lichcn Wahl abgelehnt. Die freikonserbative Fraktion steht eben aufdem Boden der Beibehaltung der öffentlichen Wahl. Jin Plenumverfügen beide Parteien über fast die Majorität aller Stimmen(213 von 443); es erscheint aber fast ausgeschlossen, daß dieVorlage ins Plenum zur zweiten Beratung kommt; dennnach der Annahme der geheimen Wahl wäre eine Weiter-beratung der Vorlage in der Kommission unmöglich gemacht. DieVorlage wird in der Kommission sehr bald auf ein totes Gleis ge-schoben werden, denn die Regierung denkt nicht daran, in Preußendie geheime Wahl einzuführen. Selbst wenn sie den Liberalen diesesZugeständnis machen wollte, würde bei einer eventuellen Annahmeder geheimen Wahl im Abgeordnetenhause das Herrenhaus die Vor-läge in dieser Gestalt verwerfen.Die Situation wird sich sehr bald klären und noch vor Osternwird in der Konimission die erste Entscheidung fallen. In parlamen-tarischen Kreisen rechnet man bereits unter diesen Verhältnissen miteinem Schlüsse der Session vor Pfingsten, wobei die Wahlrechtsvor-läge sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden wird.Tie prenhische Wahlreform und die Bauern.In der agrarischen„Deutschen Tageszeitung' wird von einemAmtsgerichtsrat die neue preußische Wahlrechtsvorlage als p o l i-tische Entrechtung der freien Erwerbs stände undinsbesondere der landwirtschastlichen Wähler zugunsten der oberenund mittleren Beamten bezeichnet. Die Redaktion des agrarischenBlattes schließt sich der scharfen Kritik an und sagt, die Vorlagesei das Machwerk eines WahlrechtsarithmetikerS, der der praktischenPolitik und dem praktischen Leben fern stehe. Tief bedauerlich seies, daß das preußische Slaatsministerium diesem Machwerk zu-gestimmt habe._Die abgeänderte konservative Parteitagsresolutiou.Auf dem am 3. d. MtS. in Hilde-Heim stattgefundenenkonservativen Parteitage für die ProvinzHannover sollte ursprünglich eine aus drei Punkten zusammen-geschnsterte Resolution zur Verteilung kommen. Alles war von denkonservativen oder, besser gesagt, den bündlerischen Machernwohlvorbereitct. Im letzten Augenblicke jedoch, als ein Neudrucknicht mehr hergestellt werden konnte, wurde(wahrscheinlich von demdie hannoversche Geschäftsleitung an Schlauheit übertreffendenkonservativen Parteivorsiande) der zweite Punkt beanstandet und ge-strichen, so daß die Verteilung der Resolution unterbleiben mußte.Der unterdrückte ResolutionStext soll aber trotzdem der Welt nichtvorenthalten bleiben. Er hatte folgenden Wortlaut:„2. Der Parteitag erblickt in der konservativen Partei, ihrerErhaltung und Stärke das festeste Bollwerk gegen alle Bestrebungen.die an dem festen Gesiige des Staates rüttelnund seine bewährten Einrichtungen ohne Grundändern wolle n."Es ist ausgeschlossen, daß diese schönen Zeilen aus Liebe zu denSozialdemokraten nicht zum Beschluß erhoben wurden. Näher liegtdie Annahme, daß die hannoversche konservative Parteileitung gegendie preußische Wahlrechtsreform demonstrieren wollte, dieses Unter-fangen aber der oberste Gerichtshof der konservativen Partei nichtfür opportun erachtete. Vielleicht lag den obersten Junkerführernnoch der edle Januschauer unverdaut im Magen.Landwirtschaftliche Tagungen.Mit der dritten Tagung der 11. Sitzungsperiode des Königlichpreußischen Oekonomietollegiums beginnt niorgen die großeL a n d w i r t s ch a f t S w o ch e. die den ganzen Monat Februar inAnspruch nehmen wird. Den Verhandlungen des Landesökonomie«kollegiums werden die Sitzungen des Deutschen LandwirtschaftSratSfolge», dann die Generalversammlung des Bundes der Landwirte.die Generalversammlung der Steuer- und Wirtschastsrefonncr undviele andere Nebcnveranstaltungen. Auf der diesjährigen Tages-ordnung stehen neben den alljährlich wiederkehrenden geschäftlichenAngelegenheiten verschiedene wichtige Fragen für die Landwirtschaft.So wird Professor Dr. S e r i n g- Berlin über die Grundbesitz-Verteilung und Abwanderung vom Lande referieren, und eine ReiheReferenten werden über die Beratungen einer für den Entwurfeiner ReichSversicherungsordnung eingesetzten Kommission eingehendenBericht erstatten. Graf v. d. S ch u l e n b u r g« Grünthal wird dieFrage erörtern, ob sich die jetzige landivirtschaftliche Statistik be-währt hat. und Dr. Ludwig- Berlin wird sich mit dem neuenStellenvermittelungsgeschäft beschäftigen. Ein Thema, das weitüber die landwirtschaftlichen Kreise hinaus Jntcreffe erregt, wirdGeh. Oberrcgierungsrat Dr. K r o h n e- Berlin behandeln, nämlichdie Frage der Verwendung von verbrecherischen Elementen zu land-wirtschaftlichen Kulturarbeiten und die Regelung dieser Frage beider bevorstehenden Reform des Strafgesetzbuches.Maulkorbzwang.Den reaktionären Parteien sind die sozialdemokratischen Redenim preußischen Abgeordnetenhause sehr unbequem. Sie fordern,daß die Kritik der sozialdemokratischen LandtagSobgeordneten ein-geschränkt wird. So meint die„Post" im Anschluß an die gesternvon uns mitgeteilte Drohung des nationalliberalen VizepräsideutenDr. Krause:„Man tvird unter diesen Umständen erwarten dürfen, daß dienachdrückliche Mahnung deS Abgeordneten und VizepräsidentenDr. Krause. die Objektivität des Abgeordnetenhauses nicht fernerin dem Maße wie Dr. Liebknecht zu mißbrauchen, ihre Wirkungnicht verfehlen wird, anderenfalls würde die sozialdemokratischeFraktion damit rechnen müssen, daß ihr ferner nicht mehr dieweitgehende Teilnahme an den Verhandlungen gestattet wird,deren sie sich bisher erfreute, fondern daß man ihre Zu-lassung zum Wort auf das ihrer Kopfstärkeentsprechende Maß zurückführen ivird."Unsere Abgeordneten werden sich durch solche Drohungen nichteinschüchtern lassen._Der Landwirtschaftsetat in der bayerischen Kammer.München, 6. Februar.ES ist begreiflich, daß gerade dieser Etat in unserem Bauern-Parlament besonderes Interesse erweckt und zum Vielreden anreizt.Während die gestrigen Reden wegen deS Journalistenstreiks für dieOefsentlichkeit verloren gingen, wurden die heutigen wieder sorg-fältig registriert.Ein Zeichen der veränderten politischen Konstellation ist dieauffallende Tatfache, daß die liberale Partei nicht weniger als dreiGeneralredner ins Treffen geschickt hat. Sie macht jetzt stark inLandwirlichast.Erörtert wurde eilte große Reihe von Fragen: Verhältnis derLandwirtschaft zur Industrie und von Stadt und Land, landwirtschaft-liches Unterrichtswesen. Wanderkurse, landwirtschaftliches Genossen«fchaftSwesen, LandwirtschastSkammern, Zug nach der Stadt und Ent-völkerung des Landes, Vogelschutz und Bedeutung der Frösche fürdie Landwirtschaft. Ausschaltuna des Zwischenhandels und direkterVerkauf an die städtischen Konsumenten, Beschaffung von Arbeits-krästen und Prämiierung der Dienstboten, Organisation undKoalitionsrecht der ländlichen Arbeiter usf.Von unserer Seite spricht Genosse Rollwagen. Er verlangtMaßnahmen der Staatsregierung zur Milch» und Fleisch-Versorgung der Städte und erklärt die Bereitwilligkeit unsererPartei, staatliche Mittel für berechtigte Forderungen der Landwirt-schaft zu bewilligen. In den L an d w i r t s ch a f t S kam m e rnsollen die Arbeiter und auch die Frauen eine Vertretung erhalten.Die Regierung müsse daS gleiche Wohlwollen, das sie der Land-Wirtschaft entgegenbringt, auch gegenüber anderen Erwerbszweigcnbetätigen._Sachsen-Weimar und die Schiffahrtsabgaben.In der hculigen Sitzung des Landtages erklärte Departements-chef Dr. Panlßen in Erwiderung auf eine Anfrage über die Haltungder weiinarilchen Regierung in der Frage der SchiffahriSabgaben,daß an dieser Vorlage, wie sie jetzt sei, keinerlei Anstoß mehr ge-nommen werden könne, da sie lediglich eine Verbesserung der Wasser«Verkehrswege durch Beiträge der Interessenten bezwecke und imübrigen tu großzügiger Weise eine einheitliche Gestaltung auf Wasser-wirtschaftlichem Gebiet erstrebe; die großherzogliche Slaatsregieninghabe es daher für ihre Pflicht geHallen, Preußen bei seinem Vor-gehen zu unterstützen._Aus dem kapitalistischen Prestsumpf.Vor dem Leipziger Landgericht ist fünf Tage lang gegen eine»Rebolverjournalisten verhandelt worden, einen Herrn ArturPleißner, Dr. jur. und Herausgeber einer Halbmonatsschrift,die sich„Deutscher Kampf" nennt. Die Verhandlungen ent-hüllten daS widerliche Bild eines ManneS, der unter der Maskeeines Kämpfers für gute Sitte knietief im Schmtitz watet, und derCS versteht, ans seinem Gewerbe gute Profite zu erzielen. Ein charakte«ristischcS Beispiel für die Art, wie Pleißner Inserate zu machen ver-stand, wurde ausführlich erörtert. Er fingierte Auskünfte an be-sorgte Abonnenten über den Stand einer Bank, schickte dieNummern der Bank zu und ersuchte sie, Inserate bei ihm auf-zugeben. Solche und andere Praktiken übte der Mann jahrelang.Auch versuchte er stcki einmal an einem Redakteur der„Leip-zig er VolkSzeitung". Von diesem erhielt er dafür aber sourlräftige Hiebe, daß er heulend zum Kadi lief und auch glücklicheine Verurteilung wegen formaler Beleidigung erzielte.Jahrelang betrieb Pleißener eine schmutzige Hetze gegen denDirektor eines PrivatlheaterS. So schrieb er eines Tages, DirektorHartman» stehe vor dem Bankrott. Die Folge war, daß Hartmannin wenigen Tagen zirka 20 000 M. flüssig machen mußte, um dieandrängenden Gläubiger zu befticdigen. Direktor Hartmann verbot ihmendlich, sein Theater zu betreten. Nun bedrohte er den Direktormit geschäftlichem Ruin und erzählte jedcin, der eS hören wollte, erwerde den Direktor abschießen, wie er schon den Chefredakteur deS„Leipziger Tageblatts", Treiber, den Kapellmeister Hagel, denDramaturgen Dr. Weber u. a. abgeschossen habe. Nun riß demTheaterdtrektor der Geduldsfaden. Er stellte Strafantrag wegenversuchter Erpressung. Nötigung und Beleidigung. Gleichzeitig warPleißner auch angellagt wegen Beleidigung des KapellmeistersWolf» den er einen Wortbrüchigen und Schurken genannt hatte.Wegen Beleidigimg des Operettensängers Feiner, den er desMeineides bezichtigte, wird er sich noch zu veranworten haben. DerAngeklagte hat bereits eine Anzahl Vorstrafen wegen Hausfriedens-bnichS, Beleidigung und Anmaßung eines öffentlichen AmteSerlitten.Zur Vervollständigung der Charakteristik deZ Mannes sei nocherwähnt, daß er als Student in Jena einen Arbeiter wegenMajeftätsbeleidigiing denunziert hat. Die Ironie deS Schicksals aberhat es gewollt, daß der Denunziant sich später selbst in den MaschendeS MajestätsbeleidtgungSparagraphen verfangen hat. Er erhieltfreilich als„gebildeter" Mann dafür nur eine FestungSstrafe.Der Staatsanwalt plädierte für Verurteilung des Angeklagtenund ersuchte, durch eine Nebenstrafe zum Ausdruck zu bringen, daßder Angeklagte aus ehrloser Gesinnung gehandelt hätte.DaS Gericht verurteilte ihn zu d r e i M o n a t e n und einerWoch« Gefängnis. Auf Ehrverlust wurde nicht erkannt.Ein militärischer Mustererzieher.Der BootLmannSmaat T r e e d e vom Linienschiff„Schlesien"hatte sich am Montag vor dem Kriegsgericht des 1. Geschwaders zuverantworten. Ihm wurden öl Fälle von Mißhandlung und zweiFälle vorschriftswidriger Behandlung nachgewiesen. Treede war zurRclrutenausbildung in die Kaserne kommandiert. Er schlug dieMatrosen seiner Korporalschaft bei jeder Gelegenheit, stieß sie inden Rücken und versetzte ihnen Ohrfeigen. Zwei Mann, die einenBefehl ausführten� mußten im Unterzeug und barfnß fortwährendSpinde und Betten nach dem Korridor hinaus und wieder in dieStube tragen. Einmal ließ er die Hälfte der Mannschaft auf dieBetten, die andere Hälfte aus die Spinde klettern. Schließlich drohteer dem, der zuletzt die Stube betreten würde, mit dem Seitengewehrin den Wanst zu stechen.Der Angeklagte ist geständig, will aber im Diensteifer gehandelthaben. Der Anllagcvertrcter beantragte 2 Monate Gefängnis undDegradation. Das Gerichte erkannte auf 3 Monate Gefängnis, sahaber von der Degradation ab._Oeftemieb.Der Obstruktion erlegen.Prag, 8. Februar. In der heutigen Sitzung des Landtagsivurdc eine Erklärung der tschechischen Abgeordneten verlesen, inwelcher die deutschen Abgeordneten für die schwere Schädigungder Interessen des Landes und der volkswirtschaftlichen, kulturellenund sozialen Interessen der Bevölkerung verantwortlich gemachtwerden. Darauf wurde der Landtag vertagt.fratihmcb.Wahrung des Rechts der Volksvertreter.Paris, 7. Februar. Deputiertenkammcr. Der heutige Auftrittzwischen General Toutöe und Hauptmann Savoureau, derdem Kriegsminister kurz zuvor Schriftstücke übermittelt hatte, dieihm von einem Deputierten übergeben worden wäre», veranlaßteden Deputierten D a l i m i e r, den KriegSniinister heute nachmittagzu interpellieren. Dalimier nahm dabei für die Deputierten dasRecht in Anspruch, mit dem Minister direkt in Verbindungzu treten. General Brun erwiderte, er bedauere denZ iv i s ch e n f a l l mid achte die Rechte der Kammer. Ertonne mitteilen, daß General Toutüe seinem Kabinett n i ch t m e h rangehöre.(Beifall.) Eine Tagesordnung, die dem Minister dasVertrauen ausspricht, wurde hierauf in einfacher Abstimmung an-genommen. Damit ist der Zwischenfall erledigt.Italien.Rücktritt eines UntcrstaatssckrctLrs.Rom, 5. Februar.(Gig. Ber.) Der Abg. Maurh, Unter-staatssekrctär im Postministerium, ist von dem Mailänder„Tempo"angegriffen worden. Unser Parteiblatt hat hervorgehoben, daßein Schwager des Abgeordneten diesen in einer Broschüre beschul-digt hat, die Mitgift seiner Frau verschleudert zu haben undSchulden in der Höhe von Va Million zu haben. Das„Tempo"hat vor allem Sonnino angegriffen, weil er einen öffentlich be-schuldigten Mann in das Ministerium berufen hat. Daraufhinist der beschuldigte Abgeordnete am 4. Februar von seiner Siel-luny als Untcrstaatssekretär zurückgetreten und hat einen Be-leidigungsprozeß gegen das„Tempo" angestrengt.Der Nachfolger CostaS.Rom, 3. Februar.(Eig. Ber.) Der Wahlkreiskongreßvon I m o l a, dem bisher vom Genossen Costa vertretenenKreise, hat durch Akklamation Genossen G r a z i a d e i zumNachfolger bestimmt. Antonio Graziadei ist Professor derLolksivirtschaft an der Universität Cagliari und ist durchmehrere volkswirtschaftliche Veröffentlichungen bekannt. Ergehört der äußersten Rechten der Partei air und ist der Wort-sührer der Richtung, die die Bedeutung der Parteibetvegungim proletarischen Kampfe für nebensächlich erachten und denGewerkschaften die Hauptaufgabe zuweisen. Die Ersatzwahlfindet am 20. d. MtS. statt.Cnglancl.Die Wahle».London, 8. Februar. Die Universitäten GlaSgowund Aberdeen haben, wie erwartet, einen U n i o n i st e n zuihrem Vertreter im Unterhaus gewählt. Der unterlegeneGegenkandidat war ein unionistischcr Freihändler.DaS«ndemokratische Wahlrecht Englands.London, 4. Februar. Das Wahlergebnis hatte wenigstens denErfolg, daß eS die Aufmerksamkeit der Liberalen auf die großenMängel deS englischen Wahlrechts lenkte. Ein Mitarbeiter der„Daily News" macht hierüber folgende bemerkenswerte Mit-teilungen:Im Jahre 1909 gab cS im Vereinigten Königreich rund12 Millionen erwachsene männliche Personen, aber nur 7,6 Millionenwaren ivahlbercchngt. Unter ihnen gab es 500 000, die daS Plural-Votum besaßen; ebenso 47 000 Uiiiversitätswähler, die sowohl inihrem Wohnort wie in ihrer alten Universität wählen konnten.Etwa 600 000 wohlberechligte Arbeiter konnten nicht zur Wahlurnegehen.Er kommt zum Schluß, daß von den 12 Millionen erwachsenenmännlichen Personen nur 6,5 Millionen wirklich wahlberechtigt sind.finnlancl.Tic neuen Landtngswahlcn.Helsingfors, 3. Februar.(Eig. Ber.) Am t. und2. Februar gingen die Wahlen zum finnischen Landtag vorsich. Seit dem 15. März 1907, als das finnische Volk zumerstenmal seine Vertreter auf Grund des eroberten allgc-meinen und gleichen Stimmrechts wählte, ist es nun schoninnerhalb drei Jähren das viertemal, wo die finnischeWählerschaft zu den Urnen gerufen wird. Keine einzigeLandtagsscssion hat bis jetzt normal geendet, denn in denletzten Jahren ist der Landtag immer vor Ablauf des Terminsdurch den zarischen Gcwaltspruch aufgelöst worden. Dasletztemal— wie erinnerlich— geschah es im November v. I.,als die finnische Volksvertretung sich gegen die russischeMilitärkontribution erklärte. Immer hat die RegierungStolypins darauf spekuliert, daß die fortwährenden Auf-lösungen den Landtag in den Augen des Volkes diskreditierenund seine Widerstandskraft schwächen werden, doch immer hatStolypin sich arZ getäuscht! Jede neue Wahl hat nur dieOpposition(speziell die sozialdemokratische Fraktion) gestärkt,die Volksinassen im Lande aufgerüttelt und sie zu bewußtenGegnern der russischen Politik gemacht. Auch diesmal zeigtendie Wahlen, daß das sinnische Volk in seinem Kampfe nichtermüdet ist: die Wahlbeteiligung ist in ganz Finn-land überaus rege gewesen, trotz aller ungünstigen Um-stände haben 00 bis 70 Proz. aller Wähler ihre«Stimmenabgegeben.Wegen des komplizierten Proportionalsysteins wird dasdefinitive Wahlresultat erst nach ein paar Wochen bekanntwerden. Doch kann man schon jetzt ziemlich sicher annehmen,daß die Parteien im neuen Landtag keine nennenswerten Verschiebungen aufweisen werden. Vielleichtwird man einen Zuwachs der sungfinnischen Stimmen aufKosten der Altfinnen zu verzeichnen haben. Die finnischeSozialdemokratie hat mit ihren 337 000 Stimmen und84 Mandaten so ziemlich das Maximum erreicht und kannunter den jetzigen wirtschaftlich-politischen Verhältnissen Finn-lands vorläufig nicht mehr viel an Ausdehnung gewinnen.Wir führen hier die Zahlen von den letzten Landtagswahlen(im Mai v. I.) an: für die Sozialdemokratie wurden ins-gesamt 337 030 Stimmen abgegeben, für die Altfinnen199872, für die Jungfinnen 122 702, für die Schweden(Svecomanen) 104 143, für die radikalen Kleinbauern(„Agrarer") 56 068, für die christlichen Arbeiter 21 702. Wieersichtlich, hatte die Sozialdemokratie beinahe 40 Proz. allerStimmen auf sich vereint und auf dieser Höhe wird sie ver-mutlich auch bei den jetzigen Wahlen bleiben.Vorläufige Wahlergebnisse.HelsingforS, 8. Februar. Nach den bis heute nachmittag bor-liegenden Wahlergebnissen haben die Sozialdemokraten271 887, die Altfinnen 153 691, die Jungfinnen 95 920, dieschwedische Volkspartei 92 809, die Agrarier 59 584. die christlich-soziale Arbeiterpartei 12 810 Stimmen erhalten. Die Altfinnenhaben bisher vier Mandate und die christlichsoziale Arbeiterparteihat ein Mandat verloren; die schwedische Volkspartei hat einMandat, die Sozialdemokraten haben zwei und dieAgrarier drei Mandate gewonnen.Ciirkci.Die Kretafrqge.Konstaittinopcl, 8. Februar. In der bereits gemeldeten Erklärungder Kretamächte wird auch gesagt, daß eine AnnexionKretas durch Grieckcnland nicht zugelassen werden soll.„Jeni Gazetta" verlangt eine sofortige endgültigeund gerechte Lösung der Kretafrage. Eine Wiederbesetznngder Insel durch die Schutzmächte genüge nicht allein, um dieGefahren der Zukunft zu beseitigen.„ I k d a in" meldet, die Pforte werde demnächst den Schutz-mächten eine Note übersenden, in der erklärt wird, die Beziehungender Türkei zu Griechenland könnten vor einer endgültigen Lösungder Kretafrage nicht normal Werden. Die Note verlange des«halb eine Lösung noch vor Zusammentritt der griechischenNationalversammlung.Sneckenlanel.Die Putschisten begnadigt.Athen, 8. Februar. Ein allgemeiner A in n e st i e e r l a ß,der den Leutnant Typaldos und die übrigen Marineoffi»ziere umfaßt, die an der Beivcgung vom 29. Oktober vorigenJahreS teilgenommen haben, ist unterzeichnet und wird heute amt-lich bekannt gemacht werden. Die begnadigten Offiziere, die aufdrei Jahre Urlaub nach dem Ausland genommen haben,sind heute früh entlassen worden und abgereist.Indien.DaS reaktionäre Preßgesetz.Kalkutta, 8. Februar. Der Gesetzgebende Rat hat nach sieben«stündiger Sitzung das Preßgesetz angenommen.