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fte FuSUar. In derMllnchener Post" lesen wir: Am 11. Ottober feiert unser Genosse Georg Birk   seinen 70. Geburtstag. Am 11. Oktober 1839 zu Hirschdorf bei Kempten   geboren, wuchs Bir! mit einer Reihe Geschwister im elterlichen Oekonomieanwesen auf. Früh wurde er zur schweren Arbeit herangezogen. Mit acht Jahren war er Hirtenbub, dann kam er in den Dienst und»nit 15 Jahren zu einem Metzger in die Lehre. Als Metzgerbursche zog Birk später in die Fremde und kam im Jahre 1864 nach München  zurück, wo er eine Zeitlang als Importeur russischer Fleischwaren seinen Erwerb fand. Früh stellte sich Birk in den Dienst der Partei und das Wirtschaftsanwesen Vaaderstr. 70, das er Ende der 80er Jahre erwarb, war lange Zeit die Hochburg der Partei. Manches interessante Stück der Parteigeschichte hat sich in diesem Hause ab- gespielt. Natürlich beehrte auch die Polizei unseren Genossen mit ihrem besonderen Interesse und lieh ihn in der unerhörtesten Weise verfolgen und bespitzeln. Polizeikommissär Gehret, der Meineid-Michel�, hatte es sich als Oberhaupt der politischen Schnüffelgarde zur Aufgabe gemacht, den Genossen Birk wirtschaftlich zu vernichten und ihn um HauS und Besitz zu bringen. Und als eine mehrmonatliche Gefängnisstrafe, die über Birk und eine Anzahl anderer Umstürzler verhängt wurde, nicht zu diesem Ziele führte, glaubte Gehret den höchsten Trumpf aus» spielen zu müssen. Er zettelte den letzten arohen Münchener  Geheimbundprozeh gegen Birk, Auer und Genossen an... Auch diese Aktion mißlang. Die Angeschuldigten gingen frei auS, und Gehret, der Kronzeuge, war von diesem Moment an ein toter Mann. Bald darauf fiel auch das schmachvolle Sozialistengesetz. Im Jahre 1890 wurde Birk in den deutschen Reichstag gewählt, dem er bis 1898 und dann wieder von 1903 bis 1906 angehörte. Bayerischer Landtagsabgeordneter war Birk von 1899 bis 1906, Mit- glied des Münchener   Gemeindekollegiums von 1893 bis September 1903 und seit 1903 ist er bürgerlicher Magistratsrat, wo er noch wie ein Junger seinen Mann stellt. Mit der Geschichte der Münchener   Sozialdemokratie ist der Name Birk auf das engste verknüpft. Die Liebe und das Vertrauen, das er in der Gesamtpartei genieht, geben Zeugnis von dem inneren Werte dieses echten Volksmannes, dem auch der fanatischste Gegner seine Achtung nicht versagen kann. Die.Münchener Post", um deren EntWickelung er sich in herbor- ragender Weise verdient gemacht hat, hat besonderen Anlaß, unserem Freunde und Vorkämpfer zu seinem Jubelfeste die herzlichsten Glück- wünsche zu senden und ihm noch ein langes und gedeihliches Wirken in unseren Reihen zu wünschen." Wir schließen uns diesem Wunsche mit ganzem Herzen an. Parteiliteratur. Der Pionier-Kalender für 1910, der Kalender unserer deutsch- amerikanischen Genossen, ist im Verlage der.New Forker Volks- zeiwng" erschienen. Der Kalender ist gut ausgestattet, der Inhalt ist reichhaltig und die Illustrationen haben meist künstlerischen Wert. Aus dem Inhalt heben wir herbor: Aus Karl Marx  ' Familienleben. Mit einer noch nicht veröffentlichten Photo- graphie des jungen Ehepaars Marx. AuS den Anfängen der Arbeiterbewegung in Amerika  . Von Hermann Schlüter.   Der Hafen von New Jork. Eine illustrierte Beschreibung von W. Gundlach. Florian. Jugenderinnerung von Paul Heyse.   Die Kunst zu genießen. Von Habe. Soziale Kunst i m Amerika  . Von Klara Rüge. Klostergeschichte. Von Edna Fern. Die Kranken- pflege im Hause. Von Dr. Zadel- Berlin  . Brutale ReligionSfcindlichkeit eine? Sozialdemokraten". Unter dieser sensationellen Stichmarke wird von der bürgerlichen Presse, soweit sie auf dem Niveau des Reichsverbandes steht, folgende Notiz verbreitet: Ein nahezu unglaubliches Vorkommnis wird aus Stuttgart  gemeldet. Die konservative.Deutsche Reichspost" berichtet: In der letzten Woche lag in Stuttgart   in ihrem Zimmer eine arme kranke �jitwe allein. Eine Diakonissin und der zuständige Geist» liche besuchte sie täglich. Das war aber dem sozialdemokratischen Hausbesitzer zuwider; er kündigte der kranken Frau sofort die Wohnung mit der Begründung, er dulde keine Diakonissin und keinen Pfarrer im Hause! Man möchte versucht sein, an ein Mißverständnis zu glauben, so brutal ist die hier geschilderte Aeußerung sozialdemokratischer Duld- samkeit unter der MaSke I Religion ist Privatsache I ES liegt natürlich ein ganz unverschämter Schwindel vor. An die konservative Stuttgarter.Rcichspost" hat unser Swtt- garter Parteiorgan schon vor mehreren Tagen die öffentliche An- frage nach dem Namen dessozialdemokratischen Hausbesitzers" gerichtet, aber bis heute noch keine Antwort erhalten. EineFrcnidcn"-Bibliothck. Der Bericht derA rbeiter-Zentral-Bibltothek Kiel" enthält folgende beachtenswerte Ausführungen: Die Bereinsbäckerei hatte schon vor Jahren dem Gewerkschafts- Haus 1000 M. für die Anschaffung einer Fremdenbibliothek über- wiesen. Mit der Eröffnung der AbteilungFremdenbibliothek" haben die Kieler   Arbeiter ihren reisenden Kollegen von der Landstraße zweifellos einen großen Dienst erwiesen,«ehnliche Einrichtungen in solcher Ausmachung, wie jetzt in Kiel  , sind in den Herbergen kaum vorhanden, denn die Bibliotheken in den christlichen u. a. Herbergen ersüllen die Wünsche des wandernden Arbeiters nicht, enthalten viel patriotischen Schund und sollen die Gottergebenheit und die Veteranentreue fördern helfen. Wir betrachten es als unsere Aufgabe, freie, furchtlose, aufrechte Menschen erziehen zu helfen, die im Klassenkampf der Arbeiter ihre Kraft für die Herbeiführung besserer gesellschaftlicher Zustände ein- setzen. Die? ist auch bei der Auswahl der Bücher der leitende Ge- fichtspunkt gewesen; das Beste ist auch vom Büchermarkt für den wandernden Arbeiter gerade gut genug._ Ob wir uns in dem Lesebedürfnis dieser Arbeiter tauschen? Wir glauben nicht. Wohl wird im Sommer der Wandertrieb im Menschen, das Verlangen nach neuem, nach Natur und geselliger Unterhaltung größer sein, als das Lesebedürfnis, aber wenn Regen und Kälte den Handwerksburschen ans Lokal feffeln, wird auch der Wunsch, ein gutes Buch zu lesen, vorhanden sein. Ein gute? Buch wird ihm Unterhaltung iür Langewette, Ablenkung von dem Be- wußtsein der Arbeitslofigkeft und Armut, vor allem aber auch Be- lehrung bieten. So hoffen wir denn, daß dieFremdenbibliothek" ihre Bestimmung und ihren Zweck erfüllen wird." Bom Fortschritt der Presse. Rund 1500 neu- Abonnenten sind durch Agitation zum 1. Oktober für die.Brandenburger Zeitung' gewonnen worden. jf-Ius Induftm und ftondeL Fünf Prozent. Der Z-ntralanSschuß der Reichsbank beschloß in seiner Sitzung am Montag, den Diskont um ein Prozent, auf fünf Prozent zu erhöhen. Präsident Havenstein führte aus. daß der Ausweis vom 9. d. M. noch immer eine starke Inanspruchnahme aufdecke, und daß seitdem die Rückflüsse durchaus ungenügend gewesen seien. Die umlaufenden Noten haben den Betrag von 2 Milliarden über» schritten: die Menge der ungedeckten Noten sei größer als jemals zuvor in der gleichen Zeit. Nach der Reichsstempelstatistik stellt sich für die Zeit vom 1. Januar bis Ende August dieses Jahres der Import fremder Effekten auf etwa 631 Millionen Nkark gegen nur Ivb'/g Millionen Mark in der gleichen Zeit deS Vorjahres. SieS sowie der etwas stärkere Anspruch durch Handel und Judustrie und endlich die leb- hafte Börsenspekulation der letzten Monate sowie einige andere Momente geben die Erttärung für die starke Inanspruchnahme der Reichsbank._ Agrarische MittelstandSretterei. Durch ein Inserat im Stadtanzeiger derKöln  . Ztg." fordert die.Genossenschaft rheinischer Landwirte zur Versorgung der Stadt Köln   mit frischer Milch e. G. m. b. H." Milchhändler auf, sich zwecks Uebernahme einer Verkaufsstelle, deren die Gesellschaft eine große Zahl errichten werde, zu melden. DieFleischer-Ztg." hat nicht Unrecht, wenn sie mit Bezug auf dieses Inserat darauf hinweist, daß zwischen den Worten der Agrarier, durch welche sie als die konsequentesten Mittelstandsfreunde erscheinen möchten, und ihrem Tun, ein klaffender Widerspruch besteht. Das Blatt schreibt: Es handelt sich hier um nichts mehr und nichts minder als den Versuch der Agrarier, ein Gewerbe vollkommen auszuschalten und den Verdienst, den die Milchhändler bisher bezogen haben, in die eigenen Taschen zu lenken. Die Herren Agrarier, die sich sonst immer als die Freunde und Retter deS Mittelstandes ausspielen. tragen gar kein Bedenken, eine ganze Anzahl selbständiger Gewerbetreibender zu vernichten und neue abhängige Existenzen, das heißt von ihnen abhängige Existenzen, zu schaffen. Die maß- lose Habsucht und die ebenso große Heuchelei der Agrarier ist nie offensichtlicher zutage getreten"._ Preiserhöhung für Stabciscn und Bleche. Die kürzlich von neuem ins Leben gerufene Berliner   Stabeisenkonvention hat die Preise für Stabeisen und Bleche abermals heraufgesetzt und zwar um 5 M. pro Tonne. Forcierte Preisheraufsetzungen durch den Handel werden nicht ördernd auf die Unternehmungslust einwirken. Der englische   Außenhandel. Nach dem statistischen Ausweis des Handelsministeriums zeigte die Ein- und Ausfuhr im September weitere Zunahmen gegen den gleichen Monat deS Vorjahres. Die Einfuhr belief sich auf 49,5 Millionen Pfd. Sterling jZunahme 1,5 Millionen), die Aus- fuhr 32,3 Millionen Pfd. Sterling(Zunahme 1.2 Millionen), die Durchfuhr 6.5 Millionen(Zunahme 1,2 Millionen). Sozialee* Lanbesversichcrung und Verwaltungskosten. In welch hohem Maße die Versicherungsbeiträge durch die Ver» waltungskosten aufgebraucht werden, zeigt recht deutlich der soeben erschienene Jahresbericht für 1903 der Landesversicherungsanstalt Posen. Die Gesamteinnahmen derselben betrugen rund 4 Millionen Mark, wovon 3% Millionen Mark durch verkaufte Beitragsmarken aufgebracht wurden. Nach den abgezogenen Ausgaben blieb ein Bestand von 650 000 W. Dazu kommt der frühere Bestand, so daß die Anstalt insgesamt bis jetzt 20� Millionen Mark aufgehäuft hat, Auffallend hoch sind die Verwaltungskosten, die in gar keinem Ver- hältnis zu den gezahlten Renten stehen. Es werden u. a. aufgc- führt: Kosten der allgemeinen Verwaltung 380 078,46 M., Kosten der Erhebungen bei Gewährung und Entziehung von Renten und die Betragserstattungen 94 659,61 M., Kosten der Schiedsgerichte, Beschwerden, Revisionen usw. 94 059,55 M., Kontrollkosten 123 361,25 M., Kosten für Karten und Marken 16 196,78 M. Die aufgeführten Kosten betragen zusammen 703 335,65 M. An Renten wurden im Berichtsjahre gezahlt 2 002 130,77 M. Somit betragen die Verwaltungskosten ein Drittel der gesamten Renten, d. h. auf 160 M. Rente kommen 35 M. Unkosten. Dieses Resultat ist in Hinblick auf den Zweck, den die Ver- sicherung erfüllen soll, recht stark. Besonders wenn man berück- sichtigt, wie oftErhebungen" angestellt werden, um irgend einem Empfänger die Rente zu kürzen oder ganz entziehen zu können. Gerichta- Zeitung* Der Bornimer Frauenmord vor Gericht. Vor dem Schwurgericht in Potsdam   stand gestern der Schrift- selzer Max Hackradt unter der Anklage deS Raubmordes, begangen an der früheren Opernsängerin Josephine Rndolphi in Bornstedt  , der Witwe des früheren Besitzers des Etablissements Sanssouci  . Hackradt war als Schriftsetzer in der Druckerei von Hayns Erben in Potsdam   beschäftigt. Dem Buchdruckerverband, dessen Mitglied er war, hatte er gegen 600 M. unterschlagen, es war ihm Ab- zahlung durch Raten in Höhe von 3 M. gestattet. Der Angeklagte, Familienvater von vier Kindern, behauptet, ihm sei die Abtragung schwer geworden, deshalb habe er der Firma eine höhere Arbeits- leistung angeschrieben, als er geleistet hatte und wurde deshalb ent- lassen. Er habe nun eine Strafanzeige befürchtet und den Ent- schluß gefaßt, einen Menschen totzuschießen und ihm das Geld ab- zunehmen. Er wußte, daß die Ermordete, eine 78jährise Dame, allein lebte, und vermutete bei ihr größere Geldsummen. In der Wohnung der Ermordeten versteckte er sich. Dort entkleidete er sich völlig bis auf die Strümpfe. Aus welchem Grunde er dies tat, will er in der Verhandlung nicht mehr wissen. Er vermutet, er habe weibliche Kleidung anziehen wollen, um nach der Tat besser fortkommen zu können. Völlig entkleidet erschoß er die ahnungs- lose alte Frau in der Entfernung von kaum 1 Meter. Er hörte dann Geräusch, ließ seine Kleider im Stich; in einer Tasche befand sich ein Pfandschein auf seinen Namen. Er lies es war etwa 9 Uhr abend» unbekleidet auf die Straße und klingelte an einer Wohnung. Als ein junges Mädchen öffnete und bei seinem Anblick um Hilfe schrie, lief er weiter, klopfte bei dem Stift BetheSda an und bat unter der Behauptung, er sei überfallen und seiner Klei- dungSstücke beraubt, um Kleider. Diese erhielt er nicht, rannte weiter, nahm von einem GeHöst Wäschestücke ab und zog sie an. Bei der historischen Mühle bat er die Wache, unter der Behauptung, er sei überfallen und seiner Kleidung beraubt, um Kleidungsstücke. Man gab ihm einen Militärmantel und brachte ihn nach seiner Wohnung. Dann wurde der Mantel ihm wieder abgenommen. Am folgenden Tage kaufte er sich von neuem Patronen wohl um einen zweiten Mord zu begehen, und fuhr am nächstfolgenden Tage nach Magdeburg  . Unterwegs schoß er aus einem Revolver, wurde deshalb in Magdeburg   verhaftet. Man entließ den Mörder jedoch versehentlich dort wieder, wiewohl die Mordtat der Polizei bekannt sein mutzte. In München  , wohin er dann fuhr, wurde er verhaftet, weil er einen Fahrraddiebstahl begangen hatte und nun auch als der gesuchte Mörder in Haft behalten. Der Angeklagte wurde wegen MordeS und schweren RaubversuchS zum Tode ver» urteilt.___ Tolle Schweinereien in einem Sommerlokal. DerPost" ist unsere Feststellung der Tatsache, daß das Ernst Zickowsche Lokal, das sich durch die gerichtlich festgestellten Schmutzcreien ausgezeichnet hat, nur von solchen Personen frequcn- tiert wurde, die sich um die Lokalliste nicht kümmern, peinlich. Sie verdreht unsere Feststellung dahin:Wenn nur ein waschechter Sozialdemokrat nicht nur den Schmutz in seinen Magen bekommt, die übrige Menschheit mag daran zugrunde gehen!', und reiht daran schmutzige Anwürfe in der derPost" eigenen Art. Wir können derPost" nachfühlen, daß die festgestellten Schweinereien ihr und ihren Gesinnungsgenossen nachträglich recht unangenehm aufgestoßen sind. Hätten sie die Boykottliste beachtet, so wäre ihnen Mäuse-, Katzen-, Hunde- und sonstiger Drcck nicht vorgesetzt worden. Das hatten wir konstatiert. Wenn diePost" aus dieser Feststellung nicht die epforderliche Nutzanwendung zieht, nur boykottfreie Lokale zu besuchen und ihren Lesern dazu zu raken, so ist das ihr Schaden. Die Uebelkeit, die ihr in Erinnerung an das im Lokal von Ernst Ziekow Genossene gekommen ist, mag in diesem Fall als Milde- rungsgrund für ihre Verdrehung und Schimpfereien passieren. BruhnS Klageandrohung. Rechtsanwalt Paul Bredereck   ersucht uns um die Mitteilung, daß der Reichstagsabgeordnete Bruhn ihn beauftragt hat, gegen die Urheber der Behauptungen Klage zu erheben, die jenen im Prozeß Dahsel gestellten Beweisanträgen zugrunde lagen, welche in der Hauptsache Herrn Bruhn betrafen. Jene Behauptungen seien unrichtig. Das vor aller Oeffentlichkeit zu beweisen, sei Zweck der Klage. Der Weg der Klage ist im vorliegenden Fall kein Weg zur Aufklärung. Liegt Herrn Bruhn daran, so hätte er gegen sich selbst Strafanzeige zu erstatten. Wie aus dem Plaidoher des Staatsanwalt im Prozeß Dahsel hervorgeht, will sich die Staats- anwaltschaft mit den den Anträgen zugrunde liegenden Behaup- tungen befassen, um festzustellen, ob die behauptete Tätigkeit des Verlegers derWahrheit", Reichstagsabgeordneten Bruhn, auch im juristischen Sinne eine Erpressung darstellt. /Zug der frauenbewegung. Ein Entbindungsheim für Wiener   Arbeiterinnen. Die Wiener   Arbeiterschaft, die in den letzten Jahren wieder- holt Gelegenheit hatte, an sichtbaren und dauernden Werken, die sie schuf, das Erstarken des Zusammenschlusses aller Arbeitenden festzustellen, beging Sonntag, den 3. Oktober, wieder so einen stillen Festtag. Auf der Höhe der Türkenschanze, inmitten des riesigen Luftreservoirs, das dort für dauernde Zeiten der wachsenden Großstadt erhalten ist, hat der Verband der genossenschaftlichen Arbeiter-Kranlenkassen Wiens ein Frauenhospiz errichtet, und dieses wurde am Sonn- tag durch eine kleine würdige Feier eröffnet. Es ist kein kleines Werk, trotzdem es auf dem Wege, der mit seiner Errichtung be- schritten wird, erst einen bescheidenen Anfang darstellt. Das Frauenhospiz der Wiener   Parteigenössischen Arbeiter-Kranken- lassen ist praktisch ein Entbindungsheim, es soll die Proletarierin, die einer in den Verband vereinigten Kassen als Mitglied angehört, vor den furchtbaren Gefahren der Heimentbin- d u n g bewahren, es soll helfen die, trotz Asepsis noch immer er- schreckend hohe Zahl der Jnfektionsfälle im Wochenbette herab- zumindern. Der Möglichkeiten, daß die daheim gebärende Pro- letarierin infiziert werde, gibt es viele, und die Grundursache ist die Enge des proletarischen Heims, die Aermlichkeit des Haus- Halts, in dem es oft an dem Nötigsten mangelt. Trotz allen Vor- sichten werden der Arzt und die Hebeamme im proletarischen Heim in erster Linie zu Infektionsträgern und unreines Verbands- Material und unreine Wäsche bilden die zweite Gefahrengruppe. Im proletarischen Heim ist es manchmal wirklich so, als ob der Segen antiseptischer Behandlung bei den Geburten noch nicht existierte. Wie groß dieser ist, beweisen einige Ziffern, die sich das statistikarme Oesterreich allerdings aus Deutschland   holen muß. Böhr berechnete, daß in Preußen innerhalb sechs Dezennien der vorantiseptischen Zeit 363 624 Frauen an Wochenbettserkrankungen starben. Diese Zahl übertrifft die Zahl der im gleichen Zeitraum an Blattern und Cholera gestorbenen weiblichen Personen aller Altersklassen. Die Geburtssterblichkeit in der vorantiseptischen Zeit war: 8: 1000. Nach den Berechnungen Ehlers sank sie in der Zeit der Antisepsis auf 2,2: 1000, was so viel bedeutet, als daß heute noch von 417 Frauen eine den GeburtSgefahren erliegt. In Dänemark  sank die Sterblichkeit im Kindbett von 5: 1000 auf 2,7: 1000. An der Wiener   Acrzteklinik starben vor Einführung der Antisepsis im Durchschnitt 7,3, nach ihr 1,05, ein Verhältnis, daS dem der meisten Kliniken entspricht. Da der Verband der genossenschaft- lichen Krankenkassen im Jahr rund 7000 Entbindungsfälle zu ver- zeichnen hat, deren meiste in der Enge des proletarischen Heims vollzogen werden, so war für ihn die Frage, wie diese Gefahren zu mildern seien, schon seit langem brennend. Zu helfen war freilich nicht so leicht. Eine so mächtige Organisation auch der Verband darstellt/ so verfügt diese doch noch nicht über so ungeheure Reservefonds, daß sie ganz aus eigener Kraft auch nur die Mittel zu einem bescheidenen Anfang hätte aufbringen können. Die Wiener   Zwangsgewevbegenoffenschaften haben in Ermangelung staatlicher Krankenkassen Gehilfenkrankenkassen gegründet. 60 dieser fast alle bestehenden, faßt der Verband der genossenschaft  - lichen Krankenkassen zusammen. Außerdem gehören ihm 14 Lehrlingskrankenkassen, 3 registrierte Hilfskassen und die Allgemeine Arbeiterkrankcn- und Unterstützungskasse", eine Gründung des Wiener   Proletariats auf dem Gebiete der Krankenversicherung  , an. Zusammen umfaßt er 320 000 Mit- glieder, unter ihnen etwa 80 000 weibliche. So riesenhaft diese Organisation auch ist, bei der Fülle dessen, was in Oesterreich   zu leisten war und ist, war es ihr bisher nicht möglich, große Ka- pitalien anzusammeln. Diese Organisation hat die ersten öfter» reichischen Rekonvaleszentenheime für Arbeiter geschaffen, deren zwei sie unterhält; diese Organisation ist eben jetzt daran zu be- raten, auch den lungenkranken Arbeitern Heime zu errichten, und durch sie ihnen die Hilfe zu bringen, die ihnen die staatliche Orga, nisation versagt, oder wenigstens bis jetzt schuldig geblieben ist. So mußte der Verband auch für diese Schöpfung eine besondere Gelegenheit abwarten. Aus Anlaß des Regierungsjubiläums flössen ihm freiwillige Spenden der ersten Wiener Sparkasse und anderer Institute zu, und diese verwendete er als Grundstock für den Bau des Frauenhospizes, der eine Viertelmillion Mark kostet. Ein Viertel davon bringt der Verband aus eigenen Mitteln auf, und er ist es auch, der die auf 50 000 M. jährlich veranschlagten Betriebskosten des Heims auf sich nimmt. Das mit allen modernen Behelfen einer Geburtsklinik ausgestattete HauS wird gleichzeitig immer 30 Gebärende aufnehmen können, so daß, eine zehntägige Vcrpflegungsdauer vorausgesetzt, rund 1000 Wiener   Prole- tarierinnen alljährlich in diesem Heim ihre schwere Zeit werden ver- bringen können. DaS ist ein bescheidener Ansang, wenn man weiß, daß eigentlich für 7000 Geburten vorgesorgt werden sollte, aber ein Schelm ist auch hier, der mehr gibt als er hat. Es ist ein be- scheidener Anfang, aber ein Anfang ist es. Der Verband der genossenschaftlichen Krankenkassen Wiens ist die erste Kranken» kassenorganisation der Welt, die in ihr Programm diese Art praktischen Mutter- und KinderschntzeS aufgenommen hat, und sein eben vollendetes Entbindungsheim ist die erste solche von einer Krankenkassenorganisation ins Leben gerufene Anstalt. Auch hier hat eine proletarische Organisation vorangehen müssen. Dieses neue Zeugnis für die Kraft der Idee des proletarischen Zusammenschlusses wird allenthalben Freude wecken, wie es zu wünschen ist, daß das neue schöne Werk überall, wohin von ihm die Kunde dringt, befruchtend und anregend wirke. Ein neuer überflüssiger Verband. Auf Veranlassung cincS AuS- schusseö war für Sonntag eine Versammlung nach dem Festsaale des Rathauses in Charlotteuburg einberufen, die der Gründung cincS Verbandes für handivcrlsmäßige und fqchgewcrbliche Ausbildung der Frau zustimmte.