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1 Beilage zumVorwärts" Berliner Volksblatt. Nr. 132. Donnerstag, den 8. Inn  : 1893. Cisenbahn-UKase. UnS wird aus Schlesien   geschrieben: Der Wahl-Erlaß der Breslauer Eisenbahn- Direktion in Breslau   ist nichts Besonderes. Wir erwarten, daß Si�nur einem reichsfreundlichen Kandidaten Ihre Stimme geben werden. Königliche Ei send a hn-Kommissio n. Dr. Micke." So lautete einst in Kattowitz   im Januar 1374 als die Schwarzen k la Windthorst in der Aera Bismarck-Falk zu den notorischenReichsfeinden" zählten. der Schlußsatz eines Ukases, der dem Stationsvorsteher Hoeregott in Myslowitz zugestellt wurde. Herr Micke war übrigens der Sohn eines fürstbischöflichen Konsistorialraths. Und so wie damals geht es gerade bei dieser Eisenbahnverwaltung noch heute. Gerade bei den bevorstehenden Wahlen wird vom Präsidenten herab bis zum Vorarbeiter, in den.Bureaux sowohl wie in den Werkstätten. Gütermagazinen und bei Streckenarbeitern emsig dafür gewirkt, daß der Staat vorinneren Feindew bewahrt bleibe. Da werden z. B. in dm Bureaux   Denkzettel vertheilt, nach Art des kaiserlichen Erlasses vom 4, Januar 1882, worin es hieß: Mir liegt es fern, die Freiheit der Wahlen zu beeinträchtigen, aber für diejenigen Beamten, die mit der Ausführung meiner Re gierungsakte betraut sind und deshalb ihres Dienstes nach dem Disziplinargesetze enthoben werden können, erstreckt sich die durch den Diensteid beschworene Pflicht auf Vertretung der Politik meiner Regierung auch bei den Wahlen." Dieser Erlaß ist noch 1890 vertheilt worden.*) Da fehlt es nicht zur Frühstückszeit an passender Unter- Haltung: Ermahnung durch subalterne Streber, bei Abtheilungs- leitern, Bureauvorstehern, Werknieistern. Da wird ein übriges Direktionsmitglied, ein Regierungsralh, der sonst ein minder- wichtiges Dezernat X, D oder Z bearbeitet, damit betraut, nunmehr seine ganz« Tüchtigkeit der Wahlbewegung zu widmen. Er setzt sich alsbald mit den Hochtories aus der Bischofstraße, König von Ungarn   in Verbindung. Nun werden Listen des gesammten Personals angefertigt. Da werden aus jeder Bureau-Ablheilung 4 bis K überauskönigstreue" sogenannteVertrauensmänner" ausgesucht. Im November jeden Jahres, bei Festsetzung der Remunerationen, fehlt es nicht an Erkenntlichkeit für treue Dienste. Um das Agitationsfeld tüchtig zu bearbeiten, werden kurz vorm Wahltage alsdann dieseVertrauensmänner" 2 bis 3 Tage von den Bureauvorslehern beurlaubt, und in Zusammenkünften sowie durch persönliche Besuche bei sogenanntenkönigstreuen'" Familienhäupteru wird eiftig gearbeitet. Was sür ein Druck insbesondere bei der Verwaltung der O b e r- schlesischen Eisenbahn zur Wahlzeit auf die Arbeiter und kleinen Beamten im Arbeiterverhältniß ausgeübt wird, beweist die Thatsache, daß 1887 vor den Seplennatswahlen die Güter- boden-Arbeiter in Breslau   auf den Magazinen von Schuppen zu Schuppen von dem damaligen Expedilionsvorsteher väterlichst ermahnt wurden, durchausnur königslreu" zu stimmen, sonst--- In den verschiedenen Handwerker- Abtheilungen derMuster"- Werkstatt der Oberschlesischen Eisenbahn hat zur Wahlzeit dasSekretariat für Arbeiterpcrsonale" die größte Arbeit. Dann haben die Werkmeister und Werlsührer(früher Vorarbeiter genannt) diejenigen Wahllokale zu besetzen, wo die Hauptzentren der Arbeiter sich befinden, um es etwa einem zaghaften Arbeiter noch an der Nase abzusehen, ob er denn roth" wählt. Daß die latente Bevormundung der Arbeiter und der kleinen Beamten unausgesetzt stattfindet» beweist am schlagendsten die Thatsache, daß in alle nsozialdemokratische Volksversammlungen besondere Werkstattsbeämte entsendet werden, wie dies thatsäch lieh am 2. November 1890(bei Genosse Tutzauer's erster Berichts rede) der Fall war, was zwei protokollarische Vernehmungen zur Folge hatte. Doch die Eisenbahnbediensteten werden allen Bceinflussungs- versuchen zum Trotz ihre Pflicht thun. Geheim ist die Wahl, und die richtige Antwort aus die Ukase wird der 15. Juni gebe». Die Reichstagswahlen. Die Stichwahlen sollen, wie es heißt, bei dem diesmaligen Anlaß sämmtlich auf einen Tag festgesetzt werden. was bisher nicht immer der Fall gewesen. Wiederholt ist ein neugewählter Reichstag einberufen worden, bevor die Stichwahlen vollständig beendet waren. Dieses verfassungsmäßig zweifelhafte Vorgehen scheint in der bevorstehenden Session vermieden werden zu sollen. *) Man vergleiche damit folgende Mittheilung des Ham� buraerEcho" vom 7. Junr:Amtliche Wahl- agltation ist es natürlich nicht, was in den Bureaus der Eisenbahnverwaltung getrieben wird; beivahre, es ist eineAufklärung", die den Beamten seitens ihrer Vor- gesetzten zutheil wird. Seitens verschiedener Beamten der Eisen- bahn-Dircktion Altona   gehen uns Briefe zu, welche überein- stimmend folgende Mittheilungen enthalten: Am Sonnabend Morgen zirkulirte in den Direktionsbureaus ein interessantes Schriftstück. Dasselbe war mitGeheim" bezeichnet und wurde in verschlossener Mappe von einem Bureau ins andere getragen. In den einzelnen Bureaus ging ein Beamter damit herum und legte es den anderen vor, aber nur so lange Zeit, als nothwendlg zum Lesen war; offenbar befürchtete man das Abschreiben oder gar Verschwinden des Aktenstückes. Der In- halt kann von uns nur dem Sinne nach, nicht wörtlich, wiedergegeben werden. Das Schreiben(unter- zeichnet: Ter Präsident, i. V.:[gez.] Göring. Gesch.-Nr. S. I 79) verwies auf die Wichtigkeit der bevorstehenden Reichstagswahl und forderte alle Beamte und Arbeiter auf, sich an der Stimmabgabe zu betheiligen. Es handle sich nicht nur darum, Deutschland   nach außen zu stärken, sondern es gelte auch, den inneren Frieden zu wahren.. Die Beamten müßten sich der ihnen aus ihrem Beamtenverhältniß erwachsenden Pflichten erinnern und sie werden deswegen auf den Erlaß von 1882 dringend verwiesen. Das wird natürlich die zu unserer Partei gehörenden Eisenbahn- beaniten und deren sind nicht wenige und nicht blas Sub-. alternbeamte nicht hindern, am 15. Juni einen sozialistischen Stimmzettel abzugeben. Ist dies doch das einzige Mittel, ihrer Gesinnung Ausdruck zu geben, da jede öffentliche oder private Aeußerung ihrer Ueberzeugung die schwersten Nachtheile für sie im Gefolge haben würde.Im übrigen hilft's ja doch nichts" (das Schreiben nämlich), bemerkt uns einer der Beamten.D,e Beamten wissen zu einem großen Theil ganz genau, weshalb sie keine Zulagen bekommen und daß die Wahl geheim ist. Das Resultat wird dies wohl zeigen." Daß unter den Arbeitern der Eisenbahnverwaltung die Stimmung sür die Regierungssorde- runqen kein« bessere ist, als unter den Beamten, das liegt auf der Hand. Das berühmte Sparsystem der Eijenbahnverwaltnng hat den Leute* die Augen geöffnet." Ueber die AgitationStonr Singer's wird uns im An­schluß an den früheren Bericht noch gemeldet: Die Versammlungen in Duisburg  , Ersfeld   und Aachen   waren überfüllt. Hunderte konnten wegen Platz- mangels nicht in die Lokale und standen an den geöffneten Fenstern, in den Gärten und auf den Straßen. In dieser schwärzesten Pfaffenecke des Reiches fanden die wuchtigen Aus- sührungen Singer's gegen das Zentrum stürmischen Beifall bei den Volksmassen, und die wuthschnaubenden Artikel der Zentrumspresse über die Versammlunge», die Beschimpfungen unseres Genossen sind der deutlichste Beweis dafür, daß die Hiebe gesessen haben, die der Redner den klerikalen Brot- vertheurern verabreicht hat. Vorigen Donnerstag referirte Singer in Bochum   in einer Versammlung auf dem Schützenhof, die von etwa 6000 Personen besucht war. Trotzdem nur ein sogen. halber Feiertag war die protestantischen Unternehmer ließen ihre Arbeiter am Frohnleichnamstage nicht feiern waren die weiten Räume des Schützenyofes Nachmittags 4 Uhr fast bis in den letzten Winkel besetzt. Die Versammlung nahm ei»en vorzüg lichen Verlauf. Die Ausführungen des Referenten fanden laute Zustimmung, und anhaltender Beifall folgte dem Vortrage, worin unter Zugrundelegung des sozialdemokratischen Programms die gesetzgeberische Thätigkeit der Bourgeoisie nach Gebühr gegeißelt worden war. Ueber die Versammlung in Lüdenscheid   haben wir bereits berichtet. Bemerkt sei noch, daß Singer hier mit dem Nationalliberalismus und dem Freisinn scharf ins Gericht ging. Trotzdem eine ziemliche Anzahl Gegner im Saale   waren, kamen sie der Aufforderung des Vorsitzenden, sich gegen die An- griffe Singer's zu vertheidigen, nicht nach. In Elberfeld  gab es eine wahre Völkerwanderung nach dem Johannisberg. dessen Räume sich als viel zu klein für den kolossalen Andrang erwiesen. Die Zugänge zum Lokal wurden polizeilich gesperrt; im Saale standen die Massen dicht an einander gedrängt, um den oft durch stürmischen Beifall unterbrochenen Vor- trag zu hören. Nach Singer sprach Harm, und da auch hier von den Gegnern niemand das Wort nahm. wurde die Versammlung unter begeisterten Hochrufen auf die Sozialdemokratie nach etwa 2»/,, stündiger Dauer ge­schlossen. In Ronsdorf   und Remscheid  , wo die Partei die allerbesten Aussichten hat, den Wahlkreis dem Freisinn zu entreißen, fanden am Sonntag Versammlungen statt, die unge- mein stark besucht waren und in Erinnerung an den Ronsdorfer  Schwur sich verpflichteten, alles aufzubieten, um den Sieg an die sozialdemokratische Fahne zu fesseln. Die mächtige Schützeuhalle in Remscheid   war von etwa 3500 Personen besetzt, während min- bestens noch ebensoviel Menschen in das bereits 2 Stunden vor Beginn der Versammlung polizeilich gesperrte Lokal ver- gedlich Einlaß verlangten. Hier kam es zwischen einigen Antisemiten und dem Referenten zu lebhasten Auseim andersetzungen. Gegenüber den antisemitischen Behauptungen konnte Singer nachweisen, daß die Zahlen, welche angeführt waren, genau denselben Werth hätten, wie die bekannten Ahlwardt'schen Akten. Mit diesen unserer Sache einen glänzenden Erfolg ver- heißenden Versammlungen beendete Genosse Singer die Agitations- tour in Rheinland   und Westfalen  . Die dort überall herrschende Begeisterung und feste Entschlossenheit berechtigt uns zu der An- nähme, daß die Sozialdemokratie am 15. d. Mts. sowohl den Zentrumsthurm ins Wanken bringen, als auch auf einigen nationalliberalen und freisinnigen Hochburgen ihr siegreiches Banner aufpflanzen wird. Bis zum Wahltage wird Singer noch in Breslau  , Zeitz  , Naumburg  , Halle und Halberstadt   sprechen. Gieße», 6. Juni. Gestern Abend sprach hier Liebknecht in dem überfüllten Leib' fchen Saale über die Neuivahlen. Die Versammmlung nahm den Vortrag mit begeistertem Beifall auf und trotz der scharfen Angriffe, die ihnen zu Theil wurden, wagten die Vertreter der gegnerischen Partei nicht das Wort zu ergreifen. Die Antisemiten, die in dem hiesigen Wahlkreise, wen» auch nicht in unserer Stadt, bisher ihre Hockzburg hatten, ver- hielten sich mäuschenstill, und Herr Bockel, der ausdrücklich ein- geladen war, glänzte durch Abwesenheit. Nach allgemeinem Urtheil geht es mit dieser Radanpartei in unserem Wahlkreise, wie wohl auch anderswo, entschieden abwärts. Neber das Zentrum schreibt der Kandidat für Kel- heim, Dr. Sigl, in einer Erklärung an seine Wähler: Seit dem Ende des Kulturkampfes, seit es die gewiesenen Wege einer Volkspartei verlassen, seit es nach oben schielt und liebäugelt, ging es abwärts mit dem Zentrum, hat es kein Glück mehr, weder in seiner Politik, noch in seiner Führung. Was es bei den Wahlen dem Volke versprochen, und was das Volk mit Recht von ihm erwarten durfte, davon hat es nichts gehalten: nicht ge- mindert hat es die Lasten deS Volkes, sondern stetS erhöht; nicht beschränkt hat es den Militarismus, sondern gekräftigt und vermehrt; 1887, nach den Neuwahlen, enthielt sich das Zentrum der Abstimmung über die neue Militäroorlage (Septennat), gegen die es vor den Neuwahlen die heftigste Opposition gemacht hatte; 1890 stimmte es der neuen Armee- Vermehrung zu und hieß alle Marineforderungen gut, soweit sie Annahme fanden; es stimmte für den Zoll auf Petroleum wie aus Kaffee, für die Zuckerstener, für die Branntwein- stener inklusive der Millionen-Liebesgabe sür die Brenner, für die Biersteuer u. f. w.; die indirekten Steuern, welche die nothwendige» Lebensmittel so sehr vertheuern, wurden vom Zentrum fast ohne Widerspruch in gewünschter Höhe bewilligt." Mehr und rücksichtsloser noch als f. Z. die National- liberalen wußte das Zentrum es fertig zu bringen und mit sich und der Regierung znvereinbaren", sich über alle dem Volke gemachten Versprechungen hinwegzusetzen, dafür aber die eigenen, persönlichen und Partei- Int er- essen zu verfolgen und sich wohl zu fühlen im frei- willigen Lakaiendienste. Dazu aber war das Zentrum vom Volke nicht gewählt worden, den eigenen I n t e r- essen und Vortheilen das Wohl des Volkes zu opfern. Kann, darf man zu einer solchen, allzeit wortbrüchigen Partei und ihren Vertrauens- männern und Gewählten noch Vertrauen haben, von denen man gewärtig sein muß, bei nächster "elegenheit wieder betrogen und verrathen zu werden?" Sigl's Aufnahme im Wahlkreis Kelheim   war eine wahrhaft begeisterte. Die Sonntag Nachmittag-Wählerversammlung in Rottenburg  , von 2500 Theilnehmern besucht, nahm einen glänzenden Verlaus. Sigl's Wahl ist zweifellos gesichert. Was die Militärvorlage dem Bauer kostet! Mit den wenigen Mark niehr, die für die Heeresvermehrung auf den Kopf der Bevölkerung fallen würden, ist die Sache nicht abgethan, es kommt auch noch die sogen. Blutsteuer in Betracht, die schweren Opfer, welche die Dienstzeit dem Eingezogenen und seiner Familie auferlegt. Dieser Tage machte ein Landwirth eine Ausstellung, was einem kleinen Bauern ein Sohn in der. Uniform bedeutet: Lohn eines Knechtes 180 M., Kost desselben 210 M., Zugabe zum Lohne 20 M., baar dem Sohne 20 M., zusammen 490 M. Zieht man sogar die Kost nicht in Betracht, weil ja der Sohn in der Kaserne beköstigt wird, so bleiben noch immer 250300 M. Diese Rechnung mag nicht in allen Fällen stimmen, aber sie stimmt, wie dieVolks-Zeitung" mit Recht bemerkt, in vielen, und es giebt viele Leute, welchen diese oft vergessene vierte Steuer weit mehr Kopsschinerzen bereitet, als die drei anderen zusammen- genonnnen. Ein rührsamrs Klagelied stimmt dieFreisinnige Zeitung" in einem Leitartikel:Freisinnige Volkspartei  " oder Sozialdemokratie" an, worin u.a. die faustdicke Unwahrheit wieder aufgewärmt wird, daß unsere Partei in ihren Flugblätternfast bis zur Unkenntlichkeit ihre eigenen Ziele ver- hülle". Das ist nicht richtig. Wir agitiren offen, mit unserem Programm in der Hand, wir haben nichts zu verhüllen, wie der bankrotte, in zwei Lager gespaltene Deutschfreisinn, der nicht einnial im linken Flügel sicher steht, sintemal sich K a n d i- baten der Freisinnigen Volkspartei   nicht binden" wollen in Sachen der M i l i t ä r v o r l a g e. Herr- Richter jammert also: Das Volk will seinem Protest gegen diese Steigerung in den Wahlen einen scharfen und deutlichen Ausdruck geben. Dies giebt sich auch kund in zahllosen Zuschriften, welche uns aus den verschiedensten Kreisen zugegangen sind. Man verlangt in diesen Zuschriften aus Kreisen, in denen die freisinnige Partei bisher kaum dem Namen nach bekannt war. nach der Aufstellung eines Kandidaten der freisinnigen Volkspartei. Man verlangt eine solche Nominirung um so dringender, weil man andernfalls sich genöthigt sehe, zur Protesterhebung gegen die fortgesetzte Steigerung der Vollslasten den s o z i a ld e m o k r a t i s ch e njK a n d i d a t e n die Stimme zu geben. Diese Wendung kehrt fast gleichlautend in zahlreichen Zuschriften wieder. Die Verfasser sind dabei nichts weniger als Sozialdemokraten. Sie verwahren sich aus- drücklich gegen eine solche Voraussetzung. Gegenüber dieser Slinimung erscheint es auch als eine sehr zweifelhafte Taktik, zur Wiedereroberung bisher sozialdemokratischer Wahlkreise sich auf einen Gegenkandidaten zu einigen, der keine scharfe Stellung einnimmt gegenüber der jetzt wieder beabsichtigten Steigerung der Militär- und Steuerlasten. Selbst in Wahlkreisen, in denen Kandidaten der freisinnigen Vereinigung aufgestellt sind, ohne Gegenkandidaten der freisinnigen Volkspartei, erhebt man das Verlangen nach Ausstellung von Zählkandidaten von unserer Seite, und wäre es auch nur um zu verhindern, daß Hunderte und Tausende von Wählern den Sozialdemokraten ihre Stimme geben. Wir können dies lediglich den lokalen Führern oder Wahlkomitees anheimgeben. Die Scheidung der freisinnigen Partei in die freisinnige Volkspartei und die sreisumige Vereinigung ist vor sich gegangen ohne taktische Hintergedanken. Im Gcgentheil. Man verhehlte sich damals beiderseitig nicht, daß die Scheidung an sich die Wahlaussichten für jeden Theil vermindern könne. Die Scheidung vollzog sich also infolge einer inneren Roth- wendigleit. Heutzutage aber kann kein Zweifel mehr darüber be­stehen. daß ohne diese Scheidung die Sozialdemokratie Erfolge würde errungen haben in bisher freisinnigen Wahlkreisen, welche jetzt in der Hauptsache ausgeschlossen oder zum mindesten sehr erschwert erscheinen. Den sozialdemokratischen Flugblättern ist durch die Scheidung gewissermaßen das Konzept verdorben worden, die Festigkeil und Widerstandskraft gegen die Steigerung der Militär- und Steuerlasten anzuzweifeln.(Na, na! Das Konzept verrückt kein Wadelstrumps und kein Richterscher unseren Flugblättern. Red. d.V.") Trotzdem wird die freisinnige Volkspartei vielfach nach links hin einen sehr schweren Stand haben. Die Organisation und Agitations weise der sozialdemokratischen Partei i st seit 1890 außerordentlich vervoll- kommnet worden. Die sozialdemokratische Partei kann in die Stichwahl gelangen in solchen Wahlkreisen, in denen man dies bisher k a u m f ü r m ö g l i ch h i e l t. Je mehr die freisinnige Volks- partei in solchen Kreisen auch von rechts her bedrängt wird. desto nzxhr wird naturgemäß ihre Widerstandskraft nach links geschwächt. Auch jede von dritter oder vierter Seite dazwischen geschobene Zählkandidatnr erschwert in der Regel den Kampf und fördert die Aussichten der Sozialdemo- k r a t i e, in die Stichwahl zu gelangen." Unsere Genossen sehen, wie die Dinge liegen. Vom Deutsch- freisinn flüchtet sich die Wählermasse zur einzigen wahrhast demo- kratischen Partei, zur Sozialdemokratie. Das, Herr Richter. ist der wirklicheRuck nach links". Wie der Deutschfreisinn wackelt. In S o r a u ist in einer Generalversammlung desliberalen Wahlvereins" der frühere Abgeordnete Kuno I e s ch k e wieder als Reichstags. Kandidat aufgestellt und ihm überlassen worden, ob und welcher der bestehenden freisinnigen Fraktionen er sich im Falle seiner Wahl anschließen wolle!!!! Ans Mttlhansen i. E. wird derFrankfurter Zeitung  " unterm 5. Juni gemeldet: Der Wahlaufruf der Sozial- d e m o k r a t e n, der in Taufenden von Exemplaren hier gestern zur Vertheilung gelangte, ist auf grund der Zz 131 und 95 des Strafgesetzbuches beschlagnahmt worden. DerExpreß" bedauert dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft und meint, dadurch würde der sozialistischen   Sache eher genützt als gc- schadet, da die Sozialisten zu Märtyrern gestempelt würden. Wer den Charakter der Ober-Elsässer kennt, muß dieser An- ficht beistimmen. So ruhig und friedliebend sie sind, jeder Einspruch reizt sie zum Widerstände und dann heißt es:Sinn gerade!" Freisinnige Wahrheitsliebe. Herr Eugen Richter   erbost sich über das jüngst von sozialdemokratischer Seite herausgegebene SchristchenDie Thätigkeit des deutschen Reichstages" und versucht, den Freisinn von den gegen ihn erhobenen Bor­würfen zu reinigen. Wie er dabri mit der Wahrheit um- springt, dafür nur folgendes Beispiel. In der zitirten Schrift heißt es: Ein erheblicher Theil der Freisinnigen stimmte f. Z. sür die Kulturkampf- Gesetze, ebenso für das S o z i a l i st e n g e s e tz. ein anderer Theil zog es vor. sich vor der Abstimmung über die Verlängerung des Sozialisten- gesetzes zu drücken. Es ist eine Partei, deren politische Grund- sätze fließen." Dazu bemerkt Herr Richter:Die Behauptung, daß bei dem Sozialistengesetze ein Theil der Freisinnigen sich von der Abstimmung gedrückt habe, ist unwahr. Bei der be- treffenden Abstimmung über das Sozialistengesetz im Früh- jähr 1884 fehlten unter den 100 Mitgliedern der freisinnigen Partei 2 Mitglieder als krank, 3 als beurlaubt, 4 als entschul- digt und 4 als unentschuldigt. Unter den letzteren war ein Mit- gtted schon seit Monaten krank und ein anderes mit einem Konser- vativen abgepaart. Niemals haben die Sozialisten mit der An- siihruug von Namen aus der Zahl von Fehlenden auck nur den Versuch gemacht, den obigen allgemeinen Vorwurs gefiissentlichcr Abwesenheit bestimmte» Personen gegenüber wahr zu halten." Ter wahrheitsliebende Herr Richter klammert sich einmal wieder zur Rettung der Partei-Ehre an Nebensächlichkeiten gn, um dj  ,