erstatten. Dem Nrzte soll auch die Erfüllung der Anzeigepflichtuiöglichst erleichtert werden; er wird nur eine Postkarte aus-zufiillen haben. Auch die Kurpfuscher werden die Anzeige er-statten müssen; sie sollen nicht von einer Verpflichtung entbundenwerden, die dein Arzte obliegt. Daß die Schaffung eines Reichs-Medizinalwesens nolhwendig sei, kann ich nicht zugeben. Manwird nicht behaupten können, dab das Medizinalwesen derEinzelstaatcn nicht im stände ist, die Aufgaben zu erfüllen, welchedie Reichsgesetzgebung stellt. Ich kann deshalb nur em-pfehlen, den Entwurf wohlwollend und schleunig zuberathen; denn wir sind nicht sicher davor, daßdie Cholera in diesem Jahre wieder bei uns zu Gaste kommt.Wenn es im vorigen Jahre gelungen ist, unter Mitwirkung derLandesbehörden und der Kommunalverwaltungen unter Mit-Wirkung des Gesundheitsamtes und seines ärztlichen BeiralhesHerr der Cholera zu werden, so werden wir dies in Zukunft nurdann mit Nachdruck können, wenn wir die Vollmachten erhalten,die dieses Gesetz giebt.Abg. Endemann(natl.): Die großen Erwartungen, welcheman auf das Seuchengcsetz gesetzt hat. sind leider nur in de-scheidenem Maße ersüllt worden. Eine richtige Seuchengesetz-gebung hätte damals beginnen müssen, die Gesundheitspflege indie richtigen Hände zu legen. Der Reichstag kann nicht denStreit zwischen Lokalisten und Kontagionisten entscheiden; der größteTheil der Aerzte neigt sich Koch's Meinung zu. Es ist bedauerlich,daß die Regierung nicht die praktischen Aerzte gehört hat. Mandarf nicht blos vom Auelande kommende Seuchen in das Gesetzhineinnehmcn, sondern man muß auch einheimische Seuchen be-handeln. damit wirklich von vornherein die Medizinalpolizeiüberall eingerichtet wird. Denn wo gute sanitäre Verhältnissefind, wird sich keine Seuche auf die Dauer einnisten. Trotzdes ungenügenden Inhalts der Vorlage, sind meine Freundeentschlossen, den Entwurf einer Komnussion von 21 Mitgliedernzu überweisen.Staatssekretär von Bötticher: Ich würde dem Vorrednerdankbar sein, wenn er erklärte, weshalb der Entwurf eine Eni-täuschung ist. Der Vorredner scheint immer das, was durch dieZeitungen gegangen ist, zu sehr als baare Münze genommen zuhaben, namentlich daß die Aerzte nicht gehört worden sind. Essind die Mitglieder des Reichs-Gesundheitsamts, die vortragendenRäthe der Medizinalabtheilungen Preußens und anderer Staatenu. s. w. gehört worden, ebenso Professoren der verschiedenenUniversitäten nnd auch der Vorsitzende der deutschen Aerztever-eine, Dr. Graf-Elberfeld. Eine ausreichendere Heranziehung vonAerzten wird sich schwerlich ermöglichen lasse». Die Gutachtendieser Herren existiren nicht in schriftlicher Form, sind vielmehri» nn'indlicher Verhandlung abgegeben. Den Gedanken an dieReichs-Medizinalresorm lassen Sie fallen; das wird uns nur inunserem Fortschreiten hindern.Abg. Graf zu Stolberg(dk.): Wir sind beinahe sicher, daßdie Cholera in diesem Jahre wiederkommt, deshalb habe ich denWunsch, daß das Gesetz sobald als möglich zu ständekommt; deshalb muß eS möglichst wenig belastetwerden. Für die anderen Krankheiten besteht nur eintheoretisches Bedürfniß, für die Cholera aber ein praktisches.Deshalb sollte man sich daraus beschränken. Ein dringendesBedürfniß ist die Regelung der Frage der Kirchhöfe, namentlichauf dem platten Lande, wo es viele Gemeinden giebt, die keineneigenen Kirchhof haben. Da der Transport von Leichen voneiner Gemeinde zur anderen in der Seuchenzeit verboten ist,so müssen besondere Bestimmungen über die Kirchhöfe getroffenwerden.Abg. Fritzen» Düsseldorf(Z.) hält eine reickisgesehliche Re<gelung der Kirchhofsfrage nicht für möglich; die Landesgesetz-gebnng kann, wen» sie will, in rasckester Frist hier das Nölhigeordnen. Die Schaffung eines Reichs-Medizinalwesens würde einunberechtigter Eingriff in.die Besugniffe der Einzelstaaten sein,und dem Bundesraih eine Blankovollmacht geben. Das Gesetzauch noch auf andere Krankheiten auszudehnen, würde zu weit§ehen, dann sollte man lieber die Krankheiten direkt in das Gesetzineinschreiben. Die Bevorrechtnng der beamteten Aerzte gehtwohl auch zu weit. Der beamtete Arzt kennt die Kranken nichtpersönlich, aber wenn er den Verdacht einer ansteckenden Krank-heil hat, sollen sofort die zahlreichen Scbntzmaßregeln in Krafttreten, es soll der Kranke sogar in das Krankenhaus gebrachtwerden. Das sollte nur mit Genehmigung des Kranken oderseiner Familie möglich sein. Redner schließt sich dem Antrageaus Kommissionsberathung an.Abg. BirchoUi(dsr.): Es wird schwierig sein, die Frageder Seuchenverhütung zu regeln, weil wir infolge der Mangel-haften Medizinalorganisation in den Einzelstaaten keine ge-nügende Erfahrung haben. Ich kann darüber sprechen, weil ichselbst Mitglied der obersten Medizinalinstanz in Preußen bin.Wir haben vergeblich versucht, die Gesetzgebung in Gang zubringen. Deshalb müssen wir jetzt vorgehen aus dem Gebiet,aus dem eine Einigung möglich ist, wo eine Verständigung er-zielt ist; das übrige muß den Einzelstaaten überlassen bleiben;in bezug auf die ansteckenden Kinderkrankheiten hätte manwenigstens reichsgesetzlich eine Anzeigepflicht einführen können.wenn man nicht weiter gehen wollte. Der Hauptmangel für dieBekämpfung der Seuchengesahr war, daß das Reich keineexekutive Behörde auf diesem Gebiete hatte. Es muß versuchtwerden, in der Kommisston etwas mehr auf diesem Gebiete zuschaffen, als beabsichtigt ist. Der Staatssekretär v. Bölticherhat auf die fiirchhofssrage hingewiesen, die eine streitige ist.Wir haben Gelegenheit gehabt, für solche Fälle die Feuer-bestattung zu empfehlen; aber die Regierung hat sichdem gegenüber ablehnend verhalten. Es giebt keinanderes Mittel, die Keime der Cholera sicherer zu tödtenals die Hitze. Wenn die Cholera sich wirklich einmal über halbDeutschland ausbreiten sollte, dann hilft nichts anderes, als daßwir üderall Beamte einsetzen, welche ihre Aufgabe zu erfüllen imstände sind. Das macht eS nothwcndig, daß die Einzelstaaten ihrMedizinalwesen reformiren und für ihre beamteten Aerzte bessersorgen. Das können wir allerdings in das Gesetz nicht hinein-schreiben, aber das Gesetz ist ja auch nur«in Ansang.(Beifalllinks),Abg. v. Unruhe-Bomst(Reichsp.) hält es auch für bedenk-lich, dem Bundesrath einseitig die Befugniß geben, das Gesetzmit allen seinen schweren Nachtheilen nach seinem Belieben aus-zudehnen auf irgend welche andere Krankheiten, die jetzt nicht ge-nannt sind. Gangbarer wäre schon der Weg, nur die Anzeige-Pflicht für gewisse Krankeiten einzuführen! aber das wird gesetz-lich schwer zu sormuliren sein. Es wird die Furcht entstehen,daß bei der Anzeige dieses oder jenes Falles anstecken-der Krankheiten den Gemeinden irgend welcher Nach-theil erwächst, daß Kosten entstehen. Dann werdendie Krankheilsfälle verheimlicht. Ueberhaupt wird dieHandhabung jedes Seuchengesetzes auf große Schwierigkeitenstoßen, wenn die Gemeinden allein die Kosten tragensollen. Deshalb muß die Anzeigepflicht auch in erperLinie dem Arzte auferlegt werden, weil ein Laie durch Jrrthumgroße Mißstände hervorrufen kann.Abg. RzepnikowSki(Pole) hält die Anzeigepflicht für noth-wendig. Die Anzeige müßte aber durch die behandelnden Aerzteerstattet werden; im übrigen findet aber die Vorlage seinenvollen Beifall nicht, weil dem Arzte eine zu untergeordneteStellung gegenüber dem beamteten Arzte angewiesen ist.Abg. Wnrm: Wir stehen dem Gesetzentwurf insofernsympathisch gegenüber, als wir es durchaus für nothwendighalten, daß von Reichswegen endlich gegen diese Mißwirlhschastin einzelnen Gemeinden und Staaten eingeschritten wird; wirbedauern nur, daß der Gesetzentwurf keineswegs dem entspricht,was man von ihm erwarten konnte. Von einem kräftigen Ein-schreiten gegen die Seuchengefahr ist in dem Entwurf durchausnichts zu spüren. Es ist nirgend von einem Muß oder Soll,sondern nur von einem Kann die Rede, und auch der Reichs-Gesundheitsrath ist die reine Dekoration, denn er ist nur besugt,den Landesbebörden auf Ansuchen Rath zu ertheilen.Die Begründung hebt hervor, daß Jahr für Jahrvon der Arbeiterschaft Millionen— im Jahre>890 waren es80 Millionen— für die Krankenoersicherung gezahlt werden müssen.Diese Rechnung ist nicht genau; es sind im Ganzen 120 Millionen,wenn man die Beiträge voll in Betracht zieht. Durch dasUnternehmerlhum sind nur 83 Millionen zur Krankenversicherungbeigesteuert worden. Grade die Arbeiter haben also ein Interesseund einen Anspruch darauf, daß der Ausbruch der Krankheilenverhindert wird. Leider nimmt aber der Entwurf auf die Ur-fachen der Krankheit und auf die Beseitigung der Mißstände,welche durch die sozialen Verhältniffe entsteheiy viel zu wenigBezug. Ich bin damit einverstanden, daß die Anzeigepflicht strengdurchgeführt werden muß. Sie müßte aber auch auf die en-demischen Krankheiten wie die Schwindsucht, welche imletzten Jahre 150 000, und die Kinderkrankheiten, welche70 000 Opfer forderten, ausgedehnt werden. Dem stehtallerdings gegenüber, daß nach§ 8 die behandelndenAerzte gewissermaßen als Aerzte zweiter Klaffe betrachtet werden.Der beamtete ZIrzt ist aber kein richtiger Beamter, sondern einZwitter zwischen einem praktischen Arzte und einem Medizinal-beamten. Unser Kreisphysikus hat nicht jene selbständigeStellung, welche es ihm ermöglicht, ohne Rücksicht auf seine U i-gebung seinen Beruf auszuüben. Er ist nur ein bevorzugterKonkurrent des Privatarztes. Will man logisch verfahren, somuß man sämmtliche Aerzte zu Staatsbeamten macken. Nachdiesem Entwurf ist der behandelnde Arzt lediglich ein Schiffs-junge, der jeden Augenblick von dem beamteten Arzte weg-kommandirt werden kann. Mit vollem Recht wird auf gewissepersönliche Freiheiten keine Rücksicht genommen, und wir, diewir für die Freiheit des Individuums eintreten, bekämpfendurchaus nicht, wenn man im Interesse der Gesammtheil aufgewisse individuelle Freiheiten keine Rücksicht nimmt, denn der größteEingriff in die persönliche Freiheit ist Krankheit nnd Tod. Da derbeamtete Älrzt zu Zeiten einer Epidemie seine Privatpraxis nichtmehr ausüben kann, so wird er auch pekuniär ganz anders ge-stellt werden müssen. In anderen Staaten, z. B. in Oesterreich,hat man das im vorigen Jahre schon bei Ausbruch der Epidemiein's Auge gefaßt; in diesem Entwurf ist davon aber gar nichtdie Rede. ES handelt sich dabei doch auch um die Hilss-wärtcr u. s. w., die mit hinzugezogen werden müssen. Sinderst einmal die Aerzte verstaatlicht, dann wird eine ganze Massevon Mißständen schwinden, welche dieser Entwurf bestehen läßt.Eins läßt der Entwurf ganz unberücksichtigt. W sind zwei ver-schiedene wissenschaftliche Strömungen vorhanden, die sich ziem-lich schroff gegenüberstehen bei der Frage, wie der Kranke zu be-handeln ist. Außerdem existiren noch andere Strömungen, dienicht immer gerade von allen Aerzten für wissenschaftlicheStrömungen gehalten werden. Ein Mitglied dieses Hauses istja im Besitz eines Talismans, einer Knpferplatte, mit der er dieCholera zu heilen glaubt. Wir haben ja einen Prozeß gehabt,in dem jemand wegen Beleidigung verklagt war,weil dem Grafen Schlieffen nachgesagt war, es wäreein Aberglaube, daß er jene Knpferplatte verwendete.Ebenso kraffe Widersprüche bestehen zwischen denjenigen, welchesich zur Naturheilkunde bekennen und denjenigen, welche zur altenSchule schwören. Ter beamtete Arzt wird sicher ein Anhängerder alten Schule sein. Wenn der nun mit einem Anhänger derneuen Schule oder der Naturheilmethode zusammenkommt, söwerden Konflikte entstehen, die wieder recht deutlich zeigenwerden, daß wir eine einheitliche Regelung des Arzt»wcsens bekommen müffen, die undurchführbar ist, solange das Arztgewerbe ein Handelsgewerbe ist. Manschlägt die Räumung der ungesunden Wohnungen in Zeiten derEpidemie vor. Alle solche Zwangsmaßregeln zu Zeiten der Gefahrkönnten vermieden werden, wenn in Zeilen des hygienischenFriedens Vorsichtsmaßregeln in genügender Art getroffen werden,wenn sowohl durch die Medizinalgesetzgebung als durch dieMedizinal-bebörden mehr daraus geachtet würde, daß die Wohnungen sich inbesserem Zustande befinden. Die Städte prahlen mit ihren schönen An-lagen, Springbrunnen und Denkmälern, aber in denselben Städtensieht man große Quartiere, von denen man sagen kann, hier istdas Haus des Todes, hier sind alle Bedingungen gegeben, umeine Seuche entstehen zu lassen. Tie Medizinalbehörden kennenheute schon diese Gegenden, aber es geschieht nichts. Im vorigenJahre bei der Choleraepidemie sprengte man mit Karbolwasser,aber das half so wenig wie Weihwasser. Ohne Beseitigung derQuartiere ist hier nichts zu machen. Die Stadt Hamburg hates am deutlichsten erwiesen, wie wenig man von seilen jenerBehörden daran denkt, Maßregeln zu ergreifen, die wirklich nützlichwirken können. Warum beseitigt man in Hamburg nicht allejene Schauerquartiere, die schon dem äußern Anblick nachsich als Peslheerde kennzeichnen. Hat man dazu in Hain-bürg zwei Jahrzehnte lang die Wassersrage in einer Weiseverschleppt, wie es glücklicher Weise in der Geschichteder deutschen Städte ohnegleichen dasteht?(Redner er-örtert die Entwickelung dieser Angelegenheit des Näheren.)Das kann gar nicht oft genug vor der Oessentlichkeit ausgesprochenwerden. Auch die Vorlage geht hier nicht weit genug; dieGemeinden„können" zur Verbesserung ihrer Trinkivasserverhält-nisse sc. angehalten werden. Es wird den Landesbehörden vielzu viel Spielraum gelassen; eine Reichsbehörde müßte das Gesetzdurchführen, sonst bleibt alles nur Dekoration. Das hat sichnamentlich bei der Leichenverbrennung gezeigt. Man sagt: dieEpidemien sind eine Geißel; ja, aber eine Geißel, mit der nichtdie gezüchtigt werden, die gesundigt haben, sondern die, gegendie gesündigt worden ist. Es sind hauptsächlich die Arbeiter-quartiere, welche von der Seuche heimgesucht werden. Das hängtzusammen mit den schlechten Bauordnungen in den Städten.Warum haben wir diese? Weil diejenigen Körperschaften.welche die Bauordnung zu entwerfen haben, nur dir Interessen derbesitzenden Klassen vertreten. Wer den Geldbeutel hat, hat auchdas Wahlrecht und das arme arbeitende Volk, muß sich allesgefallen lassen, was von oben her diktirt wird. Wird einmalein Anlauf zur Arbeiterschutz-Gesetzgebnng genommen, so kommenhinterher Leute wie der Verein zur Mildenmg der Bestimmungenüber die Sonntagsruhe. In der Kommission werden wir zuden einzelnen Punkten der Vorlage weitere Anregungen geben.Hamburgischer Senator Bnrchard sucht den Angriff desVorredners als unberechtigt zurückzuweisen und bestreitet nament-lich. daß mit der Anlage einer Wasserleitung zu lange gezögertworden sei. Redner setzt die Hamburger Verhältnisse eingehendauseinander, ist aber auf der Tribüne nicht zu verstehen, da erimmer zu den Sozialdemokraten gewendet spricht. Er schließtdamit, daß er der Reichsregierung, welche die Hamburger Be-Hörden während der Choleraaefahr unterstützt habe, den wärmstenDank ausspricht und auch allen denjenigen in Deutschland undim Auslande dankt, welche der Hamburger Bevölkerung in derchweren Zeit gedacht haben.Um o>/e Uhr wird die Weiterberathung bis SonnabendI Uhr vertagt; außerdem Vorlage betr. die Abzahlungsgeschäste;Wahlprüfungen.Pcu'keiuirvltvickiken.Gegen die Militärvorlage protestirten ferner Versamm-lungen in Brandenburg(Ref. Reichstags-AbgeordnetcrMolkenbuhr), Sestewitz i. S., Bulach(ReferentAdolf G e ck- Offenburg), Neustadt b. Koburg(Ref. Hülle-Erfurt).O aReichStagSkandidatnr. Für den 3. Berli ner Reichs-tags-Wahlkreis ist der Stadtv. E. V o g t h e r r als Kandidatausgestellt worden.Zum Wahlausruf de» Parteivorstaude» bemerkt der„Chemnitzer Beobachter":„Der Aufruf führt eine ernsteSprache und zeigt unseren Genossen die ganze Schwere der Auf-gäbe, die an sie herantreten wird. Diesmal spielen sich dieWahlen in einer ohnehin schon aufgeregten Zeit ab und es wirdihnen ein Wahlkampf voraufgehen, wie er vielleicht mit ähnlicherHeftigkeit noch nicht geführt worden ist. Alle Parteigenossenmüssen auf dem Plane sein! Es stehen uns gewiß noch lieber-raschungen bevor, das wiederholen wir, den» unsere Gegnerwerden kein Mittel unversucht lassen, den Wahlsieg an ihre, d. h.an die Fahne der alten Parteien zu heften. Dem können wirbegegnen durch vermehrte Agitation. Also Parteigenossen, beginntschon jetzt die Vorbereitungen für den Wahlkamps!"Das Rheinisch« Agitations-Komitee in Elber-feld erläßt folgenden Aufruf:„An die Parteigenossen von Rhein-land! Im Auirufe des Parteivorstandes ist die Situation, inwelcher wir uns befinden, klar gezeichnet, ebenso auch die Pflichten,welche wir zu erfüllen haben. Uns hier in Rheinland erwächst diePflicht, gegen den mächtigsten politischen Gegner, die Zentrumspartei,den Kampf zu führen. Durch die sonderbare politische Kon-stellation ist die Zentrumspartei in die Opposition gegen dieRegierung gedrängt, welcher Umstand uns den Kampf erschwerenwird, aber gerade deshalb müssen wir in erhöhtem Maße unsereSchuldigkeit thun. Vor allen Dingen ersuchen wir die Partei-genossen, mit den Vorarbeiten zu beginnen; da, wo es noch nichtgeschehen, Kreiskonferenzen abzuhalten, und, den Beschlüssen desDüffeldorser Parteitages gemäß, uns stets aus dem Lausendenzu erhalten. Ebenso ist es wichtig, uns von den ausgestelltenKandidaten in den verschiedenen Wahlkreisen rechtzeitig zu unter-richten, damit deren Veröffentlichung erfolgen kann. Soweit esdie vorhandenen Kräfte zulassen, werdet, wir überall helfend ein-greifen. Die Zeit für die Agitation ist ungemein günstig, nützenwir sie nach Kräften aus."Maifeier. Die Parteigenossen in den TaunuS ortenObernrsel und Umgegend, Königstein, Kronberg, Oberhöchstadt,Steinbach, Homburg und Friedrichsdors seiern das Fest am7. Mai in Oberursel, nachdem am 1. Mai eine Volksversamm-lung in Homburg vorangegangen ist.— In B r a m s ch e wirddie Maiseier am 30. April abgehalten, ebenso in Schwein-furt.— In Iserlohn ist am Abend des 1. Mai Versamm-lung, am 7. Mai ein Fest; desgleichen in B r e m e n.— TieR o st o ck e r Arbeiter seiern das Fest am 7. Mai durch Ausflug,Konzert und Ball.— In S ch w e l m wird am Abend des1. Mai eine Volksversammlung abgehalten, an die sich eine ge-mülhliche Unterhaltung schließt.Auch in Weißensels scheint die öffentliche Ordnung aufschwachen Füßen zu stehen; die Polizei glaubte den Festzug nichtgenehmigen zu könne». �Der sozialdemokratische* Vertrauensmann für Han-nover, Genosse A. Lohrberg, theilt mit, daß er für diedurch die Cholera in Hamburg in Roth Gerathenen dieSumme von 4300 M. durch Listensammlungen, Ueberschüsse vonKonzerten k. vereinnahmt hat. Gewiß eine stattliche Summ«,die das Proletariat Hannovers ausgebracht hat, um die Rothder Hamburger zu lindern. �Von der Ngitation. Zin Oldenburg. Jever.Bant, Heppens und anderen Orten Nordwestdeutschlandshielt der Parteigenosse Adolf Hoffmann aus Zeitz stark-besuchte Versammlungen ab, in denen seine Vorträge großenBeifall fanden.Vorigen Sonntag unternahmen Parteigenossen ausSchwel m eine Agitationstour über Haslinghausen nachSprockhöfel zur Verbreitung der Bebel'schen Rede über den„Zukunflsstnat". Ueberall, wo die Genossen hinkamen,� fandensie die freundlichste Ausnahme. Die Leute klagten alle über diefortwährend sich steigernden drückenden Lasten, besonders über dieneue Militärvorlage. Wie es scheint— schreibt man uns—fängt es auch in dieser Gegend an zu dämmern, wo wir beiver letzten Reichstagswahl in Sprockhöfel nur 10 Stimmen bekamen.»•Todtenliste der Partei.' Am 14. April reiste, wie dieBreslauer„Volksmacht" meldet, der 60 Jahre alte ParteigenosseStanislaus Chmilewski nach Schrinim, um dort eine Erb-schafl von dv M. zu erheben. Auf seiner Rückreise am 16. April,die über Kurnick erfolgte, ist er am Sonntag Abend unweit d.-sDorfes Zegcze bei Posen ermordet und seiner Baarschafl beraubtworden. Wir verlieren in ihn, einen überzeugten, stillwirkendenParteigenossen. Ehre seinem AndenkenPolizeiliches, Gerichtliches«e.— Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte gegen denGenossen C. L e g i e n wegen des Flugblatts Anklage erhoben,das die Hamburger Verfassungssrage unter Hinweis aus dieCholera-Epidemie behandelte. Das Landgericht lehnte jedoch dieEröffnung des Hauptverfahrens ab und legte die Kosten derStaatskasse zur Last. Die Begründung dieses Beschlusses ist nichtohne allgemeines Interesse. Sie lautet:„Das vom Staatsanwalt unter Anklage gestellte Flug-blatt enthält allerdings eine scharfe Kritik der HamburzischenBersassungs- und Verwaltungszustände, sowie der bei dem wohl-habenden Theil der Bevölkerung nach Meinung des Angeklagtenherrschenden Gesinnung, welche als den nothwendigen Reform-bestrebnugen hinderlich dargestellt und als auf Selbstsucht be-ruhend, scharf getadelt wird. In Verbindung mit dem Gesammt-inhalt des Artikels kann jedoch in den von der Anklageschriftspeziell hervorgehobenen Worten:„Hungert der Mann nnt Weibund Kind u. s. w.. so stürzt er sich selbst dem hauenden Säbelund der schießenden Flinte ohne weitere Ueberlegung entgegen,"eine Anreiznng des Proletariats zu Gewaltlhätigkeiten gegen diebesitzenden Klassen nicht gefunden werden.Der Passus, in welchem diese Worte vorkommen, beginnt mitden Morien:„Was soll dieser"— von dem Flugblatt kritisirten—„Sachlage gegenüber geschehen?"und kommt dann endlich zu dem Schlüsse, daß die Hamburgische,die besitzende Minorität der Hamburgischen Bevölkerung begünsti-gende Verfassung einer dies Stimmrecht der Gesammlbevölkerunganerkennenden Reform unterzogen werden müsse. In diesemZusammenhang kann die inkriminirte— übrigens lediglich einebekannte Phrase wiederholende— Redewendung, welche warnendaus die möglichen Konsequenzen dauernden Widerstand gegen dievon dem Flugblatt gepredigten Reformen hindeutet, als eine 9ln-reizung der Proletarier zu Gewaltthätigkeiten um so wenigerangesehen werden, als die Gegenüberstellung des mit Weib unsKind hungernden Proletariers aus der einen Seite, der mit Säbelund Flinte bewaffneten staatlichen Schuhmacht auf der anderenSeite wohl die plastische Illustration einer mit prophetischemBlick vorausgesehenen Thatsache, keineswegs aber für den waffen-losen Proletarier eine besondere Verlockung zur Herbeiführungdieser Situation enthält."— Vom Splitter und Balken. Man schreibt uns:„Die„Frankfurter Zeitung" gefällt sich in sittlicher E»t<rüstung über die Bemerkung des„Vorwärts" zu der B e-leidigungsklage, die der Düsseldorfer„General-Anzeiger"gegen den Genossen L i n x w e i l e r, den Redakteur der„FreienPresse" in Elberfeld, erhoben hatte. Si" meint:„Uns fällt da-bei ein, daß jüngst der Redakteur der Frankfurter sozial-demokratischen„V o l k s st i m m e" gegen den Rebakteur der„Frankfurter Zeitung" Beleidigungsklage erhoben hat. der eben-salli zu einer Geldstrafe veruriheilt wurve. In diesem Fallehatte das Berliner Zentralorgan der Sozial-demokratie keine abfällige Bemerkung zurfi a n d. Freilich betraf die Berurtheilung nur einen demo-r a t i s ch e n Redakteur, und ein„Genosse" war es damals, der