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Neues Belastungsmaterial gegen Phili. DaS Beweismaterial mehrt sich, daß der früher von seinen Standesgenossen als feinste Blüte des preußischen Hofadels be- trachtete Fürst Philipp zu Eulcnburg, der ehemalige Duzfreund des Kaisers, sich während seines früheren wiederholten Aufenthalts in München   und Starnberg   die widerlichsten sexuellen Exzesse geleistet und deshalb einen Meineid geschworen hat, als er im Moltke- Horden- Prozeß unter Eid bestritt, jemals sexuelle Schmutzereien" begangen zu haben. Die Untersuchung, die der Berliner   Landgerichtsrat Schmidt in München   und Starnberg  führt, hat eine Menge weiteren Belastungsmaterials gegen Phili ergeben. Es ist, wie derB. Z.   a. M." gemeldet, festgestellt, daß der damalige Graf Eulenburg nicht nur mit Ernst und Riedel, sondern während seines amtlichen und nichtamtlichen Aufenthaltes in München   auch zu anderen männlichen Personen Beziehungen unterhalten hat. Fürst Eulenburg   hat z. B. mit einem nun schon verstorbenen Münchener   Hofschauspieler, der im Verdacht der Homo- scxualität stand, Ausflüge nach München   und Umgebung gemacht und mit ihm in einem Holelzimnier übernachtet. ES wurde ferner fast bis zur Gewißheit festgestellt, daß Graf Eulenburg von einem Hotelbesitzer mitten in der Nacht an die Luft gesetzt wurde, weil er sich mit einem männlichen Gast in einem Zimmer slandalös auf- geführt hatte. ES wurde auch festgestellt, daß verschiedene Personen, bayerische uud sächsische Adelige sowie ein Mitglied der damaligen französischen   Gesandtschaft, die sämtlich in den Listen der Homosexuellen der Münchener   Polizei verzeichnet stehen, mit dem GrafenE Ulenburg   intim verkehrt haben._ Immer wieder neueloyale" Ausführungen des Reichsvereinsgesetzes. In Oldenburg   ist nicht bloß in dem Städten Olden« Z U r g und Delmenhorst  , sondern auch im Amte R ü str i n g e n, m dem der Ort Bant liegt, wo daS sozialdemokratische Organ, das Norddeutsche Volksblatt" erscheint, dieses als Publikations- organ für die die Bersammlungöanmeldung erübrigenden Bekannt­machungen ausgeschlossen worden I Kürzlich beschäftigte sich derVorwärts" mit dem Distrikts- kommisiar von Usch in der Provinz Posen  , der von einem Glas- arbeiter in Gertraudenhütte als vermeintliches Vorstandsmitglied des verpönten Glasarbeiterverbandes, die Einreichung des Mitglieder- Verzeichnisses forderte. Der Aufgeforderte lehnte die Forderung ab, mit dem Hiniveis, daß er dazu nicht verpflichtet, auch fei er kein Vorstandsmitglied genannten Verbandes. Wer nun aber glaubt, daß der Distriktskommissar mit der W- lehnung zufrieden, wird eines besseren belehrt durch nachstehendes im Wortlaut wicdergegebenen Schreibens. Der Distrikts-Kommissar. I. N. 1381/08. Gegen Zustl. Urk. Usch, den 18. Mai 1008. Als Vorständsmitglied der dortigen Zahlstelle des Zentral- Verbandes der Glasarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands  , Sitz Berlin  , sind Sie auf Grund deS Vereinsgesetzes si) verpflichtet, jede von hieraus, als der zuständigen Behörde, von Ihnen über die Zahlstelle geforderte Auskunft zu erteilen. Ihre in dem Schreiben vom 9. d. M. ausgesprochene Ansicht, daß Sie mit dieser Sache nichts zu tun hätten, ist daher nicht gerechtfertigt. Ich ersuche Sie deshalb nochmals, mir binnen 3 Tagen nach Empfang diese? Schreibens ein Verzeichnis der Mitglieder der dortigen Zahlstelle einzureichen, widrigenfalls ich Ihre Bestrafung bei der zuständigen Gerichtsbehörde beantragen werde. Unterschrift(unleserlich). Dieser Herr Distriktskommiflar hat also noch nicht Kenntnis genomnien, daß das am 16. Mai in Kraft getretene Reichsvereins- zesetz weder eine Pflicht der politischen Vereine zur Einreichung der Mitgliederliste, noch ftir die hier in Betracht kommende Gewerkschaft, die kein politischer Verein ist, auch nur die Ver- pflichiung zum Einreichen der Vorstandsliste, noch die Verpflichtuno der Vereine zur Auskunfterteilung kennt. Daß die AuSknnftspflicht auf Grund deS neuen Vereinsgesetzes nicht konstruiert werden kann, hat der Staatssekretär des Innern bei der Beratung ausdrücklich anerkannt. Der Herr Distriktskommissar weiß davon nichts. Zum Verständnis der Forderung des Kommissars ist noch zu bemerken, daß die Glasarbeiter zu Gertraudcnhütte mit ihrem Arbeitgeber wegen Anerkennung der Organisation in Streit liegen, der Betrieb gegen Zuzug gesperrt, die Vertrauensleute wegen Zu- geHörigkeit zur Organisation vom Ort vertrieben sind! Ebensowenig wie der Distriktskommissar in U s ch, ist der Polizei- kommisiar in Datteln  (Münsterland  ) über daS neue Gesetz unter­richtet. Als dort Sonntag mittag um 12 Ubr eine öffentliche Berg- arbeiterversammlung stattsinden sollte, wurde dem Veranstalter be- deutet, daß dies in Hinsicht auf die Polizeiverordnung betr. Heilig- zaltung der Sonn- und Feiertage nicht vor 3'/» Uhr zulässig sei. Der Referent versuchte dem Herrn Polizeikommissar klar zu machen. saß das neue Vcreinsgesetz auch für Datteln   gelte, und daß sonach die Beschränkung nur noch sich auf den Vörmittags-Gottesdienst beziehe. Half nichts. Der Herr Kommisiar erklärte, solange er von seiner vorgesetzten Behörde nicht eine entsprechende ausdrückliche Anweisung erhalte, bleibe er bei der bisherigen Praxis. Ermäßigung der Brcnnsteuervergütung. Der Bundesrat hat sich zu einem großen Schritt auf der Bahn der Reichsfinanzsanierung entschlossen. Bekanntlich gibt eS neben der großen Branntwein-Liebesgabe, die darin besteht, daß die Bronnt- Weinbrenner für ein bevorzugtes Trinkbranntweinkonlingent statt 70 M. nur 60 M. Verbrauchssteuer pro Hektoliter zahlen, noch eine zweite Neinere Liebesgabe. Seit 1895 zahlt nämlich obendrein das Reich den Spiritus-Exporteuren eine offene Ausfuhrprämie von S Mark pro Hektoliter. Diese zweite Liebesgabe hat der Bundesrat in seiner väterlichen Sorge um das Wohl des deutschen   Reichssäckels etwas ermäßigt. Statt ö M. sollen küustiq die Spiritusbrenner nur noch eine Vergütung von 6 M. erhalte«» Im.Reichs-Anzeiger" steht feierlich zu lesen: Finanzministerium. Der Bundesrat hat in der Sitzung vom heuttgen Tage be- fchlosien, daß der Brennfteuervergutungssatz vom 26. Mm 1908 ab von S M. auf 6 M. für das Hekioliter Alkohol herab­gesetzt wird. Die königliche Oberzolldirektion ersuche ich. hiernach gefälligst daS Erforderliche mir tunlichster Beschleunigung anzuordnen. Berlin  , den 21. Mai 1908. Der Finanzminister. Im Auftrage: Rathjen. So saniert man in Deutschland   die Finanzen. Spirituöser Quatsch! DaS geistig inspirierte Genie derDeutschen TageSztg.', das an den Vorabenden der christlichen Festtage in diesem Blatt seine spirituösen Gedanken über die Lehren des Christentums unter der bekannte» kognakmarke V�aGlagert, hat auch diesmal wieder sein Blatt mit einem schönen gefühlvollen Artikel beglückt. In unendlichen Variationen wiederholt der gute Mann Gedanken, daß ohne die An- nähme göttlicher Wunder das Christentum nicht zu bestehen vermag und schreibt dann mit erquälter Glaubensfreudigkeit: Am Marksteine der Himmelfahrt scheide» sich die Geister. Entweder oder I Entweder Trug oder Tat, entweder Nacht oder Sorme, entweder Ziellosigkeit oder Heimatssicherheih entweder Erdverfallenheit oder Himmelbürtigkeit! Wir halten'S mit dem Oderl" Wir trauen dem letzten Satz nicht. Sollte eS der Verfaffer nicht weit mehr mit jener spirituösen Begeisterung halten, auf die seine Drei-Sternen-Marke hinweist? Ein Knlturwerk, das lange auf sich warten ließ, scheint endlich der Ausführung näher zu kommen. An der langen elsäfsifch- französischen Grenze von Avricourt an der Bahn Straßburg-Paris bis Petit Croix an der Bahnlinie Mülhausen-Belfort besteht keine Eisenbahnverbindung des Elsaß   mit Frankreich  . Infolgedessen haben die industriereichen Bogesentäler Breuschtal, Weidertal, Lebertal, Münstertal  , Gebwcilertal und Dollertal mit den in- liegenden oder vorliegenden industriellen Städten Rothau  , Mar- kirch, Colmar  , Münster  , Gebweilcr und vielen Jndustriedörfern keine direkte Eisenbahnverbindung mit Frankreich  . Besonders bei Markirch  , welches einen regen Berkehr mit Frankreich   auf be- schwerlichcr Paßstraße nach St.   Die unterhält, macht sich der Mangel einer direkten Verbindung fühlbar. Von dort aus scheint man nun auch eudlich einen Anschluß an die französische   Eisen- bahn in St.   Die herstellen zu wollen. Wie der französische  Ministerpräsident Clemenceau   in einem Brief an den De- putierten Schmidt von St. Die   mitteilt, hat der französische  Kriegsminister gegen diese Bahnverbindung nichts einzuwenden. Die Regierung sei infolgedessen bereit, wegen des Baues der Bahn mit den kompetenten Stellen in Verbindung zu treten. Auf deutscher   Seite hat die Generaldirektion der Reichseisenbahnen anläßlich des Umbaues des M a r k i r ch e r Bahnhofes erklärt, daß in dem Projekt Rücksicht genommen werde auf die eventuelle Ver- längerung der Bahnlinie nach Frankreich  . Die direkte Eisenbahn- Verbindung mit Frankreich   ist für die wirtschaftlich« EntWickelung der Vogesenlandschaften von großer Bedeutung. Allerdings find bei der Verbindung große Schwierigkeiten zu überwinden, denn die Vogefen müssen durchstochen werden. Es ist nicht verboten, schwarze Weiber auszupeitschen! Vor dem Kriegsgericht der 3. Division in Stettin   wurde gegen den Proviantamtsassistcnten K i e n o w verhandelt, der be- schuldigt war, verbotswidrig die Auspeitschung dreier Hottentotten- weiber veranlaßt zu haben. Kienow war im Bezirk Lüderitzbucht Leiter einer kleinen Statton. Auf dieser hatten sich eines TageS im September v. I. drei Hottentottenfrauen betrunken. Er ließ alle drei in ein Zelt einsperren und als sie dort lärmten, einer jeden durch Magazinaufseher fünf Hiebe mit einer Nilpferd- peitsche verabfolgen. Kienow behauptete vor Gericht, von einem Verbot, schwarze Weiber mit Prügelstrafe zu belegen, sei ihm nichts bekannt; in seinen Dien st Vorschriften habe jedenfalls davon nichts gestanden I Das Gericht glaubte dem prügelnden Kolonisator und sprach ihn frei I_ Der Mauerfraß am Zentrum. Die Deutsche Vereinigung, die sich bemüht, die An- Hänger deS Zentrums fürnationale Politik" einzusaugen, beginnt ihre Arbeit damit, daß sie die Intelligenzen aus dem Zentrumslager zu sich herüberlockt. Der Gcneralanwalt des rheinischen Bauern- Vereins, Dr. Buer, ist in die Dienste der Deutschen Vereinigung getreten und jetzt liest man in derKölnischen Volkszeitung", daß Dr. August Engel, der seit Jahren an der Z e n t r a l st e l l e deS Volksvereins für daS katholische Deutschland in M.-Gladbach die Mittel st andSfragen bearbeitete, dasselbe Amt bei der Deutschen Vereinigung übernommen hat. Die«Köl- nische Volkszeitung" bemerkt dazu:Dr. Engel hat bisher für das Handwerk und den kaufmännischen Mittelstand eine Sozial- Politik vertreten, die sich mit dem Programm der Zentrums- Partei deckte. Wie er eS jetzt fertig bringen wird, diese jahrelang vertretenen Anschauungen nach den Rezepten der Deutschen Vereinigung zu behandeln, ist uns nicht recht klar. Doch eS wird sich schon machen; sein Oberchef Graf Hocnsbroech(Haag) hat ja all seinen Getreuen im Punkte Zentrumspolitik gezeigt, wie man auch anders kann." Die Deutsche Vereinigung scheint eS vor allen Dingen auf die Bauern und Zünftler im Zentrum abgesehen zu haben, mit denen sich die reaktionäre Politik der konservativen Sippschaft, die in der Deutschen Vereinigung den Ton angibt, allerdings am besten durchs führen läßt. Sollte die Deutsche Vereinigung auch auf die christlichen Arbeiter spekulieren, so gestatten wir uns, ihre Aufmerksamkeit auf Herrn Franz Behrens   zu lenken, der durch sein Verhalten bei dem Reichsvereinsgesetz den Ausweisnationaler" Gefinnung in genügendem Maße gebracht hat, um einer Stellung im Dienste der Deutschen Vereinigung wert zu sein. Ocltermcb. Die zweijährige Dienstzeit. Wien  , 27. Mai. Im Heeresausschuß schilderte der Landes- verteidigungsmini st er v. Georgi den Entwurf des neuen Heeresgesetzes. Das alte entspreche den Anforde- rungen nicht mehr. DaS neue Gesetz sei auf der zweijährigen Dienstzeit aufgebaut. Eine längere Uebergangszeit bis zur Einführung sei notwendig. Die Koste  » bcliefen sich auf 60 Millionen Kronen. Lelgien. Unser Wahlsieg. Brüssel, 27. Mai.  (Privatdepesche desVorwärts".) Die Ehren des Wahltages gehören unbestritten der Sozial demokratie. Sie hat im ganzen Lande bedeutende ssorb schritte gemacht und 10000 Stimmen in Möns, 11000 in Charleroi   und 14000 in Liege gewonnen. Die letzten Folgen der Niederlage im Generalstreik von 1902 sind überwunden. Dem Fortschritt der Gewerkschaften ist der politische Sieg ge folgt. Die Flut des Sozialismus ist im raschen Steigen. Die Stellung der Regierung ist stark erschüttert und die Auflösung der Kammern wird bald unausweichlich werden. Die Tage der Regierung der vier Infamien und der Kongovorlage sind mm-' Rußtod. Die finiiländische Verfassung. Petersburg, 26. Mai. DieReichsduma setzte gestern die Ver- Handlungen über die Finnland  -Jnterpellation fort. Markow(extreme Rechte) sagte, falls die finnländische Konstitution die russischen Interessen schädige, müsse sie abgeschafft werden. Im Namen der Nationalisten erklärte Wetschinin, er wolle Finnland  die Rechte, welche es laut seiner Grundgesetze besitze, nicht absprechen. Daher werde seine Fraktion gegen die Jnter- Pellation stimmen. Gegetschkori(Sozialdemokrat) sprach die(Meinung aus, daß die Interpellation ein- gebracht sei, weil die antikonstitutionelle Regierung das kleine konsti- tutionelle Land mit Mißsallen bedachte. Die Reaktion sei nur sicher, wenn die letzte Basis der Freiheit abgeschafft sei. Den finnländischen Separatismus stellt Redner in Abrede. Die Finnländer wüßten genau, daß die russische   Regierung den Abfall Finnlands   nie zulassen werde. Ueber die Interessen Finnlands  und Rußlands   müßte von einer gemelnsamcnDclegation. die aus Duma- und Landtagsabgcordnetcn zu bestehen labe, ent- schieden werden. Miljukow(Kadett) führte aus. Finnland   sei ein Teil der r ussischen Staaten mit einer Sonderregierung. Die Meinung, Alexander l. habe nur die innere Autonomie proklamiert, lei falsch, er habe gleichzeitig die öffentlichen finnländischen Rechte bestätigt. Redner erklärte Mm Schluß, eS Ware unmöglich, daß das, was der Selbstherrschaft nicht gelungen sei, nämlich die Ver- nichtung einer kleinen wehrlosen Nation, die russische   Bolksvertre» tung als erste konstitutionelle Handlung vollbringen würde. In der heutigen Sitzung wurden die Interpellationen mit über- wiegender Stimmenmehrheit aller Parteien gegen die extreme Rechte abgelehnt._ Die Amurbahn. Petersburg, 26. Mdi. Die Kommission des Reichsrates nahm mit 27 gegen 14 Stimmen die Borlage betreffend den Bau der A m u r b a h(N in der von der Duma genehmigten Fassung an. IXlarokko. Zurückziehung frauzösischer Truppeu. Paris  , 26. Mai. Bezüglich der dem General d'Amade erteilten Weisungen, über welche der französische   Botschafter Cambon gestern dem Staatssekretär v. Schoen Mitteilung machte, will derTemps" wissen, daß das Hauptmerkmal dieser Weisungen in der fort- schreitenden Ersetzung der französischen   Truppen im Schauja- Gebiete durch marokkanische Streitkräfte be- stehe._ Die Gesandten. Paris  , 27. Mai. Aus Tanger   wird gemeldet, daß Abdul AsiS den marokkanischen Hafeubehörden den Befehl erteilt habe, die Abgesandten Mulay HafidS bei ihrer Rückkehr aus Frank- reich gefangen zu nehmen uud i u S Gefängnis zu werfen., Bagdad  !. PariS  , 27. Mai. Aus Rabat   wird vom 2t. d. M. gemeldet: Die Mahalla Buchta Ben BagdadiS wurde infolge deS Abfalls des Kaids von Cherarda zum Rückzug auf El Kuilra ge- zwungen. Die Mahalla wird in Mehdiya neu gebildet werden. Der Machsen war durch diese Nachricht zuerst sehr niedergeschlagen, faßte aber wieder Vertrauen als er erfuhr, daß Mulay Hafid zum Einzug in F es noch nicht bereit sei. Hus der Partei. Kritik an der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion. In einer Volksversammlung zu Nürnberg  , in der Ncichstagsabge« ordneter Genosse Dr. S üd ekum den Rechenschaftsbericht über seine Tätigkeit erstattete, sagte er u.a.: Er müsse eingestehen, daß gerade auf dem Gebiete der äußeren Politik die sozialdemokratische Fraktion nicht die nötige Tätigkeit entfaltet habe, aber das setze eine sehr genaue Kenntnis der Dinge voraus, und dann sei auch nicht zu verkennen, daß die starke Inanspruchnahme der Fraktion durch die Fragen der inneren Politik, durch die Agitation, die journalistische Tätigleit usw. sie bisher verhindert habe, diesen Fragen die nötige Aufmerksamkeit zu widmen. Aber die Notwendigkeit, dies mehr als bisher zu tun, werde innner dringender. In der Diskussion bemerkte Genosse EiSner u. a.: Er möchte den Redner fragen, ob die sozialdemokratische Fraktion alles getan habe, um zu verhindern, daß der Reichstag   schon so früh nach Hause geschickt wurde, zu einer Zeit, wo die Parlamente der großen Kulturvölker noch tagen. Seit Jahren werde alles, was daS Volk interessiere und aufrege, in den Sommermonaten von einein unverantwortlichen Minister während der Parlamentsferien erledigt. Er habe es stets als einen Fehler betrachtet, daß die Fraktion dem Diätengesetz zustimmte, da eS keinen anderen Zweck hatte, als die Sessionen abzukürzen. Die Fraktion hätte in Sachen des Vereinsgesetzes anders verfahren müssen. ES wäre sehr leicht möglich gewesen, die Entscheidung bis über die Osterferien hinzuziehen, es wäre dann sogar möglich gewesen, eine andere Gestaltung herbeizuführen, da zu Ostern der Kongreß der Freisinnigen Vereinigung   tagte uud die Opposition gegen das Vereinsaesetz noch viel schärfer ausgefallen wäre, wenn nicht schon die Entscheidung über das Gesetz gefallen war. Ihm scheine überhaupt, das VerinSgesetz hätte sich vorzüglich zu einer Probe deS parlamentarischen Widerstandes geeignet. Die sozialdemokratische Fraktion habe aber nicht versucht, die Sache hin- zuziehen, etwa durch Interpellationen. Warum habe die Fraktion nicht wegen der H i ll- A ff ä r e interpelliert? Eisner ver- mißt ferner die Fühlung der Fraktion mit der Masse. Die CouloirS des Reichstags dürften gar nicht leer werden von Deputationen. Das alte engere Verhältnis müsse wieder hergestellt werden, das Voll müsse seine Forderungen direkt in das Parlament hineinbringen, und locnn dort dauernd und systematisch der Bolkswille proklamiert werde, so werde man nicht mehr über mangelnde Fühlung zu klagen haben. Genosse Dr. Südekum erwiderte, Eisner habe recht, weim er sage, daß der Ausfall der letzten Reichstagswahlen etwas lähmend auf die Fraktion gewirkt habe, aber im einzelnen� irre er. Wenn der freisinnige Parteitag noch vor der Abstimmung über das Vereinsgesetz getagt hätte, dann hätte die Opposition gegen das Vereinsgesetz nicht'die Rolle gespielt, als es nachher der Fall war. Die freisinnigen Abgeordneten hätten die Opposition wahrscheinlich sehr kurz abgefertigt. Eine Obstruktion im Reichstage hätte, wenn er die Sachlage richtig beurteile, zu keinem Resultate geführt. Selbst wenn die Geschäftsordnung die Möglichkeit geboten hätte, die Debatten hinauszuziehen, so hätte es doch unter keinen Umständen bis über Ostern hinauSgereicht, die MchrheitSparteicn hätten ihre Macht angewendet, um die Sache noch mehr zu be­schleunigen, als es ohnehin geschah. Derartige Mittel könnten nur dann angewendet werden, wenn sie die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges böten. Das war aber nicht der Fall, es wäre nur zu noch schlimmeren Abkürzungen der Debatte gekommen. Darin, daß die Fraktion die Hill-Affäre nicht hätte vorübergehe» lassen dürfen, ohne ein parlamentarisches Eingreifen zu erzwingen. müsse er Eisner Recht geben. Er, Redner, habe auch versucht, die Mehrheit der Fraktion für eiire solche Interpellation zu gc- Winnen, was ihm jedoch leider nicht gelungen sei. Ebenso müsse er zugeben, daß nicht alle? geschehen sei. ivas hätte geschehen können, um die Tagung des Reichstages noch länger aufrecht zu erhalten, andererseits aber waren die vielen Vorarbeiten, speziell für die Gewerbeordnungsnovelle noch nicht so weit gediehen. daß sie die Grundlage für eine Bcrattmg hätten abgebeu können nicht durch die Schuld der sozialdemokratischen Abgeordneten sondern infolge eines abgekarteten Spiels zwischen Blockparteien und Regienmg. Nachdem eS aber ausgeschlossen war, für die Beratungen, den nötigen Stoff zu gewinnen, glaubte die Fraktion keinen Widerspruch gegen die Vertagung erheben zu können. Er, Redner, sei freilich damit nicht einverstanden gewesen und habe einen anderen Entschluß zu erzielen versucht, aber ohne Erfolg. Del Forderung Eisners, daß das politische Leben im Parlament durch das politische Leben im Volke selbst mehr angefacht werden müsse, stimme er vollständig zu. » Die Vorwürfe der Genoffen Südekum und E i Z n e r wider die Reichstagsfraktion scheinen uns zunächst von einer Ueberschätzung der parlamentarischen Tätigkeit beeinflußt. Im einzelnen hatten wir zu sagen, daß uns die Behauptung, die Soziaidemolratte habe auf den« Gebiet der äußeren Politik nicht genügende Tätigkeit ent- faltet, unberechtigt erscheint. _ Ist die Kriegshetzerei und die völlige Verkehrtheit der bramar- basierenden Politik nicht in ausgiebigster Weise von unser» Genossen im Reichstage zerzaust worden? Dagegen, daß die Hill-Affäre bei passender Gelegenheit auch im Reichstage zur Sprache gebracht, wird schwerlich jemand etwas einwenden. Aber ist dazu eine Interpellation erforderlich? Einmal hat die Regierung bei jeder Interpellation es in der Hand, die Besprechung dadurch un- möglich zu nrachen, daß sie erklären läßt, sie werde zu gegebener Zeit die Jnterpellatton beantworte» laffen: in dieser Weise sind wieder-