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gefährliche' Gesinnung, dieses Aufkegehren gegen die gottgewollten Abhängigkeiten" zeugte von einer so bedenklichen Gesinnung, daß man Geldstrafen als unzu- länglich ansah und auf G e f ä n g n i s st r a f e n von drei und vier Wochen erkannte I Endlich zitiert das freisinnige Blatt den Fall des Kellners des Gasthofes zu Nossitten, der zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden war, weil er einen OberkriegSgerichtsrat dadurch beleidigt hatte, daß er ihn aus Versehen auf Grund eines Steck- briefes als den gesuchten Lustmörder erkannt zu haben glaubte, und den Beteuerungen des vermeintlichen OberlriegsgerichtsratS keinen Glauben geschenkt hatte. Auch dieser Mann, der in dem guten Glauben, der Rechtspflege zu dienen und einen verruchten Lu st mörder den Justiz in die Hände zu spielen, einen mehr lächerlichen als tragischen Fehlgriff getan hatte, mußte zu schwerer Gefängnis st rase verurteilt werden, da er ja nicht einen gewöhnlichen Sterblichen, sondern einen hohen Beamten eines Verbrechens bezichtigt hatte! In der Tat, Ivenn die Verurteilung der Bonner Korpsstudenten in Verbindung mit all den erwähnten Fällen nicht als der unver- fälschteste Akt einer Klassenjustiz bezeichnet werden kann, so hat es niemals eine Klassenjustiz gegeben I Daß die Richter in ihrer großen Mehrheit selbst gar kein Empfinden für das Ungeheuerliche ihrer von klassenpshchologischen Motiven diktierten Rechtsprechung haben, ist ja kein Beweis dafür, daß nun auch keine Klassenjustiz existiere, sondern nur dafür, daß ihnen jeglicheFähigkeit fehlt, sich von den Scheuklappen ihrer reaktiv» nären kapitalistischen   Auffassungsweise zu be- f r e i e n I Und diese Klassenjustiz wird auch nicht«her verschwinden, als das Proletariat in Preußen das gleiche Wahlrecht errungen haben und mit den klassenstaatlichen Vorurteilen unserer Behörden im allgemeinen und unserer Justizorgane im besonderen gründlich aufgeräumt haben wird!_ Die keichztsgsnzchtvshl in Pommern  . AuS Ponunern wird uns geschrieben: Der Wahlkampf im Kreise Ueckermünde  » Usedom- Wollin  , dessen bisheriger Vertreter, der Fortschrittler Doktor Delbrück  , bei einer Freiballonfahrt deS Pomnierschen Luft- schiffervereinS nebst zwei anderen Personen den Tod fand, ist in der letzten Woche nun einigerinaßen in Fluß gekommen. ES stehen sich drei Kandidaten gegenüber, nachdem eine nationalliberale Kandidatur zugunsten der Freisinnigen zurückgezogen wurde und die Aufstellung eines Handwerkerkandidaten, die eine Zeitlang beabsichtigt war, gar nicht zustande kam. Die Konservatiben präsentieren einen typischen Junker, einen Herrn v. Böhlendorff-Külpin, der, wo er sich selber in Versammlungen vorstellt, einige Minuten seine einstudierten Sätzchen vorträgt, sich mit seinen Verdiensten um ein Lokalbähnchen brüstet und sich dann von irgend einein Parteigenossen, den» Mittelstands- retter Abg. Pauli, dem Rechtsanwalt Bredereck oder feinem Standesgenossen v. Brockhusen assistieren läßt. Auch sein Wahlaufruf ist von lapidarer Kürze und man sieht es dem ganzen konservativen Wahlbetrieb auf den ersten Blick an, daß man sich weniger auf die Kraft der Argumente als auf die Macht der reaktionären Gewohnheit und eventuell deS junkerlich-amtlichen Wahlapparates verläßt. Trotzdem die Konservativen 1907 nur durch den Trubel der Hottentottenwahlen in die Stichwahl kamen, geben sie die Hoffnung nicht auf, den Kreis zu gewinnen; sie spekulieren darauf, daß die inzwischen, besonder» in dem industriellen Bezirk Ueckermünde  , stark gewachsene Sozialdemokratie den Liberalen mehr Abbruch getan habe, als ihnen auf den noch ländlichen und einiger- maßen rückständigen Inseln und so ganz dumm ist ihre Rechnung in der Tat nicht. Ihre Herzensmeinung hat wenigstens für die Hauptwahl ihr Kandidat ganz unumwunden ausgesprochen, als er in einer Versammlung sagte:.Wenn Sie mich nicht wählen wollen, so. wählen Sie mindestens nicht den Liberalen, sondern Kuntze(den Sozialdemokraten)." Die Herren kennen ihre liberalen Pappenheimer genau und hoffen eben auf ihre Wahlhilfe bei der Stichwahl. In ihren Versammlungen gaben die Konservativen bisher Redefreiheit, auch sandten sie selber Redner in gegnerische Versammlungen. Die vereinigten Liberalen haben sich auf den Justizrat Herrndörfer in Swinemünde   geeinigt, einem älteren Herrn, der jedenfalls neben dem Rektor JudS in Kolberg   die Führung der pommerschen Provinzialgruppe hat. Er gehörte zwar früher der sezessionistischen Vereinigung an, darf sich aber in seiner beschränkten Denkweise sehr wohl zur Schule Eugen Richters zählen. Seine Agitation wendet sich selbstverständlich in der Hauptsache gegen die Konservativen und deren Steuerpolitik und beschäftigt sich in Wahlaufruf und Reden nicht allzulange mit der Sozialdemo- kratie, aber daS Wenige genügt vollkommen, ihn als einen sehr rück- ständigen Politiker zu kennzeichnen. Zerstörung der Familie, Re- publikaniSmuS, Untergrabung der Wehrkraft deS Reiches daS sind, wie er sagt, die.Endziele" der Sozialdemokratie, mit denen er sein Publikum graulich zu inachen versucht. Auch die Aufhebung des Eigentums marschiert gelegentlich»nal mit auf. Aber bei dem eigentumSlosen Eisengießerei-, ESgerei- und Waldarbeiterproletariat sowie den armseligen Mchern pbt das keine Wirkung mehr, und auch die monarchische und militärische Verbohrtheit ist Hierselbst be- reitS soweit im Schwinden begriffen, daß die Arbeiter selbst beim liberalen Kaiserhoch nicht mehr aufftehen.-» Auch Herrndörfer läßt sich durch auswärtige Redner Hilfe leisten; letzten Sonntag sprach u. a. G o t h e i n in Groß-Ziegenort am Haff, wo er einem alten Seemann, der ihm zwar ungelenk, aber nicht wirkungslos e»»tgegen- trat, replizierte:.Wenn die Sozialdemokraten mit den Liberalen so umspringen, dann werden bei eventueller Stichwahl mit dem Konservativen wohlvieleLiberalefürjenenstimmenI" Optiniistisch klingt das ja nach keiner Richtung hin. Von unserer Seite ist der Kandidat Alex. Kuntze- Stettin im Kreise angestrengt tätig; er sprach schon an vielen Orten, besonders auf Usedom  »md Wollin  , die noch»»ie eine politische Ver- siunmlung gesehen haben, am allerwenigsten eine sozialdemokratische und nun gar unter freiem Himmel. Auch die übrigen rednerischen Kräfte stellt Stettin  . Am Sonntag waren gegen zehn tätig. Vor- trefflich verlief Sonnabend eine Versammlung auf einem öffentlichen Platze der Stadt W o l l i n; während die Liberalen(m i t den er- schienenen Sozialdemokraten) kurz vorher kaum 100 Manu auf die Beine gebracht hatte»»,»varen hier gegen 800 Personen zusammen­gekommen und unsere Redner erzielten dort einen ausgezeichneten Erfolg. Die Hauptarbeit werden wir noch nächsten Sonntag und die folgende Woche bis zun» Wahltage(Donnerstag) zu leisten haben; das Resultat wird zeigen, daß es selbst in Pommern   rapid vorwärts geht. Wer von den Gegnern mit in die Stichwahl komint, ist»licht eininal zu ahnen, sicher aber ist, daß wir auf unseren Kandidaten, der 1903 öll43(zirka 34 Proz. aller abgegebenen Stinrmen) und 1907 3113 Stimmen(zirka 30 Proz.) erhielt, und vor sieben Jahren bereits in die Stichwahl kain, dieSnral eine ganz beträchtlich höhere Zahl, sowohl absolut als prozentual, vereinigen werden. poUtifchc Ocberlicbt Berlin  , den 2, Juni 1910. Vom Polizeistaat Preusten. DaS preußische Abgeordnetenhaus setzte am Donnerstag nach Erledigung einer Reihe kleinerer Vorlagen die Beratung des sozial- demokratischen Antrages betr. Aufhebung von Bestimmungen des Aufnahmegesetzes vom 31. Dezember 1842, deS sogenannten Vagabundenparagraphen, fort. Nach diesem Gesetz steht der Polizei das Recht zu, vorbestraften Personen die Niederlassung an bestimmten Orten zu verbieten, und bekanntlich hat die Polizei »»amentlich in Groß-Berlin, nicht nur gegenüber solchen Personen davon Gebrauch gemacht, die unter Polizeiaufsicht stehen, sondern auch gegenüber Sozialdemokraten, die wegen po- litischerVervrechen" eine Strafe verbüßt haben. Wie die Konservativen, so will auch die Regierung von der Aufhebung des Gesetzes nichts wissen. Wie Unterstaatssekretär Holtz ausführte, hat die Regierung einschränkende Aussührungs- bestimmungen erlassen, die ihrer Meinung nach vollkommen aus- reichen. Lediglich um von diesen Bestimniungen Kenntnis zu er- langen, wünschten die Siationalliberalen die Beratung des Antrages in einer Kommission. Auch von den Freisinnigen warKominissions- beratung beantragt worden. Trotzden» hielt das HauS den Antrag nicht eininal einer Konunissionsberatung für wert, er wurde sang- und klanglos abgelehnt, es bleibt also bei der polizeilichen Willkür, die Lieb kne cht in seinem Schlußwort noch einmal drastisch ge- kennzeichnet hatte. Ein zweiter sozialdemokratischer Antrag betras die politische Polizei. Unsere Genossen hielten es für nötig, ihrem prinzipiellen Standpunkt entsprechend, genau so wie sie bereits zun» Etat eine»» Antrag auf Abschaffung der politischen Geheiinpolizei gestellt hatte»», nunmehr an die Regierung das Ersuchen zu richten, ungesäumt dafür Sorge zu tragen, daß dem Treiben von Beamten oder Agenten der politischen Polizei außerdeutscher Staaten in Preußen ein Ende gemacht wird. Genosse Liebknecht  , der diesen Antrag vertrat, entrollte unter Beibringung eines erdrückenden Beweisinaterials ein abscheuerregendes Bild der niederträchtigen russischen Polizeispitzeltvirtschaft. Er zeichnete ein markantes Bild der Oberspitzel Azew und Harding, die unter Mitwiffen der russischen Polizeibehörden, die ungeheuerlichste Lockspitzeltätigkeit entfalteten und unzählige Attentate anstifteten, dabei auch in Deutschland   und Preußen den Schutz und die Unterstützung der Polizei- behörden genoffen l Aber auch die ga>»ze diplomatische und politische Schandwirtschaft Rußlands   in den Balkanstaaten, in der Türkei  , in Persien   usw. unterzog der sozial- demokratische Redner einer vernichtenden Beleuchtung, um daraus für jede anständige, auf ihre Ehre haltende Regierung die kategorische Verpflichtung abzuleiten, sich von dieser schmachbeladenen und schmutz» besudelten russischen Regierung in möglichst weiter Entfernung zu halten. Eine Kennzeichnung, die unserem Genossen zwei Ordnungs- rufe des sich eifrig der.befreundeten" Regierung annehmenden Herrn Kröcher eintrug. Die bürgerlichen Parteien verließen zeit- weilig bis auf 2 3 Streikposten vollständig den Saal, so daß eine halbe Stunde lang die Sozialdenrokratie die Mehrheit bildete. Am Schluß kehrte wenigstens die Rechte zurück die wichtige Fraktions- sttzung, die sie vorgeblich zuin Verlassen deS Saales genötigt, hätte also auch ganz gut am Schluß der Verhandlungen stattfinden können. Der sozialdemokratische Antrag wurde schließlich gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. DaS»hohe HauS" be» stätigte damit die Charakteristik, die ihm Genosse Liebknecht   hatte angedeihen lassei»._ Tie Erhöhung der Zivilliste. Die bürgerlichen Parteien des Landtags benutzten die Sitzung am Donnerstag, um wohlverstanden noch während der offiziellen Sitzung, in ihren Fraktionszimmern über die Erhöhung der Zivilliste zu beraten. Die Erhöhung der Zivil Ii sie also ist jene geheimnisvolle Vorlage, von der seit einiger Zeit die Rede ist, und die Herr v. Heydebrand Wohl meinte, als er im letzten Seniorenkonvent die Regierung ersuchte, die Session nicht noch mit neuen Vorlagen zu be- packen. Aber diese Andeutung eines Widerstandes scheint gebrochen zu sein. Herr v. Bethmann Hollweg   geht dem größten Erfolg seines staatsmännischen Daseins entgegen. Er hat bei dieser in seinei» Augen vermutlich imaleich tvichti- geren Vorlage anders operiert, als bei der Wahlreform. Zunächst ist sämtlichen Parteien, außer der unseren eine Ehre, die wir durchaus zu schätzen wissen erst einmal ver­traulich auf den Zahl» gefühlt worden, und die heutigen Fraktionsberatungen haben ein für die Vorlage sehr erfreu» liches Ergebnis gehabt. Möglich, daß eine Million von der ganzen Forderung abgestrichen wird, das übrige wollen sämt» liche Parteien des Bürgertums, einschließlich der freisinnigen Mannesseelen, bewilligen. Man rechnet stark damit, daß mindestens drei Millionen Mark mehr pro Jahr dabei für den Inhaber der Krone herausspringen werden. Die Regie- rung dürfte etwa 4 309 999 M. fordern, so daß die bisher 15719296 M. betragende jährliche Zivilliste auf die runde Summe von 29 Millionen Mark steigen würde. Auf 19 Mil- lionen Mark will man sich einigen. Höchst interessant ist die B e g r ü n d u n g der Forderung. Sie wird ganz wie sonstige Teuerungszulagen mit dem Steigen der Lebensmittelpreise begründet. Mit frommem Augenaufschlag bemerkt das Scherlblatt: der Haushalt des Königs werde von der Erhöhung der Lebens» mittel genau so getroffen, wie der Haushalt jedes Bürgers. Weiter wird für die Millionenforderung der Hinweis auf die notwendige, aber bisher noch nicht erfolgte Erhöhung der Hofbeamtengehälter ins Treffen geführt. Für die Erhöhung der Bezüge der für Glanz und Würde des Königstum von Gottesgisaden augenscheinlich unentbehrlichen Lakaien und Kammerdiener werden drei Viertel Millionen in Rechnung gestellt. Als weiterer zureichender Grund der Mehrforderung werden die wachsenden Ausgaben für Schlösser, Theater usw. angeführt, sowie der Umstand, daß der König durch die rasch auseinanderfolgende Verehelich ung seiner Söhne immer stärker mit Zuschüssen an die jungen Paare in An- spruch genommen wird. Wohl verstanden, es handelt sich um eine laufende Erhöhung� nicht ettva um eine ein- m a l i g e. Den durch seine Schuld arbeitslos ge- wordenen Tabakarbeitern hat der Reichstag   be- kanntlich nach langem Hängen und Würgen vier Millionen einrnalige Unterstützung gewährt und sich mit Ach und Krach dazu verstanden, noch ein paar weitere Hunderttausend Mark hinzuzufügen. Die Summen sind längst verbraucht, wie ja erst vor ein paar Wochen offiziell festgestellt worden ist. Es wird den arbeitslosen Tabakarbeitern sicher ein tröstliches Gefühl sein, daß die preußische Regierung aus ihrem Schicksal gelernt hat. Selbstredend wird unsere Fraktion diese Vorlage, die wohl schon in den nächsten Tagen den Landtag beschäftigen wird, auf das allerschärfste bekämpfen. » Nach einer änderen Version ßaden bis burgtkriichen Parteien beschlossen, für dieses Jahr der Erhöhung der Zivilliste nicht zuzustimmen, wohl aber der Ein- setzung von 2� Millionen Mark alsZu schütz fürdieköniglichcnTheater. Das wäre nur eine Verfchleierung ihrer Zu« st i m m u n g zu einer Erhöhung der Zivilliste um vor« läufig 21/i Millionen Mark. Pfaffengezänk. Die päpstliche Enzyklika über den heiligen Borpomaus enthält eine Reihe gröbster Beschimpfungen gegen die prote- stantischen Reformatoren und die heutigen Modernisten. Wir habei» einige Kraftstellen schon vor einigen Tagen an anderer Stelle veröffentlicht, die beweisen, daß Papst Pius X  . nicht nur im Denken, sondern auch in der Sprache ganz in jener Zeit dem 16. Jahrhundert lebt. Es wurde damals eine recht kräftige Sprache gesprochen und man muß dem Papst schon das Zeugnis ausstellen, daß er an den wichtigsten Stellen nicht hinter dem zurück bleibt, womit etwa Luther  den Vorgängern Pius' X.   gedient hat. Rur   daß freilich Luther   damdls das historische Recht auf seiner Seite hatte. Der preußischen Reaktion sind aber die päpstlichen Stil- Übungen sehr gelegen. Der fromnieReichsbote" wittert schon Kulturkampfluft. In der Tat könnte auch den Konser- vativen nichts gelegener kommen als die Aufmerksamkeit von ihren politischen Geschäften mit dem Zentrum dadurch abzulenken, daß sie eine frisch-fröhliche Rcligionsdisputation anfangen. Aber viel Aussicht auf die Realisierung solch sauberen Planes besteht allerdings nicht. Das Volk tvciß zu genau, daß die in beiden Kirchen Mächtigen dasselbe Interesse an der Nicderhaltung und Ver- d u m m u n g d e r M a s s e n haben. Wäre es anders, sie würden nicht der einzigen Maßregel widerstreben, die mit einem Schlage die Religion wirklich zur Privatsache und eben dadurch die Kirchen machtlos machen würde: der Tren» nung der Kirche voin Staat, der Befreiung vor allem der Schule von der Herrschaft der Pfaffen. Und ebenso mögen uns die N a t i o n a l l i b e r a l e n mit ihrem Geschrei gegenRom  " verschonen. Sie sind es ja, die in Preußen durch ihre schmähliche Zustimmung zu dem Schulkompromiß die Macht auch der katholischen Kirche  gestärkt, die Volksschulen den Pfaffen ausge- liefert haben. Sie sind die letzten, denen der Kampf um Geistesfreiheit geglaubt würde._ Dem Zentrum namentlich könnte kein größerer Ge- fallen geschehen als wenn man ihm den heimlichen Wunsch erfüllte und recht kräftig auf den Papst losschlüge. Das gäbe ja die längst ersehnte Gelegenheit, statt den erbitterten Wählern über Finanzreform und Wahlrechts- verrat Rede stehen zu müssen, ihnen von denLeiden und Verfolgungen des heiligen Vaters" vorlamentieren zu können. Die Aufbauschung der an sich sehr gleichgültigen Urteile des Papstes ist also nur ein reaktionäresJntereffe; dem Schwindel muß also beizeiten entgegentreten werden. Ein zerstörtes Prestige. Der»Franks. Ztg." wird über das Rededuell Gwinner« Rhein  » haben von einem Eachverstimdige»» geschrieben: Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. Und wer es geschickt ansängt, bleibt so Umge in Ansehen, bis er schließlich doch an den Richtigen kommt, der ausspricht, waS die Fachleute über ihn denken. Darin liegt die Be- deutnng deS Gerichtes, das in der Montagssitzung des preußischen Herrenhauses über den Finanzminister v. Rheinbaben gehalten worden ist. WaS der Bankdirektor v. Gwinner mit seiner entschiedenen Zurückweisung der geringschätzigen und jonglierenden Art bezweckte, in der der Finanzminister seine strenge Kritik zur Seite zu schieben versucht hatte, daS war nur. endlich einmal zu sagen, daß dieFinanzwelt den heutigenpreußischen Finanzmini st er überhaupt nicht als Fachmann anerkennt. Und obgleich in dem bei uns seltenen Beispiel der Entlarvung junlerlichen Hochmuts in diesem Junkerhause ein Ver- treter des Bürgertums(der Oberbürgermeister, den die Magdeburger  vor einigen Jahren an Stelle des trefflichen Schneider gewählt haben) die Geschmacklosigkeit hatte, den, Hilflosen mit ein paar Trostworten beizuspringen, so endete die Aussprache damit, daß Herr v. Gwinner erreichte, WaS er angestrebt hatte: einem Urteile Gehör zu verschaffen, daS längst gesprochen, aber bisher noch nicht ausgesprochen war. Herr v. Rheinbaben glaubte, eine Kritik als nicht mehr berechtigt abweisen zu können, wenn sie so weit gehe, ihm jede finanzwirtschaftliche Einsicht abzusprechen. Der Herr Ftnanzminister irrre sich: WaS gesagt worden ist, war daS mindeste, was gesagt werden mutzte. Die. Deutsche Tageszeitung" ist über diese Charak- terisierung ihres Vertrauensmannes, den der schwarzblaue Block am liebsten zum Reichskanzler ernannt sähe, in große Wut geraten. Sie erinnert sich sogar,»daß vor nicht allzulanger Zeit der Durch» schnitt der in der Berliner   Bankwelt beschäftigten Intelligenz von inttmen Kennern außerordentlich geringschätzig beurteilt wurde". Aber diese Retourkutsche wird dem Brotwuchcrorgan, daS von Intelligenz mit Rücksicht auf seine Wähler lieber nicht allzu viel reden lallte, nichts helfen. Herr v. Rheinbaben gehört zu den in Neudeutschland so häufigen»auf» gelobten" Kapazitäten. Wird aber erst einmal über solche Herren die Wahrheit gesagt, dann bricht die Mache zusammen: DaS n,uß nun Herr v. Rheinbaben auch erfahren und daher seine und seiner Gefolgsleute Gereiztheit._ Eine imposante Wahlrechtsdemonstration in Breslau  . Aus Breslau   wird uns geschrieben: Vor über 10 000 Männern und Frauen referierte am Mittwoch- abend im Garten des.Bergieller", gegenüber dem Gefängnis, Ge- nosse S t r ö b e I- Berlin übe: das Thema:»Die Kmnödie ist aus der Kampf geht weiter I" Noch vor fünf Wochen hatte für denselben Garten der Polizeipräsident eine Ver« sammlung verboten. Daraufhin hatte man ihm ein arges Schnippchen geschlagen; man veranstaltete die Versammlungen in Sälen und verlegte dann auf Grund des ß 8 deS Vereinsgesetzes die Versammlungen in die Gärten. Mit langer Nase stand die Polizei da... Da nun die.Volkswacht" dem Präsidenten offen angedroht hatte, es diesmal genau so zu machen, wenn man die Kundgebung gegen die Junker wieder verbieten sollte, so hatte der Präsident sich belehren lassen und ohne viel Federlesens das Meeting genehmigt. Und wieder lachte ganz Breslau   diesmal aus Freude über deu gelungenen Sieg über die Polizei. Die Kundgebung bot auch insofern etwas Neues, als sie für 7 Uhr abends, sofort nach Feierabend, anberaumt war. Das hatte zur Folge, daß über Erwarten viel Volk sich einfand. Die Arbeiter» sänger begannen mit der wuchtigenInternationale", worauf Genosse Lobe dem Referenten als dein besten Sachkenner der Wahl» resorn, und dem Vorkäinpfer für die Verscharrung des Bethmannschen Monsirllms das Wort erteilte. In einslündiger Rede entwarf Genosse Strobei ein großzügiges Bild der augenblicklichen Situation und der künftigen Aufgaben, siürniischen Beifall und Hochrufe erntend. ES war ein seltsam imponierendes Bild: Auf dem Musik­podium inmitten des Riesengartens stand der Redner, ringsumher all die Tausende, die mit große»» Interesse seinen Worten lauschten