Veranlassung, auf Me im„Hilfe'-Verlag erschienene Schrift»DieReaktion in der inneren Verwaltung Preußens"'vom Bürgermeister X. g). in Z. hinzuweisen�Besonders verbitternd wirkte der Nachweis, daß die über-wiegende Mehrzahl unserer Ober- und Regierungspräsidenten, Land-rate usw. adlig sind und daß unbedingte Voraussetzung fürdie höhere staatsdienstliche Karriere der Nachweis sei, daß man einemfeudalen Korps angehört, somit streng konservativ ist. DerArtikel hatte aber auch einen anderen interessanten Erfolg. DieNummer wurde in der Universität sofort verboten vom Rektor,der sich als Anwalt der Junker aufspielte.Die oberen Gewalten befriedigte aber noch nicht das Verbotder Zeitschrift. Die Studenten bekamen ein kleines Sozia-listen-Gefetz zu kosten. Man verbot literarische und Volks-wirtschaftliche Vorträge wie die des Herrn Auguste Corun:„Diesoziale Lyrik in Frankreich" und des Herrn Dr. Levenstein:„Dieindividualistischen Hoffnungen des Arbeiters".Nunmehr raffte sich endlich der Vorstand zu einer schüchternenBitte an den Rektor und Hohen Senat auf, er möge ihnen dochGrundsätze aufstellen, die für Verbote von Vorträgen und Ver-öffentlichungen maßgebend seien. Der Rektor hat nach fünf Wochenerst dem Ausschuß erwidert,„er gebe keine Gründe au".Ferner befahl Se. Magnifizenz, die Mitglieder der FreienStudentenschaft zu notieren und ihm zu Beginn des Semesters dieListen vorzulegen.So geschehen im Jubeljahre der nationalliberal-konservativ-freisinnigen Paarung, ein Gegensatz zu der schönsten Frucht desBlocks: dem Reichsvereinsgesetz. So wurde der Freien Studenten-schaft der GarauS gemacht. Denn der Beschluß deS Rektors kameiner Auflösung gleich. Wer hätte weiter einer Organisation an-gehört. bei der schwarze Listen geführt wurden I Die Mit-glieder waren nicht geneigt, den gewünschten Selbstmord zu begehenund boten einen Kompromiß mr. Das half ihnen aber nichts. Siemußten die Räume, die sie in der Universität feit Jahren innehatten, binnen 48 Stunden räumen; die Anschlagebretterwurden noch am selben Morgen von den Dienstmannen des RektorsStumpf beseitigt.Damit hat die Freie Studentenschaft fak-tisch zu existieren aufgehört. Jetzt ergreift mannun radikalere Abwehrniaßnahnien. Man hofft, daß eine Protest-Versammlung das Verbot rückgängig machen wird. DieseOptimisten werden sich aber gründlich täuschen. Ihre Ver-sammlung wird keinen größeren Eindruck bei den herrschendenKlassen in Preußen machen als die unzähligen weitsichtigeren Arbeiter-Versammlungen. Der einzige Erfolg dürfte sein, daß einige ein-sichtige Elemente den wahren Feind alles Fortschritts in Preußen,die feudal-kapitalistische Reaktion erkennen, gegen die nur eine ein-z i g e Partei imstande ist, mit Energie vorzugehen, daß nur der An-schluß an die Sozialdemokratie Schutz gegen diese KnebelungS-Versuche gewährleistet._Line richterliche IKulturltampfpaufte.Gleichheit vor dem Gesetz und Gewissensfreiheit sind Forderungen,die auch, wenn sie nicht ausdrückliche Anerkennung in der Verfassunggefunden hätten, in jedem Knlturstaat erfüllt werden müßten. Inerster Linie aber sollte der Richter sich ängstlich hüten, seine politischeoder religiöse Ansicht da walten zu lassen, wo er über die Rechteeines Andersdenkenden zu entscheiden hat. Im Gegensatz zu dieserersten Forderung der Gerechtigkeit ist offen und versteckt gegen Gesetzund Recht gegen Sozialdemokraten verfahren. Mag eS sich umStrafsachen handeln oder um zivilrechtliche Streitigkeiten, umLffentlichrechtliche Befugnisse, wie die aus dem Vereins-recht folgenden, um Bestätigung von Gemeindebeamten,um Ernennung von Beamten, ja selbst beim Kindererziehungsrcchte— auf allen Gebieten deS privaten und öffentlichen Rechtes hat dieSozialdemokratie mit einer Fülle von Beispielen aufzuwarten, in denenBürger nur deshalb, weil sie Sozialdemokraten sind, entgegen demGesetz behandelt sind. Wiederholt ist im Reichstag von Sozial-demokraten das Zentrum dahin apostrophiert, gegen guecksilber-flüssige Begriffe in Gesetzen sich zu wenden und dadurch der Möglich-keit der Betätigung der politischen Befangenheit des Richters ent-gegenzuwirken, da auch das Zentrum wieder zu den verfemtenParteien gehören könne. Leider ist dieser Appell keineswegs stetsvom Zentrum beherzigt.Jetzt voröffcntlicht die„Germania" einen— auf Beschwerdehin freilich aufgehobenen— Beschlutz deS Amtsgerichts inLeobschütz vom 3. Juni ISOS. in dem einer G. m. b. H. mitder Firma„Leobschützer Zentrumszeitung. Gesellschaftmit beschränkter Haftung" die Eintragung versagt ist. DaSReichsgesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftungerklärt, daß G. m. b. H.„zu jedem gesetzlich zulässigenZweck" errichtet werden können. Der Richter versagte die Ge-nehmigung, weil der Zweck der neuen Gesellschaft,„Ver-anstaltungen jeder Art" zu treffen, die dazugeeignet sind, im Kreise Leobschütz die katho--tische, politisch auf dem Standpunkt der Zen-trunrs Partei stehende Presse zu fördern"— die„Verkörperung eines gesetzlich unzulässigenZwecks sei".Der kuriose Beschluß wird in längeren, in der„Germania" vomDonnerstag 2'/.j Spalten füllenden Ausführungen„begründet".Schade, daß die Rücksicht auf de» Raum uns die wörtliche Wieder-gäbe dieser richterlichen Arbeit verbietet, die ein köstliches Dokunicntfür die Ftolw bietet, ob richterliche Entscheidungen wissenschaftlicheLeistungen sind und ob ein königlich preußischer Richter unbefangensein kann. Der Beschluß hält dafür, ein Eingehen auf die politische,geschichtliche und soziale Eutwickelung der ZeutrumSpartei sei er-forderlich. Dann wird in nachstehend erheiternder Weise„Geschichte"von der Iphigenie- Sage an wie folgt kulturkämpferisch geklittert:Es mag die Geschichte, wie folgt, selbst sprechen:a) Der uralte Streit zwischen Königsmacht und Priestertum, lvieihn das Protokoll des Reichstags vom 10. März 1873erörtert.Aus der neueren Zeit:b) Der Streit um die gemischten Ehen, die Ehescheidungsgesetz-gebung von 1844. die Stellungnahme deS katholischen Klerus— Droste-Vischering, Ketteler dazu,c) Der Kniebeugungsstreit— lies Weber Weltgeschichte 15' Seite 42 bis 54d) Syllabus vom 8. Dezember 1864§§ 15, 19 ff., 54 ff.,§ 80„si quis dixerit, Eomanus Pontifex potest et debet cumprogressu, cum liberalismo et cum receati oivilitate sesereoonciliare et componere, anatboma sit!"e) Mallinckrodt, Rcichcnsperger, Schorlemer-Alst, katholische Ab-teilung im Ministerium Möhler, Windthorst und seiner Ge-folgschaft; Majunke und die„Germania"; LedochowSly, dervom Papst zum Primas von Polen ernannt wird, sWeberXV. 2. Seite 1096—1116).— Der Polenfreund Schasfranekaus Schlesien, BiSmarck-Erinnerungen II, Seite 123, 127 und133, Kullmann aus Salzwedel und der vom Pfarrer Störmergeleitete Salzwedeler katholische Gesellenverein.— Dr. Jörg.— Blum, Geschichte des Deutschen Reichs Seite 22, 28, 57, 58.5) Bischof KettlerS Vermahnnng gegen die Sedanfeier 1372,s) Veranlassung zum Kanzelparagraphen,h) Enzyklika vom 15. Februar 1875,i) Jesuitengefahr——————k) Dann die neuen, noch außerhalb der geschichtlichen Sachlichkeitkeit stehenden Geschehnisse und Personen.Alles dies ist für den freien Denker Stoffzum Aussieben des Für und Wider und desNiederschlages daraus, mit dem der kleineMenschenwitz der Allmacht gegenüber beimStufcnbau der Weltgeschichte klug tut.Für den preußischen Staat aber sind eSWarnungstafeln, deren Schrift er unverlöschlich erhaltensollte: Bewegungen und Stellungen eines unversöhnlichen, mit-unter latenten Gegners, der taktisch fein gegliedert, strategischmeist geschickt operiert, und wenn es zum Schlagen kommt, aucheinmütig diszipliniert ist. Ein Gegner, demgegenüber der preußischeStaat, wie sein größter König sagt:„toujours en vedetta"bleiben sollte, eingedenk dessen, was am 23. Juli 1177 nach derverlorenen Schlacht von Legnano vor der Markuslircbe in Venedigzwischen Friedrich Barbarossa und dem Papst Alexander III.geschah.Glaubt hiermit der Beschlutzfasser, der auch andere Meinungen,wie die von Johannes Janssen und derer, die ihm folgen, zuwürdigen nicht unterlassen hat, das tbsma probandum: DieUnvereinbarkeit der Anschauungen des Zentrums mit dem Weseneiner, beide Schwerler führenden, protestantischen Monarchie.die keinen Staat im Staate dulden darf, bewiesen zu haben, somöchte er sich doch ausdrücklich dagegen verwahren, daß er Partei-lich gegen den Katholizismus empfindet, der vor dem Gesetz das-selbe Recht hat, wie der Jude und der Evangelische. Der Richterhat sogar ein menschlich wehmütiges Verständnis für den frommenEifer der sanota simplioitas, die gläubig ad majorem veiglomm gutes zu tun meint, da sie zum Scheiterhaufen vonHuß in Gegenwart ihrer Pricsterschaft Reisig zuschleppt!"Der wunderliche Beschluß zitiert ferner eine Acnßerung BiS-marckS aus Hohenlohes Memoiren, betont, daß der Richter— Launheißt er— 88 Jahre im Amte ist. Nach Hinweis auf Bibel-stellen sRömer 12. 10; 13. 1; 7. 1; Petri 2. 17; Matth. 22. 21)wird dargelegt, daß die zu der Gesellschaft mit beschränkter Haftunggehörigen katholischen Geistlichen und mehrere Staatsbeamte ihrePflicht verletzen, wenn sie das beabsichtigte Unternehmen fördern.Verkündet wird im Beschluß, der Bevölkerung gehe die Urteilskraft ab,u prüfen, was wahr ist, ihr wohne vielmehr„noch weit hinaus dieirrige Vorstellung inne. daß was als Druckschriftdie Gewalt der Preßwalze und die Tünche derDruckerschwärze ertragen hat. wahr sein müsse".Die Laien und Nichtbeamten dürften den regierungsabgeneigtenStaatsdienern und Beamten nicht die Mittel gewähren. ihreMeinungen zu verbreiten. Trotz Anerkennung der Mitarbeit deSZentrums durch Bülow im Jahre 1904 sei die ZentrumSpartci„staatsgefährlich". Mithin rechtfertige sich die getroffeneEntscheidung.Zur Abwechselung statt Sozialisteuhetze und Polenkrieg Kultur-kampfpaukerei in gerichtlichen Urteilen: die preußisch. deutsche Justizsteht im Mittelpunkt der Gerechtigkeit— überall gleich weit vonihr entfernt.politiscde üebcrticht.Berlin, den 9. Juli 1993.Das Zentrum als Verteidiger des amtlichen Terrors.Endlich, nach vier Tagen, fühlt sich das offizielle Hanpt-organ des Zentrums, die„Germania", bewogen, von denskandalösen Lehrermaßrcgelungen Notiz zu nehmen, über die der„Vorwärts" in seinem Leitartikel vom 5. Juli berichtet hatte. Die„Germania" schreibt nach Wiedergabe unserer Darstellung:„Wir geben zu, daß die Maßnahmen gegen die beiden Lehreraußerordentlich harte sind, aber es geht doch zu weit.wenn der„Vorwärts" sie brutale MaßregelungSakte nennt. Mußdoch das sozialdemokratische Organ selbst zugeben, daß die Festrede„des noch jugendlichen und von ehrlichem Enthusiasmus beseeltenLehrers für einen Kriegerverein vielleicht deplaciert war."Eine disziplinarische Rüge wäre deshalb durchaus am Platzegewesen. Jedenfalls ist der liberale sozialdemokratisch angehauchteGeist, der sich in der„Festrede" des jungen Lehrers kundgibt.beachtenswert. Im übrigen hat der„Vorwärts" am aller-wenigsten Anlaß, sich über eine derartige Maßregelung zu beklagen.Die Sozialdemokratie geht gegen die„Genossen", welche sich Ent-gleisungen zu Schulde» kommen lassen oder gegen die orthodoxenCanones der Sozialdemokratie verstoßen, viel strenger und gewalt-tätiger vor."Die„Germania" fälscht unsere Ausführungen! Folgte dochunserer Bemerkung, daß der Vortrag des Redners für einen Krieger-verein„vielleicht deplaciert" gewesen sei, die Erläuterung, daßsolche Ausführungen nur deshalb unangebracht gewesen seien,weil die Kriegervereine unter der Leitung ehemaliger Offiziere oderhackeuzusammenschlagender Beamter ja seit jeher der T u m m e l-platz des Byzantinismus und der Untertanen-knechtsseligkeit gewesen sei IWenn aber die„Germania" die Staatsbeamten auf eine Stufestellt mit Parteibeamten, so beweist sie ein wirklich ungewöhnlichesMaß von Verständnislofigkeit oder— I e f u i t e r e i. Selbst«verständlich bestreiten»vir der ZentruniSpartei niemals dasRecht, Personen, die sich, sagen wir einnral, zu einem liberalenStandpunkt hindurchgemausert haben, aus der Zentrumsparteiauszuschließen und damit auch etwaiger innerhalbder Zentrumspartei innegehabter A e m t e r zu entheben. Um-gekehrt würden wir es auch dem Freisinn nicht verargen, wenner einen Parteibeamten seiner Stellung enthöbe, dessen Partei-anschauungen sich denen des Z e n t r u in S genähert hätten. Ganzanders aber ist eS mit Staatsbeamten. Der Staat soll über denParteien stehen. Einen Staatsbeamten das Recht der unumschränktenMeinungsäußerung rauben, heißt verfassungswidrig handeln, heißtsich auf den Standpunkt gewisser Gruppen von Staatsangehörigenstellen und andere Teile der Staatsangehörigen verfemen.Die Maßregelung der beiden Lehrer im Kreise Mogilno wäre einskanbalöser Willkürakt, eine schreiende Ungerechtigkeit gewesen, selbstwenn die beiden Lehrer sich nicht nur zum liberal» demokratischen,sondern auch zum sozialdemokratischen Standpunkt be-kannt hätten!Wenn die„Germania" das nicht einzusehen vermag, so beweistsie damit nur, daß auch das Zentrum den reaktionären Terror gut«heißt, sofern er nicht gegen ihre Parteiinteressen verstößt!—Ein gemastregelter Gtimnasialdirektor.Der Direktor des Königlichen Wilhelmsgymnasiums inBerlin, der Geheime Regierungsrat Dr. Leuchten-b e r g e r, soll nach den Meldungen der bürgerlichen Pressegemaßregelt worden sein. Und zwar wegen einer Rede, dieer bei der am 17. Mai abgehaltenen Jubiläumsfeier desGymnasiums über die„Modernisierung des G y m-n a s i u m ö" gehalten hat.Die in gewissen hohen Regionen unliebsam vermerkteRede vertrat den Standpunkt, daß an dem gymnasialenCharakter des Gymnasiums auf Kosten der sog. humanistischenBildung nichts geändert werden dürfe. Wenn man das Gym-nasium den Ansprüchen des Weltverkehrs, der Technik und derIndustrie anpassen wolle, so dürfe gleichwohl das Griechischeund Lateinische nicht verkürzt werden. Wolle man dasEnglische obligatorisch machen, so könne das nur auf Kostendes Französischen geschehen. Wolle man das Wissenin der Natur bei der Jugend steigern, so möge man dafürgewisse Teile der Mathematik einschränken. Wolle mandas geographische Wissen in der Jugend vermehren,so möge man dafür gewisse Partien der Geschichte aus-merzen, die leicht entbehrt werden könnten-Nach dieser knappen Inhaltsangabe über die Rede desgemaßregelten Gymnasialdirektors vermögen wir uns keinUrteil über dessen pädagogisches Programm zu bilden. Magman das Studium der alten Sprachen so hoch oder so niedrigschätzen, wie man will, man mag das humanistische Gym-nasium für zeitgemäß erachten oder nicht: Dr. Leuchtenbergerist offenbar zur Einreichung seines Pensionierungsgesuchs ver-anlaßt worden, weilseineRededenindenhöchstenKreisen herrschenden Ansichten zuwider-lief! Bekanntlich ist es ja Wilhelm II. selbst gewesen, derbereits vor 16 oder 17 Jahren den Sturmlauf gegen dashumanistische Gymnasium begann. Und so sehr man mitWilhelm II. in der Kritik über die Unzcitgemäßheit der söge-nannten humanistischen Bildung übereinstimmen konnte, sosehr hat die EntWickelung der Dinge auf dem Gebiete deshöheren Schulwesens der Ansicht unseres Friedrich Engelsin seinem„Anti-Dühring" Recht gegeben, daß die Ersetzungder humanistischen Bildung durch eine sogenannte realistischeBildung vielfach nichts anderes bedeutete, alsdenTeufeldurch Beelzebub austreiben.Jedenfalls aber sollte doch die Stellungnahme nach dereinen oder anderen Seite nicht das amtliche Todes-urteil eines verdienten Schulmannes be-deuten! Wenn trotzdem nicht nur simple Schullehrer inOstpreußen oder Schleswig-Holstein, sondern auch Gym-nasialdirektoren gemaßregelt werden, weil sich ihreAuffassung nicht mit der behördlich borge-schricbcnen deckt, so ist das nur ein neuer Beweis für denunerhörten Terror, der von unseren Behörden, demWerkzeug des absolutistischen Willens, höheren und niederenBeamten gegenüber geübt wird!Wahlprotest.Gegen die Wahl des Abgeordneten Reinbacher in Rix-dorf-Schöneberg ist von den Genossen dieses Kreises Protesterhoben worden. Durch den Protest werden zunächst eine Anzahlgrober Unregelmäßigkeiten bei Aufstellung der Wählerlisten inRixdorf bemängelt. Es sind dort Stichwahlen zu Unrechtangeordnet worden, und in anderen Bezirken ist wieder die An-ordnung von Nachwahlen widerrechtlich unterlassen worden.In der Hauptsache wird jedoch bemängelt, daß bei Aufstellungder Wählerlisten in Nixdorf— im Gegensatz zu Schöncberg—die Steuersätze des Jahres 1967 zugrunde gelegt wurdenund daß außerdem die AbteilungSlisten nicht nach den gesetzlichenBestimmungen in alphabetischer Reihenfolge geführt wurden. Eswird nachgewiesen, daß durch diese Ungesetzlichkeitender Sezialdemokratie42 Wahlmänner verlorengingen. Bei der Wahl des Abgeordneten betrug bekanntlich dieabsolute Mehrheit 548 Stimmen, die Sozialdemokratie erhielt528 Stimmen. Danach wäre bei gesetzlicher Handhabung derDinge, der Sozialdemokrat gewählt worden.Ein Preftprozest mit kolonialpolitischem Hintergrund.Kurz vor den Hottentottenwahlcn am 12. Jan. 1907 erschien imHarburg. Parteiorgan ein Artikel, betitelt:„Z ur Auffrischungdes Gedächtnisses", indem die Kosten der glorreichen Kalo-nialpolitik des Deutschen Reiches aufgeführt und die KulturtatcndeS Stationsleiters Geo Schmidt, des Leutnants Schcunemann. derinzwischen zum Hauptmann avanciert ist. und des HauptmannsKamptz behandelt werden.Von Scheunemann wird in dem Artikel auf Grund einerRede Bebels im Reichstage am 1. Dezember 1966 gesagt, daß erdie Bestrafung von drei Schwarzen, die er im Verdacht des Ehe-bruchs mit seiner schwarzen Konkubine gehabt, angeordnet habe,und daß der dazu beorderte Sergeant Duara, um die Ausführungdes Befehls vorzutäuschen, drei Schwarze, die ihm zufällig be-gegnet seien, ergriffen und ihnen die Männlichkeit ab-geschnitten habe.Die Angelegenheit ist auch später in der BudgetkommissiondeS Reichstages zur Sprache gekommen. Wegen dieses Artikelshat der Kolonialsekretär Dernburg Strafantrag wegen vcrlcuni-derischen Beleidigung gegen den damals verantwortlichen RedakteurKöpcke vom„Harburger Volksblatt" gestellt, weil die Behauptungbezüglich des Hauptmanns Scheuncmann nicht wahr sein soll,während der sich ebenfalls beleidigt fühlende Herr Schmidt aufden Privatklageweg verwiesen wurde, da er auö dem 5!olonialdicnstausgetreten ist.Scheunemann ist feit 1900 im Schutzgebiet und war vomMai 1901 bis 31. Dezember 1902 Stationsleiter von I a u n d ein Kamerun.Die Verhandlung gegen Köpcke fand am Mittwoch nach-mittag vor der Strafkammer I des Landgerichts Stade statt.Der Angckladte bestreitet die Absicht der Beleidigung und be-merkt, er habe die Hauptmann Schcunemann betreffende Beschul-digung dem stenographischen ReichStagSbericht entnommen.Der in Khaki-llniform erschienene Hauptmann Scheuncmannstellt in Abrede, an Duara einen derartigen Befehl erteilt zuhaben, wie er von derartigen Grausamkeiten nichts wisse. DerVorsitzende bemerkt, es sei doch bekannt, daß Eingeborene solcheGrausamkeiten verüben. Zeuge Sch.: Duara ist ein unzu-verlässiger Mensch, der aus der Schutztruppe entlassen worden sei;ob D. solche Dinge begangen habe, vermöge er nicht auszusagen;ihm sei derartiges nicht bekannt geworden. Verteidiger Dr. Herz-Altona stellt an den Zeugen die kitzliche Frage, ob gegen ihn nichtvon einem Offizier eine Besd)uldigung erhoben worden sei, dieauf ähnlichem, in letzter Zeit sehr bekannt gewordenem Gebietliege. Der Zeuge verneint dies z u n ä ch st. verweigert dannaber auf Vorhalt des Vorsitzenden die Aussage.(DaS Kriegs-geeicht der Gardedivision hat die Herausgabe der Akten gegenHauptmann Scheuncmann vrweigert; diese befinden sich zurzeitin Afrika.)Der Staatsanwalt beantragt in Rücksicht auf dieSchwere der Beleidigung drei Monate Gefängnis, während derVerteidiger, auf die Eigentümlichkeit deS Borverfahrens ver-weifend, für Freisprechung plädiert.Der Angeklagte führt noch aus, er habe durchaus keineNeigung, wegen dieser Sache ins Gefängnis zuwandern; sollte trotzdem auf Gefängnisstrafe erkanntwerden, so werde er Mittel und Wege finden, die Heraus-gäbe der Akten gegen Scheuncmann zu erzwingen. Ihm sei eSdurchaus nicht darum zu tun, die Angelegenheit sensationell zu be-handeln, aber er wür-de eventuell zu diesem Mittel greifen müssen.DaS in später Stunde erfolgte Urteil lautet auf eine Geld-strafe von 500 M. oder 50 Tage Gefängnis.—Preußische Polizei im Dienste des Auslandes.Die nationale Heimatpolitik des Deutschen Reiches und Preußenshat insbesondere qn der Westgrenze einen bedeiillickien Verlust vonReichsangehörigen znr Folge. Die holländischen Grenzstädtchen Baalsund Heerlen nebst den der Grenze entlang liegenden Gemeindenverzeichnen eine sonst in Holland nicht gekannte starke BevölkernngS-zunähme, teils liegt das an der inHolländych-Limburg sich entwickelndenBeramdnstrie, zum weitaus größten Teile jedoch an den deutschenLebensmittelpreisen und am 8 23 des preußischenEinkommensteuergesetzes. Holland hat nicht nur be»deutend geringere Lebensmittelpreise und WohnuiigSiniete», sondernauch eine nicht entfernt so starke Heranziehung der kleinen Ein-kommen zu den Staats- und Gemeindesteuern. Infolgedessen sindviele Hunderte von Bergleuten, Industrie- und Bauarbeiten» in denletzten Jahren aus dem Wurnrrevier, aus Aachen und Umgegend m