erster«leMher fogcndgcricMs-Cag. Di« Verhandlungen vom Mittwoch waren, genau ge* ttflfttmen, nur ein„Anhängsel" zum Jugendgerichts-Tag; sie be- standen lediglich in einer Aussprache der Jugend» gerichtShelfer. Den Vorsitz führte diesmal Professor von S o d e n° Berlin , Mitglied des Präsidiums der„Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge". Er hob einleitend hervor, in unserem öffentlichen Leben sei es etwas völlig Neues, aber sehr Zukmsitsvolles, dasi dem beruflich tätigen Beamten eine frei- willige Hilfsgarde— dem Jugendrichter di« Jugend- gerichtshelfer— zur Seite treten. Das Referat über das Thema„Wie organ ifiert und übt man am zweckmäßig st en die Schutzaufsicht nach der Hauptverhandlung?" wurde gegeben vom Direktor Dr. Polligkeit» Frankfurt a. M. Solle die Schutzaufsicht auch Positives schaffen, so müsse sie nach den Ursachen der Kriminalität der Jugendlichen forschen. Wege zu ihrer Beseitigung suchen und die hierzu geeigneten Persönlichkeiten auswählen. Er wünscht für die notwendigen Ermittelungen berufsmäßige Kräfte, freiwillige aber für die eigentliche Schutzaufsicht. Diese erfordert Vertrauen zu dem guten Kern, der in jedem Kinde n o ch st e ck e. Als Organisationsform der Schutzaufsicht eigne sich besonders die Berufsvormundschaft bezw. Berufs- Pflegschaft. Notwendig sei im Interesse der auswärts unter- zubringenden Jugendlichen ein Uebereinkommen aller deutschen Organisationen für Jugendgerichtshilfe zum Zweck gegenseitiger Hilfe bei Ermittelungen wie bei der Schutzaufsicht. Die Schutz- aufsicht über jugendliche Landstreicher, die einen Hauptzufluß zur Kriminalität bilden, sei erschlvert durch die Zersplitte- rung der deutschen Fürsorgeerz.iehungs» Gesetzgebung. Hieran schloß sich ein Referat des Redakteurs Kroner» Berlin über die Frage, wie dem Schematismus in den Berichte» der Jugendgerichtshelfer zu begegnen sei. Die Diskussion war sehr lebhast. Aus der großen Reihe der Redner seien hier nur diejenigen herausgehoben, die Be- merkenswerteres gaben. Frl. Kopp, Beamtin der„Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge", will freiwillige Helfer aus allen Kreisen des Volkes nicht Missen und erwartet eine lleberbrückung der Gegensätze von der Einsicht, daß nicht die Menschen, sondern unsere Verhältnisse verwahrlost seien. Dr. Block, Vertreter der Charlottenburger Jugend- gerichtSbeihilfe, erörtert die Vorzüge berufsmäßiger Helfer. Lehrer Frauendienst, Vertreter des Erziehungsvereins für geistig zurückgebliebene Kinder, spricht von der besonderen Schwierigkeit, diesen Kindern Arbeit zu schaffen, und empfiehlt für sie die Ein- richtung von Lehrwerkstätten. Herr Reckes, Bureauchef des „Vereins zur Besserung der Strafgefangenen", tadelt das Vorurteil, das überall und namentlich im Handwerk den Strafentlassenen und auch den Fürsorgezöglingen entgegengebracht werde. Frau W e n d l a n d. Geschäftsführerin vom„Erziehungsbeirat für schulentlassene Waisen", führt aus, Mädchen seien nach Bestrafung »oegen Diebstahl noch schwerer als nach Bestrafung wegen Unzucht unterzubringen. Ein Herr Schröder hat gegenüber all diesen Rufen nach Arbeit für die Gestrauchelten und Wiederaufzurichten» den den Mut, den Segen der— Religion zu preisen und die evangelischen Jünglingsvereine zu empfehlen, deren Geschäftsführer er ist. Assessor H e i I b o r n, Vorsitzender eines Verbandes von Jugendhelfern, verspricht sich und der Gesellschaft von seiner Tätig- keit den ersehnten sozialen Ausgleich. Der Arbeiter werde sich sagen:„Da sieht man doch, daß die besitzende Klasse noch ein Herz hat." Ein Vertreter aus Barmen, Herr Makull(?), stellt das Ziel auf, durch rechte Jugendhilfe das Jugendgericht überhaupt überflüssig zu machen. Lehrer Agahd- Rixdorf, der durch seine Bemühungen um die Aufhellung des Elends erwerbstätiger Schulkinder bekannt ge- worden ist, empfiehlt, sich die Hilfe der Lehrer zu sichern. Eine von ihm eingebrachte Resolution, durch die der Jugendgerichtgf tag erklären soll, die Forderung der Volksschullehrer. als Schöffen bei Jugendgerichten zugelassen zu werden, sei im Interesse der EntWickelung der gesamten Für- sorgebewegung zu unterstützen, wird vom Vorsitzenden weder zur Debatte gestellt, noch auch nur verlesen, weil das in diesem Stadium der Verhandlungen— bei einer bloßen Aussprache der Helfer über ihre Erfahrungen und Wünsche— nicht mehr angängig sei. Amts- gerichtsrat ANmenröder- Frankfurt a. M. meint, gerade unter Lehrern finde man doch auch manchmal sehr rückständige Anschauungen über Verwahrlosung der Kinder. Aus den Reihen der anwesenden Lehrer antworten erregte Zwischen- rufe:„Das ist eine Beleidigung für den Lehrerstand!" Agahd stellt fest, daß jeder Lehrer das Recht haben müsse, Schöffe zu werden, wenn auch nicht jeder Lehrer sich zum Schöffen eigne. Er zieht dann seine nicht zugelassene Resolution zurück. Dieser Zwischenfall, der sich durch seinen etwas stürmischen Verlauf merk- lich aus den ganzen Verhandlungen der drei Tage heraushob, war die einzige Gelegenheit, wo auch mal über die Schöffen der Jugendgerichte ein paar Worte gesagt wurden. Was hätten die Teilnehmer des Jugendgerichts-Tages geantwortet, wenn gar einer verlangt hätte, man solle die Jugendgerichts-Schöffen hauptsächlich aus derjenigen Gesellschaftsschicht nehmen, deren Nachwuchs leider für die Jugendgerichte in Frage kommt, aus der Arbeiter- bevölk erung! Aus dem letzten Teil der Debatte sei nur noch erwähnt, daß Frl. Thekla Friedländer- Berlin Unterbringung der Mädchen auf dein Lande empfahl. Die Frau eines Groß- grundbesitzers aus Pommern — eine Verwandte des Rcichsikanzlers, wenn wir richtig verstanden haben— habe ihr geklagt:„Wir sind sozialgesinnt, wir haben gute Herzen, wir würden die Mädchen nehmen, aber wir bekommen sie ja nicht." Nachdem die Rednerin diesen Schmerzensschrei aus dem guten Herzen einer sozialgesinntcn Großgrundbesitzersfrau zum besten gegeben hatte, wurde Schluß gemacht. In einer letzten Ansprache erinnerte noch Geh. Ober» Rcgicrungsrat Krahne, vortragender Rat im Ministerium des Innern, an Lesiings Wort:„Ein Kind will Liebe." Mit ihr allein könne in der Jugendfürsorge der Sieg errungen werden. So klang„stimmungsvoll" der„Erste deutsche Jugendgerichts-Tag" aus, auf dem von der Hauptursache der Kinderkrimi- n a l i t ä t, von der wirtschaftlichen Miseere der Arbeiterklasse, so wenig die Rede gewesen war. «• �urch zwei Druckfehler war der Bericht über die Diens- tagslverhandlungen entstellt worden. Frl. Dr. Duensing hat erklärt, ohne Mittel sinke die ganze Jugendgerichtshilfe (nicht: Höfe) herab zu einer Spiegelfechterei, und die Er- ziehungsanstalten will Pastor S e i f f e r t- Strausberg nicht »mittelalterlich" schelten(nicht: schalten) lassen. Klus der Partei. Aus den Organisationen. Eine Konferenz des 1. ReichStags-Wahlkreises Remscheid » Lennep-Mettmann tagte am letzten Sonntag zu Elberfeld . Verantwortlicher Redakteur: Hans Mber, Kerlm.. Sur den Vertreten tvakest bis auf Metiniann sämtliche Orte des Kreises mit insgesamt 88 Delegierten, darunter eine Anzahl Genossinnen. Den Bericht über das verflossene Geschäftshalbjahr gab Partcisekrc- tär Faure . Im Gegensatz zu dem Bericht, der auf der letzten Konferenz gegeben werden mußte, war diesmal über einen erfreulichen Aufschwung zu berichten. Trotz der Krise ist eine erhebliche Mitgliederzunahme zu verzeichnen. An Listen- Mitglieder waren vorhanden am l. Juli 1908: 2461; am 1. Oktober: 2893 und am 1. Januar 1999: 3619. Tarunter sind 369 weibliche Mitglieder. Im letzten Halbjahr ist also ein Gesamtzuwachs von 858 Mitgliedern zu verzeichnen. Ein besonders erfreulicher Auf- schwung ist ersichtlich, wenn man die zahlenden Mitglieder in Be- tracht zieht. Hiervon waren vorhanden: am I.Juli 1998: 2288; am 1. Oktober 2291; am 1. Januar 1909: 2697 Mitglieder, also eine Zunahme von 499 zahlenden Mitgliedern. Die Zahl der weiblichen zahlenden Mitglieder ist mit' 259 gleich geblieben. Mit Einschluß von 21 999 Voliskalendern wurden insgesamt 121 999 Schriften und Flugblätter verbreitet. Wahlen zu den Gcmeindc-Kollegien fanden in 3 Orten statt. Unsere Stimmenzahlen sind erheblich gestiegen. Die Einnahmen an Mitglicderbeiträgen in den Mitgliedschaften betrugen 5969,45 M., davon erhielt die Kreiskasse 3759,97 M. Der, wie schon kurz gemeldet, einstimmig als Reichstagskandidat proklamierte Genosse Wilh. D: t t m a n n- Frcmlfurt a. M. war früher im benachbarten Wahlkreis Solingen in dee Redaltion des dortigen Parteiorgans tätig. Eine stark besuchte Kreisparteiversammlung fiir den 14. sächsischen ReichstagSwahlkreiS(Vorna-Rochlitz) tagte am Sonnrag in Frohburg . Im Geschäftsbericht wurde konstatiert, daß unter der Wirkung der Krise, die die Industrie im 14. Kreise besonders han getroffen hat, die Mitgliederzahl von 1381 auf 1343 zurück- gegangen ist. Als Reichstagskandidat wurde einstimmig wiederum der Genosse Schöpf lin aufgestellt. Zur Diskussion über den Entwurf des Organisationsstatuts. Es wird uns geschrieben: Große Ausstellungen sind an dem Entwurf nicht zu machen und auch nicht gemacht worden. Das außerordentlich umständliche Ausschlutzverfahren ist in glücklicher Weise vereinfacht worden. Ich möchte den Bestimmungen aber noch einen, nach meiner Auffassung sehr wichtigen Paragraphen beigefügt wissen, der ungefähr lauten müßte: Der Parteivorstand hat das Recht, ohne daß ein Antrag ge- stellt wird, den Ausschluß eines Parteimitglieds zu verfugen, welches während der Dauer des Kampfes um bestimmte Forde- rungen oder um Abwehr bestimmter Maßnahmen, öffentlich für einen dem Parteiprogramm oder der allgemeinen Parteiauf- fassung bezüglich des Kampfobjelts entgegengesetzten Standpunkt vertritt. Der Ausschluß ist sofort im Zentralorgan der Partei zu ver- öffentlichen und der örtlichen Parteileitung sowie dem Ausge- schlossenen mit kurzer Begründung mitzuteilen. Binnen einer Woche nach Mitteilung kann der Ausgeschlossene Berufung an die Kontrollkommission einlegen. Die Berufung ist in der nächsten Sitzung der Kontrollkommission zu verhandeln. Wird der Ausschluß dort bestätigt, so steht dem Ausgeschlossenen das Recht zu, drei Monate nach Beendigung des Kampfes und ohne dann an eine Frist gebunden zu sein, ein Schiedsgerichts- verfahren gegen sich zu beantragen. Diesem Antrag ist ohne Befürwortung einer Parteiinstanz zu entsprechen. Die Begründung für eine solche Bestimmung liegt geradezu in der Lust. Es kann nicht mehr so weiter gehen, daß gerade in den Momenten, in denen sich die Partei im Kamps befindet„Wahr- heitsucher" sich finden, die unter dem Triumphgeschrei der Gegner plötzlich ihr militaristisches, marinistischcs, koloniales Herz, oder ihre Abneigung gegen gewisse direkte Steuern entdecken. Hier ist rasches, scharfes Eingreisen notwendig, um die Kampflraft der Partei nicht zu schädigen. Wie oft ist der öffentliche Kampf in Versammlungen und Zeitungen nicht schon in unberechenbarer Weise durch solche Disziplinlosigkeiten geschädigt worden. Bür- gerliche Gegner, die in ihrer Entscheidung schwankend sind, werden sich sofort endgültig für den unserer Parteiauffassung feindlichen Standpunkt entscheiden, wenn sie sehen, daß in unseren eigenen Reihen sich Befürworter solchen Verhaltens befinden. Nach Er- ledigung des Kampfes kann dann der Betroffene ein ruhiges Ab- wägen seines Verhaltens herbeiführen, wenn er dazu noch Lust hat. Die Bestimmung im Statut allein, wird schon manchen davor be- wahren, gerade in kritischen Zeiten sein Licht auf den Scheffel zu stellen. AIS Leitmotiv für meine Anregung sei ein Wort Viktor Adlers variert:„Lieber mit der Partei irre gehen, als gegen die Partei Recht behalten." H. Merkel-Mannheim. Ucver den Neberfall auf den Landtags abgeordneten Genossen Rollwage» berichtet die„Fränkische Tagespost": Vor einigen Tagen wurde LandtagSabgeordnerer Genosse Rollwagen in Augsburg von einem gewissen Alsted Gottschling meuchlings überfallen und schwer mißhandelt. Die Verletzungen verursachten zwar starken Blutverlust. sind aber voraussichtlich nicht gefährlich, wenn eine durch Glas« splitter hervorgerufene Beschädigung des einen AugcS nicht dauernde Folgen hinterlaßt. Das Attentat traf den Angegriffenen ahnungslos. — Der Alsted Gottschling ist in Nürnberg und Hof nicht unbekannt. Er soll wegen fortgesetzter Stänkereien gegen Genossen aus der Partei ausgeschlossen werden. Deshalb der Groll des Krakeelers gegen Genossen Rollwagen als Vorsitzenden des sozialdemokratischen Vereins Augsburg. pollrellickies, Oei-l eheliches uftv. Die Justiz im Kampfe gegen die ArbriterkasinoS. Eine neue Perspektive eröffnet sich jetzt den Arbeitern deS Ge- richtsbezirks H a l l e a. S. in ihrem Kampfe ums Versammlungs- recht. Man verweigert der Sozialdemokratie auf dem Lande fast durchgängig die Säle zu Versammlungen. Um sich versammeln zu können, gründeten die Arbeiter schließlich Arbeiterheime, Kasinos usw. und trafen sich in eigenen Lokalen oder Wohnungen von Partei- genossen. Das paßte weder der Polizei, noch den Wirten, die die Groschen„unversammelter Arbeiter" gern nehmen. Die Vor- stände dieser Organisationen wurden wegen Verletzung der Schank- konzessionSpflicht und Vergehens gegen das Gelverbesteuergesetz bestrast. Damit begnügt man sich nun neuerdings nicht mehr, sondern man will nun auch sämtliche Mitglieder der Arbeiterkasinovereine wegen Verletzung der Schankkonzessionspflicht an den Kragen nehmen. Der Anfang wurde am Montag in zwei Schöffengerichtssttzungen zu Halle gemacht, in denen vier An- geklagte zu Geldstrafen von 49 bis 29 M. verurteilt wurden. Die interessante Urteilsbegründung besagt unter anderem: Der eigent- liche Schankgewerbetreibende sei der Verein selbst, da aber der Verein nicht die Rechte einer juristischen Person besitzt, so hafte nicht nur der Vorstand, soudern jedes einzelne Mitglied. Alle Mitglieder der Arbeiterkasinos machten sich strafbar, denn von der Schankkonzessionspflicht seien lediglich die Ofsizierskasinos und dieKantinen befreit. Die Presse vor der RcvisionSinstanz. Wegen Beleidigung von P o l i z e i b e a m t e n ist am 12. November v. I. vom Land- gericht Halle a. S. der Genosse Ernst Daum ig, damals am „Volksblatt für Halle", zu einer Geldstrafe von 699 Mark verurteilt worden. Er hatte einen ihm zugegangenen Bericht abgedruckt, wonach einige Polizeibeamte sich bei oer Ver- Haftung eines betrunkenen Tumultuanten unmenschlich benommen haben sollten.— Die Revision deS Angeklagten wurde am i5. März vom Reichsgericht verworfen. Die rote Kranzschleife. Der Genosse Olling in Castrop hatte bei der Beerdigung eines verunglückten Kameraden einen Kranz mit roter Schleife geiragen, Inseratenteil verantw,: Th, Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts� am Grave auch eine kurze Widmung gesprochen, obschon der Geist« liche das verboten hatte. Genosse Olling kam deswegen unter An- klage. Das Schöffengericht in Castrop erkannte auf Freisprechung, weil in dem Vorangehen in einem Leichenzuge, den» Tragen eines Kranzes mit roter Schleife und einer kurzen Ansprache am Grabe leine außergewöhnliche Veranstaltung zu erkennen sei. Es ist sehr vernünftig, wenn so die Geistlichkeit zur Toleranz erzogen wird. Hus der Frauenbewegung. Das Frauenwahlrecht vor dem Unterhause. Am Freitag, den 19. d. Mts., kommt im Unterhause die von Geoffrey Howard mit Unterstützung einer Anzahl Liberalen und Arbeiterabgeordneten eingebrachte„VolksvertretungS- b i l l" in zweiter Lesung zur Verhandlung. Nach diesem Entwurf soll das Wahlrecht allen erwachienen Männern und Frauen gegeben werden mit der einzigen Einschränkung einer dreimonatigen Seß- haftigkeit vor dem 15. Juli eines jeden Jahres. Mit diesem Gesetz wäre so ziemlich die äußerste Grenze der Demokratisierung des Wahlrechts erreicht, denn— nicht bloß: ein Mann eine Stimme, sondern auch: eine Frau eine Stimme, ohne Rücksicht auf Vermögen, Stellung, Bildung usw., gleichgültig, ob verheiratet oder nicht. Es bleibt allerdings die Einschränkung be- züglich der Seßhafrigkeit. Die in der Arbeilcrbewegung tätigen Frauen, wie die Genossinnen Glasier, Bondfield, Macarlhur und andere haben in einem Schreiben an den Abgeordneten Howard und die anderen Träger der Bill ihr volles Einverständnis mir derselben zum Ausdruck gebracht. Anders die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen. Diese erklären sich bekanntlich für die Vorschläge S t a n g e r s. Danach soll nur das gegenwärtig und in der Zukunft für die Männer bestehende Wahlrecht entsprechende Anwendung auf die Frauen finden. ES würde das zu den Millionen Männern, die jetzt in England das Wahlrecht besitzen, nur weitere V/z— 2 Millionen Frauen fügen. Die Mehrzahl der Arbeiterinnen bliebe ausgeschlossen. Die Befürworter dieser Bill behaupten, daß so alle Klassen und Schichten der Bevölkerung— in besonders hoher Zahl auch die Arbeiterinnen— vertreten seien, ohne daß man den Wahlkörper so umfangreich gestalte wie bei jenem. Ferner wird gegen Howards Entwurf noch ms Feld ge- führt(auch von vielen Freimden), daß, wenn er auch das Unterhaus passieren würde, er im Hause der Lords doch zu Fall gebracht werden würde._ Leseabende. Pankow . Freitag, den 19. März, 8>/z Uhr, bei Clemen, Wollank- straße 122. Adlershof. Jeden dritten Freitag im Monat, 8'/� Uhr, im Lokal von Kaul, Bismarckstr. 16. Rummclsburg. Freitag, den 19. März, 8'/z Uhr, bei Tempel. Vor- trag. Genosse Witzle. Groß-Lichterfclde. Infolge eingetretener Hindernisse diesmal nicht am 19., sondern erst am Freitag, den 26. März, im . Kaiserhof". Steglitz . Freitag, den 16. April, L'/z Uhr— nicht am 19. März— bei Rohmann, Schloßstraße 117. Vortrag. Kommunalpolitik. Versammlungen— Veranstaltungen. Lichtenberg . Montag, den 22. März, 8'/? Uhr, im Lokal von Ertelt, Pfarrstr. 74._ Versammlungen. Märzgebanken. Ter Wahlverein für den 4. Berliner Reichstagswahlkreis hatte zum Dienstagabend fünf große Volksversammlungen veranstaltet, dem Andenken der revolutionären Märztage gewidmet.„März- gebanken" stand auf der Tagesordnung in allen Versammlungen. Die Erinnerung an jene Tage der Freiheitsstürmc, die in der Ar- bcitcrschaft lebendig geblieben ist, wurde gefeievt, aber die..März» gcdankcn" weilten nicht nur in der Vergangenheit, sie beschäftigten sich auch lebhaft mit unseren gegenwärtigen Verhältnissem Und geoade in Preußen, wo die Arbeiter den Kampf um ihre'politische Gleichberechtigung, den Kampf gegen das Dreiklassenwahlrecht mit Energie aufgenommen haben, da müssen sie um die Märzenzeit der Stürme vom Jahre 1848 lebhast gedenken, als das Volk die Po- litische Freiheit forderte, die ihm heute noch nicht geworden ist. Aus allen Reden in den veranstalteten Versammlungen llana es heraus, und mit Beifall wurde es aufgenommen, wenn die Redner versicherten, daß die Arbeiterschaft nicht ruhen und rasten würde, bis ihr die politische Gleichberechtigung im Kampfe mit den anderen Parteien zugestanden worden ist. Die Arbeiterschaft ist mündig geworden und fähig, ihre Rechte selbst zu vertreten; sie wird be- leidigt, herabgewürdigt durch das Dreitlasscnwahlrecht. Die Ar- beiterschaft ist verraten worden durch das liberale Bürgertum, welches in feiger Angst vor der selbstbewußt auftretenden Arbeiter- klasse schon gewonnene Freiheiten der Reaktion wieder preisgab. Es ist in unseren Tagen selbst reaktionär geworden, es spielt Rc- giernngspartci und steht im Bunde mit den Feinden aller politi- scheu Freiheit der Arbeiterklasse gegenüber. Diese aber weiß, daß sie nur auf sich und die eigene Kraft angewiesen ist. Das Bürger- tum hat keinen Mut mehr, weil es keine Ideale mehr hat. Der Ar- beiterschaft ist die Aufgabe zugefallen, Hüter der politischen Frei. heiten zu sein, soweit solche vorhanden sind, und für ihre Mehrung und Erweiterung Sorge zu tragen. Und die Arbeiterklasse ist sich ihrer großen Aufgabe in vollem Maße bewußt geworden. Sie ist bereit, um ihre Rechte zu kämpfen, sie ist entschlossen zu siegen. Ein Teil der Reden, die im allgemeinen dasselbe zum Ausdruck brachten, war geschichtlichen Reminiszenzen gewidmet, die mit ficht- lichcm Interesse von den Zuhörern aufgenommen wurden. Da wurde an das Versprechen einer Verfassung für Preußen, wie es der König Friedrich Wilhelm III. gegeben hatte, erinnert, ein Ver- sprechen, welches zu halten das Volk erst mit Donnerstimme den König mahnen muhte. Da zogen die Märztage in Frankreich , in Oesterreich und in deutschen Landen an dem geistigen Auge der Versammelten vorüber. Mancher Redner verweilte länger bei dem 18. März von Berlin und feierte das revolutionäre Erwachen des Volkes, welches sich nicht länger narren lassen wollte. Als Redner für die fünf Versammlungen waren gewonnen die Reichstagsabgeordneten Genossen Albrecht-Kalbe-Afchersleben, Emmel-Mühl Hausen, Eichhorn-Durlach-Pforzhcim, Hildcnbrand- Stuttgart, Lehmann-WicSbaden. Der Besuch war überall ein guter, mit Ausnahme der Brauerei Friedrichshain , wo der große Saal verhältnismäßig schwach besetzt war. Genosse Lahmann sprach dort. In dem ,.Urania"-Saal, Wrangelstraße, hielt Genosse Eichhorn, in„Sanssouci " Genosse Hildenbrand einen Bortrag. Bei Litfin sprach Genosse Albrecht, bei Boeker in der Weberstraße Genosse E m m e l. Zahlreich waren auch die Ge- uossinnen aus dem 4. Kreis in allen Versammlungen zu sehen.— Die Redner fanden überall freudige Zustimmung, wenn sie zum Schluß ihrer Ausführungen zu eifriger Werbearbeit für unser« Partei aufforderten, die größer und stärker werden müsse, um ihre Mission erfüllen zu können. Es gilt für Jeden von uns,„März- gedanken" weiter zu tragen, die vielen Trägen und Gleichgültigen aufzurütteln,„der Freiheit Märzsaat" auszustreuen, um März» gedanken ringsum neu erstehen zu lassen. Emsegangene Druchrcbriften. Die letzten Tage von Pompeji. Bd, 1u, 2, Bon E, L. Dulwer.— Bücher deS Deutschen Hauses. Bd, öö/56, Deutsches Hans, Leipzig , Banerugeschichten von G, Wied. 3,59 M. 81. Juncker Berlin , W. 15. Sprüche ,»,d Widersprüche von Karl KrauS . Preis geh, 3,59 M., geb. 4,59 M. A. Langen in München . Biologisches Praktikum für höhere Schulen von B, Schmid. Geh. 2 M,, geb. 2,59 M. B, G, T-ubner, Leipzig._ Buchdruckcrej u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.
Download single image
avaibable widths