fretöungcti" erkennen läßt, daß Wilhelm II. bis lvirklicheStimmung' des- Volkes auch nach dem Vortrags noch immernicht erkannt hat.Wer nur ein halber Sieg ist cS. weil Fürst Bulowgar keine ernst zu nehmende Garantie.für die Zukunft erhalten hat. Bülom hat gesiegt, wie et eben nur siegen konnte.Ms Hansmeier gegen eine ersch nt te rt e Ä ö ni g s-macht, nicht aber als konstitutioneller Mii-ister, derberKraft und dem Willen der Nation zum siegreichen Durchbruchvcrhilft. Er hat gesiegt infolge einer momentanen Schwächungdes persönlichen Regiments, von dessen Gnade und gutemWillen er auch ferner völlig abhängig ist.Bülow hat sofort aAeL getan, um seinen Sieg zn sichern.Die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" meldet' in ihrerheutigen Ausgabe:Der Ncichskemsler Fürst v. B ü l o!v hat alsbald nach feinerRückkehr von Potsdam dos preußische Staats mini-st e r i u m zu einer vertrauliche n Besprechung zu-sammenberufen. in d-r er über das Ergebnis seinesVortrags bei dem Kaiser Mitteilung machte.' Unmittelbar hier-auf wird der Reichskanzler den Präsidenten d e S Reichs-ta.ac3 Grasen z u Stolbcrg zu einer längeren Bc-sprechnng emvfanqen. Glelchzettig macht der Stellvertreterdes Reichskanzlers, Staatsminister v. Be t h ma n n- H o l l-w eg den siimnisührenden Mitgliedern des Bundesrats imAustrage des Reichskanzlers entsprechende Mitteilung.Bülow will sich die Faktoren der Ncichsregierung sichernund zugleich anzeigen, daß er die Zügel der Regierung mitfester Hand von neuem ergreift. Ministerium. Bundesraund Reichstag sollen sekne Stützen werden gegen jeden Ein-griff des persönlichen Regiments. Besonders begierig darman auf die Besprechung� mit dem Reichstagspräsidenten fein.Offenbar beabsichtigt Bi»low, den Reichstag zur Festigungseiner neuen Position zu gebrauchen und nach den Er-fahrungen, die er mit der Majorität gemacht hat, ist zu er-warten, daß diese sich bemühen wird, den: Siege ihres Herrnihre Sanktion zu geben.'Es ist deshalb notwendig, daß manden Inhalt der Unterredu»g mit dem Reichstagspräsidentenbald erfährt. Herr v. Stolberg wird jedenfalls im Reichs-tag Antwort zu geben haben, was für Ansinnen an ihngestellt worden sind. Schon jetzt aber müßte dagegen pro-testiert werden, daß etwa Bülow nach dem Sieg die Rede--freiheit, die er vorher so zu schätzen wußte, wieder ein-zuschränken versuchte.Als Hausmeier hat Bülow gesiegt. Stand am Beginnder Regierung Wilhelms ll. der Kampf des Kaisers gegendie absolute Gewalt Bismarcks, der mit der Niederlage desKanzlers endete, so ist jetzt die Macht des Kanzlers gegen dieKaisergewalt siegreich' geblieben. Das ist der Kreislauf, indem sich die Kämpfe um die Negierungsgewalt in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren abgespielt haben. Aberbei all diesen Kämpfen' stand der deutsche Reichstagabseits, war er nur der müßig zuschauende Chor, der dieTaten der Handelnden mit seinen Reden begleitet. Er selbstaber war stets ausgeschaltet und soll, wenn es nach demFürsten Bülow geht, auch weiter zu seiner passiven Rolleverurteilt bleiben. Wilhelm II. ist von Bülow besiegt'worden, weil die Interessen der herrschenden Klassen derJunker und Eröbkapitalisten es so verlangten/und BülowsErfolg ist ein interessantes Beispiel, wie sich Klasseninteressendupchsetzen, sei es durch, sei es gegen den Einzalwillen einesHerrschers. Aber die L e i d t r a g e n d en in diesem Kampfefind' die breiten Massen des Volkes, die sich wieder umihren Anteil an der Selbstbestimmnng ihtes Geschickes ge-prellt sehen. Die Volksvertretung geht leer aus, die Macht desParlaments ist geringer als je, in demselben Moment, wosie größer hätte werden können als je.Der Absolutismus sucht sich nach der schweren Niederlageaufs neue aufzuraffen. Aber so einfach darf diese Krise nichtbeendet werden. Ob Bülow oder ein Hohenzoller, das istnicht die Frage. Gegen den Absolutismus der Bureau-kratie, für die Macht der Volksvertretung Muß der Kampfgeführt werden. Die Kanzlerkrise mag für den Momentbeendet sein, wenn wir auch glauben, daß Bülow sich seinesSieges nicht lange freuen wird. Für uns aber handelt essich um die Ver fa s s u n g s k r i se. um die Erkämpfungder Selbstbestimmung des Volkes gegen denKanzler und gegen den Kaiser. Es ist eine Krise, die nichtgelöst wird von oben, sondern nur gelöst werden kann vonunten, von dem Volke selbst und seiner Tat, Spurlos dürfendiese Tage nicht vorübergegangen sein und auch dieKämpfenden dort oben sind nicht unverwundet aus derSchlacht zurückgekehrt. Die Schäden und Gefahren des Ab-solntismus sind enthüllt. Die Schwäche unserer Gegner'muß benutzt werden. Von der deutschen Arbeiterklasse vorallem hängt es ab, ob sie die Lösung, die Bülow undWilhelm II, gefunden haben, sanktionieren will. BülowsSieg ist die Wiederaufrichtung und die Neubefestigung desalten Systems. An der Arbeiterklasse ist es, dieser Lösungihrer Gegner ihre eigene entgegenzustellen. Die Unfähigkeitdes Gegners hat die Frage der deutschen Verfassung endlichaufgerollt: Die deutschen Arbeiter müssen verhindern, daßsie anders beantwortet wird als durch die Erringungder Demokratie.__ein einbalfamkrter.Der ehemalige Justizminister v. Schelling ist gestorben. DiePresse hat sein Ableben registriert, der„Vorwärts" hat in seinergestrigen Nummer die Karriere des Mannes kurz geschildert. ESist die Karriere eines ordentlichen preußischen Justizbureaukraten.der es auf der Leiter der Hierarchie bis zur obersten Sprosse ge-bracht hat. Besonderes, Bedeutendes ist von ihm nicht zu berichten.So war er denn, als er sein Amt abgab, em für die Oeffentlich-keit toter Mann. Die heutige Generation schon wußte kaum nochetlvas von ihm— die nächste kennt ihn nicht mehr.Würde ihn nicht mehr kennen, wenn nicht ein Großer dafürgesorgt hätte, daß Schellings Name auch nach Generationen nochgenannt werden wird. Er hat sich einst an einen Großen heran-gewagt und der hat ihm dafür die Unsterblichkeit verliehen. ES istdem Herr v. Schelling ergangen, wie jenen winzigen Schriftsteller-lein des 18. Jahrhunderts, die sich an Lessing heranwagten und vondenen Heine in semer„Geschichte der Religion und Philosophie inDeutschland" sagt, daß Lessing ihre Namen durch seine Polemik derwohlverdienten Vergessenheit entrissen habe, indem er sie mit demgeistreichsten Spott, mit dem köstlichsten Humor gleichsam um-spönnen, so daß sie sich in den Lessingschcn Werken nun für ewigeZeiten erhalten, wie Insekten, die sich in einem Stück Bernstein ver-sangen haben.�Der Große, an den sich Schelling heranwagte, war FerdinandLassalle. Von dem damaligen Staatsanwalt v. Schellingwar bis Anklageschrift verfaßt und gezeichnet, die den, Prozeßzu Grunde lag, der gegen Lossalle am 16. Jaimar 1363 vor derIV. Deputation des Stadtgerichts Berlin verhandelt wurde, die»n-klage, die ihn beschuldigte, durch seine Rede„Ucber den be-sonderen Zusammenhang der gegen lv artigenG es ch i ch t Sprri o d e mit der Idee des Arbeiter-st a n d e S"(sie erschien später unter dem Titel„Arbeiter-Programm" im Druck) im Handwerkerverein der Oranienburger Vor-stadt am 12. April 1362 die besitzlosen Klassen zum Haß und zurVerachtung gegen die Besitzenden öffentlich angereizt zu haben.In feiner glänzenden Verteidigungsrede„Die Wissenschaftund d i.e Arbeiter" hat Lassolle mit Herrn Schelling abgerechnet.Gleich Lessing ein Meister der Polemik, überlegte er wie diesernie lange, ob auch der Gegner seiner würdig war. Die jämmer-liche Anklageschrift des Staatsanwalts v. Schelling verdiente sicher-lich nicht den Aufwand von Witz und Geist, die Laffalle in seinerVerteidigungsrede an sie verschwendet hat. Er hat den unglück-seligen Gegner, der die Blöße der Klassenjustiz mitpseudowissenschaftlichem Flitter zu verdecken suchte und zu diesemedlen Zwecke die Wissenschaftlichkeit der inkriminierten Laffallcsche»Rede anzutasten wagte, mit der ganzen Schärfe seiner furchtbarenDialekük getroffen. Er übergoß ihn mit der ätzenden Lauge seineserbarmungslosen Spottes und ließ Schelling den Sohn Spießrutenlaufen durch die Worte Schellings des Vaters, deS Philosophen. Eswäre eine Hinrichtung.Ein Gericht allerdings über einen Abwesenden. Herr v. Schellingmochte erfahren haben, was ihm bevorstand. Er wählte der Tapfer-keit besseren Teil und ließ sich im Termin durch einen Substitutenvertreten. Aber hinterher nahm er Rache, wie sie ein preußischerDurchschpittsbureaukrat zu nehmen pflegt. Er ließ Lassalle aufGrund seiner Verteidigungsrede wegen Beleidigung der Staats-anwaltschnft unter Anklage stellen und erreichte seine Verurteilungzu einem Monat Gefängnis. Womit natürlich für alle ordnungs-liebenden Staatsbürger bewiesen war, daß die Argumente Schellingsdoch besser waren als die LaffalleS.Dem hatte auch das Meisterstück seiner Verteidigungsrede vorden Richtern der IV. Deputatton nicht viel gehotfen. Aufvier Monate Gefängnis lautete das Urteil, daS sie auf dieKlage Schellings fällten. Das Kammergericht als Berufungsinstanzindes setzte die Strafe auf 166 Taler Geldstrafe herab. Für dieseInstanz schrieb Lassalle eine Verteidigungsrede nieder, die unterdem Titel„Die indirekte Steuer und die Lage derarbeitenden Klasse" erschienen ist. Sie ist in der VerHand-lung nur zum Teil gehalten worden. Aber sie hat die Schriften, dieLassalle der deutschen Arbeiterklasie hinterlassen, um ein bedeutsamesWerl bereichert. Zusammen mit der Verteidigungsrede vor der erstenInstanz stellt sie noch heute ein Waffenarsenal des kämpfendenProletariats dar, das keiner unbereichcrt verläßt. ES ist das un-gewollte Verdienst deS Staatsanwalts v. Schelling, durch seine An-klage die sozialistische Literatur um diese beiden wertvollen Stückebereichert zu haben.So lange die Werke LaffalleS leben, so lange lebt deshalb auchdaS Andenken an Schelling, den preußischen Staatsanwalt, dasInsekt, daS sich verfangen hat in dem Lavastrom Laffallescher Rede.Sie Protestbewegunggegen«las persönliche liegiment.Stuttgart, 1?. November. Eine Reihe von überaus starkbesuchten Protestversammlungen gegen das persönliche Regi-ment fanden in Württemberg statt. Außer den von unsbereits gemeldeten Versammlungen in Cannstatt undStuttgart fand am Sonntagabend eine Versammlungin Göp.'Hing.en statt, die ebenfalls überfüllt war.Zu einer imposanten Demonstration gestaltete sich dieVersammlung in Eßlingen am Montagabend. Auchhier zeigte sich der große Saal als zu klein, die Menge zufassen. Auch in diesen beiden Versammlungen referierte Ge-nosse Ströbel. In allen Versammlungen wurde die Reso-lution der Leipziger Versammlung angenommen.Am Montagabend tagte in Erfurt eine von 1000 Per-sonen besuchte, von der sozialdemokratischen Partei ein-berufene Volksversammlung, in der Genosse RedakteurH e n i, i g- Erfurt über das persönliche Regiment in derdeutschen Politik und über die neuen Steucrvorlagcn sprach. Einescharfe Resolution, die sich gegen die Schäden des perspn-lichen Regiments wendet und geeignete gesetzliche Vor-kehmnjjen zur Verhütung einer Wiederholung ähnlicher Vor-kommnisse fordert, wurde e i n st i m m i g angenommen.In Gotha nahm eine außerordentlich stark besuchteVersammlung, in der Genosse Wilhelm Bock sprach, einmütigeine Protestresolution gegen das persönliche Regiment undgegen die neuen.Steuern an.Versammlungen mit gleichem Zweck fanden in Brau-d en b u r g und R a th e n o w statt! in beiden sprach GenosseP e u s. Auch hier wurden Protestresolutionen angenommen.Eine für die Hinterbliebenen der Radboder Verunglücktenveranstaltete Tellersammlung ergab rund 200 M.Der finnische Candtag.Helsingfors, den 10. November.Am 31. Oktober ist die Session des finnischen Land-tags geschloffen worden. Nicht leichten Herzens gingen die De-puiierten auseinander, denn die allgemeine Rechtslage wird instetig wachsendem Maße von der russischen Reaktion bedroht. Dochauf ihre Tätigkeit können die finnischen Volksvertreter— vor allemdie Sozialdemokraten— mit Befriedigung zurückblicken: eineReihe wichtiger Reformen sind in der verfloffenen Landtagssessionm'sgearbeitet und beschloffen worden.Wir wollen hier nur die bedeutendsten Gesetzesvorlagen her-borheben und nennen an erster Stelle das A r r e n d e- oder Tor-Parigesetz. Bekanntlich befindet sich die Landwirtschast in Finn.land»och auf einer ziemlich primitiven Entwickelungsstufe: derkapitalistische Großbetrieb mit rationeller Agrikultur, mit Ma-schinen und Lohnarbeitern ist erst im Entstehen begriffen. Vonden größeren Besitztümern sind Parzellen abgetrennt und Klein-dauern und Hauslern zur Ansiedelung angewiesen, die in gewisserfeudaler Abhängigkeit vom Gutsherrn stehen und verpflichtet find,die Arbeiten auf dem Gute zu verrichten. Solcher Kleinbauernund Häusler(„Torpari") zählt man in Finnland im ganzen auf>66 Tausend Familien. Ihre Lage ist elend genug: die Arrende-bedingungen sind drückend schwer, die Pacht wird hauptsächlich inNaturalleistungen entrichtet und dem Frondauer kann außerdembeim geringsten Anlaß gekündigt werden. Bei der Entscheidung derTorparifrage stellte die sozialdemokratische Fraktion alz leitendesPrinzip auf: die Verteidigung der Interessen der ländlichen prole-tarischen Schichten und die Aufräumung der feudalen Ueberreste,welche dem landwirtschaftlichen Progreß im Wege stehen. Unterihrem Drucke wurde dann auch im neuen Arrendegesetz die Haupt-bestimmung aufgenommen, daß fortan die Pachthöhe nur in Geldzu berechnen ist, und somit der Uedergang von der Naturalwirtschaftzur kapitalistischen Geldwirtschaft gesetzlich besiegelt. Der Will-kür deS Gutsbesitzers find jetzt strenge Grenzen gezogen: die früherenfeudalen Hcrrenrechke aufgehoben und die Kündigung des Arrende-kontraktS kann nur nach Bestimmungen des Gesetzes vor sich gehen.Tic Arrendezeit wird auf 25 Jahre festgesetzt(bei neu zu er-richtenden Pachlstellen auf unkultiviertem Boden dauert der Ar-rendckontrakt 50 Jahre), wobei der Kleinbauer an seiner Schollenicht gebunden ist und sie zu jeder Zeit mit Genehmigung der lo-kalen Arrcndekommission einem anderen abtreten kan.. DieseArrcndckommission besteht aus 5 Mitgliedern: 2 werden von denGrundbesitzern gewählt, 2 von den Kleinbauern und Häuslern,den fünften als Vorsitzenden bestimmt daS KreiSgcricht. Die Koin-Mission hat den Arrendevcrtrag zu normieren, den Bodenwert ein-zuschätzen, die von den Kleinbauern ausgeführten Meliorationenzu taxieren und die Zwistigkeitcn zwischen Grundherren und Tor-pari auf stiedlichem Wege zu schlichten. Die Meliorationen werdenwohl in Geld berechnet, aber dem Kleinbauern nicht bar aüsge-zahlt(wie das die Sozialdemokratie verlangte), sondern ihm durchVerlängerung der Pachtzeit und Herabsetzung der Pachtbcdingungcnvergütet. Außerdem wird eine UebergangSzeit von 9— 14 Jahrenanberaumt, während der die Torpari ihre jetzigen Pachtstcllcn nochinnehaben können, falls der Gutsherr den Kontrakt nicht erneuernwollte; der Torpari wird außerdem für die in dieser Zeit ausge-führten Meliorationen entschädigt. DaS ist in Hauptzügen dasneue Gesetz, welches einen großen Fortschritt für die ökonomischeund soziale Entwicklung Finnlands bedeutet.Das zweite wichtige Gesetz war die Durchführung deS allgemeinen Wahlrechts für die Stadt- und Land-lommunen. Als im Jahre 1905 die rcvolutio�re Volksbewegung den alten Ständelandtag stürzte und die demokratischeVolksvertretung eroberte, so war es für jeden hier im Lände klar,daß auch die Tage des plutokratischen Verwaltungssystems inStadt- und Landgemeinden gezählt sind. Sogar die klerikal-nationalistische Partei der Mtslimen sah sich gezwungen, diese Kor-dcrung in ihr Wahlprogramm aufzunehmen. Doch als man indieser LandtagSsession an die Verwirklichung der Reform schreitenwollte, schwenkten die Altfinnen um und wollten das Kommunal-gesctz unter allerlei Ausflüchten auf eine spätere Zeit hinaus-schieben. Ein Sturm der Entrüstung erhob sich im ganzen Lande,überall fanden Demonstrationen und ProtestmectingS statt unddie Möglichkeit eines Massen st reikö wurde von der finnischenArbeiterschaft ernstlich in Erwägung gezogen. Sogar im Lagerder Altfinncn wurden unwillige Stimmen laut und so Äuhtcndie bürgerlichen Parteien nachgeben. Noch in letzter Stunde vordem Schluß der Session wurde das neue Kommunalgesetz end-gültig fertig, welches dem finnischen Proletariat das a l l g c-meine, gleiche, direkte und geheime Wahlrechtzusichert. DaS Wahlrecht besitzen alle finnischen Bürger(sowohlMänner wie Frauen), welche 21 Jahre alt sind; die Wahlperiodeist aus 3 Jahre festgesetzt; die Wahlen gehen nach dem Pro-p o r t i o n a l- System vor sich. Den Sieg des allgemeinen Wahl-rechts konnte die Bourgeoisie nicht verhindern, aber sie suchte esdoch teilweise einzuschränken. So besteht die Kommunalverwaltungnach dem neuen Gesetze nicht aus einem repräsentativen Körper,sondern die Funktionen sind zwischen zwei Ausschüssen geteilt. Dererste Ausschuß wird von allen Bürgern der betreffenden Ge-mcinde gewählt und entscheidet prinzipielle über alle Fragen deskommunalen Lebens. Der zweite verstärkte Ausschuß hat spezielldie Finanzen der Kommune zu verwalten und über die Einnahmenund Ausgaben zu bestimmen; hier nehmen an den Wählen nurdie stcucrzahlenden Bürger teil. Es sei bemerkt, daß die Kon:-mpnalsteucrn in Finnland verhältnismäßig niedrig sind(steuer-pflichtig ist jeder, der ein jährliches Einkommcn von 300—500 Frankauf dem Lände und 600—900 Frank in der Stadt hat), aberdennoch schließt diese Bedingung manche proletarische Elemente ausdem Wahlrechte aus/ Doch daS mußte die Sozialdemokratie mitin den Kauf nehmen, falls sie nicht die ganze Reform scheiternlassen wollte.Am Ende der Landtagssession wäre die finnische VolkSvcr-tretung beinahe an eine gefährliche Klippe zerschellt. Es wardies die Frage von den sogenannten„Ne w a in i l l i one n", eineSumme von 2sh Millionen Rubeln, welche die russische Regierungfür den Bau einer Eisenbahnbrückc über die Newa fordert. DieseSumme war schon im Jahre 1904 unter Bobrikoff verlangt wordenund der damalige Senat hatte sie auch einspruchslos bewillig'.Doch nach dem Sturze der russischen Distatur im Jahre 1905 stelltesich der neue„konstitutionelle" Senat, sowie auch der zusammen-getretene Landtag auf den Standpunkt, daß über finnische Staats-gelber die russische Regierung nicht ohne Einwilligung der finnischenVolksvertretung verfügen darf. Nun ist aber die Summe von2% Millionen schon in daS russische Budget für 1909 ausgenommenund Nikolaus II. forderte die unbedingte Auszahlung der Newa«Millionen. Ter jetzige Koalitionsscnat gab nach und brachte nach-her die Frage wieder vor den Landtag. Die Altfinnen wollten dieHaltung des Senats ausdrücklich billigen, während einige radikale„Konstitutionalistcn" eine Resolution einbrachten, welche einenscharfen Protest aussprach und die strikte Verweigerung dieserSumme verlangte. Die Entscheidung dieser verhängnisvollenFrage hing von der sozialdemokratischen Fraktion ab und diesegab die Erklärung ab, daß der finnische Standpunkt nach den Be-schlüsscn des früheren Landtags in dieser Sache ganz klar ist unddaß cS deshalb keiner neuen Kundgebung seitens der finnischa,Volksvertretung bedarf.ES war für niemand ein Geheimnis, daß im Falle einer offenenProtesterklärung unverzüglich von Petersburg der Befehl zu einerAuflösung des Landtags und zum Umstürze der jetzigen dem�'-kratischen Verfassung erfolgt wäre. Die finnische Sozialdemokratiehielt aber den jetzigen Zeitpunkt nicht für geeignet und die Frageder Newamillionen nicht für bedeutend genug, um einen offenenKrieg mit der russischen Regierung heraufzubeschwören. Dieunnische Arbeiterpartei ist sich dessen wohl bewußt, daß sie unvcr-meidlichen Kämpfen entgegengeht, denn Stolhpin und seine Helfers-Helfer schmieden fortwährend Pläne, wie die erkämpften Rechtedes finnischen Volkes zu zertrümmern seien. So kann wohl sehrbald der Moment eintreten, wo die finnische Sozialdemokratiedie Pflicht hat. den Kampf aufzunehmen, auch wenn sie auf demSchlachtplatze bleiben sollte! Denn jetzt heißt eS bei uns: fürdieZukunftbereitsein.—politifebe(lederliedt.Berlin, den 17. November 1908.Wie der Kaiser reistEin babischcr Abgeordneter schreibt uns:Am Sonntag fuhr der Hofzug mit der kaiserlichen Herrschaft.von der Donauquelle nach der internationalen Bäderstadt Baden-Baden. Ich reiste zu einer Protestversammlung wider das per-sönliche Regiment in meinen Wahlkreis und fuhr auf dem Hin-und' Herweg jedesmal in Stätionsobstand vom kaiserlichen Hofzug.Auf den badischen Bahnhöfen gab sich das bewaffnete Schutzengel-tum unnötige Mühe, von dem vorbcirollendcn Hofzug eine Ovationabzuhalten. Kein Mensch dachte an eine solche Demonstration.Nur einige bunte Wimpel flatterten auf dem Stationsgebäude zuOffenburg. Das reisende Volk auf dem Perron und innerhalb