berboken werte, dann werde damit in das Vereinsrecht eingegriffenund dadurch eine Bestimmung getroffen, die vereinsrechtlicher Natursei. Deswegen sei hier§ 1 Abs. 2 des Vereinsgesetzes maßgebendund es könne die Verordnung, soweit sie vereinsrcchtlich erschein»(also bezüglich des Verbots roter Schleifen an Begräbniskränzen),Gültigkeit nicht beigemesien werden. Anders wäre es, wenn dasWort Vegräbniskränze ftchlte, wenn ein Tragen roter Schleifen all-gemein verboten wäre. Dann würde wahrscheinlich die Gültigkeitanzunehmen sein, und bei einem allgemeinen Wortlaut würdenauch die nicht immun sein, die die Schleifen bei Aufzügen(wozuLeichenzüge gehören) tragen würden. Auch das Tragen einesKranzes mit roter Schleife vom Gärtner nach dem Trauerhauswürde dann darunter fallen.— Da die ungültige Bestimmung hierkeine Anwendung finden könne, so frage es sich, inwieweit das Ver-einsgesetz auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Nach diesemGefetz unterliege der Veranstalter eines ungewöhnlichen Leichen-begängnisses, das nicht genehmigt sei, der Strafe des Z 19 desReichsvereinsgesetzes. Der Veranstalter eines genehmigungs-bedürftigen Leichenbegängnisses sei aber auch, wer ein sonst ge-wohnliches Leichenbegängnis in seinem Verlauf durch eigene Tätig-kcit zu einem ungewöhnlichen umgestaltet und so bewirkt, daß eingenehmigungspflichtiges stattfindet. Das Landgericht müsse nach-prüfen, ob der Angeklagte dies durch das Vorantragen des Kranzesmit roter Schleife getan habe.Das Kammergcricht hat übersehen, daß für das Verbotroter Fahnen die Neichsgesetzgebung der Landesgesetzgebungund der Polizei keinen Raum läßt, weil das Reichsstrafgesetz-buch diese Materie erschöpfend geregelt hat. Wie vom Ober-berlvaltungsgericht in der Verwaltungsstreitsache des GenossenStüven wider den Oberpräsidenten von Schleswig-Holsteinbereits im Jahre 1891 anerkannt ist, sind durch den Groben-Unfugparagraphen die partiknlarrechtlichen Verbote des Tragensvon Fahnen einer bestimmten Farbe aufgehoben. Inder neuen Verhandlung wird schon aus diesem Grunde eineFreisprechung zu erfolgen haben.Hu9 der Partei.Ein armenischer Sozialist.Der Telegraph hat die Nachricht gebracht, daß in der Nähe vonBejrut(Wilajet Erzerum in Kleinasien) das Mitglied der.Ar-menischen revolutionären Föderation"(.Daschnakzutiuu") E. Toptschianermordet ist. Die Täter blieben bis jetzt noch unbekannt.AlS Flüchtling vor den Verfolgungen des russischen Absolutismushatte sich Toptschian nach der Türkei begeben. Dort ist er von derHand fanatischer Alttürken gefallen....Ter Ermordete war einer der hervorragendsten Führer derPartei.Daschnakzutiun". Die Dienste, die er dem armenischen Volkeund besonders den arbeitenden Massen geleistet bat, sind groß ankahl und bedeutsam. Im Laufe der letzten fünf Jahre, die er imKaukasus zubrachte, hat er seine ganze Zeit und Energie der Sacheder Arbeiterklasse gewidmet. Ihm haben die zahlreichen sozialistischenGewerkschaften und Genossenschaften in Tiflis und anderen Städtenihre Entstehung und EntWickelung zu danken. Toptschian ist der erste,der in einer ganzen Reihe von Artikeln und in Broschüren dieIdeen der Arbeiterbewegung in Armenien popularisiert hat. In derletzten Zeit aber, wo die russische Regierung gegen„Daschnakzutiun"eine wilde Hetze inszenierte, war Toptschian. wie auch viele andere.gezwungen, seine Arbeit wenigstens auf eine gewisse Zeit zuunterbrechen und sich nach der asiatischen Türkei, nämlich nachErzerum zu flüchten. Auch hier hat dieser rastlose Arbeiter ein Feldfür seine Kraft gefunden, ip» kurzer Zeit hat er in Erzerum etwazehn Gewerkschaften organisiert, die ersten Arbeiterorganisationendieser Art in der ganzen Türkei. Ebenso hat er dort einesozialistische Organisation gegründet, mit deren Hilfe er diesozialistische Zeitung„Haradsch"(„Vorwärts") ins Leben rief. Aberdas wichtigste, was er für Erzerum und für die ganze Gegendgetan hat, ist, daß er während der Konterrevolution(im Aprildieses Jahres) die ganze armenische Bevölkerung und die türkischenkonstitutionellen Elemente vor der vollständigen Vernichtunggerettet hat. Er errichtete eine tüchtige revolutionäre Milizund veranstaltete eine Menge Volksversammlungen, wo er selbst undseine Gleichgesinnten die wahre Ursache der Ereignisse und die RänkeAbdul Hamids und seiner Reptilien darlegten. Angesichts der Vor-urteile, die die Annäherung zwischen den Türken und Armeniernverhinderten, angesichts der großen Wichtgkeit, die diese Annäherungfür die kulturelle Entwickelnng des Landes und für den Fortschrittder sozialistischen Ideen hat, gründete dieser tapfere Kämpfer nebender armenischen Zeitung auch ein türkisches Blatt, daS zum ersten-mal in die Schluchten Kleinasiens das freie Wort von der Brüder-lichkeit der Völker, von der Solidarität der Interessen aller Arbeitenden.vom Sozialismus trug.Der Tod des Genossen Toptschian ist ein großer Verlust für dieArbeiterklasse der Türkei und des Kaukasus. Toptschian ist gefallenals ein Märtyrer der proletarischen Sache. Ehre demAndenken de» Braven!_HannSverscher Parteitag.Für die Zweite Provi nzialversammlung der Sozialdemokra-tischen Partei der Provinz Hannover waren, damit eine ausgiebigeErörterung des reichhaltigen und wichtigen Beratungsstoffes möglichsei, gleich zwei Tage vorgesehen. An der Beratung nahmen teil:bS Delegierte, 4 Reichstagslandidaten aus hannoverschen Wahlkreisen,9 BorstcmdSmitglteder, der Parteisekretär, Vertreter der Redaktionund Expedition des„Volkswille" sowie deren Geschäftsführer undvom Parteivorstand Genosse Pfannkuch.Den Geschäftsbericht des ProvinzialvorstcmdeS erstatteteGenosse Leinert, den Kassenbericht Genosse D ö r n k e.Die Mitgliederzahl ist von 17 115 Ende 1006 auf 21 646 am30. Juni 1909 gestiegen. Unter Hinzuvechnung von 3123 w e i b-liehen Mitgliedern, die seit 1. Juli 1908 der Organisation ange-hören, ergibt sich am Schluß der Abrechnung ein Mitgliederbestandvon 2 4 7 6 9. Die bei der Kasse der Provinzialorganisation ein-gegangenen Einnahmen in der letzten Geschäftsperiode belaufen sichauf 53 668,13 Rk., denen eine Ausgabe von 46 662,97 Mk. gegen-übersteht.Angenommen wurde der Antrag Eelle-Hildesheim(einenzweiten Parteisekretär anzustellen) mit der Maßgabe, daß der zweiteParteisekretär neben Genossen Leinert mit gleichen Rechten, auchmit dem der Zugehörigkeit zum Provinzialvorstande, Oinzustellen ist.Annahme fand ferner folgende Resolution:„Der sozialdemokratischen Partei stehen in der Gegenwartund namentlich in der Zukunft große Aufgaben bevor. Im Jahre1912 müssen die Reichstagswahlcn vorgenommen werden, diegroße finanzielle Opfer erfordern. Deshalb empfiehlt dieProvinzialversammlung den Kreisvereinendringend» eine Erhöhung der Beiträge zu ibe-schließen."Genosse P e s p e r- Osnabrück begründete seinen Antrag:i.Für die Zeit der Beitragsbefreiung sind beitragsfreieMarken zu kleben"mit der Notwendigkeit, besser als bisher über die kranken oder ar.beitslosen und deshalb beitragsfreicn Mitglieder, zumal wenn sielängere Zeit nicht klebten, eine Kontrolle zu haben und siein regelmäßiger Fühlung mit der Organisation zu halten.Der Antrag wurde angenommen.Ebenso ein anderer Antrag Be8perzu§8 des neuen Statutsfür die Provinzialorganisation:„Die Kosten für die Vertretung auf der Provinzialversamm»lung trögt die Provinzialkasse."Am zweiten Vcrhandlungstage, Montag, den 1. November,stand zunächst der Bericht der P re ß ko m m i s s i o n des„Volkswille" auf der Tagesordnung. Der Bericht erstreckt sich auf2lh Jahre. Die Debatte nahm fast den ganzen Vormittag in An-spruch. Wesentliche Beschwerden wurden nicht vorgetragen. All-fettig wurde anerkannt, daß namentlich im letzten Berichtsjahre der.Inhalt des Blattes, zumal der Unterhaltungsteil, gut ausgestaltetworden fei. Einige Redner wünschten noch eine weitere Ausge-staltung des unterhaltenden Teiles. Die Redaktion erklärte, dieWünsche, soweit der Raum und die Mittel es zulaßen, berücksichtigenzu wollen.lieber.Die Bestrebungen auf Revision derStädteordnung und die hannoverschen Land-gemeindewahlen" referierte Leinert.Zu Delegierten ftir den Internationalen Kongreßin Kopenhagen wurden gewählt: für Hannover Leinert(Dörnkeals Ersatzmann), für die Provinz Vesper(als ErsatzmannEvers). In den Provinzialvorstand wurden wiedergewählt: Breyals Vorsitzender und Dörnke als Kassierer.Nach Erledigung der Debatte drückte Genosse Pfannkuch seineGenugtuung aus über die Ruhe und Sachlichkeit der zweitägigenDebatte. Er ging dann ein auf die Kämpfe, die sich in Hannover,und zwar im selben Saale, zwischen Lassalleanern und Eisenachernabgespielt haben.Nach einem Ueberblick über die Verhandlungen schloß Brey dieTagung mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf die deutscheSozialdemokratie._Fortschritt der Presse.Unser Sonneberger Parteiblatt, der„ThüringerVolksfreund", hat durch Hausagitation am letzten Sonntagüber 400 neue Abonnenten gewonnen.?Ziis Industrie und Handel.Der Kleinbetrieb in der Textilindustrie.Im Erzgebirge existieren in der Wirkerei- und Posamenten-brauche noch zahlreiche Kleinbetriebe, die ohne Gehilfen arbeiten,ebenso im Rheinland in der Bandweberei und in Schlesien in derLeinen, und Baumwollweberei. �Zum Teil handelt es sich bei denInhabern dieser Kleinbetriebe um durchaus proletarische Existenzen.Die schlesischen Handweber stehen wirtschaftlich sogar tief unterdem Fabrikproletariat. Andererseits kommen aber im vogtländischenSticker-, wie im erzgebirgischen Wirker- und im rheinisch-west-fälischen Webergebiet zahlreiche kleinbürgerliche Elemente in Frage.Alle diese Existenzen werden von der Fabrtkproduktion immer härterbedrängt und alljährlich büßen im ungleichen Ringen Tausendeihre Selbständigkeit ein. So ergeben die Berufs- und Gewerbe-Zählungen für die Wirtereien folgendes Resultat: Im Jahre 1882gab es noch 33 900 Wirker, die ohne Gesellen für sich zu Hausearbeiteten. Diese Zahl reduzierte sich auf 24 869 im Jahre 1895und 20 347 im Jahre 1907. Die Zahl der mit Gehilfen arbeitendenBetriebe sank von 8034 im Jahre 1882 aus 4995 im Jahre 1895und stieg sodann unter dem Einfluß der letzten Hochkonjunkturauf 5900 im Jahre 1907. Zweifellos hat die seit zwei Jahrenscharf wütende Krisis diese Zahl wieder sehr herabgedrückt. DerVerminderung der Betriebe steht eine Vermehrung der Beschäftigtenvon 74 401 im Jahre 1882 auf 80 625 im Jahre 1905 und 103 996im Jahre 1907 gegenüber. Anders scheint sich die EntWickelungin der Häkelei, Stickerei und Spitzenfabrikation zu vollziehen. Hierhaben nur einige Zweige den Großbetrieb entwickelt. Zum großenTeil vollzieht sich die Produktion noch im Rahmen des Klein-betriebes. Große Handelshäuser repräsentieren das Kapital. DieZahl der Alleinbetriebe ist zwar von 23 812 im Jahre 1882 auf15 009 im Jahre 1907 zuückgegangen, seit 1895 ist aber ihre Zahlum 392 gestiegen. Auch die 8249 Gehilfenbetriebe im Jahre 1907,Segen 3336 im Jahre 1395 und 1710 im Jahre 1882 sind vorwiegendlleinbetriebe. Der größte Teil entfällt auf das Vogtland. Imübrigen Reich ist dieser Zweig unbedeutend. Von den 23 258 Haupt.betrieben domizilieren 13 037 in Sachsen, wo 56 157 Arbeiter undArbeiterinnen beschäftigt werden, von 79 229 im ganzen ReicheBeschäftigten. Von den 13 037 in Sachsen vorhandenen Haupt-betrieben waren 6939 Alleinbetriebe: 3620 Betriebe beschäftigtenbis 3 Personen, 1510 Betriebe bis 10 Personen, 822 Betriebe bis50 und nur 146 Betriebe mehr als 50 Personen. Auf der Stickereiberuht die Größe der vogtländischen Svitzenindustrie. Plauen,1861 erst 16 000 Einwohner zählend, war in kurzer Zett Großstadt.Die außerordentliche Nachfrage nach Arbeitskräften, die Eigenartder Industrie und die EntWickelung der Elektrizität, welche inkleiner Werkstatt sich vorzüglich als Antriebskraft eignet, begünstigendie Erstehung zahlreicher kleiner Unternehmungen. Viel früherals in den anderen Branchen hat hier aber auch die KristS em-gesetzt, die große Fabrik beginnt die Produktion mehr und mehran sich zu ziehen. Eine Wciterentwickelung des Kleinbetriebs wiebisher ist ausgeschlossen. Sehr deutlich zeigt sich die Aufsaugungder Kleinen durch die Großen in der Webbranche. Im Jahre1882 gab es in Deutschland noch 255 336 Betriebe, 1895 waren esnur noch 144 543, und nach der Zählung von 1907 waren wieder mehrals die Hälfte der 1395 noch Vorhandenen verschwunden. Es gabnur noch 67 484. Von den Hauptbettieben waren Alleinbetriebeim Jahre 1882 157 233. Diese Zahl ging auf 84 451 im Jahre1895 und auf 31 373 im Jahre 1907 zurück. Ebenso ist die Zahlder Gehilfenbetriebe von 54 456 im Jahre 1882 auf 84 875 im Jahre1895 und auf 26 936 im Jahre 1907 zurückgegangen. Der Rück-gang der Alleinbetriebe(in der Hauptfache kommen dabei.Hand«weder in Frage) ist in allen Zweigen der Weberet gleich stark. ESkamen 1907 für die Seidenweberei noch 4264 in Frage gegen13 826 im Jahre 1895; für die Wollenweberei 5687 gegen 14 929im Jahre 1895; für die Baumwollenweberei 8816 gegen 19 696im Jahre 1895 und für die Leinenweberei 9127 gegen 26 068 imJahre 1895. Unter den Verschwundenen der beiden zuletzt ge-nannten Kategorien befinden sich Tausende„Hungerleider" äuSdem Eulengebirge. Die dortigen Alleinbetriebe verschwinden mitdem Tod ihres Inhabers. Aber nicht nur die Zahl der Betriebegeht in der Weberei zurück, auch die Zahl der beschäftigten Persondnverringert sich. Im Jahre 1882 wurden in den verschiedenenZweigen der Weberei 492 858 Personen beschäftigt. 1895 warenes 507 726 und am 12. Juni 1907 nur noch 486 456. In diesentahlen kommt die Verdrängung des Ein-Stuhlwebers durch dietvei-. Drei, und Vierstuhlweber zum Ausbruck. Damit in Per-bindung steht die vermehrte Anwendung der Arbeiterinnen imWebprozeß. Wähend die Zahl der Männer von 336 969 im Jahre1882 auf 289 141 im Jahre 1895 und schließlich im Jahre 1907auf 249 713 zurückging, stieg die Zahl der Arbeiterinneu von 155 849im Jahre 1882 auf 218 585 im Jahre 1895 und 236 738 im Jahre1907. In der Wollenweberei geht seit dem Jahre 1895 sowohl dieZahl der beschäftigten männlichen, als auch die Zahl der beschäf-tigten weiblichen Arbeiter zurück. Männliche Arbeiter wurdenda im Jahre 1895 92 861 und im Jahre 1907 66 400 beschäftigt,weibliche im Jahre 1895 60191 und im Jahre 1907 56 369. DiePosamentenfabrikatton hatte 1882 noch 15 252 Hauptbetriebe auf-zuweisen, 1895 waren eS noch 12 368 und 1807 noch 8847. DieZahl der Alleinbetriebe ging um die Hälfte zurück von 12 898 imJahre 1882 auf 10 287 im Jahre 1895 und 6794 im Jahre 1907.Die Zahl der beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen stieg von31 275 im Jahre 1882 auf 32 479 im Jahre 1895 und 35 315 am12. Juni 1907. So dringt in allen Zweigen der Textilindustrie,wo sich noch Kleinbetriebe erhalten haben, das Großkapital sieg-reich vor.Grenzen auf!Zur Frage der Fleischteuerung hat die Berliner Fleischer-Innung in ihrer Mittwoch abend stattgefundenen, sehr zahlreichbesuchten Versammlung, wie die„Allg. Fleischer-Ztg." berichtet,die nachstehende Erklärung einstimmig angenommen:„Da die Beschickung des Berliner ViehmarkteS sowie alleranderen Schlachtviehmärkte in Deutschland mit schlachtreifemVieh eine ungenügende ist, und da dadurch die Erhöhung derVerkaufspreise für alle Arten Fleisch, Wurst- und Fleischwaren eineunbedingte Notwendigkeit ist, wenn nicht die Existenz des größtenTeils unseres Gewerbes in Frage gestellt werden soll. Die ein-zige Möglichkeit, die jetzige Kalamität zu beseitigen, erblickenwir in Oeffnung der Grenzen für die Einfuhr lebender Schlacht-tters. Die Behauptung, daß die Grenzen wegen der Seuche«-gefahr verschlossen bleiben müssen, ist eine leere Phrase.Wir erwarten, daß die Vertreter des deutschen Volkes diesenhaltlosen Zuständen, welche nur die Taschen der Grotzlandwirtefüllen, ein Ende machen werden, damit der GesamtbcvölkerungDeutschlands wieder eine ausreichende, billigere Fleischnahrunggeboten werden kann."Leider denkt der Fleischer nur an sich; daß die Konsumentenunter der Last der hohen Preise leiden, irritiert sie wohl gar nicht.Wir sind der Ansicht, im Interesse der konsumierenden Bevölkerungmüssen Maßnahmen zur Milderung der Not ergriffen werdenSoziales.Kinderarbeit in den deutschen Fabriken.Nach den Berichten der deutschen Gewerbeaufsichtsbeamtcnfür das Jahr 1908 wurden in sämtlichen Fabriken des DeutschenReiches im verflossenen Jahre 12 062 Kinder unter 14 Jahren be-schäftigt. Gegen das Vorjahr ist eine Abnahme um etwa 1000Kinder(1907: 13 054) zu verzeichnen. Von den in Fabriken be-schäftigten Kindern entfällt käst ein volles Drittel(3938) aufBayern, weil hier die Schulpflicht bereits mit dem vollendeten13. Lebensjahre endet. Mit verhältnismäßig hohen Ziffern sindauch Württemberg(1246). Elsaß-Lothringen(1363) und Baden(448) vertreten. Im industriereichen Sachsen ist die Zahl der inder Fabrikarbeit stehenden Kinder fast ebenso hoch als in Preußen.Sachsen zählte 1903 2382, Preußen 2491 Fabrikarbeiter im Kindes.alter. In allen anderen nord- und mitteldeutschen Staaten istdie Fabrikarbeit der unter 14 Jahre alttn Kinder nahezu beseitigt.In einer Reihe von Staaten(Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarz-burg-Rudolstadt, Lippe, Lübeck, Hamburg! wurden 1908 in Fabrikenarbeitende Kinder überhaupt nicht gezählt. Nach den Berichtenwurden 3986 Personen wegen Vergehen gegen das Kinderschutzgesetzverurteilt._Huö der frauenbewegimg»Drohnen.Während unter der Herrschaft der Krise ein Massenelend ohneGleichen die amerikanische Arbeiterschaft peinigt, währendin New Dork speziell viele Taufende von Männern und Frauen,die brot- und obdachlos geworden. Nacht für Nacht im Freien, unterBrücken, in den erbärmlichsten Schlupfwinkeln kampieren müssen,spielt sich ein Teil des FrauenlcbenS der oberen Zehntausend inanderer Weise ab.Vor einigen Wochen stellten kapitalistische Zeitungen fest, daßin der Stadt New Jork in dem Viertel, das von der 110. Sttaßeim Süden und der 125. Straße im Norden begrenzt wird, 5000Frauen ihre Nachmittage damit verbringen, daß sie Whist(einKartenspiel) um Gewinn spielen, der entweder in Geld oder inwerwollen Gegenständen besteht.Unter dem gegenwärtigen Gesellschaftssystem gelten alle dieseDamen in ihrer Welt als höchst achtbare Frauen, Töchter undSchwestern der Mühiggängerklasse. Sie, die ihre Zeit mit Nichts-tun verbringen, sehen mit Verachtung auf ihre Schwestern herab,die so tief gesunken sind, daß sie um Lohn arbeiten. Diese Whist-brigade ist eine Schar von Drohnen mit einem unersättlichenAppetit, ohne das geringste Verlangen oder die Fähigkeit, sich ander schaffenden Welt zu beteiligen. Dies geschieht höchstens, wennsie gelegentlich ein Kind zur Welt bringen, was oft genug nochgegen den Willen der Mutter geschieht. Für diese Frauen ist dasLeben ein beständiger Kreis von Zerstreuungen. Sie leben, umsich mit üppiger Kost zu mästen, jedes Amüsement, nach dem ihrSinn steht, zu genießen, die Extravaganz der Kleidung bis zuräußersten Grenze zu treiben, ihren Männern zu gefallen und—ihre Dienstboten zu quälen.Selbstverständlich führen auch die Männer dieser Klasse einDrohnendasein, nur ttitt es nicht ganz so unverhüllt, so schamlosin die Erscheinung, wie bei den Frauen, deren ganze Lebens-führung ausschließlich auf Repräsentation des Reichtums zuge»schnitten ist.Und diesseits des Ozeans? Auch hier hat die Krise Unzähligein die tiefsten Tiefen des Elends hinabgeschleudert, und auch hierführen die Besitzenden ihr taten- und gedankenloses Genußlebenunbekümmert Wetter unter der Devise: Nach uns die Sintflut!Der Bund für Mutterschutz hat sich die Aufgabe gestellt, denledigen Müttern nicht nur augenblickliche Hilfe angedeihen zulassen, sondern vor allem auch ihnen in jeder Beziehung durch Nach-weis von Beschäftigung im Haushalt, Fabrik. Bureau, Anfertigungvon Schreibmaschinenarbeiten, Erteilen von Unterricht in Sprachen,Malen, Musik, als Hausdame, Reisebegleiterin, Leitung vonFilialen usw. bei der Gründung einer neuen Existenz zur Seitezu stehen. Er bemüht sich ferner, den Müttern die in Berlin sochwierige Wohnungöfraze zu erleichtern, und bittet alle, die geneigtind, eine Mutter mit Kind gegen Hausarbeit und geringen Entgeltaufzunehmen, oder auch nur ein Kind als Pflegling, oder einZimmer, ihre Adressen und Bedingungen der Leiterin der Aus-kunftsstclle, Frau Franziska Schulz, Kurfürstenstr. 83, mitzuteilen.Gleichzeitig bittet der Bund für Mutterschutz um Gaben an Geld,Kleidung, Wäsche usw. Bei den, großen Andrang der Hilfesuchen-den ist zede Unterstützung willkommen. Sprechstunden täglich von9—1 Uhr, außerdem DienStagS und Freitags abends von 7—9 Uhr.Sericbts- Leitung.Der Schneemann Bülow vor Gerich».Vor der 2. Strafkammer deö Landgerichts I hatten sich gesterndie Photographen Gebrüder Georg und Otto Haeckel wegen Ber-gehens gegen das Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken derbildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 zuverantworten.Die beiden Angeklagten sind Inhaber einer JllusttationS-zentrale für aktuelle Photographien und zählen fast sämtliche illu-strierten Zeitungen zu ihren Almehmern. Am 4. März d. I. begabsich der Angeschuldigte Georg H- auf den telefonischen Auftrageiner hiesigen VerlagSfiroia, welche eine bekannte illustrierte Zei-tung herausgibt, nach dem GcwerkschaftShaus am Engclufer. Aufdem Hofe hatten mehrere beschäftigungslose Bildhauer, die sich imGewerkschaftshause aufhielten, einen riesigen Schneemann gebautwelcher, in humoristischer Weise karikiert, die Person des früherenReichskanzlers von Bülow darstellte. Nach seiner Behauptung willH. den Anwesenden sogleich mitgeteilt haben, daß er im Auftrageeiner illustrierten Zeitung komme, um daS„Kunstwerk" zu Photo-graphieren. Die Erbauer hätten große Freude darüber gezeigt,daß ihr Werk in die Zeitung komme und hatten sich auch in„male-rischer" Weise um den Schneemann gruppiert. Am nächsten Tageerschien einer der Bildhauer bei dem betreffenden Verlage und er-klärte, daß die Erbauer des Bülow-Schneemanns die Veröffent-lichung einer Photographie für sich selbst in Geld umsetzen wolltenund deshalb die Veröffentlichung der Haeckelschen Photographienuntersagten. Die Photographie erschien aber. Da dem Verlegervon einem ihm befreundeten Rechtsanwalt nachträglich mitgeteiltwurde, daß die Erbauer des Schneemanns arbeitslos und deshalbhilfsbedürftig seien, bot er ihnen freiwillig ein Honorar von 50 M.an. Die in Frage kommenden Bildhauer hatten jedoch inzwischenihr„Urheberrecht" an einen Verleger Fuchs weiterverkauft, dernun seinerseits seine Rechte geltend machte.Die Folg« war die jetzige Anklage gegen die beiden Photo»graphen. Vor Gericht behaupteten die Angeklagten, daß ihnen dieGenehmigung zum Photographieren von den Erbauern des Schnee-manne? erteilt worden war. Die? beweise schon das Bild selbst.Der Bildhauer Häusler, einer der Schneemannbaukünstler, bestrittjedoch, daß diese Erlaubnis gegeben worden sei. Rechtsanwalt Dr.Karl Löwenthal vertrat den merkwürdigen Standpunkt, daß man