Ankrag W a l t h e r- Augsburg bor, der jedoch nicht genügendunterstützt wird:Der Parteitag wolle beschließen:1. Die Frage der Budgctbewilligung wird als besondererBeratungsgegenftand, als Punkt 3, behandelt.2. Es wird eine Kommission von 15 Mitgliedern ernannt,welcher die Borbereitung dieses Punktes übertragen wird. Beider Wahl dieser Kommission sollen nicht allein die an der Fragedirekt Beteiligten, sondern auch solche Berücksichtigung finden,welche sich in der Polemik noch nicht festgelegt haben.3. Zu der Berichterstattung der Kommission wird ein Re-ferent und ein Korreferent don dieser bestellt. Es wird erst nachdem Referat im Plenum verhandelt.Der Parteitag stimmt dem Vorschlage von Singer ohneDebatte zu. Dadurch erledigt sich der Antrag 1.Den Antrag 4 begründet Schluß-Magdeburg: Sie wissen,daß Bebel bereits im Briefe nach England eine Stellung einge-nommen hat, die sich nicht ganz deckt mit Maßnahmen des BerlinerAktionsausschusses. Wir müssen die Frage einmal verhandelnund zwar soll dabei nicht nur die gegenwärtige Kriegshetze be-sprachen, sondern überhaupt erörtert werden, was die Partei zutun hat, um die öffentliche Aufmerksamkeit mehr auf die aus-wältige Politik zu lenken.Kllter-Berlin zieht mit Rücksicht darauf, daß der Parteivor-stand die Absicht hat, eine Resolution für die auswärtige Politikvorzulegen, den Antrag b zurück.Singer: Ich kann bestätigen, daß der Parteivorstand und dieKontrollkommission dem Parteitag eine Resolution über die aus-wältige Politik unterbreiten werden. Bei dieser Beratungkann auf das eingegangen werden, was dieser Antrag bezweckt.Antrag 4 wird abgelehnt.Singer teilt weiter mit, daß der Geschäftsbericht des Bor-standes über die verchiedcnen Materien getrennt behandelt werdensoll, und zwar soll Müller über die Organisation referieren,E b e r t über die Lokalistenfrage, G e r i s ch über die Kassenver-Hältnisse und die Presse und Schulz über den Bildungsausschuß.Der Parteitag stimmt auch diesem Vorschlage zu, und ge-nehmigt die Tagesordnung entsprechend den Vorschlägen vonSinger.Zunächst gibt Genosse Singer eine Berichtigung zu demPreßbericht über die Sitzung vom Sonntag(Eröffnungs-sitzung), die etwa folgendermaßen lautet: Es soll nicht heißen: daßdie Parteitagsbeschlüsse den Genossen ein Heiligtum undEvangelium sein sollen, sondern: die Parteigenossen müssenes als ihre erste Pflicht betrachten, die Beschlüsse dcs Par-teitages unverbrüchlich hochzuhalten.Dann ergreiftSingerdas Wort zur Begrüßung der ausländischen Dele»gierten:Wir haben auch in diesem Jahre das Vergnügen, Genossenvon den ausländischen Bruderparteien begrüßen zu können, undzwar eine erheblich st ä r k e r e Anzahl als im vorigenJahre. Als Delegierter der englischen Sozialdemokratie ist er-schienen Genosse Queich, der vielen von uns schon persönlichbekannt ist, und Genosse Sanders, der die Labour Party andFabian Society vertritt. Die deutsche Sozialdemokratie Oester-reichs entsendet uns die Genossen Schuh meier, Winarskyund die Genossin Popp. Ferner ist für die niederösterreichischeLandespartei Genosse David- Wien erschienen. Belgien delegiertden Genossen Huhsmans, den Sekretär des InternationalenBureaus, den Genossen Müller vom Deutschen Verein in Brüsselund den Genossen M ä u l e b r o u k für die Junge Garde inBelgien; die Schweiz den Genossen Moor als Vertreter derPartei, das ausländische Komitee des Allgemeinen jüdischenArbeitervereins in Rußland die Genossin Schönberg. Ichheiße alle Gäste herzlich willkonimen und spreche im Namen desParteitages den Dank dafür aus. so viele Delegierte der Bruder-Parteien des Auslandes begrüßen zu können. Ich hoffe, unsereParteigäste werden mit unseren Brudergrützen an die aus-ländischcn Parteien die Ueberzeugung aus den Verhandlungenunserer Tagung mitnehmen, daß die deutsche Sozialdemokratie nachwie vor ihrer internationalen Solidarität und Verpflichtung sichbewußt bleibt, daß die deutsche Sozialdemokratie in ihrer Organi-sation und ihren Verhandlungen sich als Glied der proletarischenParteien aller Länder fühlen, durch ihre Verhandlungen aufs neuebeweisen wird, daß die Einheit und Geschlossenheit der Parteinach wie bor besteht und daß die deutsche Sozialdemokratie es sichnicht nehmen lassen wird, sowohl in der prinzipiellen Vertretungder sozialdemokratischen Grundsätze als auch der praktischen Politik,die sie zur Bekräftigung und Erfüllung ihrer Grundsätze ein-geschlagen hat, zwar ein dienendes Glied des internationalenProletariats, aber auch, wie sie mit berechtigtem Stolze von sichsagen kann, als mitwirkendes und wichtiges Glied der inter-nationalen Arbeiterbewegung nach wie vor angesehen zu werden.(Bravo!)Es nahmen darauf die ausländischen Delegiertenzur Begrüßung des Parteitages das Wort.Queich- Londonhielt folgende vom Genossen Ledebour übersetzte Ansprache:Es ist nicht meine Absicht, hier auf innere Parteifragen Deutsch-lands einzugehen, die ja in einem jeden Lande von den Genossendes Landes für sich geregelt werden müssen, oder Schwierigkeitenzu erörtern, die in anderen Ländern entstehen. Mir kommt esdarauf an, die großen gemeinsamen Gesichtspunkte hervorzuheben,die uns in dem Kampfe gegen die kapitalistische Gesellschaft vcr-binden. Wir haben Gelegenheit gehabt, in Deutschland die Tätig-keit der Partei sowohl auf ökonomischem als auf politischem Ge-biete kennen zu lernen. Wir haben auch außerdem Gelegenheitgehabt, die außerordentliche Energie der deutschen Gewerkschaftenzu sehen, wir haben ihr prächtiges Gebäude bewundert und freuenuns über ihre EntWickelung. Wir haben gleichzeitig, wie schonfrüher, die politische Tätigkeit der deutschen Sozialdemokratie be.wundert, und da kommt es mir vor allem daraus an, auf die-jenigen Fragen einzugehen, die gemeinsam im Interesse der inter-nationalen Sozialdemokratie von den Parteigenossen aller Ländererledigt werden müssen: die Sicherung des inter-nationalen Friedens.(Beifall.) Wir haben in der letztenZeit in allen europäischen Ländern, besonders in England undDeutschland, so viel von der Kriegshetzerei gehört. Ich brauche dendeutschen Genossen nicht zu versichern, daß wir englischen Partei-genossen ebenso wie Sie mit aller Energie für die Aufrecht-erhaltung des Friedens eintreten. Wir werden alles tun,was in unserer Macht steht, um internationale Konflikte zwischenEngland und Deutschland im Keime zu ersticken. Denn wir sinduns wohl alle darüber klar: Wenn internationale Konflikte ent-stehe.» wenn Kriege zwischen den Völkern ausbrechen, so sind esnicht die Völker, die sie verursacht haben. Die Völker sind in ganzüberwiegender Mehrheit alle friedlich gesinnt. Die Ursache zu denKriegen ist zu suchen bei den herrschenden Klassen. Mansagt mit Recht, daß wir in England ein demokratisches Verfassungs-leben haben, daß in England das Volk in letzter Linie über feineGeschichte selbst entscheidet. Das ist zutreffend, sofern man nurdie inneren Angelegenheiten des Landes in Betracht zieht. Aber«s trifft nicht auf die äußeren Angelegenheiten zu. Auch in Eng-land wird über den Kopf des Volkes hinweg durch die herrschendenKlaffen, durch die Vertreter der Regierung die Kriegshetze ge-fördert. Jluch in England erfährt das Volk nicht alles, was eswissen müßte über den Gang in der auswärtigen Politik. Auch inEngland werden durch Diplomaten, durch die Kabinette, hinterden Kulissen des öffentlichen Lebens die Fäden gesponnen, dieunter� Umständen zum Kriege führen können. Eine eigentlicheAntikriegspartei im Sinne des Woötes gibt es auch, ab-gesehen von den sozialistischen Parteien, in den europäischenLändern nicht. Auch die bürgerlichen Parteien treten nicht alseigentliche Kriegsparteien auf. Aber wir wissen, daß esInteressen gibt, Jntcressenberbände, die in allen Nationen amAusbruch eines Krieges außerordentlich interessiert sind, die ausdem Kriege Nutzen ziehen.Die Vertreter dieser Kriegsinteressen sind es, die gleich denGeiern über den blutigen Schlachtfeldern schweben, üm aus demGemetzel und aus der Schlächterei ihre Beute zu ziehen, und gegendiese Kriegsinteressenten vorzugehen haben wir nicht bloß jetzt, dashaben wir im ganzen Laufe der EntWickelung stets für unserePflicht gehalten. Als der Burenkrieg auszubrechen drohte,haben wir englischen Sozialisten von Anfang an unter großenSchwierigkeiten, entgegen der öffentlichen Meinung, gegen dieseKriegshetzerei gewirkt. Und wäre damals das englische Volk unseremRate gefolgt, so hätte sich das Sprichwort bewährt:„Vorher ge-warnt, ist vorher geschützt." Leider sind wir damals nicht durch-gedrungen. Erst nachher hat sich auch der Mehrheit des englischenVolkes die Ueberzeugung von der unglaublichen Torheit diesesKrieges bemächtigt. Und auch in der letzten Zeit, als bei uns dieKriegshetzerei gegen Deutschland entstand, haben wir bei jeder Ge-legenheit, wo irgendwie Komplikationen zu entstehen drohten, unsdagegen gewandt. Wir haben protestiert gegen die Ent-sendung der englischen Flotte in die deutschen Gewässer, weil wirdarin eine Demonstration gegen Deutschland erblickten. Wir habenprotestiert gegen die Reise des Königs Eduard nach Reval. Wirhaben protestiert gegen diesen Besuch, nicht nur deswegen, weil wirauch darin eine jener diplomatischen Machenschaften erblickten, diebis zu einem gewissen Grade gegen Deutschland gerichtet sind,sondern wir haben auch dagegen protestiert, daßder Vertreter des englischen Volkes sich soweiterniedrigte, die Hände des Zaren zu drücken,die noch trieften vom Blute seiner eigenenUntertanen.(Beifall.) Und, Parteigenossen, wenn wir indiesem Geiste handelten, wenn wir in diesem Geiste bei jeder Ge-legenheit für die Aufrechterhaltung des Friedens gewirkt haben, sofühlten wir uns bei dieser Friedensaktion nicht als Engländer, wieauch Ihr Euch nicht bei solchen Gelegenheiten als Deutsche fühlt.Wir fühlen uns als Vertreter der Macht, die die Geschicke derMenschheit in ihren Händen trägt. Genossen und Genossinnen!Laßt uns darauf hinwirken, daß die Beziehungen der Völker nichtmehr geregelt werden durch Geheimverträge der Diplomaten,sondern daß überall die Völker selber über ihre Geschicke bestimmenund in voller Oeffentlichkeit ihre Beziehungen zueinander regeln,dann wird es dahin kommen, daß wirklich Friede und Freundschaftunter den Völkern der ganze» Welt herrscht.(Lebhafter Beifall.)SanderS-London:Genoffen und Genossinnen! Ich habe die Ehre, dem Parteitagedie brüderlichen Grütze der englischen Labour-Party and FabianSociety zu überbringen. Diese englische Arbeiterorganisation be-glückwünscht die deutsche Sozialdemokratie zu ihrem schönen Erfolge bei den Wahlen zum preußischen Landtage und zu dem un-aufhörlichen Wachstum ihrer Bewegung. Gleichzeitig soll ich deraufrichtigen Dankbarkeit und Bewunderung Ausdruck verleihen fürdie Art, wie die deutsche Sozialdemokratie gegen die Versuche an-gekämpft hat, Feindschaft zwischen unsere beiden Völker zu säenund einen Krieg zwischen Deutschland und England zu entfesseln.(Beifall.) Die Interessen der Arbeiter der ganzen Welt, besondersaber die des englischen und deutschen Volkes sind auf das engstemit der Fortdauer des Friedens verknüpft. Sie erheischen ge-bieterisch, daß internationale Streitigkeiten anders beigelegt wer-den, als durch Anwendung barbarischer physischer Kraft. Was diedeutsche Sozialdemokratie hier zu Lande getan hat, um den Ar-bcitern die Wahrheit dieses Wortes klar zu machen, werden wirauch in England fertig bringen. Wir werden mit äußerster Energiealle Versuche bekämpfen, einen Krieg zwischen Deutsch-land und England als unvermeidlich hinzustellen. Schon jetzt habenwir zu diesem Zweck Maßnahmen getroffen, die nicht ohne Erfolggeblieben sind. Je besser die organisierten Arbeiter der Welt ein-ander in ihren Bestrebungen sich verstehen, um so schwerer wird eSfür die Herrschenden werden, einen Krieg zu beginnen. Mögedieser Parteitag nicht nur zur Stärkung der sozialdemokratischenBewegung in Deutschland beitragen, sondern möge er auch dasBand zwischen den Arbeitern dieses Landes mit allen Ländernenger knüpfen. Das ist unser aller Wunsch in England.(Leb-hafter Beifall.)Winarski-Wien:Ich habe den ehrenvollen Auftrag, Sie im Namen der öfter-reichischen Sozialdemokratie zu begrüßen. Schon auf dem S. Vereinstag der deutschen Arbeitervereine vor 40 Jahren waren Dele-gierte der jungen österreichischen Arbeiterbewegung anwesend, wodie Selbständigkeit der Arbeiterbewegung und die Unabhängigkeitvon der Bourgeoisie beschlossen wurde. Seit dieser Zeit haben wirstets in engster Gemeinschaft Mt der deutschen Bituderparteigewirkt. Mit Bewunderung und HockMchtung haben wir denglänzenden Aufstieg der deutschen Sozialdemokratie beobachtet undauf allen Parteitagen haben wir neues gelernt. Auch dieser Partei-tag wird uns Gelegenheit zum lernen geben und wir haben dasum so notwendiger, weil wir sehen, daß auch die bürgerlichenParteien Oesterreichs von den bürgerlichen Parteien Deutschlandszu lernen suchen. Die Parole des Zusammenschlusses aller bürgerlichen Elemente gegen die Sozialdemokratie wird auch in Oester.reich ausgegeben. Und seitdem das neugewählte Parlament, fürdas wir in schwerem Kampfe 88 Sitze errangen, zusammengetretenist, haben wir auch eine mächtige Koalition aller bürgerlichenParteien innerhalb des Parlaments gegen dre Sozialdemokratie.Dieser Parteitag wird uns vor allem deshalb interessieren, weilwichtige taktische und organisatorische Fragen auf ihm erörtertwerden. Wir sind fest überzeugt, daß die Hoffnungen der Gegnerwieder einmal zuschanden werden. Wir sehen in der öffent-lichen Verhandlung dieser Fragen nur einen Beweis fürdie Stärke der deutschen Sozialdemokratie.(Beifall.) Unsinteressiert auch das Problem der Jugendorganisation.Wir selber in Oesterreich haben seit langer Zeit eine Jugend»organisation, die in engster Gemeinschaft mit der Partei arbeitetund von der Partei wie von der Gewerkschaftskommission ideellund materiell unterstützt wird. Wir haben in Oestereich mit derJugendorganisation die besten Erfahrungen gemacht. Wir hoffen,daß diese Frage zum Wöhle der Gcsamtpartei auf diesem Parteitaggelöst wird. Wir haben stets Schulter an Schulter in engster(stemeinschaft trotz der trennenden Grenzen zusammengestanden.So wollen wir auch weiter wirken. Wir hoffen, von Euch zulernen und auch in Eurer jetzigen Tagung Gelegenheit zu gemein-samer Arbeit zu finden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnenim Namen der österreichischen Sozialdemokratie den besten Erfolgzu ihren Verhandlungen und begrüße Sie mit dem alten Partei-kampfruf: Es lebe die internationale, revolutionäre Sozialdemo-kratie Z(Lebhafter Beifall.)HuiömanS-Belgien:Die belgische Arbeiterpartei schließt sich den Friedens-Äußerungen unserer englischen und österreichischen Genossen anund begrüßt Sie brüderlich. Zwei Ereignisse haben die Politi!unseres Landes in der letzten Zeit charakterisiert, ersten? die Wahlenund zweitens die Uebernahme des Kongostaates. In den Wahlenhaben wir mit einigen Parteigenossen gesiegt und haben zweiMandate den Klerikalen abgenommen und drei den Liberalen.Unsere Stimmenzahl hat sich um 8 Proz. erhöht. In der Kolonial.frage haben wir mit einer Ausnahme im Sinne der StuttgarterResolution gehandelt. Belgien hat den Kongostaat annektiert, nicht,weil Belgien das wollte, sondern weil die Großmächte, und zwarEngland und die Vereinigten Staaten, es wollten und auch weilunser sehr verliebter, aber sehr wenigbeliebter König(Heiterkeitund sehr gut!) es zu bunt gemacht hat. England und die Vcr-einigten Staaten haben Belgien aufmerksam gemacht auf dieGrausamkeiten im Kongostaate; Deutschland hat dasleider nicht getan.(Hört hört!) Wir haben im letzten Jahre dieMißwirtschaft Leopolds kennen gelernt. Gegenüber den Groß-mächten versprach er 1884 die Freiheit des Handels. Und wastat xr? Kr msnopylifikrte den Handel und perfprach den Groß,»mächten deN Schwarzen ein Vater zu sein. Und toaS tat etfEr nahm die Peitsche und märtyrisierte die Neger des Kongo-staates. Weiter versprach er Belgien, daß es den Kongostaat un-entgeltlich übernehmen könne. Und war tat er? Er bat um54 Millionen Trinkgeld.(Sehr gut!) Belgien hat also denKongostaat nicht annektiert, es ist der Kongostaat, welcher Belgienannektiert. Die Korruptionen im In- und Auslande haben Sieauch kennen gelernt. Sie haben gehört, von den„Belgiern" inDeutschland, Sie haben gehört von den Parlamentariern in Italienund auch von den Businesmen(Geschäftspolitikern) in den Ver-einigten Staaten. Also ist Belgien hineingetrieben in denenglisch-deutschen Gegensatz, und unsere Neutralität ist dadurchgeschädigt worden. Neue Opfer müssen wir bringen für den Mili-tarismus und vielleicht auch für den Marinismus. Aber wirwerden weiter kämpfen mit Ihrer Unterstützung für den inter-nationalen Frieden, für die EntWickelung unserer Macht. Wirnehmen zur Devise die Worte, die dort stehen: Trotzig kämpfen.nicht verzagen, kalten Blutes alles wagen.(Bravo!)Genossin Schönberg-Rußland:Im Auftrage des Ausländischen Komitees de? Allgemeinenjüdischen Arbeiterbunoes in Rußland, Livland und Polen über-bringe ich dem Nürnberger Parteitag und damit der gesamtendeutschen Sozialdemokratie die berzlichsten Grüße und Glück-wünsche. Wir haben stets mit lebhaftestem Interesse alle Schritteder deutschen Bruderpartei verfolgt. Ihre Kämpfe haben unserenMut und unsere Energie gestählt. Das jüdische Proletariat hatzu leiden unter der wüsten, nationalistischen Hetze, die von demSchwarzen Hundert unter der offenen Billigung der Regienmgveranstaltet wird. Schon kommt es in einigen Städten wiederzu Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung, und wer weiß,ob nicht binnen kurzem das jüdische Proletariat wieder wird zuden Waffen greifen müssen, um sein Leben und seine Ehre zuverteidigen. Deshalb aber läßt es seinen Mut nicht sinken, dennes weiß, es kommt die Stunde, wo die Revolution, die jetztscheinbar zu Tode getroffen am Boden liegt, sich wie der RieseAntaeus mit neuen Kräften erhebt und dem Zarismus denGnadenstoß versetzen wird. Dieser Sieg der russischenRevolution wird der Sieg des Proletariats der ganzen Welt sein.Wenn über Rußland die goldene Morgenröte der politischen Frei-heit aufsteigt, so ist«s wiederum die deutsche revolutionäreSozialdemokratie, zu der wir aufschauen werden, um aus ihrenKämpfen und ihren Siegen zu lernen. Möge dieser Sieg nichtmehr fern bleiben.(Lebhafter Beifall.)Singer:Ich habe dem Parteitag mitzuteilen, daß uns von derdänischen Sozialdemokratie in Kopenhqgen sowievon dem Zentralbureau der russischen sozialdemo-kratischen Arbeiterpartei warme Begrüßungsschreibenzugegangen sind. Die russischen Genossen danken insbesondere fürdie Unterstützung, die ihm die deutsche Sozialdemokratie in ihremKampfe gegen den Zarismus hat zuteil werden lassen. Ferner istwie immer ein Schreiben von unserem alten Genossen Lehn eraus London eingegangen, der leider durch seinen körperlichen Zu-stand verhindert ist, selbst zu schreiben, es sich aber nicht hat nehmenlassen, durch eines seiner Familienmitglieder dem Parteitage seineGrüße und Wünsche zu übermitteln. Ferner sind Begrüßungeneingegangen aus dem 17. württembergischen Kreise, aus Ilmenau.aus Breslau usw. Ich danke all den Einsendern dieser freund-lichen Begrüßungen.Der Parteitag tritt hierauf in die Tagesordnung ein.Den allgemeinen Geschäftsbericht erstattetParteisekretär Müller-Berlin:Sie haben den ausführlichen, gedruckten Bericht über dieTätigkeit des Parteivorstandes und der Partei im allgemeinenvor sich. Ich werde mich daher auf einige statistische Nach.Weisungen und Ergänzungen beschränken. Der Bericht ergibt.daß die Tätigkeit der Partei eine rege gewesen ist. Wenn dieZahl der Ausgänge im Bureau einen Rückgang erfahren hat gegendas Vorjahr, so liegt das daran, daß wir diesmal ein Geschäfts-jähr von nur 11 Monaten hatten. Trotz der Krise haben sich dieOrganisationsverhältnisse gebessert, wenn auch nicht ein gleicherZuwachs zu verzeichnen war wie im Vorjahre. Er beträgt nur10,7 Proz. gegen vorher 38 Proz. Nur mit 12 Wahlkreisen habenwir keine Verbindung. Besonders erfreulich ist, daß auch in derZeit der Krise die Zahl der Wahlkreise zugenommen hat. dieihre Beiträge erhöht haben. Es erheben jetzt 66 Wahlkreise einenBeitrag von 10 Pf. wöchentlich resp. 40 Pf. monatlich.Diese Beitragserhöhung ist notwendig, weil die Ausgaben derOrganisationen immer mehr wachsen. Vor allem werden ausvielen Wahlkreisen immer mehr Anforderungen an Ausgaben fürBildungsbestrebungen gestellt, als das früher üblichwar. Unsere Gegner, insbesondere der Reichsverband, behauptenimmer, daß die sozialdemokratische Partei Jahresbeiträge von36,80 Mk.. 52 MI» ja sogar 66 Ml. erhebe. Demgegenüber wollenwir feststellen, wie gering eigentlich die Beiträge sind. WaS dasLrganisationSverhältnis anlangt, so sind in 26 Kreisen über25 Proz. der Wähler organisiert. An der Spitze steht Leipzig.Land mit 41,7 Proz. ES folgen Hannover mit 30,5 Proz.,Nürnberg mit 37,8 Proz» Erlangen mit 37,6 Proz» Pinnebergmit 36,9 Proz» Offenbach mit 36,6 Proz» Bremen mit 35,7 Proz»Hamburg III mit 33,4 Proz» Altona mit 33,2 Proz» Hammmit 33 Proz., Westhavelland mit 32,5 Proz» Dresden-Land mit30,7 Proz., Bielefeld mit 30.5 Proz» Verden mit 20,4 Proz» Har-bürg mit 29,2 Proz» Dresden rechts mit 28,3 Proz» Lübeck mit28,1 Proz» ebenso Reuß j. L» Delmenhorst mit 27,0 Proz» Ham-bürg I mit 27,6 Proz» Hamburg II mit 27,4 Proz» Friedbergmit 26,9 Proz» Speyer mit 26,6 Proz» Meißen mit 26,1 Proj»Berlin VI mit 25 Proz» Geestemünde mit 25,1 Proz. ES lstdabei zu berücksichtigen, daß hier nur die großen Wahlkreise ge-nannt sind. Selbstverständlich kann in kleinen Wahlkreisen mitsehr geringer Wählerzahl unter Umständen auch ein hoher Prozent-satz erreicht werden, der aber wenig beweisen würde. Die Zahlder Wähler läßt sich nicht absolut vergleichen mit der Zahl derOrganisierten, weil unter diesen auch die unter 25 Jahre altenund die Frauen enthalten sind. Dadurch werden z. B. die Bezirkeungünstiger gestellt, in denen bereits früher Frauen organisiertwerden konnten. Weiter haben wir statistische Auszüge gemachticher die Zahl der Organisierten in den einzelnen Wahlkreisen.Diese Statistik ist von Bedeutung, wenn wir über die Anträgeauf Einführung des proportionalen Systems beraten werden.Nach der Statistik haben wir 83 Wahlkreise unter 100 Mitgliedern.41 Wahlkreise mit 100—200 Mitgliedern, 21 Kreise mit 200 bis300 Mitgliedern. 27 Kreise mit 300—400 Mitgliedern. 18 Kreisemit 400—500 Mitgliedern, 10 Kreise mit 500—600 Mitgliedern,0 Kreise mit 600—700 Mitgliedern, 12 Kreise mit 700— 800 Mitgliedern, 11 Kreise mit 800—900 Mitgliedern. 6 Kreise �nit 900bis 1000. Mitgliedern. 51 Kreise mit 1000—2000, 26 Kreise mit2000—3000. 16 Kreise mit 3000— 4000, 7 Kreise mit 4000—5000,ebensoviel mit 5000—6000, 8 Kreise mit 6000— 7000, 4 Kreise mit7000—8000, 2 Kreise mit 8000—9000, 3 Kreise mit 9000—10 000.2 Kreise mit 10 000—11000, 1 Kreis mit 13 000—14 000, 1 Kreidmit 14 000—15 000, 1 Kreis mit 15 000—20 000, 1 KreiS mit20 000— 21 000, 1 Kreis mit 21 000—22 000, 1 Kreis mit 23 000bis 24 000 und 1 Kreis mit 25 000—26000. Die Agitation gegendas Reichsvereinsgesetz haben wir von vornherein mit denGewerkschaften gemeinsam betrieben. Natürlich mußte dieAgitation spezialisiert werden, weil unsere Genossen in Süd-dcutschland und den gemischt-sprachigen Gegenden sehr viel mehrvon neuen reaktionären Bestimmungen betroffen wurden als dieGenossen in Preußen und Sachsen. Es kam dazu, daß in einerReihe von Bundesstaaten die Kräfte auf die Wahlrechtsbewegungkonzentriert wurden. Wir haben daher in diesem Falle nicht Ver-sammlungen über ganz Deutschland an einem Tage angeregt.Es ist auch notwendig, daß nach dieser Richtung hin sich nicht eineSchablone einbürgert. In der nächsten Zeit wird eS nun vorallem darauf ankommen, zu kontrollieren, wie das Reichsvereins-