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Eine Elendsitatiſtik.

In lehter Stunde vor den Landtagswahlen und zu dem Zeit­punkte, da die deutsche   Lehrerschaft sich rüstet, um auf dem Lehrertage in Dortmund   die Frage des Lehrermangels zu diskutieren, werden durch das offizielle Organ des Deutschen Lehrer­vereins weiteren Kreisen die den Lehrermangel betreffenden Biffern der lebten preußischen Volksschulstatistik vom Jahre 1906 bekannt gegeben. Sie legen den ganzen erschreckenden Umfang des Bildungsjammers im Zeitalter der kapitalistisch- feudaldynasti­schen Schulreaktion bloß.

" Ist das noch die Volksschule, wie Pestalozzi fie geschaut, wie Diesterweg sie gefordert hat?" ruft der Verfasser des Artikels ent­seht aus. Fürwahr, er hat Grund genug, sich zu entfeben! Wie bisher jede schulstatistische Erhebung in Preußen, so hat auch die letzte mit drastischer Unzweideutigkeit den Nachweis geliefert, daß die Verfassung des Volksschulwesens mit jedem Jahr fünft trauriger und skandalöfer fich gestaltet. Die letzte Schulstatistik besonders ist eine Elendsstatistik in des Wortes verwegenſtem Sinne und ein Schandmal zugleich für den besißfrechen Troß junkerlicher Banditen, die, wie sie dem Armen das Brot vom Tische stehlen, ihm auch die geistige Nahrung versagen und ihn der kulturellen Verelendung erbarmungslos über­liefern. Schon die Ziffern über den Lehrermangel allein lassen in lapidaren Zügen die Ungeheuerlichkeit dieser preußischen Kulturschmach erkennen.

Im Jahre 1886 gab es in Preußen 460( 0,71 Broz.) unbefekte Lehrerstellen; die Zahl stieg bis 1891 auf 875( 1,22 Prog.), 1901 auf 1862( 2,20 Broz.) und hat 1906 die unerhörte Höhe von 3077( 3,05 Broz.) erreicht! Würde die Statistik bis in die Gegen­wart reichen, könnte sie ein weiteres Anwachsen dieser Elendsziffer von 3077 auf rund 3600 konstatieren, denn die Zahl der in preußischen Volksschulen unbesetzten Lehrerstellen hat, wie in­zwischen ermittelt worden ist, namentlich in den letten zwei Jahren eine ganz gewaltige Steigerung erfahren. Doch bleiben wir bei der Statistik von 1906.

Es gibt in Preußen nicht einen einzigen Regierungs­bezirt, in dem alle Stellen besetzt wären. 9 Bezirke weisen einen Mangel von 1 bis 2 Proz. aller Stellen auf, 10 Bezirke 2 bis 3 Proz., 9 Bezirke 3 bis 4 Proz. und 4 Bezirke 4 bis 5 Broz. Am ungünstigsten sind die Zahlen für die Bezirke Oppeln  ( 5,08 Prozent), Frankfurt   a. D.( 5,58 Proz.), Posen( 5,68 Proz.) und Bromberg  ( 6,41 Proz.); der Durchschnitt für ganz Preußen be trägt 3:05 roz.

Anschaulicher wird das Bild, wenn man die direkten Zahlen aufmarschieren läßt. Danach waren unbesett in Potsdam  bon 5728 Stellen( ohne die der technischen Lehrkräfte) 181, in Frankfurt   a. D. 178 von 3192, in Posen 184 von 8239, in Bromberg  126 von 1966, in Breslau   120 bon 4448, in Schleswig   187 bon 4623, in Wiesbaden   121 bon 2779, in Düsseldorf   276 von 8220, in Stöln 106 bon 2976 und in Oppeln   293 bon 5763.

Was wir wollen

Beachtenswertes zur Landtagswah!!

Landtagswähler, seht Euren letzten Steuerzettel an!

Weshalb müssen Arbeiter und kleine Beamte jetzt viel mehr Steuern zahlen? Weil die Liberalen" einem Gesetz zu­gestimmt haben, das die Unternehmer zu Vormündern ihrer

Die Sozialdemokratie will das allgemeine, gleiche, ge- Arbeiter und Angestellten macht und sie zwingt, deren Löhne heime, direkte Wahlrecht so- der Steuerbehörde auf Heller und Pfennig anzugeben, auch wohl zum Landtag als auch den Lohn, der durch Ueberzeitarbeit und Sonntagsarbeit er­für die Wahl der Gemeinde- reicht worden ist. Aber für Leute, die über 3000 m. ber­vertretungen. dienen, besteht solcher Zwang nicht. Das ist libera!.

Die Sozialdemokratte will Einführung des Einkammer- Politik! systems, also Beseitigung des Herrenhauses mit seinen ge­boreuen und willkürlich er nannten Gesetzgebern".

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Die Sozialdemokratie will Trennung der Kirche vom Staat.

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Freifinnige gegen demokratische Wahlreform. ,, Daß die allgmeine, gleiche, geheime und direkte Wahl das Bild der Vollkommenheit darbietet, behaupten auch ihre Anhänger nicht."

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Die Sozialdemokratie will die Beseitigung der noch be­Abg. Pachnide in seiner Broschüre Liberalismus und Kulturpolitif". stehenden und die freie In der Wahlrechtsfrage stehen uns die National­Entwickelung des Staates hemmenden Borrechte der liberalen am nächsten." Adelskafte. Abg. Kopsch im Freifinnigen Verein in Gr. Lichterfelde am 7. 10. 07. Der frühere freisinnige Landtagsabgeordnete Dr. Krieger sprach sich in einem Artikel in der Bolts- Zeitung" für Ein­Die Sozialdemokratie will unentgeltlichkeit des Schulführung des Reichstagswahlrechts in Preußen. unterrichts und der Lehr- aus. Darauf schrieb die Freisinnige Beitung": mittel. Die Kosten hat der ,, Daß Herr Dr. Krieger mit der Freisiunigen Volkspartei Staat zu tragen. Für den nicht mehr übereinstimmt, hat er ja durch seinen Austritt aus der Partei öffentlich doku­Besuch höherer Schulen sollen mentiert." nur die geistigen Fähigkeiten der Kinder maßgebend sein. Der Freifinn als Schuhgarde der Brotwucherer. Verpflichtung des Staates, ,, Die Grundlage der Bülowschen Majorität bedürftige Schulkinder zu ist erstens ein Eintreten für die Militärforderungen der speisen. Beseitigung der Regierung und zweitens ein Ruhenlassen der Zollfragen geistlichen Schulaufsicht. bis auf weiteres. Jn beiden Dingen liegen wichtige und schwere Bugeständnisse des Liberalismus... Die on­Die Sozialdemokratie will Uebernahme der Armenlaften fervativen gewinnen demnach im Block Bülows ohne

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auf den Staat.

alle besonderen Anstrengungen eine größere Die Sozialdemokratie will Beseitigung der jede kultu  - Sicherung ihres Raubes vom Dezember 1902, während der relle Entwickelung hemmens Liberalismus eben dadurch einen Zeil seines Pre­den Gutsbezirke, die fich gramms einstweilen außer Betrieb sett, was ihm von vielen jetzt von einem Beitrag zu seiner Wähler sehr verdacht wird. Man beachte beispiels­den Armenlasten drücken. weise, wie vorsichtig und gelinde auf den frei. finnigen Partettagen der letzten Zeit der 8011­tampf geführt wurde!"

Die Sozialdemokratie will Ausbau der Fabrikinspektion. Heranziehung von Arbeitern zur Kontrolle der Betriebe.

Die große Zahl der unbesetzten Stellen berteilt sich nun aber nicht gleichmäßig auf Stadt und Land. Nein, das Land leidet am schwersten darunter. Von 3077 überhaupt unbesetzten Lehrerstellen entfielen allein 2159 auf das Land und von diesen wieder 1658 auf Landgemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern. So hatte das platte Land im Bezirk Frankfurt   a. O. 133 von 178, Wiesbaden   94 von 121, Posen 157 von 184 und Broms berg 93 von 126 unbesezten Stellen aufzuweisen. Aehnlich sah es in den Bezirken Osnabrück  ( 38 von 46 auf das platte Land), Minden  ( 34 bon 61), Erfurt  ( 30 von 58), Schleswig  ( 96 bon 187), Oppeln  ( 170 von 293) u. a. aus. Dabei sind alle diese Bahlen durch. schnittliche Angaben, die ein völlig gutreffendes o sino Bild nicht entfernt vermitteln. Erst die für einzelne Kreise festgestellten Zahlen lassen den Schuljammer des platten Landes in seiner beispiellosen Größe ungefähr erkennen. So erhält die amtliche Statistit nach der Bäd. 8tg." u. a. folgende Notstandsnachweise: 1. Brandenburg  . Streis Luckau Landsberg  

( Land) 118 Stellen, nicht besetzt 16

158

16

Königsberg  

148

15

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"

Friedeberg

Dit- Sternberg

101 91

14

"

"

9

2. Bosen.

Kreis Jarotschin  ( Land) 100 Stellen, nicht besetzt 18

Kempen  

76

10

8

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"

Schroda

79

9

"

"

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Schrimm Koschmin

90

10

"

"

58

6

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Pleschen Bomst Czarnitau Schubin

72

8

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"

148

13

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93

13

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"

105

10

"

"

"

Mogilno

89

10

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8. Shlesien.

Kreis Rybnit

Rosel

188

18

"

"

Toft- Gleiwitz  

189

24

"

"

"

Groß- Strehlit

178

12

"

"

"

( Land) 278 Stellen, nicht besetzt 29

4. Hessen   Nassau.

Streis Oberwestervald( Band) 88 Stellen, nicht besetzt 15

Oberlahnkreis

Limburg  

Unter- Taunus

Ufingen

103

10

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112

14

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102

9

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69

7

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Im Zusammenhange mit diesen grauenhaften Tatsachen muß inan noch in Betracht ziehen, daß eine große Zahl der besetzten" Stellen durch alte Schulinvaliden, verpfuschte Theologen, unfertige Seminaristen und andere mehr oder weniger untaugliche Lehrkräfte berwaltet wird, daß 14 Millionen Kinder in überfüllten Klassen fißen, daß mehr als ein Drittel aller preußischen Volksschulen nur ein oder zweitlasfig, also von äußerst minderwertiger Leistungs­fähigkeit sind, daß die Ausbildung der Behrer in den lezten Jahrgängen so gut wie alles zu wünschen übrig ließ( auch Schwachsinnige" tönnen Lehrer werden, wie ein Geist­licher im Zehdenicker   Ang." schrieb) und daß der hauptsächlichste Unterrichtsstoff in religiösem Gedächtnistram besteht! Dann erst erhält man einen ungefähren Totaleinbrud bon der himmelschreienden Schulberrottung und Schulmisere im Junter­ftaat Preußen, der in der Welt boran" marschiert!

Der Proletarier fann seinen Kindern nicht Geld und Gold mit auf den Lebensweg geben, kann ihnen nicht durch die Hilfe von Gönnern   und Protektoren den Daseinskampf erleichtern helfen.

Aber ein wenig Bildung und ein wenig Freiheit kann er ihnen schaffen helfen. Ja, es ist seine heilige Pflicht, um diese Stulturschätze für sich und seine Nachkommen zu ringen und zu fämpfen.

Abg. Naumann in der Hilfe".

Wozu der Lärm?

Die Sozialdemokratie will eine stärkere Progression der Einkommenftener für hohe Die Absicht der Arbeiterschaft, fünftig diejenigen Geschäftsleute Einkommen. Ermäßigung der bei ihren Einkäufen zu bevorzugen, die sich bei der Landtagswahl Einkommensteuer für Ein als wirkliche Anhänger der Demokratie beweisen werden, hat in der kommen unter 3000 M. bürgerlichen Bresse aller Richtungen ein Unmaß heuchlerischer Eut­Ge herrscht nur cine Meinung Beseitigung der im Staate rüstung hervorgerufen. und in den Gemeinden noch be- darüber, daß jeder Boykott zu politischen Zwecken ein durchaus ver­werstiches, unter allen Umständen zu berurteilendes Stampfmittel stehenden indirekten Steuern. fei. Demnach müßte der Boykott eine Erscheinung sein, die in Die Sozialdemokratie will Berbesserung der Bolks bürgerlichen Streifen felten oder nie zutage träte. gesundheitspflege durch Ver- Daß das durchaus nicht der Fall ist, weiß jeder, der nicht völlig tveltfremd ist. Man kann vielmehr ruhig behaupten, daß in staatlichung des gesamten unferem öffentlichen, wirtschaftlichen und ge­Medizinalwesens einschließ- sellschaftlichen Leben der Boykott eine alltägliche Er­scheinung ist, daß er als etwas selbstverständliches gilt! lich der Apotheken. Allen boran geht freilich mit gutem Beispiel der Bater Die Sozialdemokratte will Einschränkung der Gefängnista at. Und doch müßte, wenn der Boykott so unmoralisch ist, arbeit. Verivendung der Ge- der Staat, der doch über dem Parteigetriebe stehen soll, am fangenen zu staatlichen Me- allerwenigsten zu solch einem Mittel greifen. In welc) liorationsarbeiten. umfangreichem Maße macht er aber davon Gebrauch! Ind Die Sozialdemokratie will Aufbefferung der Löhne und bar begnügt er sich nicht damit, den ihm direkt unterstellten die Bewegungsfreiheit zu unterbinden, nein, 100 er RIC Gehälter der Arbeiter, An- irgend wie an die Anhänger ihm mißliebiger politischer, religiöser heran gestellten und unteren Be- oder wirtschaftlicher Richtungen famt, versucht amten in den Staatsbetrieben. fie auf alle mögliche Art zu schädigen und zu unterdrücken. Die Bahnspediteure sollen teine organisierten Roll­( Eisenbahn, Forstverwaltung tutscher beschäftigen, Beitungen und Beitschriften, Bergwerke, Hütten und Sa- deren Richtung ihm nicht paßt, dürfen nicht auf den Bahn­linen.) höfen bertaufi werden; Konsumbereine, Turn­Die Sozialdemokratte will Ausbau und Förderung des bereine, die zum Teil aus Sozialdemokraten bestehen, werden Eisenbahnwesens. Ber­Und wie der Staat, so machen es die verschiedenen bürgerlichen billigung der Fahrpreise in Gesellschaftsschichten. Wie die Dffigierstreise mit den den beiden unteren Wagen- Mitteln gesellschaftlicher Acchtung und wirtschaftlichen Boykotts Klaffen, event. Einführung arbeiten, ist oft genug an die Deffentlichkeit gedrungen. Auf dem Lande und in fleinen Städten, wo Gutsbefizer und Beamte des Zonentarifs. tonangebend sind, dürfen wirtschaftlich irgendwie abhängige Leute fic) nicht im Traume einfallen laffen, eine eigene Meinung zu zeigen. Bergwerksdirettoren haben vor Gericht erklärt, sie würden es sich nie nehmen lassen, politisch anrüchige Arbeiter zu maß regeln! Daß die erste das Kampfmittel des Boykotts zu schäzen wissen, haben sie in ihren Kämpfen gegen die Krankenkassen bewiesen. Zahlreiche Synditate, Sartelle uft. fommen mitt durch energische Boykottandrohungen zustande. Aber nicht nur das Großtapital, sondern auch mittelstandstreise arbeiten fleißig

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Die Sozialdemokratie will Straßen, Brücken- n. Waffer: bauten durch den Staat.

Die Sozialdemokratie will Aufhebung der Gefinde- Ord­

nung.

Die Sozialdemokratie will das Koalitionsrecht auch für die Arbeiter und Angestellten

des Staates.

schikaniert und boykottiert!

mit solchen Mitteln!

Welcher Mittel sich unsere Bürgerlichen bedienen, selbst Die Sozialdemokratie will freiheitliche und zeitgemäße wenn sie unter sich sind, lehrt ein Hinweis auf die vor nicht Revision und Umgestaltung allzu langer Zeit in Berlin   stattgefundenen Seir chenwahlen, an der preußischen Berggesetze denen unsere Partei bekanntlich unbeteiligt ist. unbeschadet ihres Verlangens nach einem Reichsberggesetz. in Die Sozialdemokratie will Vermeidung aller überflüffi­gen Ausgaben, wie sie der preußische Junkerstaat zu ve präsentativen Zwecken macht.

Darum fort mit der preußischen Schulschmach! Nicber mit Die Sozialdemokratie will Heranziehung von Arbeitern

ben bildungs- und kulturfeindlichen Parteien! Weg mit dem Drei­Klaffenwahlrecht der Junker und Junkergenossen! Her mit dem all­gemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht für Preußen! Nur der Kampf ums Wahlrecht kann der einzig erfolgreiche Kampf um eine bessere Schule sein!

Väter und Mütter, wenn Euch Eure Kinder lieb find, Helft die Reaktion zertrümmern und der Wahlrechtsforderung der Sozialdemokratie den Sieg bereiten!

alsSchöffen und Geschworene. Bezahlung von Diäten für diese Funktionen.

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Anläßlich dieser Wahlen schrieb die Stational 8eitung". einem Th. K. gezeichneten Leitartite I am 16. November 1906: Es ist selbstverständlich, daß auch sonst jeder erlaubte Zwang ausgeübt wird, um Stimmen für die eigene Richtung einzufangen. Ich hörte die schöne Wendung im Wahlbureau: Also endlich hat mein Schlächter gewählt, das ist sein Glück; ich habe dem Kerl noch heute morgen gefagt, daß wir nichts mehr von ihm nehmen, wenn er nicht für uns stimmt. Ein anderer hat dieselbe Drohung feinem Friseur zugedonnert, der für ihn den feierlichen Gang schön machte. Bielleicht sogar dem Zahnarzt, dem Schuster, dem Möbel­tischler

Natürlich ist das kein Terrorismus, allerdings mur, weil cs Staatserhaltende" waren, die in dieser Weise agitierten!

Aber freilich, in allen diesen Fällen handelt es sich um be sigende Schichten. Unterfangen sich jedoch Arbeiter, ihren wirtschaftlichen Einfluß geltend zu machen, so hört einfach die Welt­aefchichte auf. Das wäre ia noch schöner! Die Arbeiter bilden sich