militärischen Aufruhrs. Gehorsamsverweigerung vor versammelterMannschaft usw. zu verantworten. Die Hauptiibeltäter sind dieKanoniere Knochenhauer, Blechriede und Kraut. Neben ihnennehmen die Kanoniere Ludwig, Hasse und Masson auf der Anklage-bank Platz.Vor Verlesung der Zeugenliste macht der Verhandlungsleiterdie Kanoniere, die als Zeugen auftreten, darauf aufmerksam, dahsie die Aussage verweigern können, insofern sie sich dadurch selbsteiner strafbaren Handlung bezichtigen. Die Anklage wirft denKanonieren Blechriede, Kraut und Masion bor, sich mit mehrerenanderen nicht ermittelten Kameraden zusammengerottet und sichmit vereinten Kräften gegen einen Vorgesetzten vergangen zuhaben. Die Kanoniere Blechriede und Masson sollen ferner ge-mcinsam vor versammelter Mannschaft die dem Vorgesetzten gc-bührende Achtung verletzt und die übrigen Angeklagten vereintbor versammelter Mannschaft den Gehorsam verweigert haben.Die Vorgänge, die der Anklage zugrunde liegen, haben sicham 3. April d. I. in Jüterbog abgespielt. Das Lehrrcgiment derArtillerieschietzschule liegt in Jüterbog in Garnison. Der Schietz-platz ist etwa zwei Stunden von der Garnison entfernt und dieMannschaften werden oft nach angestrengten Schietzübungen aufWagen nach den Kasernements zurückgebracht. So geschah es aucham 3. April. Die Kanoniere, etwa 123 an der Zahl, sangen aufdem Wagen. Als der Unteroffizier Ruhe gebot, fielen unter denMannschaften abfällige Bemerkungen. Der Unteroffizier befahldarauf den Leuten, von den Wagen herunterzusteigen und hinterihnen zu marschieren. Nun entstand— unter den Kanonieren—wie es heitzt, eine Revolte. Einige unter ihnen ergriffen Steineund warfen damit nach dem Vorgesetzten. Andere verweigerten be-harrlich den Gehorsam oder verwehrten dem Unteroffizier gegen-über die schuldig« Achtung. Nur ein kleiner Teil der Aufrührcrkonnte festgestellt werden. Zwölf Kanoniere wurden unter demVerdacht, sich an dem Aufruhr beteiligt zu haben, ermittelt, dochmußte gegen sechs das Untersuchungsverfahren wieder eingestellt werden.Im Anschlutz an die Verlesung der Anklage beantragt derVertreter der Anklage, während der Verhandlungen die Oeffentlich-kcit auszuschließen. Nach längerer Beratung beschließt das Kriegs-gericht dem Antrage entsprechend.Wie das Urteil besagt, hat das Kriegsgericht nicht denschwereren Paragraphen des militärischen Aufruhrs, sondern nurtätlichen Angriff bezw. fortgesetzten Ungehorsani, Achtungsverletzungusw. angenommen. Die Strafe beträgt gegen den KanonierKnochenhauer wegen tätlichen Angriffs gegen einen Vorgesetztenzwei Jahre drei Monate Gefängnis, gegen Blechriede wegenfortgesetzter Beleidigung, Achtungsverletzung und Gehorsams-Verweigerung bor versammelter Mannschaft auf drei Jahre Ge-fängnis und gegen Kraut auf ein Jahr sechs Monate Gefängnis.Ludwig erhielt 14 Tage strengen und Masson eine Woche Mittel-arrest, Hasse wurde freigesprochen.Das Urteil ist äußerst charakteristisch für..unsere" Militär-gcrichtSpraxis. Weil die übermüdeten Soldaten den allem Anscheinnach schikanösen Befehlen des Unteroffiziers nicht Folge leisten,werden sie mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedacht.Im stärksten Gegensatz zu dieser Strenge steht folgendes Urteil:Vom Kriegsgericht der 29. Division in Mülhausen i. Elf. waram 20. April d. I. der Rittmeister Graf v. Gersdorff von der2. Eskadron des 5. Jägerregiments zu Pferde in Mülhausen i. Elf.wegen Beleidigung des Einjährigen Bloch, der sich am 1ö. Fe-bruar erschossen hatte, zu 2 Tagen Stubenarrest ver-urteilt worden. Gegen dieses Urteil legten sowohl der Verurteiltewie der Vertreter der Anklage, der S Wochen Stubenarrest beantragt hatte, Berufung ein, worauf nun das Oberkriegs-gericht sich in zweitägiger Verhandlung am Freitag und Sonn-abend letzter Woche erneut mit der Sache befaßte. Im Gegensatzzur ersten Verhandlung wurde jetzt für die Vernehmung derOffiziere, zweier Soldaten und der Erzieherin im Hause des An-geklagten die O e f f c n tl i ch k e i t ausgeschlossen, weil—wie der Anklagevertreter erklärte— die Feststellung, wie sich derAngeklagte über Adel und Bürgertum im Offiziers-stände geäußert hat, eine Schädigung der militärischen Disziplinund Organisation im Gefolge haben könnte. Von den jetzt unterAusschluß der Oeffentlichkeit vernommenen Zeugen hatten zweiOffiziere, die Leutnants v. Harissen und Müller, in derKriegsgerichtsverhandlung vom vorigen Monat vor aller Oeffent-lichkcit ausgesagt, es sei wahrscheinlich, daß die wachsende Angstvor dem Rittmeister den Einjährigen Bloch zum Selbstmord ge-trieben habe.Das am Sonnabendabend 1 Uhr verkündete Urteil lautete auffünfzehn Tage Stubenarrest wegen vorschriftswidrigerBehandlung eines Untergebenen in Verbindung mitBeleidigungen._Nationallibcrale Befürchtungen.Die„Badische LandeSzeitung", das Organ der nationalliberalenPartei in Baden, erläßt eine scharse Warnung an die national-liberale ReichStagsfraktion gegen ein etwaiges Paktieren mit Kon-servativen und Zentrum. Das Blatt schreibt:„Die süddeutschen und die badischen Nationalliberalen stehenund fallen mit der Erbschaftssteuer. Ein Kompromiß mit denKonservativen und dem Zentrum würde die Partei einerschweren Krise aussetzen. Diese Krise würde die badischenationalliberale Partei nicht überleben. In Süddeutschland müßteman bei einem solchen Kompromis endgültig die»ationalliberaleFahne herunterholen, und auf keinen Fall lassen sich die badische»Nationalliberalen ehr- und ruhmlos unter das konservative unddas Zentrumsjoch zwingen"._Gegen die Erhebung von Schiffahrtsabgabenhaben sich auch die Vorsteher der Kaufmannschaft vonStettin ausgesprochen. In der von ihnen angenommenenResolution heißt eS:„Die Einführung von Schiffahrtsabgabenwürde nicht nur einen schweren Eingriff in die Entwickclungvon Handel und Industrie in den Gebieten der großendeutschen Ströme darstellen, sondern auch mit Notwendigkeit eineweitere schwere Schädigung der um ihre Existenz ringendenFlußschiffahrt zur Folge haben. Jede auch noch so ge-ringe Abgabe muß den Aktionsradius der Binnenschiffahrtwesentlich verkürzen und dadurch nicht nur die Bedingungender Produktion und des Verkehrs der betroffenen Gebieteverschlechtern, sondern auch die Konkurrenzfähigkeit desWasserweges zugunsten der Eisenbahn noch weiter verringern."Ferner wird darauf aufmerksam gemacht, daß der vor einiger Zeitveröffentlichte Gesetzentwurf über die Erbebung von Schiffahrts-abgaben eine Handhabe zu jeder beliebigen Belastungder Binnenschiffahrt ,nit Abgaben bietet und einenschutzzöllnerischen und agrarischen Charakter zeigt.Eine Aenderung des Militärstrafrechtsplant die deutsche Heeresverwaltung. Bis jetzt sind aber die Vor-bereitungen noch nicht im Gange, da erst die Reform des Zivil-strafrechts abgewartet werden soll. Es dürfte also, da an der Reformdes allgemeinen SlrafrechteS noch gearbeitet wird,«he sie völligfertig gestellt ist, vorläufig eine Abänderung des MilitärstrafrechteSnicht in Frage kommen.Was das Beschwerderecht anbelangt, so ist eine Aende-rung nicht in Aussicht genommen, da man der Ansicht ist, die vor-handenen Bestimmungen hätten sich vollauf bewährtlDas neue Wahlgesetz in Sachsenist jetzt amtlich bekanntgegeben worden. Die dazu gehörigenAusführungsbestimmungen betreffen nur den geschäftlichen Teilder Verhandlung.Datiert ist das Gesetz vom 5. Mai 1909. Die Wahl-Handlung wird nach dem neuen Gesetz um 10 Uhr vor-mittags beginnen und frühestens um 2 Uhr geschloffen werdendürfen. Sie darf aber auch bis auf neun Stunden verlängertwerden. Die zur Stimmabgabe einmal festgesetzte Zeit kannnachträglich nicht gekürzt werden. Beim W a h l g e s ch ä f t sinddie Wahlkommissare berechtigt, die Mitwirkung der Unter-behörden in Anspruch zu nehmen, die ihrerseits den Anträgender Wahlkommissare zu entsprechen haben.—Die Ereignisse in der Türkei.Die Unruhen iu Klehiasien und Albanien.Köln. 17. Mai. Die„Kölnische Zeitung" meldet aus Saloniki:Das jungtürkische Komitee von Damaskus fordertdie sofortige Entsendung von wenigstens zehn mazedonischenBataillonen, um eine Katastrophe zu verhindern.Dschawid Pascha erklärte dem Generalinspekteur, erwerde keinen Schritt zur Verfolgung der Reaktionäre Al-ba niens mehr tun, falls er nicht bevollmächtigt werde, jetztjeden Widerstand kräftig zu brechen und die Schuldigen zurRechenschaft zu ziehen. Die Regierung zögert, ihn dazu zubevollmächtigen, weil sie fürchtet, größeres Uebel damit an-zurichten.Die französische Kammer über die Armeniermetzeleien.Paris» 17. Mai. Deputiertenlammer. Denys Cochinrichtete an die Regierung eine Anfrage über die Nieder-metzelung der Armenier in Adana. Er bezichtigte dietürkischen Truppen der Mitschuld und führte auS, er klage nichtdie Regierung der Jungtürken an, welche die größten Schwierig-leiten bei der Rettung ihres Landes habe, aber er würde wünschen,daß die französische Diplomatie eine klarere Haltung zugunstender Zivilisation einnähme. Der Redner trat für eine energischeIntervention Frankreichs ein, die eventuell soweitgehen müßte, daß Truppen gelandet würden. I a u r e Serklärte, daß Frankreich die Armenier schützen müsse,glaubte aber, ein Landen von Truppen würde dieGemüter erregen. Denys Cochin erwiderte darauf,man müsse allgemein wissen, daß die Franzosen entschlossen seien,die Christen zu schützen. Minister P i ch o n beklagte die Metzeleienvon Adana und Merstna, in deren Verlauf etwa 2333 Per-sonen das Leben eingebüßt hätten. Alle Mächte, dieSchiffe dort hätten, hätten sich verständigt, das Leben der bedrohtenEinwohner zu schützen. Er halte es für nützlich, das Landenvon Truppen zu vermeiden, da das als Aufreizungausgelegt werden könnte. Die Regierung interveniere in Kon-stantinopel mit allem Nachdruck. Wir stehen jetzt, fuhr der Ministerfort, in Konstantinopel nicht mehr einer Regierung gegenüber,die sich zum Mitschuldigen der armenischen Metzeleien macht, wirmüssen der jungtürkischen Regierung Vertrauen zu schaffen suchen;wir müssen ihr die Kraft einflößen, die Metzeleien zu unterdrücken,die eine Schande für die Zivilisation sind. Daswird der beste Freundschaftsdienst sein, den wir ihr leisten können.Damit war der Zwischenfall beendet.—Abdul Hamids Pension.Konftantin-pel, 16. Mai. In den» gestern bewilligten Budget-Provisorium findet sich auch ein Betrag von 1333 Pfund monatlichfür den ftüheren Sultan Abdul Hamid.— Ungefähr 33 vomKriegsgericht verhaftete Offiziere sind wieder in Freiheitgesetzt worden. Prinz Burhan-eddin soll in Monasiirinterniert werden.Neue Hinrichtungen.Konstantinopel, 17. Mai. Heute ftüh wurden bei der Sophien-moschee wieder fünfPersonen gehenkt, ein Artilleriehaupt-mann, ein Leutnant und drei Polizisten.Ans dem Parlament.Konstantinopel, 17. Mai. Der S e n a t hat gestem das türkischbulgarische Protokoll angenommen. Der Deputierte nkammerist den Blättern zufolge ein Gesetzentwurf betreffend die Er-nennung parlamentarischer Unter st aatssekretärezugegangen._Oeltemicb.Die Laudtagswahlen in Steiermark.Graz» 16. Mai.(Privatdcpesche des„Vorwärts".) Bei dergestrigen Stichwahl in Marburg wurde Genosse Horvatelgegen den Deutschnationalen mit großer Mehrheit gewählt, so daßjetzt fünf Sozialdemokraten in den steirischen Landtag ein-ziehen werden.—frankreicb.Die Kammerauflösung.Paris, 17. Mai. Die Deputiertenkammer lehnte, indem siemit 379 gegen 83 Stimmen Uebergang zur Tagesordnung bc-schloß, den Antrag Pugliesi-Contis ab. der die Auflösung derKammer verlangte und setzte nach einer Erklärung Clemenceauszur Rechtfertigung des Vorgehens der Regierung und der Politikder radikalen Partei die Beratung über die Kriegsgerichte fort.—Montpellier verloren.Montpellier, 17. Mai. Bei der Ersatzwahl zur De-putiertenlammer wurde A st i e r(sozialistisch- radikal)gewählt. Der Wahlkreis war bisher durch einen geeinigtenSozialisten vertreten.—_Tie„Jttternntionale".Paris, 16. Mai. Mehreren Blättern wird aus St. Mihiel(Maas-Departement) gemeldet, daß eine Anzahl von Land-Wehrleuten, die ihre Dienstübung beendet hatten, im Eisen-bahnzuge bei der Abfahrt die Internationale anstimmten.Ein Jnfanterieoberst ließ den Zug halten, die Landwehrleute nachder Garnison zurückführen und ins Gefängnis bringen.—Viel Lärm um eine Heiligsprechung.Paris, 16. Mai. Aus Anlaß der Jeanne d'Arc-Feiertrugen zahlreiche Häuser Flaggenschmuck. An den Statuen derJungfrau von Orleans wurden Kränze niedergelegt und in derKirche Notre Dame Festgottesdienst abgehalten. Bei einem vonRohali sten veranstalteten Bankett kam es zu Lärmszenenund Zusammen st ößen mit der Polizei, die fünf-zehn Verhaftungen vornahm.—england.Die Großfiuauz gegen die Erbschafts- uud Eiukommeusteuer.London, 15. Mai.(Eig. Ber.) Die Presse verbreitet heute einenProtest der Cithleute und Bankiers gegen einige Maßregeln desEtats:.... Wir betrachten den Vorschlag, das Gesetz betreffendden Tilgungsfonds zu ändern, als eine gefährliche Neuerung; wirsind überzeugt, daß das feit langem bestehende Prinzip, nachwelchem der Etatsüberschuß automatisch dem Tilgungsfondszufließt, das einzig richtige ist... Wir verstehen es, daßdie wachsenden Ausgaben des Landes neue Steuern ver-langen, und wir sind bereit, unseren Anteil voll und ganzbeizutragen; aber wir sind über das wachsende Mißverhältnisder Lasten beunruhigt, das auf die Schultern einer zahlenmäßigkleinen Klasse gewälzt wird. Die große Erhöhung und die Ab-stufung der Erbschaftssteuern— die ohnehin erst vor zwei Jahrenerhöht wurden— ebenso der Einkommensteuer in Verbindung miteiner Znsatzsteuer werden unserer Ueberzeugung nach dem Handel undGewerbe des Landes ernsten Schaden zufügen.... Diese Steuern fallenin erster Linie auf das Kapital, aber sie werden auch die Tendenzhaben, die Unternehmungslust und die Sparsamkeit zu entmutigenund deshalb die Arbeitsgelegenheit und Löhne zu reduzieren."Unterschrieben ist dieser Klageruf u.a. Vau den Notschild, Baring,Avebury(Lubbock) und Goschen.Marokko.Die Frage des Grunderwerbes.Zwischen den kapitalistischen Gruppen und Mulah Hafid istein Konflikt ausgebrochen über die Anwendung des Z 63 derAlgeciraSakte, der den Europäern den Erwerb von Grundbesitzgarantiert. Mulay Hafid muß befürchten, daß, wenn er dieeuropäische Invasion ruhig geschehen läßt, er durch einenationalistische, fremdenfeindliche Bewegung ebenso gestürztwird, wie er selbst seinen Bruder stürzte. So möchte er alsoden Europäern den Grunderwerb vorläufig wenigstens untersagen.wogegen diese, die glaubten, mit dem Bau von Häfen und Eisen-bahnen und der Ausbeutung der Minen glänzende Geschäfte machenzu können, erbittert protestieren. Es ist nicht unmöglich, daß dieseAusbeutnngsgelüste zu neuen Verwickelungen führen.Australien.Klassenkämpfe.Je weiter die kapitalistische Entwickelung fortschreitet, destoschärfer kommen auch die Klassengegensätze zum Ausdruck. Dieobligatorischen Schiedsgerichte. welche die friedliche Lösung derKonflilte zwischen Kapital und Arbeit in allen Fällen durch Ver-Handlungen herbeiführen sollten, versagen immer häufiger. SelbstPolizei und Gerichte verlieren mit den aufkommenden Klaffengegen-sähen ihre Objektivität und Unparteilichkeit. So wurden z. B. beieinem Bergarbeiterstreik in V r o ck e n- H i l l, der sich über Monatehinzog, 28 Verhaftungen vorgenommen. 5 von den Verhaftetenwerden wegen Aufruhrs vor die ordentlichen Gerichte kommen,während derartige Fälle eigentlich vor die industriellen Schieds-gerichte gehören. Die organisierte Arbeiterschaft, die politische wiedie gewerkschaftliche sämtlicher australischer Bundesstaaten haben ingroßen Bersamnilungen gegen dies Verfahren protestiert. In einerin allen Versammlungen vorgelegten Resolution wird zum Schlußdie Arbeiterschaft aufgefordert, sich politisch und gewerkschaftlich zuorganisieren, um der»kapitalistischen Klassenherrschaft" entgegen-treten zu können.Wir sehen, die Klassengegensätze werden immer größer, derKampf verschärft sich immer mehr, genau wie in der alten Welt.Euq der Partei.Die Dessauer Taktik.Da?„Vollsblatt für Anhalt" bezeichnet die Behaup-tung, daß das famose Kompromiß bei der Dessauer Ge-tverbegerichtswahl eine Spekulation auf die Stimmen derHirsch-Dunckerschen und christlichen Arbeiter bei der Landtags- undStadtverordueteuwahl sei, als eine„Legende". Die Redaktiondes„Volksblattes" habe„die Befürwortung des Vorgehens imKartell immer nur von dem Gesichtspunkte aus gehört, daß die Ge-werbegerichtswahl, soweit bei ihr nur Arbeiter zu wählen sind, nichtder geeignete Zeitpunkt sei, die Arbeiter gegeneinander aufzuhetzen."Der„Vorwärts" hat seine Informationen von einem AnhalterGenossen erhalten, der mit den Verhältnissen wohl vertraut ist undder sicherlich Grund zu seiner Behauptung hat. Daß die offizielleBegründimg des Kartells so lautete, wie das„Volksblatt" meldet,ist sicher richtig. Der Gewährsmann des„Vorwärts" hat aber Wohlnicht gerade dre offizielle Begründung im Auge.Im übrigen stellt das.Volksblatt" fest, daß es sich jeder Ein-Mischung in den Beschluß des Kartells und jedes Urteil darüberversagt habe. Hätte man es gefragt, so würde es„gesagt haben:Die Proportionalwahl macht ein Kompromiß überflüssig. Sucht daserstrebte Ziel dadurch zu erreichen, daß der Kampf möglichst ohneErhitzung geführt wird I" Hinterher folgt indes der Satz:„Aberwir gestehen zu, daß wir den von der Mehrheit des Kartells vor-geschlagenen Weg auch für gangbar hielten".— Und zum Schlußheißt es:„Auch wir halten den christlichen und freisinnigen Arbeiterngegenüber eine Taktik der Versöhnlichkeit für richtiger. Daß wir unszu wehren wissen, wenn sie oder richtiger ihre Führer UNS gehässigangreifen, ist selbstverständlich, den Beweis haben auch wir in derVergangenheit längst geliefert."Die Versicherung im letzten Satz ist sehr überflüsfig. Daß einParteiblatt sich zu wehren weiß, wenn es gehässig angegriffen wird.ist wirklich das mindeste, was verlangt werden"muß. Der vorher-gehende Satz zeigt, daß die Mehrheit des Dessauer Gewerkschofts«rartells bei ihrem Schildbürgerstreich nur die konsequente Schülerindes»Volksblatts" war.Ein neues Parteiblatt. Am Sonntag hat sich eine Gcneralver-sammlung des Sozialdemokratischen Vereins fürRege»sbur(, mit der Schaffung eines ParteiblatteS für denWahlkreis beschäftigt. Nach einem einleitenden Referat des Ge-nassen Adolf Müller- München wurde beschlossen, am 1. Oktober1939 ein Organ für den Wahlkreis Rcgcnsburg herauszugeben. DasBlatt wird täglich im Umfange von 4 Seiten als K o p f b l a t t der„Münchener Post" erscheinen, die auch den Verlag übernimmt.Das Befinden des Genoffen Goldstein hat sich leider ver»schlimmert, so daß er aus einem Sanatorium in Kreischa, woer Heilung von den Folgen eines Schlaganfalls suchte, nach demJohaunstädter Krankcnhause in Dresden gebracht werden mußte.An Nierenerkrankung und Arteriosklerose liegt er dort schwer dar-nieder. Die traurige Nachricht wird über Sachsens Grenzen hinausdie Genossen mit tiefem Bedauern erfüllen.polmlUekes» gerichtliches utto»Unbefangene NeichSverbiindler-Richter.Wegen einer Notiz gegen den Reichsverband war GenosseLinneweber vom„V o l k S b l a t r für Anhalt" vomSchöffengericht Dessau zu 5 3 M. Geldstrafe verurteiltworden. Er legte Berufung ein. Die dre i Richter der Be-rufungskammer waren sämtlich Mitglieder desReichsverbandes, weshalb unser Genosse sie als b e»fangen ablehnte. Eine andere Kammer entschiedindes, daß die drei Richter trotz ihrer Eigenschaft alsMitglieder des angegriffenen Reichsverbandes doch in derLage feien, unbefangen über die Anklage zu urteilen.Am Freitag war deshalb vor der Reichsverbändler-Kammer—nur einer der drei abgelehnten Richter war ausgeschieden unddafür ein anderer eingetreten, von dem nicht bekannt, ob erReichsverbändler ist— aufs neue Termin. Die unbefangenenRichter lehnten jede Beweiserhebung ab und erhöhten dieGeldstrafe auf 433 M.! Nicht als Reichsverbändler, sonder»als unbefangene Richter.