Hierauf erstattete Landtagsabgeordneter General-direktor Dr. Pieper-M.-Gladbach denJahresbericht.Der Verein zählte Ende Juni 1903 610 663 Mitglieder, EndeJuni 1909 626029 Mitglieder. Die Organisation im Lande konnteim Berichtsjahre durch Errichtung von Landes- und BolkSvcreinS-sekretariaren weiter vervollkommnet werben. Die Gesamtzahl derSekretariate beträgt gegenwärtig 46. Die VolkSvercinSorganiscitionverbreitete im Berichtsjahre 2 797 892 Stiick Agitationsmaterialien,3 871 143 Flugblätter und versandte 130 000 Nummern derZeitungekorrespondenzen an durchschnittlich 700 Adressen, darunter400 Redaktionen. Von der Volksvercinsorganisation und demVolksvereinsverlag kamen im Berichtsjahre fast 13 Millionen, seitBestehen des Volksvereins rund 123 Millionen Drucksachen aller Artzum Versand.Im Anschluß an den Jahresbericht führte GeneraldirektorDr. Pieper aus: Der Leitgedanke der immer intensiver aus-gebauten Vereinsarbeit ist die Erziehung und Schulung der deutschenKatholiken zur Selbstbetätigung aus sozialem und kulturellem Ge-biet. Die Vcrtrauensmännerorganisation ist das Nervensystemdieses Massenkörpers. Erst wenn eifrige, auf jederStraße oder in jedem Häuserviertel statio-nierte Vertrauensmänner aller Berufskreisetätig sind, entfaltet der Volksvercin seine volle Lebens-kraft. Heute zählt er rund 20 000 Vertrauensmänner.(Stürmischer Beifall.) Zum Schluß noch ein Wort der Klar-stellung, das geboten erscheint gegenüber vereinzelten Kritikendes Volksvereins. In letzter Zeit erschienen in einigen katholischenTagesblättern Artikel, die den Volksverein in Verbindung brachtenmit dem„systematischen Bestreben, in dem katho-lischeu Volke die Anschauung zu verbreiten, daßwirtschaftliche, soziale und politische Fragenlosgelöst von den Grundsätzen der katholischenWeltanschauung zu behandeln sind". Man warntevor einer„systematischen Jnterkonfessionalisierung der Sozialenund politischen Bestrebungen"'. Es ist schloer erfindlich,wie man mit diesen Bestrebungen den Volks-verein in Verbindung bringen konnte. Die-jenigen, die eine solche Gefahr vom Volksverein befürchten, kennenden Volksverein schlecht.(Lebhafte Zustimmung.) Gewiß, der Volks-verein fördert, den Beispielen hervorragender katholischer Führerfolgend, nicht bloß den Ausbau der sozialen Gesetzgebung, sondernauch die längst vor Gründung des Volksvereins bestehenden inter-konfessionellen Berufsvereinigungen, aber durchaus nicht vom Stand-Punkt eines verwaschenen sogenannten interkonfessionellen Christen-tumS.(Lebhafter Beifall.) Die Leitung und die Mitglieder de?Volksvereins kennen nur ein konfessionelles Christen-tum, das für die Katholiken das katholische Bekenntnis ist. DerVolksverein hat in eigenen Schriften und Flugblättern die kon-fessionelle Schule verteidigt, die Pflege des katholischen Familien-lebens, die katholische Presse und Schriftenverbreitung zu förderngesucht. Das genügt wohl als Antwort auf jene Kritiken, die er-freulicherweise nur von einem sehr engen katholischen Kreise aus-gehen.(Lebhafter Beifall.)Nach dieser gründlichen LoSsagung der Vereiusleitung von so-genannten„interkonfessionellen" Bestrebungen der„Köln.Volksztg." ergriff Fürstbischof Dr. Kopp das Wort, um sichmit dem Verhalten und den Zielen de» katholischen Volksvereinsvöllig einverstanden zu erklären.Kardinal Kopp sagte, nachdem er den Tod deS erkranktenBischofs von Paderborn mitgeteilt hatte:Der Volksverein gehört zur Generalversammlung der KatholikenDeutschlands, und er soll auf ihr Rechenschast ablegen über die Er-folge des letzten JahreS. Die zahlreichen Angriffe auf den Volks-verein sind nicht gerechtfertigt. WaS der Volksverein be-zweckt, besagen klipp und klar seine Statuten: er will die Förde-rung der christlichen Ordnung in der Gesellschaft. LeitendePersönlichkeiten vom Volksverein haben es oft genug aus-gesprochen, daß sie nur katholisches Wisien verbreiten wollen.Der erste Vorsitzende des Volksvereins stand vor nicht langerZeit vor dem obersten Hirten der katholischen Kirche undlegte ihm Rechenschaft ab über daS Wirken und die Ziele des Volks-Vereins.(Lebhafter Beifall.) Ich wiederhole seine schönen Worte,die er dem Papst entgegenrief: der Volksverein hat die Aufgabe,das katholische Volk in voller Glaubenstreue zu erhalten und daswirtschaftliche Leben des Volkes immer mehr zu bessern. DerVolksverein will die 5latholiken im öffentlichen Leben zur Arbeit an-feuern. Der greise Pontifex erhob segnend die Hände über denersten Redner und über den Volksverein.(Stürmischer Beifall.)Der Volksverein denkt nicht daran, die Selbständigkeit andererOrganisationen einzuschränken, im Gegenteil, er hat sein Wirkungs-gebiet genau abgesteckt und er will stärken und fördernunseren heiligen Glauben. Der Volksverein ist da für das ganzekatholische Volk. Ich hoffe und wünsche, daß auch meine Diö-zesanen recht zahlreich dem Volksverein beitreten.Der Epiflopat fürchtet nicht, daß das Zentrum den Volksverein be-herrschen wird, er hätte auch nichts dagegen.(Lebhafter Beifall.)Der Volksverein ist ein selbständiger Verein, der katholisches undsoziales Wiffen verbreiten will.(Lebhafter Beifall.) Darumhatder Episkopat kein Mißtrauen gegen den Volks-verein, sondern er hat volles Vertrauen.(Stürmischer Beifall.)Der Episkopat hat mit der Zentralstelle des Volksvereins stets engeFühlung. Auch der Gesamtepiskopat hat Vertrauen zur Zentral-stelle. Sehen Sie, das ist das Verhältnis zwischen dem Volksvereinund dem Episkopat. Es ist ein vertrauensvolles Verhältnis und ichbetone nochmals, dieses Verhältnis besteht. Und darum erteile ichden Herren meinen Segen. Gott segne und erhalte den Zweck unddie Ziele de? Volksvereins.(Stürmischer Beifall.) Der BegründerdeS Volksvereins, Windthorst, hat wiederholt betont, daß der Vereindas emigende Band sei für alle Katholiken. Deshalb rufe ich auchIhnen heute zu: Seien Sie einig, denn Einigkeit tutnot. namentlich in unserer Zeit.(Stürmischer Beifall und Hände-klatschen.)Fürstbischof Dr. v. Kopp erteilte hierauf der Bersainmlung denSegen.Der stellvertretende Vorsitzende ReichStagZabgeordneter Dr.Trimb orn begrüßte das inzwischen erschienene Präsidium desKatholikentages. Präsident Abgeordneter Herold dankte. Esnahmen dann mehrere Vertreter von Volksvereinen des Auslandesdas Wort. Hierauf wurde die Versammlung geschlossen.An» Mittag fand diezweite geschlossene Generalversammlungstatt. Beraten wurde über den Hauptantrag des Ausschusses I betreffend das Missionswesen. Nachdem Justizrat Dr. Karl Bachem-Köln, Prälat Dr. Müller-Simonis-Straßburg. ReichstagsabgeordneterErzberger, Provinzial Froberger« Trier, Bischof Giesen(Nord-Schantung) und einige andere Geistliche sich für die Ausdehnung desMissionswesens ausgesprochen hatten, gelangte folgender Antrag zurAnnahme:„Die 56. Generalversammlung der Katholiken Deutschlandserinnert eindringlich an die bedeutungsvolle Stellung, die die Be-kehrung der Heiden in dem Heilswerk der Kirche nach dem Willenihres göttlichen Stifters einnimmt. Mit besonderem Nachdruckrichtet sie die Aufmerksamkeit der deutschen Katholiken gerade indieser Zeit auf das Wirken der Missionen, in der die vollendeteAufteilung der unzivilisierten Gebiete der Erde unter die christlichenStaaten und das wiedererwachende Natioualgefühl der heidnischenund mohammedanischen Kulturvöller die religiöse Zukunft derHeiden-länder zur Entscheidung bringt. Auch weist sie auf die Tatsachehin, daß die hohen Ziele wahrer Kulturarbeit in den Kolonienohne die ungehinderte Mitwirkung der Missionare nicht erreichtwerden können. Sie empfiehlt daher dem tatkräftigen Wohlwollender deutschen Katholiken alle Werke, die der Ausbreitung desheiligen Glauben? dienen, die Missionshäuser, die ihre Mitgliederals Apostel in die heidnische Welt aussenden, und die Vereine,deren Gebete und Geldmittel die Erhaltung und Ausbreitung derMissionen bezwecken."Dann wurde Augsburg als nächster Ort für die Abhaltung desKatholikentages erwählt. Man will alles aufbieten, um die dies-jährige Scharte auszuwetzen, und hofft, in Augsburg nicht vonGegendemonstrationen behelligt zu werden.Die zweite öffentliche Versammlungnahm zunächst ein Referat des Rechtsanwalts H e r s ch e l- Breslauüber den Bonifazius-Verein entgegen, der die katholischeSeelsorge unter den Katholiken in den nichtkatholischen Gebietenfördert und hätte alsdann eine Rede des LandtagsabgeordnetenDr. Bell- Essen über die Aufgaben der deutschenKatholiken auf sozialem und wirtschaftlichemGebiet. Der Inhalt war im ganzen derselbe wie jener Reden, dieauf früheren Katholikentagen zu diesem oder zu ähnlichen Thematagehalten worden. Wieder kam der lebhaste Wunsch zum Ausdruck,den Katholiken in der Großindusttie, im Großhandel usw. führendeStellen zu erobern. So wurden denn in der Vellschen Rede die„Ver-dienste" des Zentrums um die Einführung des, Schutzzollsystems" kräftighervorgehoben und hinzugefügt, daß es der„schwerbedrängten Industrie"zum Segen gereicht habe, so daß Handel und Gewerbe, besondersaber die Großindustrie einen in der Geschichte des Wirtschaftslebensbeispiellosen Aufschwung genommen hätten. Dann folgte freilichauch eine Lobpreisung der sozialpolitischen Arbeit desZentrums, wodurch die Katholiken den sozialen und wirt-schaftlichen Befähigungsnachweis erbracht und in der ihreFührer die sozialpolitische Meisterprüfung glänzend bestandenhätten. Auch da« Versprechen fehlte nicht, daß man nach wie vorgern und arbeitsfreudig Schulter an Schulter mit gleichgesinntenAndersgläubigen eintteten werde„für eine Gesundung unserer sozialenVerhältnisse und zur Hebung des Volkswohlstandes".Aber hinterher wurde der„oft schon wiederholte Vorwurf"zurückgewiesen,„als ständen wir der Industrie und vornehmlich derGroßindusttie feindselig gegenüber". Und dann fuhr der Rednerfort:„Wir freuen uns der ungewöhnlichen Fortschritte der Industrieund freuen uns des außerordentlichen Aufschwungs der Groß-industrie, den sie zum großen Teile der unter unserer aus-schlaggebenden Mitwirkung inaugurierten Schutzpolitik verdankt.Auch den Arbeitgeberverbänden stehen wirdurchaus nicht ablehnend gegenüber. Wir erkennenihre Berechtigung und ihre vielseitige und um sich-tige Tätigkeit an und verkennen auch, wenngleich wirnicht alle Begleiterscheinungen rückhaltlos billigen, keineswegsden großen Nutzen der Syndikate und Kartellefür unseren gesamten Handel und Verkehr. Ja,wir sprechenS unumwunden aus, zu unserem aufrichtigen Be-dauern sind die deutschen Katholik en aus fteilich großen-teils unverschuldeten Gründen in der Industrie, nament-lich in der Großindustrie, nicht annähernd sovertreten, wie es ihrer Bedeutung und Zahl ent-sprechen würde. Diese Lücke muß ausgefüllt werden. Anden katholischen Volksteil muß der Ruf ergehen": Hinein in dieIndustrie, hinein in die Großindustrie.(Bravo I)Wenn wir uns aber auch des wirtschaftlich schwächsten Standes mitbesonderer Berücksichtigung angenommen haben, so haben wir unsdoch niemals zu einer einseitigen Vertretung vonArbeiterinteresscn aus Kosten der übrigen Ständeverleiten lassen. Freilich haben wir auch die Pflichten derArbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern betont, andererseitsaber haben wir auch stets die Pflichten der Arbeiter gegen-über den übrigen Ständen und der Gesamtheit betont, und wir ver-säumen auch nicht, ihnen ihre Pflichten gegenüber denArbeitgebern vorzuhalten. Dieser unserer weitausschauendenAuffassung von den Aufgaben einer neuzeitlichen Sozialpolitik ent-spricht auch unser zielbewußtes Eintreten für denMittelstand...."Nach dieser Anpreisung des Zentrums als einer Partei, dieangeblich allen Interessen gerecht werden kann, folgten dann allerleiAllgemeinheiten und zum Schluß eine Kapuzinerpredigt:„Für alle Schichten der Bevölkerung ist die Rückkehr zurEinfachheit und Sparsamkeit geboten, Genußsuchtund Verschwendung zehren am Marke des Volkes undlähmen jede soziale Wirksamkeit. Undeutsches Amüsementmuß verdrängt werden durch die edle Erholung und lehr-reiche Unterhaltung. Krankhafter Pessimismus und wichtigsein sollende ätzende Verspottung der heiligsten religiösen und Vater-ländischen Gefühle, die charakteristtschen Gepräge einer gewissenmodernen Richtung müssen kraftlos zerschellen an dem gesundendeutschen Volkshuinor und an einer echten und ungetrübten Lebens-fteude..."AlS letzter Redner sprach Prof. Dr. M e h e r S(Luxemburg)über„DaS Kulturprogramm der christlichen Ehari-taS(Wohltätigkeit) in der Gegenwart"Stürmischen Beifall fand sein Satz:„Weder der extremeIdealismus, noch der extreme Sozialismus, weder das„Festmahlder Grausamkeit", zu dem Nietzsche die Menschheit als zu ihrerhöchsten Kulturstufe einladet, noch das Fabulieren über geistigeRüstungen einer neuen Gesellschaft, können uns die Ueberzeugmigrauben, daß die katholische Charitas die gottbegnadete Humanitätist, das volle Evangelium, der wahre Idealismus und Sozialismus."politilcbe Geber ficbtBerlin, den 31. August 1909.Lnst-Chauvinismus.Ein Teil unserer bürgerlichen Presse hat angesichts desBesuches Zeppelins nichts Besseres zu tun gctvußt, als dieinternationalen Eifersüchteleien der Chauvinisten d�r der-schiedenen Länder künstlich aufzustacheln. So meldeten dieseBlätter mit emsiger Gehässigkeit, daß die französischen undenglischen Zeitungen dem Zeppelin-Besuch in Berlin nicht diegebührende Reverenz erwiesen und die angemessene Welt-geschichtliche Bedeutung attestiert hätten. Offenbar entspringediese ungenügende Würdigung dem Neide oder der A n g stdes Auslandes!Es ist beschämend, daß gerade Berliner Blätterin ihrer öden Sensationslüsternheit solchen Blödsinn zu ver-zapfen»vagen konnten. Denn wenn die französische undenglische Presse den Zeppelin-Besuch nicht als epochemachendesEreignis betrachtete, so hatte sie dazu allen Grund: Bedeutetedoch die ffahrt Zeppelins nach Berlin und die nach ziviefachemMißgeschick schließlich doch erzwungene Ankunft in der Reichs-Hauptstadt zwar für die Berliner selbst ein hoch-erfreuliches lokales Ereignis, aber nichts wenigerals einen neuen Rekord der Luftschiffahrt! Daß ZeppelinsLuftschiffe längere Fahrten zurückzulegen vermögen,»vardoch eine dem Ausland seit Jahren nicht unbekannte Tat-fache. Es lag für die französische und englische Presse nichtder mindeste Grund vor, dem Zeppelin-Besuche eine größereBedeutung beizumessen, als ihm aus rein flugtechnischemInteresse gebührte. Und eine neue oder auch nur b e-sondere flugtechnische Leistung stellte die Fahrt„Zeppelins II!"nach Berlin keineswegs dar.Besonders charakteristisch ist, daß nicht nur die aufstupide Sensationsgier berechneten Scherl- und Ullstein-Blätterdem Ausland hämisch Mangel an Zeppelin-Begeisterung vor-werfen, sondern auch Organe, die polittsch ernsthaft genommen»Verden wollen, z. B. die„Deutsche T a g e s- Z t g."Das Agraricrorgan beschränkt sich nämlich nicht nur auf dieAuslassungen des berüchttgten französischen Chauvinisten-organs„Matin", wonach Dentschland die Zeppelin-Fahrtüber Gebühr gefeiert, dagegen die Flugwoche der Aviatiker inReims ungenügend gewürdigt habe, sondern fügt dann auchaus Eignem hinzu:„Welchem System die Zukunft gehören wird, das wird javermutlich erst die Zukunft selber eiitscheiden. Daß aber derLenkballon zu weit größeren Aufgaben berufen ist.sollte eigentlich nicht zweifelhaft sein; und»vir Deutschen wollenden anderen etwaige Vorsprünge auf dem Gebiete der Flug-Maschine durchaus neidlos gönnen— wenn wir nur dieSpitze in der Herstellung der Leukballons behalten I"So abhold wir allem Chauvinismus sind und sowenig wir dem Pariser Chauvinismus einen Vorzug vordem Berliner Chauvinismus einräumen möchten: darin hatder„Matin" entschieden recht, daß gegenüber den Heber-schlvänglichkciten über die Zeppelin-Fahrt die Berichte überdie a v i a tis ch e Woche von Reims in unsererBourgeoispresse denn doch zu kurz gekommen sind!»ludebenso ist es eine alberne chauvinistische Ruhm-redigkeit speziell der„Deutschen Tages-Zt g.",dem Lenkballon die„tveit größeren Aufgaben" zuzuweisen unddem Auslande die Vorsprünge auf dem Gebiete der Flug-Maschine„durchaus neidlos" zu gönnen.So wenig wir dem Grafen Zeppelin seine(weit zurück-liegenden!) Verdienste und uns selbst das Wohlgefallen anseinem prächtigen Lenkballon schmälern möchten— darüber,daß der F l u g ni a s ch i n e und nicht dem Lenkballondie Zukunft gehört, werden vermutlich schon die nächstenJahre den bündigsten Belveis liefern I Da aber gerade dcrD e u t s ch e L i l i e n t h a l der Bahnbrecher dcr Flugmaschinen-technik, der Lehrer der Wright usw. geivesen ist, ist es geradezuidiotisch, den Wettkampf zlvischcn Lcnkballon und Flug-Maschine zu einem nationalen Antagonismus steinpelnzu»vollen I_Handelsverträge.Der Reichstag wird sich in seiner nächsten Session sehr starkmit den Handelsverträgen Deutschlands zu anderen Staaten zu be-schäftigen haben. Am 31. Dezember 1998 erlischt die dem Bundes-rate zuletzt für zwei Jahre erteilte Ermächtigung, England undseinen Kolomen die Rechte deS meist begünstigten Landes zu ge-währen. Da in dem Verhältniffe zu Kanada, das allein von denenglischen Siedeluugen die Meistbegünstigung in Deutschland nichtgenießt, jedenfalls bis zum Ende dieses Jahres eine Acuderungnicht eintreten wird, wird wohl auch das nun schon längerals zehn Jahre bestehende Provisorium wieder um zwei Jahre ver-längert werden. Der deutsch-portugiesische Handels-vertrag ist längst abgeschlossen, aber noch nicht veröffentlicht worden.Er wird vermutlich nunmehr dem Reichstage zugehen. Sehr wichtigist das deutsch-amerikanische Handelsabkommen, für daS gegenwärtignoch alle Grundlagen fehlen. Dcr deutsch-schioedischeHandelsvertrag läuft mit dem 31. Dezember 1910 ab.Zwei Monate nach dem Ablauf des schwedischen Handels-Vertrages erreicht der deutsch- bulgarische Tarif-vertrag sein Ende, wenn die bulgarische Regierung von ihrem RechteGebrauch macht, ihn vor dem 23. Februar n. IS. mit einjährigerFrist zu kündigen. Und der Handelsvertrag mit Japan vom4. Juli 1896, der am 17. Juli 1899 in Wirksamkeit getteten ist.kann, nachdem 11 Jahre vom Tage seines Inkrafttretens verflossensind, mit einer Frist von 12 Monaten, also frühestens am 17. Juli1911, gekündigt werden. Sowohl Bulgarien als auch Japan dürfen,da sie mit golltarifrcvisionen beschäfsigt sind, zum ersten zulässigenTermine kündigen._Das Vereinsgesetz im liberalen Musterstaate.Zu dem von uns schon kurz gemeldeten VersammlungSverbot mWeier wird uns noch geschrieben:Die badische Staatspolizei lernt vom preußischen Beispiel, wieman da? neue„liberale" Vereinsgesetz zur Unterdrückung dcr sozial-demolratischen Wahlagitation anwenden kann. Die OffenvurgcrParteileitung hatte sich, da sich die beiden Gastwirtschaften ansFurcht vor dem Zentrum weigerten, ihre Lokale zu einer Volks-versainmlung herzugeben, an den Gemciderat des Dorfe« gewandt,der den freien Platz vor dem Schulhause, den ehemaligen Zehnten-platz bereitwillig zur Verfügung stellte. Weier ist ein kleines Dorfvon 500 Einwohnern. Als die Versammlung beim Bezirksamt inOffcnburg angezeigt wurde, erließ der Oberamtmann Freiherrv. Rottberg folgendes Verbot:Großh. Bezirksamt Offenburg.26. VIII. 09.Auf Ihr gestriges Schreiben teilen wir Ihnen mit, daß wirauf Grund des§ 7 Abs. 2 des Reichsvereinsgesetzes v. 19. IV. 08und§ 6 der bad. Verordnung vom 11. V. 08... unsere Gr-nchmlgung zu der für Sonntag, den 29. Aug. d. I. in Aussichtgenommenen öffentl. Versammlung unter freiem Himmel aus demZehntplatz(Gemeindeplatz) in Weier versagen, weil dcrfragliche, nur etwa 18 Schritte lange und 8 Schriite breite, aufder Südseite deS Rathauses in Weier befindliche Platz, der un-mittelbar an die ziemlich verkehrsreiche Ortsstraße grenzt, sich fürdie Abhaltung einer solchen Versammlung nicht eignet, vielmehrsich au« seiner Benutzung zu gedachtem Zwecke eine Gefahr fürdie öffentlicheSicherheit ergeben kann.Freiherr v. Rottberg.Auf die gegen das Verbot erhobene Vorstellung mit dem Hin-weise, daß es sich um einen Flächenraum von etwa 250 Quadrat-meter handelt, der vollständig hinreicht, und daß nach dem»nieder-holte» Beschluß deS Gemeinderateö der Platz ohne jedes Bedenkenund ohne daß eine Störung des ohnehin geringen Verkehrs zu be-fürchten sei, zu Versainmlungszwecken benutzt»verden kanu, verwiesder Oberamtmann die Offenburger Parteileitung an den BenwaltungS-gerichtShof in Karlsruhe. Ein Bauersmann in Weier stellte daraufseinen Hof zur Abhaltung der Versammlung zur Verfügung.