Nr. 114.
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Vorwärts
10. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
An die Wähler!
Mittwoch, den 17. Mai 1893.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
unter denen fie fich vollzogen hat, die Umstände, die seit Türfen? Wir erinnern an gewisse Vorgänge der letzten Einleitung des Wahlkampfes überall sich uns aufdrängen- Tage. Und die Rede, die der deutsche Kaiser vorige Woche bei Es ist Pflicht jedes wählers, sich durch Einsicht in furz die Gesammtlage der Dinge verräth eine hochgradige die Wählerliste davon zu überzeugen, daß sein Name in Ungesundheit unseres ganzen Staatsorganismus. Und wie der Parade auf dem Tempelhofer Feld hielt, hätte dieselbe etwa der Liste steht. Die Wählerlisten liegen vom 18. Mai ab in das Volk seines Schicksals Schmied ist, so auch der einzige aus dem Munde der Königin von England oder überhaupt berufene Arzt des franken Staatsförpers. Der Staatsförper eines Souveräns des englichen Weltreichs, oder eines anderen den noch bekannt zu machenden Lokalen zu jedermanns Prüfung funktionirt nicht mehr normal und geregelt. Der Wille tonstitutionellen Staats tommen können? Es ist einfach unaus. Wer bis zum Wahltage, dem 15. Juni, da 3 25. Leben 3 des Volkes, der die leitende Kraft sein soll, kann sich denkbar. Hier ist der Kernpunkt, um den es sich handelt. jahr vollendet, also spätestens am 15. Juni 1868 geboren nicht gelten machen. Der Wille einer winzigen Zahl von Das Ungesunde unseres Staatslebens und unseres Staatsist, ist wahlberechtigt, hat aber schon während der Einzelpersonen und einiger Sonderin tereffen- Gruppen stellt förpers besteht in dem klaffenden Gegensatz zwischen Wesen und des Volkes. Schein zwischen Juhalt und Form. In der Form und Zeit, wo die Wählerliste ausliegt, dafür zu sorgen, sich über den Willen der Willionen daß er in die Wählerliste eingetragen werde. Dies geschieht am Der Reichstag , der dem Willen der Millionen Aus dem Scheine nach ein Verfassungsstaat, beruhend auf dem besten in der Weise, daß man gegen Vorweis einer Legitimation druck giebt, wird ohne Weiteres zum Teufel gejagt, und allgemeinen gleichen Wahlrecht, d. h. der Volkssouveränität, in dem Lokal, wo die Wählerliste ausliegt, von dem zu diesem das deutsche Volk in die kolossalen Wühen und Kosten eines ist das Deutsche Reich dem Wesen und Inhalte nach ein Zwecke dort stationirten Beamten seine Aufnahme in die Wähler. Wahlfeldzuges gestürzt, blos weil eine verhältnißmäßig absoluter Staat( gleichviel ob Staatenbund oder Bundes liste protokollarisch feststellen läßt. Gewählt wird in dem Be- geringe Zahl von Personen sich dem Willen der ungeheuren staat), der blos mit fonftitutionellem Lack angestrichen ist. Mehrheit des Volkes nicht unterwerfen, dem Volk ihren Und der Lack ist jezt sehr rissig geworden, und an vielen zirke des Wahlkreises, wo man zur Zeit der Aufstellung der Willen aufzwingen will. Stellen ganz abgesprungen. Wählerliste wohnt.
Nicht genug damit- es wird uns auch faltblütig erklärt: wenn Ihr Euch nicht unterwerft, wenn Ihr nicht wollt, wie wir wollen, so lösen wir Gueren Reichstag von neuem auf, stürzen Euch in einen zweiten Wahlkampf und wiederholen das Spiel, bis Ihr mürbe geworden seid,
Damit der Sache der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit möglichst wenig Stimmen verloren geben, ist es un umgänglich nöthig, daß aus den Fabriken, Werkstätten und sonstigen Betrieben Vertrauensmänner der Arbeiter sich der Mühe unterziehen, für alle verhinderten und uns aus der Hand freẞt! Kameraden nachzusehen, ob deren Namen in Worte der Drohung fallen. Von einem Staatsstreich die Wählerlisten eingetragen sind. Versäume niemand, diesen Anforderungen pünktlich und gewalt, von einer Revolution nach unten. wird gemunkelt das heißt von einem Appell an die Gewissenhaft nachzukommen.
nicht!
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Bur Krists.
Und noch nicht genug das.
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Dieser Widerspruch zwischen Schein und Wesen ist seit der Gründung des Deutschen Reichs bei hundert Gelegenheiten zu Tag getreten, allein man hat ihn immer vertuscht. Dank der Feigheit unseres liberalen Bürgerthums blieb der Kon- konnte er nicht alut, nicht brennend flift latent, schleichend,
werden.
Das ist nun endlich durch die Militärvorlage geschehen. und der Wahlkampf, in den uns die Regierung geworfen hat, dreht sich nicht um die Lappalie der Militär vorlage, sondern um die Frage:
thaten?
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nicht ablenken von
Herrscht in Deutschland bas Boit? Over Wie ist solches möglich in einem zivilisirten Land? In einem Staatswesen, das sich ein Rechtsstaat nennt und das stehen wir politisch auf gleicher Stufe mit jeden mit Gefängniß bestraft, der da behauptet, bei uns in den halbbarbarischen Böltern, die im Staat Deutschland herrsche das Gesez nicht, und sei die Ver- par mitra then dürfen, aber nicht mitfassung, mit Reichstag und Landtagen blos das FeigenLasse man sich nicht nasführen Herr von Caprivi hat im Reichstag erklärt, die Reblatt des Absolutismus "? dem eigentlichen Kampfobjekt! gierung werde den Huene'schen Vorschlag zur Wahlparole Aber sind wir denn ein Rechtsstaat? Sind wir Bretterbaracken, Rothhosen, Rosacken-dummes Zeug, machen das heißt die Militärvorlage als Streitgrund und Streitziel in die Witte des Wahlkampfes stellen. Nein, ein Verfassungsstaat? Ist das allgemeine Wahlrecht, d. i. an die Wand gemalt, um das Volt, das gleich dem Helden Herr von Caprivi, um solche Kleinigkeiten tämpfen wir der Grundsay der Volkssouveränität, auf dem anscheinend des Märchens aus Tausend und Einer Nacht dem verzauberten unser Staatswesen aufgebaut ist, eine Wirklichkeit, oder ist Schloß zueilt, von dem richtigen Weg fort, auf Frrwege Die Neubelastung, die dem deutschen Volke durch die es nur ein Zierrath zur Täuschung politischer Kinder, ein und in den Sumpf zu locken. Was fümmern uns die Franzosen und Russen? Sie Militärvorlage zugemuthet wird, ist zwar schwer, und der Blendwerk und Spielzeug? Militarismus, den unser Herr Reichskanzler ebenso wenig Das ist die Frage. Und daß es Frage ist darin mögen für sich selbst sorgen-uns thun sie nichts. Was fieht, wie 1849 der alte Eisenmann die Reaktion", liegt der Ernst, liegt die Bedeutung der gegenwärtigen uns kümmert, das ist das Schicksal unseres Landes und unseres Volks das sind unsere Rechte, das ist die welche ihn bereits am Kragen hatte, ist sicherlich ein sehr Krisis. großes Uebel und ein Hohn auf die moderne Kultur. Aber Die Ungesundheit unserer Zustände wird recht grell Möglichkeit für unser Volt, bestimmend einzuwirken auf die mit dem Militarismus ist es wie mit der Diphtheritis - beleuchtet durch die Intriguen, die heimlich, hinter den Gestaltung des Staats- au regieren im eigenen sie ist das Produkt einer frankhaften allgemeinen Roulissen getrieben werden und bei denen es sich um das Land. Die Regierung ist des Volks wegen da, das Volk nicht Disposition des Körpers: Militarismus und Militär- Schicksal von Millionen handelt, die nach dem Buchstaben Darum darf die Regierung nicht vorlage sind blos Symptome, blos Auswüchse des Gesetzes das Recht haben, bei der Gesetzgebung des der Regierung wegen. und ein schlechter Arzt wäre, wer sich bei einem Landes bestimmend mitzuwirken, die aber um ihren Willen über dem Volt, und muß das Volk über der Regierung Kranken blos mit Symptomen und Auswüchsen nicht befragt werden. Als tennzeichnend für das niedrige stehen. beschäftigen wollte, statt sein Augenmerk auf die Ursachen Kulturniveau der Türken- wenigstens in politischer Hin- Daß die Regierung das Volk zwingen will, ihren und auf das Leiden selbst zu richten, dem die Symptome sicht wird uns in der Schule gelehrt, daß sie durch Willen zu thun, das ist die verte hrte Welt. Das Volk und Auswüchse entsprungen sind. Die Militärvorlage, der Serail Verschwörungen regiert werden. Ja, aber haben muß die Regierung zwingen, seinen Willen Militarismus, die Auflösung des Reichstages, die Umstände, wir nicht ebenso gut unsere Serail- Verschwörungen wie die zu thun.
Feuilleton.
Nabrud verboten.]
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Vom Stamm geriffen.
. Von Elise Schweichel.
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Um acht Uhr wurde zu Tisch gebeten. Das Speise- trostlos stand ich vom Tische auf. Noch eine halbe Stunde zimmer liegt im Seitenflügel, und so durchschritten wir, oder so verbrachten wir in tastendem Gespräch, wie man es bevor wir dasselbe erreichten, mehrere sehr behaglich, aber zu führen pflegt, wenn Menschen in ein neues Verhältniß ohne Brunt ausgestattete Räume. Auch das Speisezimmer zu einander treten. Mein Zimmer, im ersten Stock gelegen, ist einfach. Als wir am oberen Ende der Tafel Platz ge- in welchem ich gleich nach der Ankunft meine Toilette genommen hatten, öffnete sich die nach den Wirthschafts- ordnet hatte, schien mir, als ich mich nun zurückzog, ein räumen führende Thür und drei bis vier Eleven, an ihrer wenig besser eingerichtet. Eine Chaise longue hatte ich Das Stuben Spige mein Reisegefährte, der Inspektor, schritten herein wenigstens vorhin nicht darin bemerkt. und ließen sich am unteren Ende in einer Entfernung mädchen, welches mich bedient, sowie das andere HausDie Art, wie wir Bekanntschaft machten, war so drollig, von fünf bis sechs Stühlen von uns nieder. Ich gesinde betrachtet mich mit respektvoller Neugier. Es scheint Diefe mir fast, als ob Herrschaft und Dienstleute sich etwas daß ich sie Euch erzählen muß. Als alle vorgestellt waren, machte da eine recht unliebsame Erfahrung. rief die Mama das fünfjährige Kerlchen, das mich schon jungen Leute, dem Aussehen nach dem Aussehen nach alle aus guten viel Simpleres unter dem Fräulein für Gesang und immer über sein Epielzeug hinweg angestarrt hatte, herbei Familien und, wie mein Inspektor, gewiß nicht ohne Sprachen" vorgestellt haben. Um so besser! Ich kann und sagte ihm, daß es mir auch die Hand geben möchte. Bildung, nahmen hier die Stellung von Dienstboten ein. mit dem Eindruck jedenfalls zufrieden sein und hoffe, Sofort schritt er auf mich zu, machte eine feine Verbeugung Keiner sprach, ohne daß das Wort an ihn gerichtet wurde. mich hier ganz wohl zu befinden. Laß Dich dies über und piepste: Willkommen, Fräulein Sterne!" Stern Weinem Impulse folgend, wollte ich mit Herrn Thäns, so unsere Trennung trösten, liebes Mütterlein, und sei verheißt die Dame," belehrte ihn die Wutter. Und er darauf: heißt der Inspektor, sofort ein Gespräch über unsere sichert, daß ich im Geiste immer bei Euch bin. Jetzt aber Ich sage Fräulein Sterne." Warum denn?" fragte man. gemeinschaftliche Fahrt anknüpfen, doch bemerkte ich noch zu Bett, Mitternacht ist vorüber. In zwei bis drei Tagen Da hob er sich auf die Fußipigen, deutete mit seinem zeitig genug, daß ich ihm damit Verlegenheit bereitet haben erhältst Du weitere Nachricht. Ich füsse Deine lieben Hände winzigen Zeigefingerchen erst auf eins und dann auf das würde. Die Herren aßen stumm ihr Essen in sich hinein, und Augen. Grüße Tussy und den Vater und gedente, so andere meiner Augen und sagte mit einem sehr schlauen nachdem sie einige wirthschaftliche Fragen seitens der Hauss heiter als Du immer kannst, Deiner Dich innig liebenden, Geficht: Das sind doch zwei." Was sagt Ihr? Ist das frau, die allerdings in freundlich höflichem Tone gestellt dankbaren Tochter Balesta.
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nicht der geborene Galant? Die ganze Gesellschaft brach wurden, beantwortet hatten. Das Beinliche der Situation
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dem ich aber, als ich auch sah, daß die so Behandelten, Evas aus
Herr Stern, welcher während des Lesens mehrmals seine in Lachen aus. Der Junge ist seltsam beanlagt. Von wurde durch das alberne Kichern der jungen Mädchen seinen Einfällen erzählte mir Frau von Kries im Ver- noch erhöht. Mein demokratisches und humanes Gefühl Bemerkungen gemacht hatte, die seitens seiner Frau mit irauen sogleich noch noch ein Beispiel. Als er jüngst empörte sich gegen dieses Sichetwas besseresdünken und unwilligem Stirurunzeln aufgenommen worden waren, schlug bei Fräulein Adele biblische Geschichte und zwar dieje Geringschäßung der ehrlichen Arbeit. Betrübt wurde jetzt eine breite Lache auf und rief: „ Nun sage mir Einer, daß ich nicht das Richtige geBertreibung Adams und Paradiese gelesen denn er lieft bereits hätte er Herrn Thäus ausgenommen, keinen Stolz und kein troffen! Dort paßt sie hin, dort ist ihr Plaz! Wird denen bei dem Fluche, den Gott über Eva ausspricht, ganz empört Selbstbewußtsein bewiesen, denn bewiesen, denn beim Hinausgehen schon zeigen, was eine Harke ist! Und dabei kommt die ausgerufen: Solche Worte nimmt der liebe Gott in den wagte keiner, der höheren Gesellschaft" den Rücken zu Liebelei hier ins Vergessen! Lehr' mich einer die Frauen Lange Haare, kurze Gedanken, sagt der selige Mund? Pfui!"- Ist das nicht prächtig? Ich sehe schon, zeigen, sondern alle drehten und wanden sich so durch die fennen. der Junge wird mein Liebling werden. Thür, daß die Front uns immer zugekehrt blieb. Ganz Schopenhauer "
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