten. Aber nachdem wir sie ausdrücklich um be-s ch l e u n i g t e Antwort ersucht hatten, hätte sie schonirgendeine Antwort riskieren müssen, wollte sie nicht dasblamable Geständnis bemitleidenswerter Hülflosigkeit voroller Welt ablegen. Aber sie wußte nicht das geringste zuantworten! Sie schwieg und schweigt auch heute noch. Viel-leicht borgt sie sich erst den Beistand des BilanzenmachersD er nburg oder eines seiner Handlanger aus. Es ge-hört also nur wenig Verstand dazu, ein regierungs-offiziösesBlatt zu bedienen._Gegen die Börsengesetz-Novelle.Die heute im Brandenburgischen Ständehause eröffnete36. Plenarvcrsammlung des Deutschen LandwirtschaftSratS nahmnach einem Referat de? Grafen Kunitz über die Börsengesetz-Novelle folgende Resolution an:„Wenn auch das Börscngcsetz vom 22. Juni 18V6 in mehrerenPunkten verbesscrungSfähig erscheint, so müssen doch die in demGesetzentwurf vom 22. November ISO? vorgeschlagenen Acndc-rungen als zu weitgehende Abschwächung dieses Gesetzes be-zeichnet werden. Insbesondere bieten die in demEntwurf vorgesehenen Be st immun gen überden Getreideterminhandel l§ 50) keine Gewährgegen eine Wiederher st ellung der Verkehrs-formen, welche durch das Gesetz vom 22. Juni 1896 beseitigtwerden sollten. Die Ausschaltung der 762 und 764 desB. G. B. für die sonstigen Börsentermingeschäfte in Waren undWertpapieren, ferner ß 59 würde unter keinen Umständenzu billigen sein. Nicht minder ist daS Fehlen jeglicherStrafbestimmungen für den Abschluß verbotener Lörsentermin-geschäfte als eine empfindliche Lücke zu betrachten."Wenn die Konservativen diese Resolution zur Richtschnurnehmen, müssen sie gegen die Börsengesctz-Novell« stimmen; undda auch die Zentrumsftaktion die Vorlage ablehnt, so würdeder Freisinn um den letzten Brocken geprellt werden, um dessent-willen er seit Monaten mit Lammesgeduld die Fußtritte der Rc-gicrung und des konservativen Blockflügels erträgt.Konferenz der sozialdemokratischen Landtag?«abgeordneten Süddeutschlands.Die sozialdemokratischen Abgeordneten von Bayern,Württemberg, Baden und Hessen haben sich am9. Februar in Würzburg zu einer Besprechung zusammen-gefunden und haben nach eingehender Erörterung zunächst folgendeResolution zur Wahlrechtsfrage beschlossen:Die Erklärung, welche der preußische Ministerpräsident, FürstBülow, am 10. Januar im preußischen Abgeordnet e n-hause auf den Antrag der freisinnigen Fraktion betr. Ein-führung des ReichötagöwahlrechtS zum preußischenLandtage abgegeben hat, ist gleichbedeutend mit einem Angriffauf daS konstitutionelle Leben in den süd-deutschen Staaten, wie eS sich, dort auf Grundlage desallgemeinen, gleichen, direkten und gehccmenWahlrechts entwickelt hat. Die Konferenz der sozialdemo-kratischen Abgeordneten Süddeutschlands erblickt in der Ver-tretung dieses Standpunktes durch den ersten Beamten des Reichsnicht nur eine Bedrohung der Verfassung in den süddeutschenStaaten, sondern auch eine Gefährdung deö Reichs-tagswahlrechtö. Dieser Standpunkt des Reichskanzlersist, wie die Erfahrungen in allen anderen Staaten beweis».«,kulturwidrig und auf die Dauer unhaltbar. DieKonferenz der sozialdemokratischen Abgeordneten Süddeutschlandsspricht deshalb den Parteigenossen in Preußen für ihre mutigeund entschlossene Aufnahme des Kampfes gegen da» indirekteund öffentliche Drciklassenwahlrecht ihre volle Sympathie ausund verpflichtet sich, die Altion der preußischen Parteigenossenin allen Stadien mit den ihr zu Gebote stehendenMitteln zu fördern. Von diesen Gesichtspunkten ausbetrachtet eS die Konferenz als die Pflicht auch der gesamtenBevölkerung, insbesondere der Arbeiterklasse, alles zu versuchen.waö geeignet erscheint, dem preußischen Volke ein freies Wahlrecht zu sichern und den übermächtigen verderblichen EinflußPreußens auf die Entwickclung des Reiches zu brechen.Die Konferenz beschäftigte sich sodann noch mit dem Reichs-Vereinsgesetz und dem Entwurf eines Gesetzes über die Er-richtung von A r b c i t S k a m m c r n, sah aber von einer Beschluß-fassung ab, in der Ueberzeugung. daß selbstverständlich die sozial-demokratische ReichStagSftaktion bei beiden Vorlagen die Interessender Arbeiterklasse nach allen Richtungen hin wahrnehmen wird,Da? staatsgefährliche Plakat!Die Gewerkschaften Königsbergs hatte» in einer Petition denMagistrat und die Stadtverordneten um schleunige Juangriffnahmevon NotstandSorbeiten für die Arbeitslosen ersucht. Die Stadt-verordnelenversaminliing ging darüber zur Tagesordnung über, weilnoch ihrer Ansicht kein Nolstand besteht, da man in den Volksküchennicht wisse, wo man das Essen lassen solle. Zum Prolest gegendiese» Verhalten wurden die ArbeiiSlosen zu zwei großen Ver-sammlungen eingeladen. Auf dem Plakat hieS eö:„Steine statt Brot sind uns angeboten. Debattelos wurdeüber die Not der Arbeitslosen zur Tagesordnung überg-gangen.Was kümmert es die liberalen Herren, ob hiesige Arbeiter undderen Fauulien Hunger leideir. Gebt darauf die richtige Ant-wort!"Diese Worte mußten überklebt werden, da die Polizei siebeanstandete.In Königsberg regiert bekanntlich der Freisinn.—„Nnkiinstlerische Justiz".Der Staatsanwalt Dr. Erich Wulfsen hat dieser Tage inDresden über..Strafrecht und Strafprozeß, ein Kunstwerk derZukunft" gesprochen.Dieser Dr. Wulfsen ist das, was man einen schöngeistig modernenanständigen Staatanwalt nennen könnte. Die Gattungsteht allerdings nicht im Adreßbuch, aber sie existiert. Sogar inSachsen. Wulfsen hat kriminalpsychologische Studien geschriebenüber die„Räuber" und über„Nora". Er bat ein„Polizeihandbuch"herausgegeben und eine„Reform des StrafrechtsvollzugeS".Dr. Wulfsen verlangt, die ethische Gesetzgebung müsse„auS demVolke heraus" entstehen. Aber— wir leben in einer Uebergangs-zeit!(So heißt es immer, wenn etwas aufgeschoben werden soll!)