(Sehr richtig! kei den Sozialdemokraten.) Auch wird unser Antrageiner eingehenden Begründung bedürfen, und die Debatte würdedurch Verbindung dieser Materie mit der Steuer geradezu insUferlose gezogen.Abg. Gröber(Z.) fzur Geschäftsordnung): Für eine prinzipielleStellungnahme zur Steuererhöhung scheint mir die Entscheidungdarüber, wie man sich zur Entschädigung der arbeitslos werdendenArbeiter stellt, wichtig; ich bitte daher, die Diskussion zu verbinden.Abg. Bassermann(natl.) fzur.Geschäftsordnung) spricht sich eben-falls für die Verbindung aus.Abg. Wicmer(frs. Vp.) fzur Geschäftsordnung) schließt sich demVorredner an.Abz. Geyer<Soz.) fzur Geschäftsordnung) zieht unter den vonden Abgeordneten Bassermann und Wiemer angegebenen Voraus«setzungen seinen Widerspruch zurück.Mg. Molkenbuhr fSoz.):Wir haben beantragt, daß man den Arbeitern, die durch diesesGesetz brotlos gemacht werden, eine Entschädigung gibt. Einensolchen Antrag zu stellen hätten wir nicht nötig gehabt, wenn dieGeschädigten nicht Arbeiter, sondern Rittergutsbesitzer wären.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Als seinerzeit eine Gleichheitaller Preußen vor dem Gesetz herbeigeführt werden und die Steuer-freihelt der Standesherrcn aufgehoben werden sollte, hat man denHerren den kapitalisierten Betrag der Steuer, die sie in Zukunftzahlen sollten, gegeben.(Hört I hört I bei den Sozialdem.) Bei denArbeitern ist eS natürlich etwas auderes. Die zu entschädigen, läßtdie Regierung sich nicht herbei. Da sagt sie: das müßt Ihr auf demAltar des Vaterlandes opfern I Was man den Reichsunmittelbarenund Rittergutsbesitzern nicht zutraut, tvird dem Arbeiter zugemutet.Bei früheren GcsetzeSborlagen— ich erinnere an den Monopol-antrag— hat die Regierung freilich selbst einen derartigenVorschlag gemacht. In der Vorlage des Tabakmonopols von 1382fand sich ein Entschädigungsvorschlag, welchem unser Antragnachgebildet ist.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Auchin Gesetzen, durch welche neben den Arbeitern auch Kapitalistengeschädigt wurden, hat man eine derartige Entschädigung zugebilligt.(Hört l hört l bei den Sozialdemokraten.) Ich erinnere an die Ent-schädigung bei der Ablösung und Uebernahme der Privatposten undan das Sacharingesetz. Ueberall wo Kapitalisten geschädigtwaren, konnte man nicht umhin, auch den in diesen Betrieben ge-schädigten Arbeitern eine gewisse Entschädigung anzubieten.Wir verlangen nun, daß auch hier die geschädigten Arbeiterentschädigt werden. Zunächst ist da zu erörtern, ob Arbeiter Voraussicht-sich geschädigt werden. Der Abgeordnete Schultz wies daraufhin, daß eme gewisse Arbeitsstockung dadurch eintreten wird;daß vorher die Produktion gesteigert wird. So war eS wenigstensim Jahre 1879; auch damals hatten wir sehr angespannte Arbeit,aber in dem Moment, wo das Gesotz in Kraft trat, sagte derselbeFabrikant, der vorher gesagt hatte: liefert uns so viel Z,garren, alsIhr irgend wollt:„wenn Ihr noch ferner Arbeit behalten wollt,nsiißt Ihr diesclle Sorte um K M. billiger liefern!(Hört l hört Ibei den Sozialdemokraten.) Wollt Ihr das nicht, so könnt Ihrgehen."(Erneutes Hört l hört I) Statt 24 M. bekamen wiralso nur noch 18 M., und überall trat Arbeitslosigkeitein, die einen erheblichen Rückgang der Löhne auch für diejenigenArbeiter herbeiführte, die noch in Arbeit blieben. Im Jahre 1893nahm man an, daß einProduktionsrückgang von einem Sechsteleintreten werde.(Hört I hört I bei den Sozialdeniokraten.) Nimmtman den Produktionsrückgang zufolge des aegenwärtigen Gesetzesauch nur als ein Sechstel an, so bedeutet das nichts andere»,als daß33 000 Arbeiter brotloswerden.(Hörtl hörtl bei den Sozialdemokraten.) Diese kannman nicht ohne weiteres in mideren Berufen unterbringen. Sobalddie Preiserhöhung eintritt, ist die notwendige Folge:Koufumrbckgang und ProduktionSeinschränkung.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Und damit werdensehr viele Arbeiter arbeitslos.Wenn nun der Arbeitslose ohne jede Entschädigung bleibt,so erfolgt auch eine weitere Verschlechterung für die Arbeiter,welche noch Arbeit haben, da die Löhne dann leichter herabgedrücktwerden.(Sehr richtig l bei den Sozialdemokraten.) Und stellenSie sich weiter vor, was die Arbeitslosigkeit für Arbeiter bedeutet,die nur ein Einkommen von 690 M. haben! Das heißt, sie direktdem Hungertode ausliefern. Deshalb verlangen wir, daß dasgegenwärtige Gesetz für die Schädigung, die es anrichtet, auch eineEntschädigung vorsieht. Sie können dem einzelnen Arbeiternicht zumuten, daß er so wie! Patriotismus hat, im Interesse desVaterlandes zu verhungern.Die Herren» die diese Anforderung stellen, sollen«S demArbeiter einmal vormachen k(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)! Aber diese Herren sindnoch nicht einmal bereit, dem Vaterlands einen kleinen Teil ihrerErbschaften abzutreten.Die Regierung nimmt an. daß gar keine Schädigung der Ar«beiter durch dieses Gesetz eintreten wird. Ist das der Fall, sobraucht eine Entschädigung auch nicht bezahlt zu werden. Wennaber Arbeiter brotlos werden zufolge der Gesetzgebung, so müssensie entschädigt werden.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Man hätte in unseren Antrag auch hineinsetzen können, daß eineEntschädigung der Arbeiter stattfinden soll, wenn eine Lohn»Herabsetzung stattfindet, aber ich glaube, eine solcheLohnherabsetzung wird nicht durchführbar sein, falls die brotloswerdenden Arbeiter entschädigt werden, und deshalb kann manvon der Entschädigung für die Lohnherabsetzung Abstand nehmen.Aber der arbeitslos werdende Zigarrenmacher resp. die Zigarren-macherin können nicht ohne weiteres in ein anderes Gewerbeübergehen. Die Kunst, Zigarren herzustellen, ist das einzige Ver-mögen, das sie haben, und dieses Vermögen wird durch die Qkfsetzgebung wertlos gemacht. Deshalb müssen wir eine Ent-schädigung für sie verlangem.(Sehr richtig I bei den Sozial-demokraten.)Ferner haben wir in den Antrag hineingesetzt, daß auch dieArbeiter entschädigt weiden, welche durch Uebergang vom Hand-betrieb zur Fabrikation mittels Maschinen arbeitslos werden. Invielen Betrieben wird man nämlich versuchen, die Produktion durchUebergang zum Maschinenbetrieb zu verbilligen, wodurch ebenfallsArbeiter auf Grund dieses Gesetzes überflüssig werden.(Zustiin-mung bei den Sozialdemokraten.).Ich hätte, wie ich schon sagte, nicht nötig gehabt, unseren An-so eingehend zu begründen, wenn die durch das Gesetz ge-schädigten Großgrundbesitzer wären, denn dann hätte dieRegierung von selbst gern eine Entschädigung gegeben.(Leb-haftcS Scbr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Bei Arbeitern istes natürlich etwas anderes! Wer also glaubt, daß eine Schädigungder Arbeiter nicht eintritt, der kann für unseren Antrag stimmen,«Wll-rr ja dann keine Kosten verursacht. Wir appellieren aberfl5ch an daS Gerechtigkeitsgefühl derjenigen, welche glauben, daßeine Schädigung der Arbeiter eintreten wird, damit das Reich denSchadchi, den'es anrichtet, auch wieder gut macht.(LebhaftesBravoJ bei den Sozialdemokraten.)Abg. GiesbertS(Z.): Es ist leider zuzugeben, daß mindestenszeitweilige Ärbdlerentlassungen im größeren Umfange zu be-fürchten sind. ickDarum haben wir unseren Antrag gestellt, hinterdem die gesamte Zcntrumsfraktion steht. Reichspost, Eisenbahnenusw. sollen es sich zur Ehrenpflicht machen, geeignete arbeitslos ge»wordene Titfaiarbeiter zu beschäftigen. Wir bitten um Annahmeunseres Antrages, der bielfache Vorzüge vor dem sozialdemotrati-schen hat.(Beifall im Zentrum.)Abg. Siclcrmann(k.) erklärt sich gegen daS ganze Gesetzund für den Antrag Giesherts und bittet, im Falle der Ablehnungeine von ihm beantragte Resolution anzunehmen, wonach aus denErträgnissen der Tabaksteuer ein Fonds zur Unterstützung arbeitslosQtmmmx ZtästaiMkt gebildet werden foll.Abg. Kreth(k.): Ich verzichte darauf, an dieser Stelle aufdie politischen Ausführungen der Redner der bürgerlichen undsozialdemokratischen Linken und ihre fortgesetzten Angriffs aufKonserdative und Bund der Landwirte einzugehen.(Lachen links.)Der Tag der Abrechnung wird kommen!(Schallende Heiterkeitlinks. Rufe: Nur her mit der Reichstagsauflösung l) Abge-ordneter Molkenbuhr hat furchtbar übertrieben. So viele Arbeiterwerden schon nicht brotlos werden. Wir lehnen den sozialdemo.'kratischcn Antrag ab, sind aber einer anderweitigen Regelung derEntschädigungsfrage nicht abgeneigt, wenn bis zur dritten Lesungdas nötige Geld beschafft wird.Reichsschatzsekretär Sydow: Der EntschädigungsantragAlbrecht ist völlig unannehmbar. Die vom Abg. Molkenbuhr an-geführten Präzedenzfälle sind nicht zutreffend. Vielleicht findet sichbis zur dritten Lesung eine annehmbare Fassung der ResolutionSielermann. Die Voraussetzung ist allerdings die Erhöhung derSätze der Kommissionsfassung.(Bravo! rechts.)Abg. Graf Mielzynski(Pole): Der Antrag der Sozialdemo-traten geht uns zu weit. Der Antrag Giesberts ist uns vielsympathischer.Einem Vorschlag des Präsidenten Graf Stolberg, eineAbendsitzung abzuhalten, wird allgemein widersprochen. Die Be-ratung geht also weiter.Abg. Böhl-(Soz.)':Uns Sozialdemokraten ist es ganz gleich, welche Form derBesteuerung Sie wählen. Wir lassen uns in den Streit„Wertzoll-Zuschlag oder GewichtSzoll" nicht hineindrängen. Wir sind derMeinung, daß durch beide Systeme die Arbeiterschaft in ersterLinie betroffen wird.(Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.)Aber nicht nur die Arbeiter werden betroffen, sondern auch dieKonsumenten. Werden aber die Konsumenten geschädigt, danngeht der Konsum zurück und Arbeiterentlassungen müssen statt-finden. Man denke doch stets daran, daß es sich in der Tabak.industrie nicht um vollwertige Arbeiter handelt, sondern um Ar-heiter, die in anderen Gewerben nicht unterkommen können.(Leb-hafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Es gibt vor allemim Süden große Mengen kleiner Unternehmer, die mit einemgeringen Betriebskapital arbeiten. Diese kleinen Betriebewerden eingehen, denn sie können die neuen Lasten nicht tragen.(Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.) Früher war auch dieRegierung die schärfste Gegnerin des Wertzolles. Noch Freiherrv. Stengel hat ihn für undurchführbar erklärt.(Hörtl hörtl beiden Sozialdemokraten.) Der jetzige Reichsschatzsekretär hat beiden Vorarbeiten weder die Organisationen der Arbeiter, noch dieder Händler gefragt. Das ist doch aber das mindeste, was wirverlangen müßten.Mehrere Vorredner haben auf die höhere Belastung des Tabaksim Auslande verwiesen. Aber das Ausland deckt auch nicht wiewir alle Ausgaben für Heer und Flotte durch indirekte Steuern.Herr Erzberger hat in seiner Rede erklärt, er werde amSchluß der Rede den Nachweis führen, daß die Wertsteuer imInteresse der Kleinhändler liege. Ich habe auf diesen Nachweisvergeblich gewartet, kein Wort davon hat er gesagt..(Heiterkeitbei den Sozialdemokraten.). Wenn das Ihre.(zum Zentrum)Mittelstandspolitik ist, dann danken wir dafür.Herr Kreth hat seine Anträge offenbar nicht selbst gestellt,sondern im Auftrage der Regierung.(Heiterkeit links.) Deshalbwar diese auch gleich mit seinen Anträgen einverstanden. DaßHerr Kreth gegen unseren Antrag auf Entschädigung ist, hat unsnicht gewundert, auch wenn die Konservativen immer gleich beider Hand sind, den Schnapsbrennern Liebesgaben zuzuschanzen.Herr GieSbertS hat vorhin am Schlüsse seiner Rede, als erfür seinen Antrag plädierte, ausgerufen: Sorgen Sie dafür, daßNot und Elend im Tabakgewerbe nicht größer wirdl Dafür hätteer in seiner Fraktion sorgen sollen: er hätte dafür sorgensollen, daß sie diesem Entwurf die Zustimmung versagt. �(LebhaftesBravo! bei den Sozialdemokraten.);Abg. Dr. Weber(natl.) erklärt, dem Antrage der Sozialdemo-kvaten auf Entschädigung der brotlos werdenden Tabakarbeiternicht zustimme» zu können, wohl aber dem Antrage deS Zentrums;doch muß dort hineingesetzt werden, daß es sich nur um Arbeiterund Hausgewerbetreibende der Tabakinoustrie handelt, was wohlauch in der Absicht des Antrages lag..Abg. Frhr. v. Gamp(Rp.): Ich freue m,ch. daß der Gedankedes Antrages Giesberts jetzt allseitig Unterstützung findet; dochwird der Antrag noch etwas anders gefaßt werden müssen.Abg. Molkenbuhr(Soz.):Man hat unserem Antrage auf Entschädigung der arbeitsloswerdenden Arbeiter unklare Fassung vorgeworfen: wir werdenbis zur dritten Lesung eine schärfere Fassung finden.Dieser Einwand braucht also niemand abzuhalten, für den An-trag zu stimmen... �>Herr Kreth bestritt, daß infolge der höheren Besteuerung Lohn-rückgange eintreten werden und früher eingetreten sind. Die Tat-fachen beweisen das Gegenteil.Nach weiteren Bemerkungen der Abgeordneten Dr. Strese-mann(natl.). Erzberger(Z.). Kreth(t.) schließt die Diskussion.In namentlicher Abstimmung wird der Antrag Albrechtu. Gen.(Soz.) auf Entschädigung arbeitslos werdender Arbeitermit 293 gegen 57 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmen außer denSozialdeniokraten einige Freisinnige, unter anderen Gothein. Dohm,Naumann, Dr. Neumann-Hofer.Darauf wird in namentlicher Abstimmung der Antrag G i e s-Berts u. Gen.(Z.). welcher die Unterstützung arbeitslos werdenderArbeiter fordert, mit 841 gegen 12 Stimmen angenommen.Hierauf wird zu z 1 der Antrag Mommsen-Gyßling ab-gelehnt, und unter Annahme der konservativen Anträge der jj 1angenommen. Ueber 8 1a(Zollzuschlag bei Tabakblättem von40 Proz. dos Wertes) wird namentlich abgestimmt. DerParagraph wird mit 191 gegen 1KS Stimmen bei 10 Stimm-enthaltungen angenommen. Der Rest deS Gesetze? wirddebattelo» angenommen.Darauf vertagt sich daS Haus auf Sonnabend 10 Uhr(Branntwein-steueraesetz, Gesetz über das Erbrecht des Staates. Weinsteuergesetz,Elektrizitäls- und GaSsteuer).Schluß-/t9 Uhr._parlamentarikbes. lJfDie Kommission zur Beratung der Gewervenovelle beschäftigtesich am Freitag mit der zweiten Lesung des Kapitels über oieHausarbeit. Eine größere Debatte entwickelte sich über dieEinrichtung der Lohnämter. Nach den Beschlüssen der erstenLesung sollte dem Reichskanzler, der Landeszentralbehörde oderden höheren Verwaltungsbehörden die Befugnis erteilt werden,für bestimmte Gewerbezweige, in denen HauSarbeiter in größererZahl beschäftigt sind, Lohnämter einzuführen, die, unter Parität!-scher Zusammensetzung aus Arbeitern und Unternehmern gebildet,unter einem von der Behörde ernannten Vorsitzenden Mindest-arbeitSzeit oder Mindeststücklöhne festsetzen. Der Staatssekretärv. Bethmann-Hollweg wandte sich sehr entschieden gegendiese Bestimmung: Wenn auch der Bundesrat zu der Frage nochkeine Stellung genommen habe, so könne man doch annehmen,daß die Lohnämter keine Zustimmung finden werden. Die Re-gierung müsse es ablehnen, in diese Lohnverhältnisse einzugreifen.Da» würde mit allen bisherigen Grundsätzen brechen und derWeg zum sozialistischen Staat sein! Die Heim-arbeiter müssen, wie die übrigen Arbeiter, freihändig von Organ!»sation zu Organisation Tarifverträge abschließen; der Staat könnehier seine Autorität nicht einsetzen. Bon unseren GenossenS ch m i d t- Berlin und Molkenbuhr wurde dem entgegen.gehalten, daß bei isx LwMperjichxrungsordviuig in bezug««I dieHerbeiführung eines Verträges d'er Aerzke mit den Krankenkassender Staatssekretär seinen grundsätzlichen Standpunkt verlassenhabe, denn hier sind Zwangsverträge zugelassen!Für die Heimarbeiter hätte diese Frage eine ganz andere Be-deutung; ihre Organisationen sind schwach, ihre elenden Lohn-Verhältnisse allgemein bekannt, so daß die Lohnämter die wichtigstePosition in den Kommissionsbeschlüssen sind. Ohne Lohnämter istdie Vorlage von sehr minimaler Bedeutung für die Heimarbeiter.Unsere Genossen beantragten dann, daß die Lohnämter ohneAusnahme für die Heimarbeiter eingeführt werden. Für dieLohnämter sprach noch Naumann(frs. Vp.) und Dr.Fleischer(Z.). während sich Manz(frs. Vp.) auf den Stand-punkt des Staatssekretärs stellte. Die Debatte soll in der nächstenSitzung fortgesetzt werden; man hofft» dann das Kgpitxl derHeimarbeit fertigzustellen.ein Zubilsnw.Heute vor 23 Jahren wurden die zur Kark-Zeiß-Stistung inJena gehörigen Glaswerke eröffnet— ein für die Wissenschast undfür Sozialpolitik epochemachendes Ereignis. Gewissermaßen alsJubiläumsgeschenk ist ein prächtiges Werk über die Glasindustrie inJena und ihre Entwickelung erschienen:„Die Glasindustrie in Jena.Ein Werk von Schott und Abbe. Geschildert von Eberhardts ch i m m e r. Mit Zeichnungen von ErichKuithan. Verlegt beiugen Diederichs. Jena 1909"(Preis broschiert 6, gebunden 9 M.).Das Buch ist ein einzig dastehendes Meisterwerk anichaulicher Dar-stellung. In großen Zügen wird die allgemeine Entwickelung derGlasfabrikation von der 4000 Jahre zurückliegenden Zeit an bis zuder an FrauenhoferS Namen anknüpfenden wissenschaftlichen GlaS-schmelzkunft im ersten Kapitel geschildert. Ein zweites führt unsdie wissenschaftliche GlaSschmelzkunst vor: FrauenhoferS Problem,die Schmelzversuche des Pfarrers Harcourt, Experimente in derälteren Industrie, Studien des Chemikers Schott und des PhysikersAbbe und das Zusammenarbeiten beider bis zur ersten Anlage desJenaer Werkes im Jahre 1884 durch Abbe, Schott und Zeiß. DasJenaer Werk selbst wird in dem letzten größten Kapitel ge-schildert. Wir behalten uns vor, auf die Darlegungder Entwickelung der Glasindustrie, die als ein Stück Kulturbildlebensvoll in Schilderung und Bild uns vorgeführt wird, zurück-zukommen. Für heute seien Abbes sozialer Tat, der im Jahre 1396von ihm gegründeten Karl-Zeiß-Stiftung, nach dem ZschrmmerschenBuch einige Worte gewidmet.Mit Preisgabe aller persönlichen Interessen ernannte Mbe dievon ihm gegründete„Carl-Zeiß-Stiftung" 1896 zur Mitinhaberinund späteren alleinigen Besitzerin des Glaswerkes, so wie er auchdie optische Werkstätte von Carl Zeiß gleichzeitig zum Eigentum derStiftung und dadurch ihren Ertrag zum Gemeingut derGesellschaft gemacht hat.„Unpersönlicher Besitz und Vertretungidealer. unpersönlicher Interessen": Darinliegt— Abbe sagt es selbst— der Grundgedanke seiner groß-ortigen Schöpfung. Weder eine einzelne Person noch dieGesamtheit der lätigen Mitarbeiter des Unternehmens sollenseine Besitzer sein. Sie haben dazu nach seiner Ueberzeugung leinRecht, weil bestehende industrielle Organismen als solche viel mehrGewinne bringen, als dem persönlichen Verdienst eines jeweiligeneinzelnen Mitgliedes zukommt. Jeder soll uud muß aberdem Ganzen so weit dienen, daß das Unternehmen sichnicht nur„mit dem marktgängigen Kapitalzins und einer notdürftigenRisikoprämie" begnügt, sondern wie jede andere, innerhalb der lapita-listlscken Wirtschaftsform sich erhaltende Unternehmung einen an-gemessenen Reingewinn ergibt. Ein BetriebSaang um die Selbstkoftcuwürde das Absterben der„vorgefundenen Kräfte der Organisation",die beginnende Faulheit das Ganzen, bedeuten.„Sozial" sein, heißt arbeiten, für die Gemein-schast arbeiten— so meinte«S Abbe l— So lange wir nunin einem kapitalistischen Zeitalter leben, so lange ein Unternehmendurch die Wirlschaftsform gezwungen ist.„kapitalistisch" zuproduzieren, muß es deshalb auch einen Reingewinn ab-werfen. Wenn nicht, dann haben seine Verwalter schlechtgearbeitet und schlecht geleitet. Sozial wird daS Unternehmen allein dadurch, daß eS seinen Reingewinn, wie dieAbbeschen StiftungSwerke. dem Staat, d. h. der Kultur zur Vor«fügung stellt. Täten die» alle Fabriken, dann hättenwir, sagt Abbe, einen solchen Ueberschuh an Mitteln für Kultur-zwecke, baß ohne weiteres ein großer Teil der sozialen Aufgabeneines besseren Staatswesens als das gegenwärtige gelöst wären.Die Abbesche„Carl-Zeiß-Stiftung", verwaltetdurch daS Großherzoglich Sächsische Kultusdepartement, gemäß denVorschriften des Stiflungsstatuts, ist: alleinige Besitzerin der selb-ständigen, unter eigener Leitung stehenden Optischen Werk-statten Carl Zeiß und ferner Mitbesitzerin(nach Ausscheidenvon Dr. Schott alleinige Besitzerin) des selbständigen, unter eigenerLeitung stehende» Glaswerke» Schott und Genossen.Für jeden der beiden Stiftungsbetriebe gelten gesetzmäßig fest-gelegte Bestimmungen über: 1. Arbeitslohn; 2. Versicherung gegenArbeitslosigkeit(Entlassung); 3. Fürsorge für die Familie des Ar-beiterS; 4. Arbeitszeit.Nach AbbeS Willen ist es nicht der Zweck der Jenaer Fabriken,einen möglichst hohen Reingewinn aufzubringen, sondern„NahrungS-quelle eines zahlreichen Personenkreises" zusein, deren gewerbliche Tätigkeit nur in solchenIndustriezweigen besteht, welche die enge Ver-bindung zwischen Wissenschaft und Technik auf-recht erhalten, wie sie durch die Gründer derUnternehmungen selb st angebahnt worden ist.Unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich für die Angestellten zu-nächst daS wirtschaftliche Verhältnis einer„Arbeitsgenossenschast"wie Abbe sagt, an Stelle eines ausgebeuteten, der Gewinnsucht einespersönlichen Unternehmers preisgegebenen„Personals". Für dasWerk ergibt sich als geschäftlicher Standpunkt, im Gegensatz zuanderen Unternehmungen, die Einbeziehungen des Arbeitslohnes indie Summe des wirtschaftlichen Gesamtertrages.Der Lohn setzt sich ouS einem unverkürzten festen Lohn unddem aus der Höhe des Reingewinns, also veränderlichen G e w i n»-anteil zusammen. Der Nettogewinn der Stiftung ist Kultur-zwecken gewidmet. Jeder Angestellte erwirbt nach bjährlger Dienst-zeit einen Anspruch auf Jiivalidenpenston(600— 126l>M.) Die Witweerhält 40 Proz., jede Waise bis zum vollendeten Ib. Lebensjahre20 Prozent der Jnvalidenpenston. Die Arbeitszeit ist eineachtstündige(mit einigen bis zu 8>/« Stunden gehenden Aus-nahmen�) Jeder Arbeiter hat Anspruch auf sechStägigen Urlaub unterFortzahlung des Lohnes.DaS sind einige der Hauptbestimmungen der Stifkmg. Der Verfasserdes Büches hat recht: das Schönste. daS Abbehinterlassen hat, ist deridealeGedanke, den zu erhalten und fortzupflanzen Aufgabe insbesondere derBeamten deS Werkes sein sollte. Die Abbesche Gesinnung sozialerGerechtigkeit wird weiter wirken:»die Achtung des ar-bettenden vor dem arbeitenden Menschen, gleichviel wcSStandes er sei— die tiefe Verachtung jener hofsärtigenMenschenklasse, die nur sich ielbst dient, von der Gesellschafternährt, die sie gewissenlos und schamlos ausbeutet." Istauch das Ziel zu erreichen unmöglich, das Abbe früher vorschwebte,„Die Wiedererneuerung eines gesunden Mittelstandes", so wirdseine Wirksamkeit für die Erreichung des großen Ziels ihr Teil bei-tragen, das die Gleichberechtigung aller Bürger durch Beseitigungder Ausbeutungsmittel erstrebt.Das Zschimmcrsche Buch schließt mit folgendem, warmempfundenen Nachruf:Ernst Abbe weilt nicht mehr unter den Lebenden. Er brachzusammen unter der Last fast übermenschlicher Geistesarbeit, vonder hier nur ein winziger Bruchteil geschildert werden konnte.Ein tragische? Ende zerstörte diesen Einsamen unter den Großender Industrie und Wissenschaft, dessen Dasein identisch war mitder Ärbeit. Arbeit für die menschliche Kultur; dessen höchstes.