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Nach Schluß dieser Tislussion und der Abstimmung über die Anträge zum Punkte Grenzstreitigkeiten, erhielt Molken- buhr das Wort. Eine Bewegung ging durch den Saal als er bc- gann. Die Delegierten berlicßen zum Teil ihre Plätze und nahmen Aufstellung unweit des Rednerpultes, einige von ihnen benutzten die Stufen zur Journalistentribüne als Sitzgelegenheit, die schon wegen der engen Raumverhältnisse nicht sehr leichte Tätigkeit der Journalisten noch stärker erschwerend. Aber man vertrug sich aus- gezeichnet, und so hörte man mit gespannter Aufmerksamkeit die Ausführungen des alten Kämpen an, der erst eine interessante Geschichte der sozialen Gesetzgebung in Deutsch  - land gab, und schließlich mit der Aufforderung schloß, die Ar- beiterschaft möge durch immerwährendes Andrängen zur Wahrheit machen, was man jetzt nur als reklamehaftes Aushängeschild gc° brauche, daß nämlich die deutsche soziale Gesetzgebung etwas wirk- lich für die Arbeiterschaft Nützliches werde. Tosender Beifall im Saale und auf der Tribüne lohnte den Redner. Sie Kliitheirlchast des Schahs. In Teheran   dauert die Schreckensherrschaft fort. Häuser, die mißliebigen Personen gehören, werden b o m- bordiert und geplündert. Die Plünderungen haben großen Umfang angenommen, die Soldateska ist völlig zügel- los. Als Mittwoch aus einem Hause eine Bombe geworfen wurde, die einen Kosaken tötete, wurde das Haus aus nächster Nähe niederkartätscht. Viele suchen. sich unter den Schutz der fremden Gesandtschaften zu fluchten. Während aber die fran- zösische und englische Gesandschaft die Flüchtigen ausnimmt, hat die deutsche, einer Depesche desB. T." zufolge, diesen Schutz verweigert. Muß sich denn Deutschland   immer . und überall als Freund der Volksfeinde bewähren? Zwei nationalistische Führer sind im königlichen Lager gehenkt worden. Um das Schicksal anderer neun Führer einschließlich des Präsidenten des Parlaments hegt man Besorgnis, obwohl der Schah versprochen hat, ihr Leben zu schonen. Truppen überwachen die Zugänge zu der englischen Gesandtschaft und haben Befehl, die F l ü ch t l i n g e niederzuschießen, die dort Schutz suchen wollen. Unter den Hingerichteten befindet sich der Herausgeber der WochenschriftJurulisrafil", unter den Verhafteten der Vizepräsident des Parlaments. Das Parlament selbst wird gänzlich niedergerissen werden. Auf Befehl des Schahs, der drohte, sie sonst bombardieren zu lassen, wurden die Bazare wieder geöffnet. Man erwartet neue Bombardements. Die Europäer sind unbehelligt. Es hat den Anschein, als ob der Schah das russische Betspiel in allen Einzelheiten kopieren wolle. Er hat eine Proklamation erlassen, in der er erklärt, er wolle die Verfassung nicht abschaffen, sondern nur die revolutionären Auswüchse beseitigen. In zwei Monaten sollen Neuwahlen für das Parlament stattfinden. Ein Parlament, gewählt unter der Aufsicht der Soldateska und tagend unter den Mündungen der Kanonen, von dem werden allerdings keineAus- schrcitungen" zu befürchten sein. Während so in Teheran   der Schah sein Schreckens- regiment etabliert hat, scheint es in der Provinz zu revolutionären Erhebungen gekommen zu sein, deren Ausgang noch ungewiß ist. Aus Täbris   wird vom 24. Juni telegraphiert: Seit dem frühen Morgen findet ein Scharmützel zwischen Aufständischen und R e a k- t i o n ä r e n statt. Die Bazare, Bankhäuser und Bureaus sind geschlossen. Der Telephonbetrieb ist unterbrochen. Herrscht im Innern Anarchie, so stehen an der Grenze die Soldaten Rußlands  , die nur den Befehl erwarten, um zur Intervention vorzurücken. Unterdessen beherrscht Rußland   den Schah durch den Anführer der Kosaken  , den russischen Obersten Liakhoff, der bereits zum Militärgouverneur von Teheran  ernannt ist. Von den Sympathien Englands aber haben die Kämpfer für die Verfassung nichts zu erwarten, seitdem Eng- land durch den mittelasiatischen Vertrag Rußlands   Verbündeter geworden und das Reutersche Bureau meldet bereits, Rußland  und England hätten den Beteiligten bekannt gegeben, sie dürften nicht auf irgend welche Unterstützung bei den Versuchen rechnen, die gegenwärtige Dynastie Persiens   zu stürzen oder auf die Volksvertretung in Teheran   einzuwirken. . Täbris  , 25. Juni. Zwischen den Parteien wurde heute nacht bis zun« Morgengrauen gekämpft. Die Reaktionäre be- hielten die Oberhand. Die Verluste beider Parteien betrugen gegen 100 Tote und Verwundete. Jetzt werden Friedens- Verhandlungen geführt. Der Generalgouverneur Muckber-es- Saltaueh verläßt TäbriS   und begibt sich nach Europa  . Paris  , 25. Juni.G a u l o i S" veröffentlicht eine Ueberfetzung deS Aufrufs, den der Schah von Perfien an seine Untertanen gerichtet hat.Perfien," so sagt er,ist ein konstitutionelles Land, wie ich eS wiederholt erklärt und wie ich es allen Nationen der Welt angezeigt habe. Wenn die Ruhe wiederhergestellt und die Nr- Heber der Unruhen ihre Strafe erhalten haben werden, können die Mit- glieder des Parlaments in voller Sicherheit ihre Sitze wieder einnehmen und ihre Aufgaben zu Ende führen. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um das Staatsregime aufrecht zu erhalten und alle wünschenswerten Refornien einzuführen, aber ich wiederhole, daß alle diejenigen, welche die jetzige Ordnung untergraben wollen, streng bestraft werden." Der Schah spricht zum Schluß die Hoffnung aus, daß alle guten Perser ihn verstehen und jeder seine Pflicht tun werde. politiscbe(leberlickt. Berlin  , den 25. Juni 1908. Keine ausreichenden Gründe. Genosse Karl Liebknecht  , der Abgeordnete für den lt. Berliner   Landtagswahlbezirk, hatte bei der Oberreichsanwalt- schaft den Antrag gestellt, ihn für die Landtagseröffnung, die morgen, am 26. Juni, stattfindet, Urlaub zu gewähren. DaS Urlaubsgesuch wurde dem Genossen Liebknecht   a b g e l e h n t mit der Motivierung, daßausreichende Gründe für eine Unterbrechung der Strafvollstreckung nicht vorliegen". Die telegraphische Antwort des Oberreichsanwalts, die an die K o m m a n d a n t u r gerichtet war, hatte folgenden Wortlaut: Gesuch des Festungsgefangenen Rechtsanwalt Liebknecht, ihn für die Zeit vom. bis 28. dieses Monats zu beurlauben, wird abgelehnt, da ausreichende Gründe für eine Unterbrechung der Strafvollstreckung nicht vorliegen. Ich bitte dies dem Lieb- knecht zu eröffnen. OberreichZanwalt Zweigert." Daß der OberreichZanwalt der Auffassung ist, daß die Absicht deS Genossen Liebknecht, seine Pflichten als Abgeordneter auSzu- üben, einen ausreichenden Grund für die Unterbrechung der Festungs- Haft nicht darstellt, mag allerdings den Auffassungen entsprechen. die hohe preußische Justizbehörden von den Ab- geordnetenpslichten hegen. Originell ist dagegen die eigenartige Stilisierung des oberreichZanwaltlichen Telegramms. Die Fassung:Ich bitte, dies dem Liebknecht zu eröffnen" läßt sich nicht einmal durch übertriebene Sparsamkeitsrücksichten erklären, denn das WortHerrn" würde genau dieselben fünf Reichspfennige ge- kostet haben wie daZ Wortdem". Der Oberreichsanwalt Zweigert fühlte aber offenbar das Bedürfnis, zu beweisen, daß er den Knigge nicht gelesen hat!__ Wahlprotest in Moabit  . Wie bürgerliche Blätter mitteilen, wollen nicht nur die Freisinnigen, sondern auch die Konservativen gegen die Wahl des Genossen Hoffmann im 12. Berliner  Landtagswahlkreise Protest einlegen. Die Mordgeschichten, die dieFreisinnige Zeitung" und die..Vossische Zeitung" über die Gründe des zu erhebenden Wahl- Protestes erzählten, haben wir gestern bereits erledigt. Wir erklärten ruhig, daß diese Terrorismusgeschichten erst einmal bewiesen werden müßten. Und nach unseren Informationen sind wir in der Lage, den Beweisen für die freisinnigen Fabeleien mit großer Gelassenheit entgegenzusehen. Das Berliner   Wahlbureau betrachtet denn auch die Angelegenheit erheblich kühler, als die wegen ihrer Niederlage begreiflicherweise erregten Herren Freisinnigen. Es hat einem Mitarbeiter desBerliner Tageblatt" folgende Mit- teilungen gemacht: Noch ist uns von den Protesten amtlich nichts be- kannt geworden, wiewohl solche mit aller Bestimmtheit schon aus dem Grunde zu erwarten sind, weil der Sieg nur mit so geringer Mehrheit erfochten wurde. Dieser Umstand kann natür- lich in Verbindung mit gewissen Unregelmäßigkeiten, wie sie bei jeder Massenwahlarbeit leickit einmal vorkommen können und in Ver- bindung mit den Wahlpraktiken einzelner Parteien zur Anfechtung und möglicherweise auch zur Kassierung der Wahl führen. Der Protest gehört verfassungsgemäß vor das Haus der Ab- geordneten beziehungsweise dessen Wahlprüfungskommission, und er muß bis spätestens eine Woche nach Wiederzusammentritt des Hauses schriftlich eingereicht sein. Die Anfechtungsgründe müssen in genau substantiierten Tatsachen bestehen und bestimmte Einzelvorgänge, wie mangelhafte Be- setzung des WahlbureanS, direkte Bedrohung eines Kaufmannes mtt Boykott, Verhinderung bestimmter Personen an der Wahl durch List oder Gewalt. Das von den Zeitungen erwähnte Ankleben von Verrufsplakaten mit allgemeinen Aufforderungen a n d i e Wähler hält man an der von uns befragten Stelle nicht für einen ausschlaggebenden Protestgrund. Wohl aber sind gerade diesnial schon bei den Urwahlen von einer großen Anzahl von Wahlvor st ehern heil- lose Konfusionen angerichtet und infolgedessen Stich- und Ersatzwahlen in verschiedenen Fällen nicht vorgenommen worden, wo das hätte geschehen müssen. Bei der Kürze der Zeit war es ein Ding der Unmöglichkeit, in sämtlichen Fällen noch einzugreifen, so eifrig auch alle Teile bestrebt waren, dem komplizierten Wahlreglement nach Möglichkeit Rechnung zu tragen." Es müssen also auch nach Ansicht des Magistratsbureaus genau substantiierte Tatsachen und bestimmte Einzelvorgänge erwiesen werden l Das Magistrats- bureau läßt aber schließlich durchblicken, daß die Protestgründe schließlich nicht in dem sozialdemokratischen Terrorismus, sondern in derheillosen Konfusion" der vom Magistrat ernannten blockparteilichen Wahl- Vorsteher zu finden sein können! Diese heillosen Kon- fusionen sollen auf die Kürze der Zeit zurückzuführen sein. Wir glauben, daß nicht die Kürze der Zeit, sondern unverzeih- liche Bummeleien der blockparteilichen Wahl- v o r st e h e r die heillosen Konfusionen angerichtet haben. Es wäre aber wirklich reizend, wenn die Wählerschaft die durch die Unfähigkeit und Konfusion der blockpartei- ltchen Wahlvorsteher verursachten Sünden ausbaden sollte! Man brauchte da nur möglich st unfähige Per- sonen zu Wahlvorstehern zu machen, um jede Wahl un- gültig machen zu können! Im LandtagSwahlkrcis Berlin XII sollte zu der kleinen Gruppe konservativer Wahlmänner, die keine Lust hatten, in der Stichwahl für den Freistnnskandidaten zu stimmen, auch der W a h l m a n n Rechtsanwalt Ulrich gehört haben, derselbe Ulrich, der in der Hauptwahl der Durchfallskandidat der Konservativen gewesen war. In Nr. U5 teilten wir mit. Herr Ulrich habe am Tage der Stichwahl vor dem WahllokalBrauerei Patzenhofer" dem Treiben im Garten zugeschaut, sei dann aber davon gegangen, ohne seine Stimme abgegeben zu haben. Diese Angabe war uns gemacht worden von Genossen, die den Tag über im Garten verweilt hatten und Herrn Ulrich genau zu kennen ver- sicherten. Jetzt stellt fich heraus, daß unsere Gewährspersonen Herrn Ulrich verwechselt haben mit einem anderen Herrn, der dieselbe Falstaff-Figur wie Herr Ulrich hatte. Feststeht, daß Herr Ulrich an der Stichwahl nicht teilgenommen hat. Bürgerliche Blätter melden aber, er sei am Stichwahltage gar nicht in Berlin   gewesen. DieFreisinnige Zeitung" will wissen. Herr Ulrich habe sein Ausbleiben entschuldigt mit Berufs- g e s ch ä f t e n, durch die er von Berlin   ferngehalten werde, er habe aber hinzugefügt, daß er anderenfalls unbedingt für den Freisinns- kandidaten eintreten würde. DieVossische Zeitung" erzählt. Herr Ulrich habe auf Reisen gehen müssen, weil er durch dieAus- regungen des Wahlkampses körperlich sehr her- untergekommen war und der sofortigen Erholung be- durfte; er habe das selber angegeben in einem bedauernden Briefe, den er vor der Abreise an seinen Gegenkandidaten schrieb. Wenn eS wahr ist, daß Herr Ulrich ausdrücklich bedauert hat, an der Betätigung seiner blockbrüderlichen Gefühle verhindert zu fein, so stehen wir nicht an, ihni hier zu bescheinigen, daß wir ihn falsch taxiert hatten. ES ist übrigens noch ein Glück für ihn, daß nicht er in die Sttchwahl ge­langt war. Der durch Berufsgeschäfte verhinderte oder durch Auf- regungen körperlich heruntergekommene und zu schleuniger Abreise genötigte konservative Wahlmann Ulrich hätte sonst, bedauernd und bedauernswert, den konservativen Durchfallskandidaten Ulrich hilflos im Stich lassen müssen._ Wahlnachklänge. Die nationalliberalen Herrschaften im rheinisch« westfälschen Industriegebiete scheint die Dezimierung ihrer dorttgen Dreiklaffen- hausmanoate bös verschnupft zu haben, so daß sie fich neben den vielfach inszenierten Maßregelungen nun auch noch den Luxus von Wahlprotesten gestatten wollen. Und zwar ist es neben Dort- mund-Land das Reich der Jndustriekönige Thyssen und Stinnes, der neue Wahlkreis Mülheim-Oberhausen, in dem der Liebe Müh' vergeblich war trotz aller Kraftanstrengungen. Um denWahl- Protest" zu begründen, stützt man sich auf einen Majoritätsbeschluß der Zentrurnswahlmänner, die, entgegen der Ansicht des Wahl- kommissarS, in Gemeinschaft mit sozialdemokratischen Wahlmännern einen Antrag auf Ungültigkeitserklärung von etwa einem Dutzend Wahlmännerwahlen zu Fall brachten, obwohl nach Ansicht der nationalliberalen Leitung formale Verstöße vorgekommen sein sollen. Das Gelungenste an diesem dem Wortlaut nach bereits öffentlich bekannt gegebenen Proteste ist, daß die angeblich formalen Verstöße gegen die Wahlvorschristen von national liberalen� Wahl- leitungen geschehen sein socken, während die beantragten Un« gültigkeitserklärungen nur Oppositions Wahlmänner ge- troffen haben würden! Der Protest wird natürlich im Sande verlaufen, aber was ihn besonders charakterisiert, das ist der Um- stand, daß man gerade in diesem Wahlkreise nationalliberalerseiic- eine ganz beispiellose Agitation entfaltet hat und speziell bei der Stichwahl selbst vor Bestechungsversuchen nicht zurück- geschreckt ist. Davon sagt aber auffallenderweise der Wahlprokst nichts! Als dieNi e d e r r h e i n i s ch e A r b e i t e r- Z e i tun g" nach der Wahl dem Scharfmachertum seine wüste Agitation unter die Nase rieb und dabei auch die Bestechungsversuche mit Bier. Wein, Zigarren und Geld erwähnte, da zeterte dieRhein- und Ruhrzeitung", das in Duisburg   erscheinende nationallibcrale Organ. überVerleumdung und böswillige Ver- dächtigung" und forderte die Nennung von Namen. Unsere Duisburger   Genossen sahen sich durch die Provolation dc-5 genannten nationalliberalen Organs imn zu folgenden Angaben veranlaßt: ... Aus Rücksicht auf die Personen haben wir keine Namen genannt, aber da das Sprachrohr der National- liberalen unseres Wahlkreises so frechdachsig den Tugendbold herauskehrt, so sind wir es uns selbst schuldig, wenigstens einige Namen zu nennen. Wir nennen z. B. nach Angabe unserer Mülheimer   Gewährsmänner als solche, die da wohl ge- glaubt haben mögen, mit Bier, Zigarren oder Geld könne man alles machen, auch unter Umständen einem Kommerzienrat in den Landtag verhelfen, den Kaufmann Otto Kocks und den Kolonialwarenhändler Herrn. Falken- burg, beide in Mülheim  . Diese versuchten es mir Bier und 1V Pt.-Zigarren. Der nationalliberale Wahlmann Albert Kuß aus dem 44. Wahlbezirk(Speldorf) trat kurz nach dem ersten Wahlgange an den Tisch, wo unsere Wahlmänner saßen, stellte sich dem sozialdemolratischen Wahlmann F. vor und begann mit demselben ein Gespräch und lud ihn zu einem Glase Bier ein. Auf dem Wege zum Büfett gesellte sich dann so ganzzufällig" einbesserer Herr" zu ihnen, und nun bot Kuß unserem Wahi- mann F. 100 Mark an, wenn er dafür sorge, daß sechs Wahlmänner von uns zur nationalliberalen Partei herüberkämen. Weiter wurden dem Wahlmapn I. K. von einem älteren Herrn(wünscht die Wassertank auch diesen Namen zu wissen?) Anerbietangen gemacht in der Hinsicht, daß es. auf den Preis überhaupt nicht an- komme", wenn er noch sechs Wahlmänner mit herüberziehe. Einem anderen Wahlmann wurden vor Beginn der Stichwahl in der Wirtschaft Seuthe, die in der Nähe des Wahllokals liegt. E>00 Mark angeboten, wenn dafür gesorgt werde, daß Küchen durchkomme. Und zwar diente hier als Mittelsmann ein Maschinen- bauer der königlichen Eisenbahnwerkstätte in Broich! Will das nationalliberale Reichsverbandsblatt noch einige Proben haben? Wir stehen zu Diensten." Merkwürdig, hiervon erwähnt der nationalliberale Wahl- Protest nichts. Hoffentlich sendet man ihn aber nichtsdestoweniger doch ab._ Disziplinlosigkeiten bei der Stichwahl. Man schreibt uns aus dem Parteibureau: In Nr. 145 desVorwärts" wurde unzweideutig klargestellt, daß das Eintreten eines Teils der Liegnitzer Wahlmänner fiir den konservativen Gegenkandidaten Fischbecks gegen den Willen des Berliner   Zentralwahlkomitees erfolgt ist. Das Zentral- Wahlkomitee erhielt erst nach der Wahl von den Liegnitzer Vorgängen Kenntnis und rügte sie entschieden. Zu dieser offiziellen Erklärung wagt dieFreis. Ztg." zu schreiben: Wir haben niemals geglaubt, daß das Verhalten der Lieg  - nitzcr sozialdemokratischen Wahlmänner auf einen offiziellen Ans- trag der sozialdemokratischen Parteileitung zurückzuführen sei. Es gibt auch andere Wege, auf denen das gleiche Ziel erreicht werden kann. Die sozialdeniokrattschen Parteifunktionäre haben sich ja auch in Liegnitz   selbst von der Wahl ferngehalten. Alle übrigen sozialdemokratischen Wahlmänner waren aber zur Stelle. Wer nur eine Ahnung hat von der sozialdemokratischen Organi- sation, dem wird niemand einreden, daß die übrigen Liegnitzer Wahlmänner   aus freier Entschließung zu ihrem Verhalten ge- kommen seien. Ein energisches Dazwischentreten der Herren Funktionäre hätte ohne weiteres zur Folge gehabt, daß die in Frage kommenden sozialdemokratischen Wahlmänner samt und sonders von der Wahl fern geblieben wären. Die Erklärung aus dem sozialdemokratischen Parteibureau ist eine Gaukelei. Wer an die Wahrheit ihres sachlichen Inhalts glaubt, zahlt einen Taler." Gibt es wirklich noch Parteigenossen, die uns zumuten. mit solchem Lumpengesindel zu paktieren? Christliche Arbeiter über die Zentrumspartei  . Die Stadtverordnetenversammlung in Aachen   hat den An- trag deS sozialdemokratischen Vereins, den Gemeindewahlzensus von 6 auf 4 Mark herabzusetzen, abgelehnt. Unter den Stadtverordneten. die dagegen stimmten, befanden sich zweiZentrumSleuto, ein ZentrumSmann enthielt sich der Abstimmung, fünf Ultramontane waren der Sitzung ferngeblieben. Der Antrag fiel mit 17 gegen 15 Stimmen.. Da Aachen   eine Ultra- montane Rathausmehrheit hat, so ist dem Zentrum zu danken, daß der Antrag abgelehnt wurde! Am Dienstag abend beschäftigte eine Sitzung der Vertrauensleute und Vorstände der christlichen Arbeiterorganisationen sich mit den, Verhalten der Zentrnms-Stadtverordneten, die bei dieser Gelegen- heit ihre Arbeiterfeindlichkeit bekundet hatten. Der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung, so führte der Hauptredner des Abends aus, habe nicht nur in der Aachener Arbeiterschaft, sondern weit über die Grenzen der Stadt hinaus berechtigtes Aufsehen er- regt. Die Stadtverordnetenmehrheit habe durch diesen Beschluß be- kündet, daß sie nicht willens sei, die Forderungen des ArbriterstandiS zu erfüllen. Der Redner schloß: Wir-denken natürlich nicht daran, die Fahne des Zentrums zu verlassen(!), aber es kann nicht ausbleiben, daß uns unsere Mitarbeit in der Partei verleidet wird. Die christliche Arbeiter- schaft würde mit viel mehr Feuer und Energie für die Partei eintreten, wenn sie überzeugt fein könnten, daß man auch Ver- ständnis für soziale Angelegenheiten habe, anstatt daß sie, wie es jetzt geschehen ist, fich von der eigenen Partei Ohrfeigen verscycu lassen muß. Nach der Aussprache eines Geistlichen muß man sich heute schäme», Mitglied der ZeuttumSpartei in Aachen  zu sein." Die Rede wurde allseitig mit lebhaftem Beifall aufgenommen. In der DiSskufion warnte ein Redner die Arbeiterschaft davor, sich alS Stimmvieh mißbrauchen zu lassen; sie möge einen eisernen Besen nehmen und damit Wandel schaffen; hoffentlich werde bald das Reichstagswahlrecht auch auf die Ge- meinden ausgedehnt. In seinem Schlußwort gab der Re- ferent seiner Befriedigung Ausdruck, daß die Aachener Arbeiterschaft zum ersten Male gewagt habe, offen ihre Meinung zu äußern; mau müsse verhindern, daß d e r A r b e i t e r a l S Stimmvieh ge« braucht werde. ES spricht nicht zugunsten der katholischen Arbeiterschaft Aachens  , daß sie nach eigenem Bekenntnis heute erst wagt, einmal offen ihre Meinung zu sagen, trotzdem dazu in den langen Jahr- zehnten der Zentrumsherrschaft tausendfach Grund und An- laß gewesen wäre. Es scheint aber, daß die christlichen Ar- beiter der stammen Stadt noch mancheOhrfeigen von der eigenen Partei" erhalten müssen, ehe sie einsehen lernen, daß sie als Arbeiter nichts zu tun haben in einer Partei, dle sie nur als Stimmvieh