©ewerfefcbaftllcbc� Au die baugetverblichen Arbeiter Deutschlands . Werte Genossen! Die Zahlen des ReichsversicherungSamtS zeigen unzwei- beutig, daß bei den Baubetriebsstätten von einem Rückgang der Unfälle nicht die'Rede sein kann. Im Jahre 1907 sind allein bei den Bauberufsgenofsenschasten 69315 Unfälle zu verzeichnen, und davon sind 14 391 entschädigte Unfälle mit 4256 tödlich Verletzten. Die Zunahme der entschädigten Unfälle zeigt sich auch relativ, und nur vereinzelte Landestelle weisen einen bescheidenen Rückgang auf. In den preußischen Provinzen Schlesien , Posen, Rheinland und W e st f a l e n sind die Unfallziffcrn schon seit Jahren fortgesetzt und im Königreich Sachsen im Zeitraum der letzten zehn Jahre sogar um über 50 Proz, gestiegen. Geradezu erschreckende Zahlen zeigen bei allem Bemühen der Arbeiter, den Zuständen bei den Bauten einen anderen Charakter zu geben, die südlichen Bundesstaaten. An erster Stelle mit diesen Mißständen und in der Mißachtung des Mensch enschutzes steht das Königreich Württemberg, wo dem Anscheine nach die berufs- genossenschaftlichen Unternehmer Arbciterleben und-gesund- hcit in der willkürlichsten Art verbrauchen können. Wie einerseits durch den Mangel von technischer Unfall- Verhütung und behördlicher Baubeaufsichtigung diese Unglückszahlen zunehmen, so sorgt andererseits der vernachlässigte Gesundheitsschutz in Verbindung mit der wirtschaftlichen Not für eine Verallgemeinerung des Elends der baugewerblichen Arbeiter. Die Kranken- und Sterbestatistiken unserer Zentral- verbände und der Krankenkassen reden ganze Bände. Die Kommentare zur Abkürzung der Lebensdauer unserer Berufskollegen sind hier unschwer nachzulesen. Diese offen kundigen Tatsachen stehen im ursächlichen Zusammenhang mit der intensiven Steigerung der Arbeitsleistungen im Bau gewerbe. Der behördliche Bauarbciterschutz und die Bauaufsicht in Deutschland kranken an Halbheiten und Notbehelfen. Seit Jahren fordern wir speziellere Schutzmaßnahmen für das Betonbauverfahrcn und die verschiedenen Eisenbaukonstruktionen; die amtlichen Organe können zur Prüfung dieser Materie immer noch nicht die nötige Zeit finden. Der Tiefbau ver- langt bei der vielfachen Beschäftigung von Gelegenheits- und ausländischen Arbeitern eine ganz besondere behördliche Für- sorge, die aber nur sehr vereinzelt wahrzunehmen ist. Um hier andere Zustände herbeizuführen, bedarf es außergewöhnlicher Anstrengungen und Mittel. Bei der Forderung und dem Kampf um besseren Schutz für Leben und Gesundheit wird die baugewerbliche Arbeiter- schaft auf ihre eigene Kraft angetuiesen sein. Daß darüber für uns kein Zweifel bestehen kann, das zeigen die Be- schlüsse des Vcrbandstages der Bauberussgenossenschaften zu Essen im September 1908 und die Verhandlungen im preußischen Abgcordnetcuhause im März dieses Jahres, wo die Unternehmervertreter ohne Scheu die Mißstände bei den Bauten als eine Folge der Indolenz der wirtschaftlich ab- hängigen Arbeiter bezeichneten. Das Unternehmertum findet dabei in Preußen die atlsdrucksvollste Unterstützung der Ressort- minister. Der Minister der öffentlichen Arbeiten, Herr v. Breitenbach, konnte unter dem Beifall der bürgerlichen Parteien am 17. März d. I. im Abgeordneten- hause u. a. ausführen, daß ein großer Teil der Unfälle auf das Verschulden, auf die Nichtachtung der Schutzbestimmungen, auf die Nicht- achtung der Gefahr von feiten der Arbeiter zurückgeführt werden muß. Das Ministerium in Preußen gibt nur dem äußersten Zwang der Umstände nach und ist der Rückhalt der Reaktion auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes. Diese Regierung mit ihrem weitgehenden Einfluß im Bundesrat ist als verantwort- lich anzusehen für die geringen Fortschritte der Bauüberwachung durch Mitwirkung der Kontrolleure aus Arbeiterkreisen. Die Stellungnahme der preußischen Regierung zu unseren For- derungen ist bestimmend für eine nicht geringe Zahl von Bundesregierungen. In Elsaß- Lothringen , Hessen , Olden- bürg. Mecklenburg usw. verschleppen die Regierungen nach preußischem Muster die Regelung der Bauarbciterschutzfrage.— Für die Arbeiterschaft ist deshalb der Weg klar und bestimmt vorgczeichnct. Was wir bis zurzeit als errungen anzusehen haben, ist als ein Erfolg der unermüdlichen Tätigkeit der Elite der bau- gewerblichen Arbeiterschaft zu betrachten. Die Indifferenten in den Bauberufen durch Agitation über den Wert des Lebens und der Gesundheit aufzuklären, wird deshalb auch weiter mit Erfolgen begleitet sein. Auch in der nächsten Zeit wird nach dieser Erkenntnis gehandelt werden müssen. Zu diesem Zweck >r>ird die Zentralkommission den einzelnen Vertrauenspersonen und den Vorsitzenden der Bauarbeiters chutz-Kom Missionen eine Anweisung z u g e h e n l a s s e n. die zu befolgen Ehrensache eines jeden denkenden Bauarbeiters sein muß. Arbcitsgenosscn! Zeigt dem Unternehmertum und den Regierungen, daß Arbeitslosigkeit und Not Euren Willen zur Erringung wahrnehmbarer Schutzmaßnahmen nicht beugen können, sondern daß Ihr nach wie vor fest entschlossen seid, mit uns fiir bessere Zustände bei den Baubctriebsstätten zu kämpfen I Hamburg, im Juni 1909. Mit Gruß! Die Zcntralkouinlission für Bauarbeiterschutz. I. Efftinge, Maurer . G. M o h n k. Bauhilfsarbeiter. H. TönnieS, Maurer . R. Leineweber. Steinbild- O. Friedrich, Zimmerer. Hauer. A. S ch ö n f e l d e r, Zimmerer. I. Seifert, Modelleur. ?l. T o b l c r. Maler. £>. W c n t k e r, Maler. O. Werner, Tooser. H. H o m a u n, Töpfer. Ch. Odenthal, Stukkateur. N. Thielberg, Stukkateur. G. Behrendt, Bauhilfs- arbeiter. E. Kühne, Steinmetz. A. Müller, Glaser . A. Friedrichs, Dachdecker. H. Behr, Dachdecker. F. Scheller, Bautischler. R. FuchS, Bauschlosjer. O. Franz, Klempner. C. Schütt, Steinsetzer. 110. Alle Briefe, Sendungen usw. für die Zentral- kommissiou sind an G. Heinke, Hamburg 1, Besenbinder- Hof 56, 2. Etage, zu richten. ' ßertln Mick Amgegenck. ' Kesselschmiedestreik und-Aussperrung bei Borstg. In der Lokomotivenfabrik der Firma Borsig zu Tegel sucht man seit längerer Zeit in fast allen Abteilungen Lohnherabsetzungen durchzuführen. Bislang war es in den meisten Fällen gelungen, durch Verhandlungen eine Einigung zwischen der Firma und den betreffenden Arbeitern zu erzielen. Als jedoch acht Tage vor Pfingsten in der Kesselschmiede den Stemmern die Akkordlöhne ge- kürzt werden sollten, da zeigte die Direktion des Werkes trotz aller Verhandlungsversuche auch nicht das geringste Entgegenkommen, und dabei waren die Abzüge dermaßen hoch, daß die Stemmer, auch wenn sie sich noch so sehr bei ihrer austeibenden Arbeit anstrengen wollten, unmöglich auf einen erträglichen Lohn kommen konnten. So war z. B. der Akkordlohn für einen Keffel— der bei einer Konkurrenzfirma 204 M. beträgt— auf 151 M. festgesetzt; nun aber wollte die Firma für dieselbe Arbeit nur noch 141 M. zahlen. Für eine Niete wurden stüher 10 Pf. gezahlt; der Preis wurde auf 7>/g Pf. herabgesetzt und jetzt sollten dafür nur noch 6 Pf. gezahlt werden. Da alle Versuche, die Verschlechterungen auf gütlichem Wege abzuwehren, erfolglos blieben, beschlossen die Stemmer am Freitag vor acht Tagen, die Arbeit niederzulegen. Sie machten den Beschluß jedoch anderen Tages rückgängig, weil sie versäumt hatten, die Zustimmung ihrer Organisation einzuholen. Darauf wurden jedoch 8 Stemmer plötzlich entlassen. Nun versuchte die Subkommission des Arbeiterausschusses wiederum mit der Direktion zu verhandeln, erreichte aber nichts. Der Direktor Dorn erklärte, die Entlassungen würden aufrechterhalten und auch die Ab- züge sollten bestehen bleiben. Daß unter diesen Umständen der Streik nicht zu vermeiden war, ist selbstverständlich. Der Direktor meinte übrigens, die Arbeit dränge nicht. Gleichwohl versuchte die Firma, zunächst in der Gartenstraße Arbeiswillige zu erhalten. Das gelang jedoch nicht. Die meisten Leute lehnten die Streikbrecherarbert von vornherein ab und die wenigen, die sich dazu hergaben, erklärten, nachdem sie kaum be- gönnen hatten, daß ihnen die Arbeit zu schwer sei. Auch nach aus- wärtS hat sich die Firma gewandt, um Arbeitswillige heranzuziehen, es ist aber schon Vorsorge getroffen, daß sie auch damit keinen Er- folg haben wird, zumal es schon an und für sich schwer ist, Leute zu finden, die die äußerst anstrengende Arbeit der Streikenden auszu- führen imstande find. Die Zahl der Streikenden beträgt 50. Sie sind sämtlich organisiert. Wegen des Streiks hat die Firma nun in- zwischen ungefähr 300 andere Kesselschmiede aussetzen lassen, also eine Aussperrung veranstaltet, offenbar in der Hoffnung, daß die Aus- gesperrten auf die Streikenden einen Druck zur Wiederausnahme der Arbeit ausüben werden. Damit wird sich die Firma aber gründlich verrechnen. Gestern vornnttag fand im Saale von Trapp in Tegel eine allgemeine Versammlung der Ausgesperrten statt, in der Hanke über den Stand der Dinge berichtete. Die Versammlung erklärte sich einstimmig mit dem Vorgehen der Streikenden einver- standen, und die Anwesenden zeigten durchaus keine Neigung, die Arbeit eher wieder aufzunehmen, als die Verhältnisse gründlich ge- regelt sind._ Der Streik der Kellner im Restaurant des Zo». Wie schon kurz mitgeteilt, haben am dritten Feiertag 34 Kellner des Zoologischen Gartenrestaurants die Arbeit ein- gestellt. Es waren diejenigen von der W e i n a b t e i l u n g, dem elegantesten Teile des ganzen Betriebes, wo sich die fashionable Welt Berlins ihr Rendezvous gibt, sofern und soweit diese nicht in die Bäder und Kurorte gereist ist. um sich dort von den Stra- pazen der Wintersaison zu erholen. Hier auf der Wein- Terrasse arbeiten 24 Chefs und 24 Aides unter der Leitung von 5 Oberkellnern. Die Kellner wurden fast sämtlich durch den Stellenvermittler des Genfer Verbandes gegen 10 Mark G e- bühren vermittelt. Die Chefs erhalten ein Gehalt von 10 Mark monatlich. Für diese Posten werden nur Leute mit Sprachkenntnissen engagiert. Die Kost, die sie erhalten, ist mangelhaft, so daß sie sich noch vielfach aus eigenen Mitteln beköstigen müssen. Die fünf Oberkellner sind monatlich mit je 200 M. bezahlt. Die Trink- gelder, welche die Kellner erhalten, dürfen sie nicht behalten, sondern diese müssen sie in den sogenannten„T r o n k" geben. Von diesen Geldern erhalten die Aides monatlich je 80 M. Von der Firma erhalten sie noch 30 M. dazu, so daß diese meist jungen Leute aus 110 M. monatlich kommen. Die Oberkellner partizipieren aber auch am Trank, und zwar erhalten sie die Hälfte des Anteils der Kellner(Chefs). Die Oberkellner arbeiten selbst nicht mit, sondern sie sind nur darauf bedacht, daß den Gästen jeder Wunsch schnellstens erfüllt werde. Eine der hervorragendsten Tätigkeiten dieser Herren Ober- kellner besteht darin, die Tische zu vergeben. Den„gewöhn- lichcn" Kellnern ist dies untersagt. Der Laie wundert sich viel- leicht über diese Maßnahme. Er hat natürlich keine Ahnung, wie schwierig das Tischvergeben ist. Viele Tische werden lange vorher schriftlich bestellt, und die Gäste, denen es aus ein Zehn- oder Zwanzigmarkstück nicht ankommt, wenn sie nur ihren Freunden einen genußreichen Abend verschaffen können, sind dann über- glücklich und wissen es zu würdigen, wenn der Oberkellner ihnen einen guten Tisch an der Außenseite der Veranda reserviert hat. Und so hat sich im Zoologischen Garten ein System herausgebildet, das einem Verpachten der Tische ziemlich gleichkommt. Es ist nicht zu verwundern, daß die Kellner mit diesem System nicht zufrieden waren. Sie unterbreiteten dem Direktor des Restaurants in der bescheidensten Weise ihre Wünsche, die dahin gingen, die Oberkellner sollten ihre eigenen Trinkgelder wohl be- halten, am„Tronk " aber nicht mehr mit partizipieren; ihre Aide? wollten die Kellner selbst bezahlen. Am zweiten Feiertag zog man die Leute hin bis zum dritten, und der eine Direktor wies sie zum anderen. Am dritten Feiertag verlangten die Kellner, daß die Trinkgeldkasse geteilt werde, da sie ja am 1. Juni ihre Miete zu zahlen haben. Wieder allerlei Ausflüchte.„Wem es nicht paßt, solle gehen." Daß daraufhin so viele aufhören würden, hatte man wohl nicht erwartet. Das Publikum war empört, als es hörte, daß die Trinkgelder, die von den Gästen gegeben, nicht unein- geschränkt den Kellnern zukommen. Viele der anwesenden Gäste verließen das Lokal. Mittlerweile wurden aus den anderen Be- trieben der Hotelgescllschaft, aus dem Zentralhotel, Bristol und Heidelberger Hilfskräfte herbeigeholt. Der Streik muß als verloren betrachtet werden. Er war planlos von Unorgani- sierten unternommen. Die Kellner hatten an einen Streik über- Haupt nicht gedacht, sondern hatten ihre Wünsche in der beschei- densten Weise unterbreitet. Erst das Vorgehen des Direktors er- weckte in ihnen das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Gastwirtsgehilfen sollten endlich daran denken, ihrer Or- ganisation beizutreten, erst dann werden ihre Forderungen re- spektiert werden._ Achtung, Stukkateure! Bei der Firma Faller, Neubau Land- hauSstr. S sind Differenzen ausgebrochen. Der Unternehmer weigert sich, den Tarif zu bezahlen. veutkebes Reich. Der Verband deutscher Hoteldiener vollzieht seine Verschmelzung mit dem Gastwirtsgehilfen-Verbande Ende dieses Monats. Die letzte Nummer des Verbandsorgans»Der Hoteldiener" erscheint am 15. Juni. _ Ein Arbeitgeber für Einführung des Achtstundentages. Anläßlich der Lohnbewegung der baugewerblichen Arbeiter im Vierstädtebund Hamburg-Altona usw. schreibt ein Unternehmer bei Bewilligung der/Forderungen:„Hierbei will ich Ihnen mein Be- dauern ausdrücken über die ablehnende Stellung der übrigen Unter- nehmer betreffend Verkürzung der Arbeitszei t. Ich bin mit Leib und Seele dafür, daß die acht« stündige Arbeitszeit eingeführt wird, und zwar von 8 Uhr bis 5 Uhr nachmittags, mit einer Stunde Pause und 8 M. Lohn. Frühstück und Vesper fällt weg. Wer sich dagegen wehrt von meinen Kollegen, dem muß ich sagen, daß die Leute kein Ver- ständnis für Fortschritt haben, wenigstens ebenso wenig wie die- jenigen, die da immer sagen:„Ohne Frühstück und Vesper geht es nicht-!" Ich habe in Amerika bei zehn Stunden Arbeitszeit kein Frühstück und Vesper gehabt, und es ging auch. Streikbrecher alS Revolverhelden. In Helmstedt , im Herzogtum Braunschweig , streiken bei der Berliner Firma Saalfeld die Tischler, weil sie sich Lohnkürzungen nicht gefallen lassen wollen. Der berühmte Streikbrechervermittlcr O est e r r e i ch- Berlin hat auch hier seine unheilvolle Tätigkeit ent- faltet und eine Anzahl der dem Staate besonders nützlichen Elemente nach Helmstedt gebracht, unter deren provokatorischem Auftreten die Helmstedter Einwohner jetzt zu leiden haben. Die Streikbrecher sind durchweg mit Revolvern ausgerüstet, die sie gegen die Einwohner zu benutzen suchen. In der Nacht zum Sonntag wurde der streikende Tsichler Fritz Laue mitten in der Stadt von Streikbrechern mit den Worten an- gefallen:„Jetzt haben wir Dich, Du Groß- schnauze." Nach kurzem Wortwechsel wurden mehrere Schüsse auf L. abgefeuert, von denen einer L. an der Brust verwundete. Auf dem Wege zur Polizeiwache wurde L. noch von den Streik- blechern— in Gegenwart der Wächter— verhöhnt. Auch auf der Wache selbst führten die Streikbrecher noch das große Wort. In derselben Nacht wurden in den verschiedensten Straßen der Stadt von den Streikbrechern Schüsse abgefeuert. Am ersten Pfingst- feiertage übte sich ein Arbeitswilliger im nahen Walde im Schießen, und am gleichen Tage brüstete sich in einem Waldrestaurant eines dieser Elemente, nachdem er seines rüden Verhaltens wegen hinaus- geworfen worden war, damit, daß er bei Saalfeld arbeite. Er hantierte dabei mit einem Revolver und erklärte, er habe von der Kreisdirektion die Berechtigung zum Tragen des Revolvers erhalten. Es ist geradezu ein Skandal, wie diese Streikbrecher unter den Augen der Behörden in Helmstedt schalten und walten dürfen. Wunderliche Dinge sind bei den Nürnberger Gewerbegerichtswahlen, die zum erstenmal nach dem Proporzwahlsystem erfolgten, vorgekommen. Wie wir nach dem Bekanntwerden der abgegebenen Stimmenzahl berichteten, mußten danach von den 18 zu wählenden Beisitzern 17 ans die freien Gewerkschaften, 1 auf die Christlichen entfallen, während die mit den Gelben verbündeten Hirsch-Dunckerschen leer ausgingen. Ein anderes Resultat konnte gar nicht angenommen werden, denn auf die Liste der fteien Gewerkschaften fielen 13 747, auf die der Christlichen 1204 und auf die Hirsch-Dunckersche 550 Stimmen. Die letzteren blieben also um über 300 hinter der auf einen Beisitzer entfallenden Durch- schnittsstimmenzahl zurück. Aber bei der dieser Tage vorgenommenen amtlichen Feststellung des Resultats rechnete der Vorsitzende des Hauptwahlausschusses trotzdem den Hirschen einen Beisitzer zu. ebenso den Christlichen, die anderthalbmal mehr Stimmen aufgebracht hatten, als jene. Den fteien Gewerkschaften verbleiben daher nur- 16 Sitze. Nun hat sich aber bei der Wahl noch etwas anderes ereignet. Die christlichen Stimmzettel trugen die amtliche Bezeichnung„Vorschlagsliste B" nicht, so daß viele Wähler nicht wußten, von welcher Partei sie stammten. Von Rechts wegen wären diese Zettel ungültig gewesen, aber der Hauptwahlausschuß erklärte sie für gültig, indem er aussprach, es genüge, wenn die Bezeichnung der Liste in der öffentlichen Ausschreibung erfolge. Der Magistrat stimmte dem zu. Der sozialdemokrattsche MagisttatSrat, Genosse Treu, wies dabei auf eine inter - essante Tatsache hin: nach den Wahlsatzungen ist der Hauptwahlausschuß gar nicht befugt, Beschlüsse der Bezirks« Wahlausschüsse abzuändern. Es hätte nun vorkommen können, daß der eine Wahlausschuß die christlichen Zettel für gültig, der andere für ungültig erklärt hätte, dann hätte der Hauptwahl- ausschuß daran nicht das geringste ändern können. Derartiges hat man auch im Rathause geahnt, als am Wahltage bekannt wurde, daß die christlichen Zettel ohne Bezeichnung waren; man teilte den Wahlausschüssen, die sich zweifellos mit der Frage der Gültig- keit dieser Zettel hätten befassen müssen, schleunigst ,nit, sie sollten darüber keine Beschlüsse fassen, sondern sich mit der Auszählung der Stimmen begnügen. Auf diese Weise wurde der christliche Beffitzer gerettet._ Tarifbruch im Leipziger Steinsetzgewerbe. Daß Unternehmer jede Gelegenheit, bestehende Tarife zu um« gehen oder zu brechen, wahrnehmen, ist eine bekannte Erscheinung. Jetzt versuchten es in Leipzig wieder einmal drei Steinsetzmeifter. Nach bestehendem Tarif ist bei Arbeiten für den Rat der Stadt Leipzig Akkordarbeit ausgeschlossen. Bei der Verlegung von Kabeln für das städttsche Elektrizitätswerk aber behaupteten drei Firmen, die Arbeit sei keine städtische, sondern würde im Auftrage einer Berliner Firma ausgeführt; somit käme auch der AkkordpassuS nicht in Be- tracht und die Arbeiter könnten Akkordarbeit leisten. Leider ließen die Steinsetzer sich darauf, wie auch auf die Leistung von Ueber- stunden ein. Die Organisation brachte die Angelegenheit jedoch vor den Schlichtungsausschuß, der das Vorgehen der Unternehmer als wrifwidrig bezeichnen mußte. Huslftntl* Vom Lau der Petroleum-Reservoire des Landesverbände« der galizischen Rohölproduzenten in Boryslaw wird berichtet, daß die Arbeiter in den Ausstand getreten sind. Letzte JVachnchtcn und Depefeben. Eine Fürstenbegegnuug. Berlin , 2. Juni. (W. T. B.) Wie wir hören, gedenkt der Kaiser, einer Einladung des Kaisers von Rußland folgend, sich Mitte Juni nach den: nördlichen Teil der Ostsee zu begeben,«m dort mit dem rnsstschen Herrscher zusammenzuttesfen. Ein Riesenstreik in Sicht. GlaSgoiv, 2. Juni.'(W. T. 0.)' Die LohnstteitigkeiteN In den schottischen Kohlenrevieren haben einen akuten Grad erreicht und eine KrisiS kann ohne Verzug ausbrechen. Die Unternehmer werden zusammentreten, um das Schiedsgericht in aller Form aufzulösen und eine Lohnreduktion von 12� Prozent anzukün- bigen. Die Arbeiter werden sicherlich Widerstand leisten, und ein Streik von 160 000 Bergarbeitern scheint unvermeidlich. Die Führer der Arbeiter find nach Barlin gereist, um die Angelegenheit der kontmentaley britisch-amerikanischen Zelegatioa zu unter- breiten. Baauito. Redakteur: Hau» Weber, Berlin . Inseratenteil verantw.: Th, Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. BerlagsanstaU Mul Singer Lc Co., Berlin SW. Hierzu 2 Beil agea u.lluterhgltugM�