Der Staat ift in Gefahr!Behördliche Vorbereitungen zur Maifeier.Der Staat ist in Gefahr I Der preußische Staat. Undkvas besonders schmerzlich ist. Behörden, Amtsstcllen tragendie Schuld daran. Sie sind lässig geworden im Kampfe gegenden Umsturz, sie haben die allprcuszische Schneidigkeit stumpfwerden lassen und geglaubt, höher als die Pflicht, die Rotenniederzuhalten, stehe die zur loyalen Anwendung des neuenVereinsgesetzes. Freilich sind es nur weuige— aber wenneinmal die Lauheit eingerissen ist, wer will sagen, wie vielNachfolge das böse Beispiel finden wird IIndes, das preußische Ministerium des Innern wacht.Mögen einzelne Kommunalbehörden im Eifer nachlassen, nochist die Zentrale der preußischen Polizei da, um ihn wiederaufzufrischen. In Schleswig-Holstein, wo die altpreußischeSchneidigkeit freilich kein bodenständiges Gewächs, sind voneinigen wenigen Polizeibehörden Maifestzüge gestattetworden. Solcher Vorschubleistung des Umsturzes konnte dasPolizeiministerium nicht ruhig zuschauen. Es hat die Misse-täter zur Rechenschaft gezogen. Wie der„Hamb. General-anzciger" erfährt, sind die schleswig-holsteinischen Behörden,die die Arbeiterumzüge zur Maifeier genehmigthatten, vom Ministerium des Innern telegraphischaufgefordert worden, die G r ü n d e für diese Genehmigunganzugeben.Wer da weiß, welche Abneigung die preußischen Be-Hörden vor Telegraph und Telephon haben, wenn es gilt,Beschwerden preußischer Bürger zu erledigen, der kann sichvorstellen, wie dringlich die Angelegenheit dem preußischenPolizeiministerium ist. Es ist selbstverständlich, daß die Be-fragten telegraphisch zu antworten haben und dann kann dasMinisterium ihnen noch vor dem 1. Mai stirnrunzelnd zuerkennen geben, daß die Gründe, womit sie ihren„revolutionären Schritt" rechtfertigen wollen, absolut un-zureichend und gänzlich haltlos sind. Vielleicht wird gleicheine Anweisung beigegeben, wie„die loyale Anwendung" deöNeichsvereinsgesetzes in solchen Fällen auszuschauen hat.Eine unberechtigte Spandauer Eigentümlichkeit.Leider ist die Zenttalstelle der preußischen Polizei beianderen Gelegenheiten nicht so sehr um die Belehrung derunteren Polizeibehörden in der Anwendung des Vereins-gesetzes bemüht. So ist's betrübend zu sehen, daß die Polizei-Verwaltung zu Spandau von dem Bestehen eines Reichs-vereinsgesetzes offenbar noch gar nichts erfahren hat. DasGewerkschaftskartell hatte beantragt, ihm für hen 1. Mai,vormittags K Uhr, einen geschlossenen Umzug ohne Musik-begleitung zu gestatten, der folgenden Weg nehmen sollte:tavelstratze, Brettesttaße, Charlottenstraße, Brückenstraße,tresowplatz, Plantage, Grunewaldstraße. Darauf ist demGenossen Appoldt nachstehender Bescheid zugegangen:Spandau, den 26. April ISOS.Die Genehmigung zur Veranstaltung eines geschlossenen Um-zugeS am 1. Mai 1909 wird versagt, weil der Umzug einDemonstrationszug der den Umsturz der staatlichen Ordnung undstaatlichen Einrichtungen anstrebenden Sozialdemokratie darstellensoll und weil durch den Umzug die öffentliche Ordnung und dergerade am Sonnabend als an einem Wochenmarkttage starkeöffentliche Verkehr gefährdet ist. v. K o e l tz e.Der Entscheid enthält drei Gründe, die an sich sehr treff-lich sein mögen, aber leider an dem erheblichen Umständeleiden, daß sie keine gesetzlichen Gründe nach dem§ 7 des Neichsvereinsgesetzes sind! Nach diesemParagraphen bedürfen öffentliche Aufzüge' zwar der Ge-nehmigung der Polizeibehörde, aber diese Genehmigung darfnur versagt werden, wenn von der Veranstaltungdes Aufzugs Gefahr für die öffentliche Sicher-h e i t zu befürchten ist. Daß die Polizeiverwaltung zuSpandau einen Maifestumzug nicht mag. weil er„einenDemonstrationsumzug der den Unisturz der staatlichen Ordnungund staatlichen Einnchtungen anstrebenden Sozialdemokrattedarstellen soll", das wird gewissen Leuten ja ein erfreu-liches Zeichen des staatserhaltenden Eifers dieser Behördesein. Für das Gewerkschaftskartell aber stellt dieser Umstandkein Hindernis für die Veranstaltung des Umzuges dar, dadie Polizei kein Recht hat, deswegen den Umzug zu verbieten.Und ebenso gehen die Befürchtungen der SpandauerPolizeiverwaltung um die öffentliche Ordnung undden öffentlichen Verkehr das Gewerkschaftskartell garnichts an, denn auch um dieser Befürchtungen willendarf die Spandauer Polizeiverwaltung keinen Umzug der-bieten. Ja, wenn das alte preußische Vereins- und Ver-sammlungsgcsetz bestände, dann wäre die Verfügung derSpandauer Polizeiverwaltung wenigstens in ihrem letzten Teilwohl begründet. Denn dieses Gesetz gab der Behörde dasRecht, die Genehmigung zu verweigern wegen Befürchtungen umdie öffentliche Ordnung oder den öffentlichen Verkehr. Aberdieses Gesetz besteht seit geraumer Zett nicht mehr und des-halb ist die Verfügung der Spandauer Polizeiverwaltungrechtlich null und nichtig. Die Konseguenzen des Irrtums derBehörde mutz freilich der Bürger tragen. Der zu Unrecht ver-botene Umzug darf nicht stattfinden, ehe nicht die höhere Be-Hörde den Falschentscheid aufgehoben hat. Was bekanntlicherst lange nach dem 1. Mai geschehen würde, da Telegraphund Telephon in Preußen bei der Erledigung von Beschwerdender Bürger gemeinhin nicht angewendt werden. Immerhinist dem Spandauer Gewerkschastskattell anzuraten, die Be-schwerde einzulegen, damit die Spandauer Polizeiverwaltungnachträglich erführt, daß das alte preußische Vereins- undVersammlungsgesetz längst zu Grabe getragen und anseine Stelle ein Reichsvereinsgesetz getreten ist» dessenloyale Ausführung der preußische Minister des Innerndenen, die es angeht, warm empfohlen hat. Möglich, daß danndie an sich ja ganz interessante, aber gesetzlich doch nicht zurechtfertigende Eigentümlichkeit der Spandauer Polizeiverwal-tung abgetan wird.m m mNach Kieler Muster.Die Reformen dyr Spandauer PolizelverwaltUttg aufLem alten preußischen Gesetz ist um so verwunderlicher, alsihr doch schon andere preußische Polizeiverwaltungen zurGenüge gezeigt haben, daß man auch auf Grund des Reichs-Vereinsgesetzes Maifestumzüge— verbieten kann.Eben hat das wieder die Polizei zu Dortmund getan.Die Dortmunder Genossen erhielten auf jhr Gesuchfolgenden Bescheid:„Der unter dem 26. d. M. beantragte Maiumzug der sozial-demokratischen Partei des Wahlkreises Dortmund-Hörde wirdmit Rücksicht auf die für die öffentliche Sicher«heit zu befürchtende Gefahr nicht genehmigt.Durch die schwer reizende agitatorische Tätigkeitf1 der sozialdemokratischen Partei hat sich seit Jahren hier einaußergewöhnlich gespanntes Verhältniszwischen Angehörigen dieser Partei und denenher bürgerlichen Partei eniwickelh was sich z. B.wiederholt bei Wahlen gezeigt hat. Mit Rücksicht auf die beisolchen Gelegenheiten gemachten Ersahrungen istzweifelsohne damit zu rechnen, daß durch den geplanten Mai-umzug die öffentliche Sicherheit gefährdet wird."Herr Schmieding, der Oberbürgermeister und Polizei-chef von Dortmund, macht es wie die Polizei zu Kiel. Erbehauptet, daß die„Patrioten" derart wütend auf die Sozial-demokratie sind, daß sie über den Umzug herfallen nmrden.Denn daß die Sozialdemokraten ihren Umzug nicht durchAngriffe auf die Zuschauer gefährden würden, begreift einkleines Kind. Und Herr Schmieding fühlt wie die KielerPolizei nicht die Verpflichtung, den Sozialdemokraten durchentsprechende Maßregeln die Nützung des Rechts, das sieauf Grund des Vereinsgesetzes haben, zu ermöglichen, son-dern er nimmt die— angebliche-— Geneigtheit anderer zuGewalttätigkeiten zum Anlaß, um den Sozialdemokraten ihrRecht zu nehmen. Und wie wir schon beim Kieler Verbot ge-fragt haben, so müssen wir auch hier wieder fragen, ob auchein Umzug von Kriegervereinen verboten werden würde,wenn der Chef der Polizei befürchten würde, die Sozial-demokratie würde über die Krieger hersallen— was inWirklichkeit natürlich nicht, aber doch in der Vorstellungeines Polizeibeamten möglich ist. Und wieder sind wirbereit, hundert gegen eins zu wetten, daß in solchem Falledie Polizei bestellt würde, um die Krieger vor den einge-bildeten Gefahren zu schützen, daß aber Herrn Schmiedingkeinen Augenblick der Gedanke käme, wegen dieser Gefahrenden Umzug der Krieger zu verbieten.— In der Tat darfdenn auch jeder Klimbimverein durch die Straßen der StadtDortmund ziehen, während es der organisierten Arbeiterschaftverboten wird.Utbrigens sind die„gemachten Erfahrungen", die HerrSchmieding in der Verfügung gegen die Sozialdemokratieanführt, durchaus nicht derart, daß sie etwas gegen unserePartei beweisen. Für die früheren Poluxischlachten in Dortmund ist die Polizei allein verantwortlich, die Sozialdemo-kratie hat gar nichts damit zu tun gehabt.Drei Beiträge zur„loyalen A u s i ü h r u n g" desReichsvereinsgesetzes in PreußensDer Thronwechsel in äer Türkei.Abdul Hamids des Grausamen Absetzung ist in der ganzeneuropäischen Türkei mit großem Jubel aufgenommen worden.Daß in Klernasien die Situation, die ohnehin durch die Fort-dauer der Metzeleien, deren Opfer wieder die unglücklichenArmenier sind, ungünstig genug ist und durch den Thronwechselverschlimmert werden sollte, ist nicht wahrscheinlich, da derentthronte Sultan im ganzen Reiche und bei allen Nattona-litäten dem wohlverdienten Haß schon längst verfallen war.Tie Jungtürken sind zudem in der Lage, durch die aktenmäßigeDarstellung dieser Regierung des Mordes dem Gestürztenvollends jede Rückkehr zur Macht unmöglich zu machen. Undsie scheinen entschlossen, mit dem furchtbaren Schädiger ihresVolkes streng ins Gericht gehen zu wollen. Schon das Fetwades Scheich ul Islam, auf Grund dessen die Nattonalversamm-lung die Absetzung aussprach, ist eine leidenschaftliche Anklagedes meineidigen Mörders. Und der Umstand, daß der Sultanals Gefangener nach Soloniki, dem Zentrum der jung-türkischen Macht, gebracht worden ist, läßt erkennen, daß überdas Schicksal des alten Verbrechers das letzte Wort noch nichtgesprochen ist«Der Thronwechsel.Konstantinopel, 27. April. Von unterrichteter Seite Verdendie Vorgänge bei dem Thronwechsel folgendermaßengeschildert: In der gestrigen Sitzung hatte die Nattonalversamm»lung keinen Beschluß gefaßt, aber festgestellt, daß sie über die Not-wendigkeit eines Thronwechsels einig sei. In der vergangenenNacht begaben sich daher einige Offiziere, darunter Enver Beh,in den Uildiz. teilte» dem Sultan den Willen des Volkesmtt und ersuchten ihn. ihnen, ohne daß Gewalt angewendet werde,zu folgen. Der Sultan erklärte sich dazu bereit, wenn ihmsein Leben garantiert werde. Sodann wurde der Sultanan Bord eines Torpedobootes mit einigen Dienern und Eunuchennach Tscheragan gebracht, wo er vorläufig bleibt. Heute vormittagum 19 Uhr trat die Nationalversammlung zu einer g e-steimen Sitzung zusammen und beschloh, den Scheik ülJSlam aufzufordern, die religiösen Formalitätenfür die Absetzung des Sultans zu erfüllen Hierauf wurdedie Sitzung unterbrochen, und der Scheik ül Islam, der Fetwa-Emini(das Haupt der Fetwa-Abteilung), sowie einige Abgeord-nete traten zu einem besonderen Rate zusammen, um ein Fetwaauszuarbeiten. Das Fetwa besagt:Wenn der Kalif der Gläubigen treue Untertanen in dieVerbannung schickt, wenn er töten und morde» läht, Unruhenund Meuterei unter dem Volke anstiftet, wenn er meineidigist, und wenn endlich die Bevölkerung erklärt, seine Herrscher-rechte nicht mehr anerkennen zu wollen, haben die Vertreterdes Volkes zu entscheiden, ob sie eine Entthronung vornehmen»der dem Sultan seine Abdankung nahelegen sollen.Inzwischen wurde eine Deputation Abgeordneter zu ÜemThronfolger Reschad geschickt mit der Bitte, dem Rufe desVolkes Folge zu leisten. Reschad erwiderte, er fühle sich glücklich,die Wünsche des Volkes erfüllen zu können. Die National-Versammlung hielt nun eine zweite, ebenfalls geheimeSitzung ab. in der unter lautloser Stille das Fetwa verlesenwurde, worauf auf eine Frage des Präsidenten Said ein-stimmig die Absetzung Abdul Hamids und dieProklamierung ReschadS zum Sultan unter all-gemeinem Beifall beschlossen wurde. Wiederumwurde eine Kommission von Abgeordneten, der sich der Scheik ülIslam, der Großwesir und andere Würdenträger anschloffen, zuReschad geschickt, um ihn abzuholen. Senat und Kammer begabensich indessen in corpore in das Kriegsministerium, wo sich die ge-samte Generalität mit dem Generalissimus Mahmud Schewket,die Spitzen der Geistlichkeit, das Kabinett und andere hohe Beamteversammelt hatten. Gegen 3 Uhr erschien unter stürmischen Hoch-rufen der neue Sultan in geschlossenem Wagen, von den Ab-geordneten deS Parlaments begleitet, und wurde von den Präsi-Kenten der Kammer und des Senats begrüßt. Im Thronsaal sprachder Scheik ül Islam ein Gebet, und der Sultan leisteteden Eid auf die Verfassung. Die Kanonen feuertenSalut und die Menge brach in Jubelrufe aus. Die Anwesendendefilierten sodann vor dem Sultan, worauf dieser nach dem PalaisDolma Bagtsche zurückkehrte. Hierauf fand ein Ministerratstatt, in dem eine offizielle Kundgebung über den Thronwechselverfaßt wurde, die allen WilajetS und den diplomatischen Per-txeterg des Auslandes telegraphisch übermittelt wurde,Der Beschluß Set Nationalversam mlutlff.Konstantinopel, 28. April. Der amtliche Wortlaut deS inder gestrigen Nationalversammlung über den Thronwechsel ge-faßten Beschlusses ist folgender:Die aus Setiatoren und Deputierten zusammengesetzte, alsNationalversammlung tagende Versammlung wählte einstimmigunter den beiden Vorschlägen, die in dem von dem Scheich ul Js-lam verlesenen und unterzeichneten Fetwa enthalten sind, dieEntthronung. Demzufolge wurde Sultan Abdul Hamid II.des islamitischen Khalifais und ottomanischen Sultanats für ver-lustig erklärt und als sein legitimer Erbe Mehmed ReschadEsseirdi unter dem Titel Mohammed iV. zum Khalifen undSultan proklamiert.Ter gefangene Sultan.Konstantinopel, 28. April. Ueber die WegführungAbdul Hamids verlauten folgende Einzelheiten: Abdul Hamidprotestierte anfänglich energisch gegen seine Wegführung,fügte sich jedoch schließlich dem unabwendbaren Beschluß und wurdesehr niedergeschlagen. Er wurde mit kleinem Gefolgeunter strengster Ueberwachung wie ein Gefangener fortgeführt.Entgegen anders lautenden Meldungen wird nunmehr fest-gestellt, daß der frühere Sultan Abdul Hamid heute nacht 1 Uhrmit Eitrazug nach Saloniki gebracht worden ist.Eine Lehre für die Dynastie.Konstantinopel, 27. April. Eine Extraausgabe der Blätterveröffentlicht eine Art offiziöses Communiquä über denThronwechsel. Es wird darin ein geschichtlicher Ueberblick über dieZeit seit Sultan Murad gegeben und in Einzelheiten das abso-lutistische Regime Abdul Hamids geschildert, wobei insbeson-dere der Vernichtung Tausender von Staats-männern und zum Schlüsse der jüngst heraufbeschworenen R e-volte gedacht wird. In dem Communiquö heißt es, die R e-gierung Abdul Hamids sei ein historisches Bei-spiel und eine Lehre für die Dynastie Osman.Ohne Zweifel werde der Himmel Abdul Hamidstrafen. Das Communiqus schließt mit der Ankündigung derThronbesteigung Mohammeds.V.Der„Freiheitssultan"»Konstantinopel, 28. April. Staatsrat Muktar Pascha,ein Sohn des früheren Scheichs ul Islam, und andere Mit-glieder der Liberalen Union sind gestern noch vor demThronwechsel verhaftet worden.Der neue Sultan soll gestern geäußert halben, sein Wunschsei, gemäß dem Scheriagssetz und der Verfassung zu regieren. Ersei stolz darauf, der erste wirkliche Frerheitspadrschah zusein. Die türkische Presse gibt der Hoffnung auf eine neue glück-liche Aera Ausdruck. Den Blättern zufolge hat da? Kabinettum feine Entlassung gebeten; der Sultan habe esjedoch ersucht, vorläufig im Amte zu bleiben.Festtag.Konstantinopel, 28. April. Aus Anlaß de« Thronbesteigungdes neuen Sultans ist heute offizieller Festtag. AlleAemter sind geschlossen, am Abend findet eine Illuminationstatt. Infolge des heutigen Freudenschießens entstand inStambul und Galata eine Panik; besondere Unglücksfälle habensich jedoch nicht ereignet,Fortdauer Sict Metzeleien in Kleinaste».'Rom, 28. April. Die Agenzia Stefani meldet aus KonstanU»nopel: Konsulardepeschen bestätigen, daß in Cassab feit vier TagenAusschreitungen herrschen. Alles ist verbrannt und zerstört. Einfranzösischer Kreuzer ist nach Ladikije abgegangen. Der Guardiandes Heiligen Landes ersuchte um Entsendung eines italienischenSchiffes nach Ladikije, um die Franziskaner der benachbartenMissionen aufzunehmen. Fünftausend Armenier find«ach Beirutgeflüchtet, wo fortwährend Flüchtlinge ankommen, so daß bereitsMangel an Nahrungsmitteln herrscht. Die Unruhen in Adanaund in der Umgebung von Adana dauern an. In der Kirche einerbenachbarten Oertlichkeit sollen hundert proteftanttsche Missionareverbrannt worden sein« Di« Konsuln hatten sich vergeblich an denWali gewandt«Militärische Maßregeln«Konstantinopel, 27. April. Für die WilafeiS Akösipv undALana wurden außerordentliche militärische Maß-regeln, die Entsendung einer größeren Zahl von Truppen unddie Proklamierung des Standrechts beschlossen«Kiamil Pascha.Konstantinopel, 28. April. Hier läuft das Gerücht, der frühereGroßwesir Kiamil Pascha sei verhaftet worden» poUtifcbc CUbcrficbtBerlin, den 28, April 1909,Sicherung der Bauforderungen.AuS dem Reichstage. 28. April. Die zweite Lesungdes Gesetzentwurfs über die Sicherung der Bauforderungcuspielte sich in sehr kurzer Zeit ab, da über die wesentlichstenGrundlagen des Gesetzes keinerlei Meinungsverschiedenheitenbestehen. Die skandalöse Prellerei der Bauhandwerker undBauarbeiter durch die Bauschwindler hatte so allgemeinen Ur.«willen erzeugt, daß alle Parteien mit der Regierung einigwaren in dem Bestreben, diesem schwindelhasten Treiben einEnde zu machen. Völlig kann das allerdings nichtgelingen, aber wesentlich Abbruch wird den Bauschwindlerudoch das Gesetz in der vorliegenden Fassung tun. Dem sachverständigen Mitwirken der Sozialdemokraten in der Koni-Mission ist es gelungen, eine Anzahl Verbesserungen in dasGesetz hineinzubringen, die vor allem die Ansprüche der Bauarbeiter auf ihren verdienten Lohn sicherstellen. Die Mittelzur Sicherung der Bauforderungen sind wesentlich: die Forde-rung, daß der Bauunternehmer hinreichend Baugelder auf-weisen muß, die Anlegung eines Vaubuches zur Koii-trolle der Geschäftsführung, für jeden Neubau diehypothekarische Sicherstellung der Forderungen der Hand-werter mW Bauarbeiter, ferner die Errichtung vonBaufchöffenämtern zur Schlichtung von Stteittgkeiten. EinigeAnttäge hatte die Sozialdemokratte in der Kommission nichtdurchsetzen können. Sie wurden eingehend vom GenossenBömelburg begründet. Es handelte sich da wesentlichum die Zuziehung der Bauarbeiter zu den Bauschöffenämtern.Die Sozialdemokratie beantragte, daß mindestens ein Bau-arbeiter als Bauschöffe gewählt werden müsse. Die bürger-lichen Parteien wollten sich indes auf dieses Zugeständnis nichteinlassen, unter dem Vorgeben, daß die Unternehmer in dieserFrage das nämliche Interesse hätten wie die Arbeiter. So wurdedenn der Antrag gegen die Sozialdemokraten, Polen undvereinzelte Zenttumsarbeiter abgelehnt.Nach Beendigung der zweiten Lesung des Gesetzentwurfsüber die Bauforderungcn trat das Haus auch noch in dieerste Lesung eines Gesetzentwurfs gegen die m i ß b r ä u ch-liche Verwendung von Gerste ein. die als Futter-