und noch sind die«usführunasdestimmungen des Bundesrats zumGesetze nicht veröffentlicht. Trotzdem zeittf sich, worauf wir jüngstschon kurz hinwiesen, ein ungewöhnlich lebhaftes Treiben in der- Raliindustrie und in den dieser nahestehenden Finanzkreisen. Allent-halben werden in einer überraschenden Fülle Finanzprojekte vongrosser Tragweite, Gründungs-, Teilungspläne und dergleichen vor-gelegt. Es läßt sich bereits übersehen, daß die Kapitalinvcstitionin der Industrie in einem enorm beschleunigten Tempo erfolgt,und daß durch das Gesetz eine ganze Reihe von Kaligründungen an-geregt wurde."_Gewerbliche Betriebsstatistik.Nach der sozialen Stellung im Betriebe sind von den bei dergewerblichen Berufsstatistik im Juni 1907 ermittelten 14,1 Millionengewerbtätiger Personen 3,1 Millionen Betriebsleiter. Bon etwa1 Million Angestellten gehören 670 099 zum Berwaltungs- undKontorpersonal und 367 000 zum technischen Betriebs- und Aufsichts-personal. Die eigentlichen Arbeiter und Gehilsen zählen 9,36 Mil-lionen; dazu treten noch nahezu 1 Million i93S216> im Betriebe ihresVerwandten mithelfende Familienangehörige. Gegenüber der Zählungim Jahre 1895 haben die Lohnarbeiter eine Zunnahme um 2,8 Millionenoder 11 Proz. erfahren; den mithelfenden Familienangehörigen wie denAngestellten insgesamt sind je über eine halbe Million Personenmehr zugeströmt. Hier zeigt sich ein verhältnismäßig weit rascheresWachstum als bei den Arbeitern, da eS sich auf 135 bezw. 122 Proz.der Grundzahl bei der vorigen Gewerbezählung stellt. Die Zu-nähme der Betriebsleiter von Betrieben, welche mit Gehilfen oderMotoren arbeiten, ist über Erwarten hoch, sie beträgt 100 900 odernahezu ein Drittel der Zahl im Jahre 1895. Abgenommen hat da-gegen wieder wie damals die Zahl der Inhaber der Zwergbetriebe;ebenso die Zahl der allein nnd ohne Motorenbenutzung arbeitendenInhaber der„Alleinbetriebe" im statistischen Sinne.Deutsch-französischer Handel 1909.Die Einfuhr aus Frankreich betrug 1909 im SpezialHandel ohne. Edelmetalle 184,7 Millionen Mark gegen 120,0 Millionen Mark imVorjahre, die Ausfuhr dahin 451,8 gegen 437,9 Millionen Mark. DieEinfuhr nahm mehr zu als die Ausfuhr, nämlich um 15,4 Proz.gegen 3,9 Proz. der letzteren. Aus Frankreich lvurden hauptsächlichbezogen: Kammzng<50,8 Millionen Mark), Faßwein(17), Kalbfelle(14,5), Wolle(14,3), Pelztierfelle(12,7), ungefärbte Maulbeerspinner-rohseide(12,6), Rotkleesaat(10,6), Schaumwein(3,3), Eisenerze(8,2),Oelkuchen(8,1), dichte Seidengewebe(7,2 Millionen Mark), währenddahin abgesetzt wurden: Pelztierfelle(50,1), Steinkohlenkoks(28,6),Steinkohlen(25,1), Fahrradteile(12,8), Wollstoffe(10,7), Eisenerze(7,1), rohes Kannpgarn(7), Lokomotiven und Tender(6,8), Ober-leder(6,6), Holzstoff(6,1), Kindcrspielzcug(5,7), Metallbearbeitungs-Maschinen(5,5), Teerfarbstoffe, Rindshäute, Chlorkalium, Wollabfällemit 4,7 bis 4,2 Dtillionen Mark.Während 1903 die Ausfuhr nach Frankreich zum erstenmal größerwar als die Einfuhr von da, übertrifft letztere wieder die Ausfuhrum fast 30 Millionen Mark._Gyndikatspolitik-Lohndruck. Das Rheinisch-westfälische Kohlen-shndikat wird wegen seiner hohen Preisforderungen seine Ware inDeutschland nicht loS und es ist daher gezwungen, sie in das Aus-land zu verkaufen, was natürlich nicht ohne Preisopfer geschehenkann. Damit drückt eS aber auf das dortige Preisniveau. Das istin Belgien der Fall, wo die Gruben schon seit Jahren über denstarken Wettbewerb klagen, der ihnen von Rheinland-Westfalen ausgemacht wird. Sie werden durch diese Unterbietungen gezwungen,auch ihre Forderungen zu ermäßigen, und wollen jetzt die Kostenauf die Arbeiter abwälzen. Darauf haben diese jetzt erneut miteinem allgemeinen Streik gedroht.Gerichts-Leitung.Vertagung im Schönebeckprozeh?Aus Allenstein wird gemeldet, Frau Weber habe gestern wieder-holt schwere Anfälle gehabt. Sie hatte sich gegen Mittag wiederschon vollständig beruhigt, als plötzlich nachmittags um 4 Uhr ihrSchwager, der Kaufmann Weber, in das Hotel„Deutsches Haus"gestürzt kam, wo die drei Verteidiger zu Mittag speisten undkonferierten, und sie benachrichtigte, daß plötzlich bei Frau Weberein WahnstnuSausbnich erfolgt sei. Die Verteidiger stürzten sofortzum„Hotel Kronprinz" hinüber, in dem das Ehepaar Weberwohnt, und fanden die Angeklagte in größter Aufregung. Sie tobteförmlich. Sie schrie:„Ich werde wahnsinnig! Wahnsinnig!" undwiederholte das endlose Male. Ihren Ehemann schrie sie fort-während an:„Du bleibst bei mir! Sie wollen mich nach Kortaubringen! Ich habe in Kortau gesehen, wie die Leute verrückt werden.Ich will nicht nach Kortau! Ich bleibe hier!" Und dann wieder«holte sie immer wieder:„Ich werde wahnsinnig!" und tobte. DieVerteidiger und Herr Weber bemühten sich vergeblich, sie zu be-ruhigen. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Salzmann holte dannseinen nebenan wohnenden Bruder, der praktischer Arzt ist und derFrau Weber Morphiumeinspritzungen machte. Es gelang aber trotz»dem noch nicht, sie zur Ruhe zu bringen. Es wurde hierauf tele-phonisch der Direktor der wenige Kilometer von der Stadt entferntgelegenen Provinzialirrenanstalt Kortau, SanitätSrat Dr. Stalten-hoff, benachrichtigt, der sofort in einem Anstaltswagen herbeigeeiltkam. Er fand die Angeklagte in einem Zustand der Geistesver-wirrung. Sie brummte vor sich hin, erkannte niemanden und schienvollständig geistesabwesend zu sein. Sanitätsrat Dr. Stoltenhofferklärte, daß der Fall sehr ernst sei. Er fuhr dann zur Wohnungdes Schwurgerichtspräsidcnten Geh. Justizrat LandgerichtsdirektorBroese, mit dem er in einem Wagen herbeigeeilt kam. Auch jetztwar die Angeklagte noch in demselben Zustand der Geistesabwesen-heit.Es erscheint bei dem jetzigen Zustand der Angeklagten imhöchsten Grade zweifelhaft, ob es möglich sein wird, morgen zu ber.handeln. Von einer weiteren Untersuchung des Zustandes der An-geklagten wird die Entscheidung abhängen, ob sie überhaupt noch inabsehbarer Zeit verhandlungsfähig fein wird.Der Horcher am Nebentisch.Der Elektromonteur Hermann Schmitz, Plantagenstraße 6,bittet uns um Feststellung, daß er mit dem Zeugen Schmitz nichtidentisch ist, der in dem WahlrechtsdemonstrationSprozetz vom20. Juni 1910 eine Rolle spielte, über den wir unter der Ueber-schrift„Der Horcher am Ncbentisch" am 21. Juni berichtet haben.Diesem Wunsche kommen wir gern nach.62 000 M. Unterschlagungen rineS Oberpostschaffners!In Nr. 76 des„Vorwärts" berichteten wir über die VerhaftungdeS OberpostfchaffnerS Wuth in Erfurt wegen Unterschlagung amt-licher Gelder. Am Dienstag hatten sich Wuth und seine Ehefrauvor der Strafkammer in Erfurt wegen Unterschlagung bezw. Be-günstigung zu verantworten. Die Verhandlung förderte erbaulicheDinge zutage. Wuth war früher Posthilfsbote in Saalfeld. Erbezog dort ein Gehalt von 1000 M-, lebte dabei aber auf so großemFuße, daß es allgemein auffiel. Er hat schon in dieser Stellungzwei Einschreibebriefe mit je 5000 M. unterschlagen? doch schiedendiese beiden Fälle, weil verjährt, aus dem Verfahren aus. Am1. April 1906 kam Muth als Lbcrpostschaffner nach Erfurt, wo ernun sein Treiben in großem Maßstabe aufnahm. Zunächst unter-schlug er einen Einschreibebrief mit 10 800 M. und schob dafüreinen früher schon beiseite gelegten Brief unter. Im Februar 1008und April und Juli 1009 nahm er aus verschnürten Postbeutelnje einen Einschreibebrief mit 3000 M„ Wertpapiere und 10 000 M.in Staatspapieren, sowie 8000 M. in bar an sich. Und noch imMärz 1010 unterschlug Wuth einen an die SchwarzburgischeLandesbank in Rudolstadt gerichteten Einschreibebrief mit 30 000 M.Die Gesamtunterschlagungcn beziffern sich auf 61 825 M., von denenbei einer Haussuchung 20 300 M. in einem Sekretär gefunden wur»den. Für die entwendeten Sendungen steckte er an seinen Sohngerichtete Briefe in die Postbeutel, damit die Stückzahl stimmte.Frau Wuth, die durch übermäßige Lebensansprüche ihren Mannauf die schiefe Bahn gedrängt haben soll, wird für überführt er-achtet, von all diesen Unterschlagungen Kenntnis gehabt zu haben.Das Urteil lautete gegen Wuth wegen Amtsunterschlagung in fünfFällen auf sechs Jahre Gefängnis und fünf Jahre Ehrverlust, gegenFrau Wuth auf drei Jahre Gefängnis und fünf Jahre Ehrverlust.Ist die höchste Postbehörde moralisch völlig unschuldig daran,daß diese Riesenunterschlagungen so lange unentdeckt bleibenkonnten, oder wäre eine Entdeckung früher erfolgt, wenn die Post-behörde es unterlassen hätte, sich um die Betätigung der politischenGesinnung ihrer Beamten zu kümmern und diese ersparte Zeitfür Revisionen verwendet haben würde?Hua der frauenbeweciimg.Vom Kampfe um das Frauenstimmrecht in England.In einer riesigen Demonstration haben die englischen Frauen-rechtlerinne» von neuem für das Frauenstimmrecht Propaganda zumachen versucht. Unmittelbare Veranlassung dazu war die neue„Frauenbefreiungsbill", die das Parlament gegenivärtig beschäftigt.Die Suffragettcs erwarten von ihrer Annahme einen Fortschrittihrer Sache. Ueber die unter großem Tamtam verlaufene De-monstration schreibt unser englisches Bruderorgan, die„Justice":„ES war in der Tat eine großartige Demonstration, eine un-vergleichlickie Versammlung schöner Frauen, die gut angezogen, gutgenährt, blühend aussehend, ein Bild materiellen Wohlbefindens boten.Elegante Gewänder, köstliche Chiffons und Stickereien, leuchtendeBänder, in denen die Farben der Suffragettes, lila, grün und weiß,vorherrschten, prächtige Fahnen und Banner, Blumenschmuck, daswaren die in die Augen fallenden Züge der Prozession, der eineReihe von Wagen aller Arten folgte. Es war klar, hier handeltees sich iveder um eine proletarische Demonstration, noch um eine,welche die Sympathie und Unterstützung irgend jemandes verdiente,der proletarische Interessen zu fördern wünschte. Es war eine aus-esprochen bürgerliche Demonstration zur Förderung der Ziele deresitzenden Frauen, die in grellem und peinlichem Kontrast stand zuden Demonstrationen armer Arbeiterinnen, die an derselben Stellestattgefunden haben. Wir haben nichts dagegen, daß diese eleganten,wohlgepflegten Damen der Bourgeoisie ihre Demonstration abhaltenund nach dem Stimmrecht schreien. Im Gegenteil, wir fühlenuns eher geschmeichelt dadurch, daß sie unsere Agitations-Methoden auf ihre Art nachzuahmen versuchen. Was wir aber schar'verurteilen, das ist die betrügerische Heuchelei von Sympathie mitden arbeitenden Frauen und ihre Ausnutzung der arbeitenden Frauenunter dem Vorwand der Sympathie. Jene Frauen, die, so laut siekönnen, für sich selbst das Stimmrecht fordern, würden entrüstetsein, wenn ihre Köchinnen und Dienstmädchen auch politisch freiwürden, oder wenn das Stimmrecht als Werkzeug der sozialen undwirtschaftlichen Emanzipation der Ärbeiterklasse benutzt würde. Vonder Versammlung in der Albsrthalle wurden 5000 Pfund Sterlinggesammelt, das sind 100 000 M.? im ganzen verfugen die Suffragettesjetzt über nahezu IVa Millionen Mark. Diese Tatsache allein genügt.um den Charakter der Bewegung zu kennzeichnen. Niemand wird auchnur einen Augenblick glauben, daß die reichen Frauen, die so hoheSummen aufbringen, sie hergeben würden, wenn die Bewegungder Emanzipation der Arbetterklasse zugute käme oder etwasanderes wäre als eine Bewegung zur Vermehrung der politischenMacht des Besitzes. Wir wiederholen noch einmal, mögen die reichenDamen für das Wahlrecht für sich und ihre Klaffe agitieren, diePflicht der Arbeiter aber ist es, sie zu bekämpfen; jeder Arbeiter,jede Arbeiterin, die ihre Forderung unterstützen, sind bewußt oderunbewußt Feinde der Arbeiterklasse."Diese letzte Mahnung ist sehr nötig, denn eS ist den bürgerlichen Stimmrechtlcrinnen leider gelungen, männliche und weiblicheMitglieder der Arbeiterpartei für ihre Zwecke einzufangen.Wenige Tage nach der Demonstration hat der PremierministerAsquith nach jahrelangem Sträuben eine große Abordnung vonStimmrechtlerinnen empfangen, die ihm die schleunige Perab-schiedung der.Frauenbefreiungsbill" empfahl. Herr Asquith hattefür die Damen nur einige höfliche, unverbindliche Redensarten.Unmittelbar danach empfing er eine Abordnung der Antistimmrechts-bewegung, der er unverhokien feine Gegnerschaft gegen das Frauen-stimmrecht zu erkennen gab. Damit sind die Aussichten für eine dieSuffragettes zufriedenstellende Erledigung der Frauenwahlrechts-Vorlage für diese Tagung des Parluinents sehr gering geworden.Die Mehrheit des Kabinetts soll der Vorlage über das beschränkteFrauenwahlrecht günstig sein, ein Teil, darunter der Premierministerist dagegen. Da die Regierung in dieser Tagung keine streitigeVorlage tu das Arbeitsprogramm des Parlaments aufnehmen will,wird die Vorloge nur als Privatantrag eines Abgeordneten imUnterhause zur zweiten Lesung zugelassen, debattiert und zur Ab-stimmung gebracht werden und dann voraussichtlich in der Ver-fenkung verschwinden. Die Suffragettes kündigen demgegenüberchon jetzt den heftigsten Widerstand ihrerseits an.Vermilebtes.Der zerftörte Zeppelin �Kreuzer.Die am Dienstag auf den Tannen des Teutoburger Waldes foprogrammwidrig beendete Rundfahrt der Pressevertreter hat dasZassagierluflschifs„Deutschland" fast vollständig zerstört. Bei seinemAbsturz auS etwa 1200 Meter Höhe auf den Teutoburger Waldknickte das Flugschiff eine Anzahl Bäume um. andere drangen mitihren Spitzen in den Ballon ein, zerbrachen das Gestängeund zerrissen Teile der Ballonhülle. Besonders schwergelitten hat der hintere Teil des Luftschiffes, er ist vollständigz e r st ö r t. Wie der Führer Direktor C o l S m a n erklärte, ist dasFlugschiff so gut wie vollständig verloren. ColSmann schätzt denSchaden aus etwa 200 000 M.Am Mittwochmorgen hat man mit der Abmontierung desFlugschiffes begonnen. Die intakt gebliebenen B�llonets wurdenentleert, das Aluminiumgerippe wird zersägt, um so nach Friedrichs-Hafen geschickt zu werden.Die Ursachen der Katastrophe sind zu suchen in den am Dienstagin den höheren Luftschichten herrschenden Windströmungen, die nachden Meldungen deS Observatoriums in Aachen am Boden 10—12,in Höbe von 500 Meter 16, in Höhe von 600 Meter 17 und in Höhevon 1000 Meter 18 Sckundcnmeter betrugen. Gegen diesen schwerenWinddruck konnte» die Motoren deS Luftschiffes nicht aufkommen, sieversagten, so daß das Luftschiff durch den Sturm abgetriebenwurde. Bei seinem Fluge passierte der Ballon Wolkenschichten,die Schnee und Regen mit sich führten. Dadurchwurde der Ballon schwer belastet, so daß er in fast senkrechtemAbsturz im Teutoburger Walde niederging. Bei dem Abstürze wurdeein Mann der Besatzung erheblich verletzt. Nachdem dasFlugschiff sich in den Bäumen verfangen hatte, wurden die Passa-giere durch Strickleitern ausgeschifft. Gleich nach demNiedergang eilten aus der Umgegend zu Fuß und zu Wagen zahl-reiche Hilfskräfte herbei, die sich an den dringendsten Rettungs-arbeiten beteiligten. Die weiteren Bergungsarbeiten wurde» durchabkommandierte Truppenabteilungen ausgeführt.MUeber den Verlauf der Katastrophe schreibt im«B. T." eisTcilnehiner an der Fahrt:... Als das Luftschiff über Barmen war. setzte plötzlich dereine der beiden Motoren in der Hinteren Gondel ons, weil eineFeder gebrochen war. Die beiden übrigen Motoren konntenangesichts des schweren Windes das Luftschiff nicht mehr nach dergewünschten Direktion vorwärts bringen, so daß der Ballon dienächsten Stunden in Wind und Wetter treiben mußte. Mangeriet inzwischen noch dazu in eine Gegend, die man nichtkannte, so fleißig auch die Karten studiert wurden. Baldhebt, bald senkt sich, dem Hi�ensteuer noch willig gehorchend, dermächtige Koloß und selbst, ivenn er sehr schräg in der Luft hing,ließ das Gefühl der Sicherheit nicht nach. Endlich kam Gelsen-kirchen in Sicht nnd die Ruhr wurde passiert. Das Wetter wurdeimmer schwerer und es wehte ein Wind von 12 bis 16 Sekunden-meiern. Ziellos schtvankle das Lnflschiff dahin. Endlich, um 2 Uhr.ist der dritte Motor wieder in Stand gesetzt und es lebte die Hoff-imng auf, doch»och nach Münster zu kommen.Zwei Stunden lang quält es sich ab, vorwärts zu kommen undMünster zu erreichen. Es schwebt nur zwischen Moor und seenreicherHeide. Es wird unbehaglich in der Kajüte und beängstigend. Derherumgereichte Sekt bleibt in den Gläsern stehen. Die Propellerbrüllen ihre surrende Melodie. Dazu pfeift der Orkan heulend überden Leib des Kreuzers hinweg, daß das Tuch sich wild emporbauscht.Dunkle Wolken ziehen von links und von rechts. Ein Sonnen-flimmer, der für ein paar Sekunde!, durchgebrochen war, wirdbald wieder durch dunkle Wolkenschwaden abgelöst. Die offiziellenHerren sagen, man will jetzt versuchen, Osnabrück oder Senne zuerreichen, denn der B e n z i n m a n g e l ist groß. Die Lustschifferhatten sich nur für zehn Stunden Fahrt vorgesehen. Gegen'/35 Uhr steigt und steigt dos Schiff, immer höher, von 200 Meterauf 500, von 500 auf 1000, und schließlich auf 1500 Meter.Längst ist die Erde unsichtbar geworden. Wir segeln in einemweißen Wolkenmeere und der Dampf dringt zischend durch dieoffenen Fenster der Kajüte. Pfeilschnell geht die Fahrt. DirektorColSmann und Dr. Eckener haben die Kajüte längst ver«lassen und sind in die vordere Gondel gestiegen, um zuberatschlagen. Plötzlich schellt eine Glocke in der Kabine.Man macht die Tür auf, die von der Kabine zum Lauf«steg führt und sieht, daß Direktor ColSmann mit der Handwinkt. Drei von den Passagieren treten aus der Kabine nnd tastensich durch das Aluminiumgerippe den Laufsteg entlang. Diese dreiMann sind notwendig, um die Balance zu halten. Mit diesemAugenblick ist die Sicherheit dahin, denn eS stimmt irgendetwas nicht. Noch immer dauert die Wolken fahrt mitkolossaler Geschwindigkeit fort. Die Minuten werdenzur Ewigkeit. Mit einem Male wird die Tür aufgerissen undDirektor ColSmann stürzt ganz verstört in die Kajüte.Ihm folgen die Leute, die auf dem Laufsteg die Balancegehalten hatten. Man bestürmt Direktor ColSmann mitFragen, die er achselzuckend mit der Bemerkung beantwortet:„Ich weiß nicht, was iverden wird." Immer schneller fliegtdas Schiff, und immer noch in den Wolken. Das dauert sowenige Sekunden. Plötzlich senkt sich der Ballon blitzartig auf1250 Meter herab und zerreißt die Wolkenwand. Das Augesieht wieder auf saftige Wiesen und auf Tannenwälder. Alles atmetauf, denn unten scheint die Sonne. Jetzt schweigen die Propellerdes vorderen Motors. Die Maschine hat ausgesetzt, dasUnglück war da. Schräg saust das Schiff wie auf einer schiefenEbene hinunter. Alles lvird stumm. Alle Herzen stocken, alleshält sich für verloren. Einer der Ingenieure aus der Führergondelkommt den Laufsteg entlang und stiert mit wilden Augen zurKajüte hinein. Das Schiff fällt und fällt. Im nächsten Augenblickgibt es einen furchtbaren Krach, auS allen Fugen zittert derBallon. Aber er steht wie festgenagelt.Die erfolgreiche Furunkelbehandlung.Die beiden Leibärzte Wilhelm II., Generalarzt Dr. v. Jl£,zrgund Oberstabsarzt Dr. N i e d n e r, die dem Kaiser bei seiner letztenErkrankung ärztliche Hilfe leisteten, wurden von ihm mit Ordenbedacht. Der ranglich höher stehende Dr. v. Jlbergerhielt die Brillanten zum Roten Adlerorden zweiter Klasse mit derpreußischen Krone. Dr. N i e d n e r wurde mit dem Kreuz der Ritterdes HausordenS von Hohenzollern ausgezeichnet.Wilhelm II. scheint seine Furunlelerkrankung für ein sehr ge-fährlicheS Uebel gehalten zu haben, dagegen dürften die beidenFachleute von der kaiserlichen Auszeichnung sehr überrascht wordensein; ist doch die Behandlung eincS Pickels eine der ein«f a ch st e n ärztlichen Hilfeleistungen. Um etwas anderesaber hat eS sich nach den offiziellen Berichten nicht gehandelt.Ein Thema für höhere Töchter.Den„M. N. N." wird ans Bamberg geschrieben:Die Abiolventinnen deS obersten Kursus der höheren Töchter»schule deS Englischen Instituts in Bamberg, junge Mädchen imAlter von ungefähr 16 Jahren, haben bei der Schlußprüfung inder Religion nnchfolgendes Thema zur Bearbeitung erhalten:„Es ist ein Brief an eine Freundin zu richten, die ihre Un-schuld verloren hat und deshalb Selbstmordbegehen w i l l."Das Englische Institut ist eine von Ordensschwestern geleitetekatholische Anstalt, in der nur die Töchter der Wohl«habenden erzogen werden. In Religionslehre unterrichtet einPriester Hofinger. Es scheint, baß der Mann sehr trübeErfahrungen mit feinen Zöglingen gemacht hat, sonst wäre eSunverständlich, warum er ein so absonderliches Thema zur Ausarbeitung wählt._Wer abonniert» kommt in den Himmel!|Der in Würzburg erscheinende„Brmenscclenbote" offeriertin seiner AbonncmeiitScinladung folgendes;«Im weiteren machen wir unsere geehrten Abonnenten daraufaufmerksam, daß wir vom dritten Jahrgang an jährlich72 heilige Messen für die Anliegen der Abonnenten undzum Tröste der armen Seelen lesen lassen werden; ferner, werden Abonnementspreis im voraus einsendet, wird in den„Sühnungsverein der verlassenen Seelen imFegefeuer" aufgenommen, in welche»: jede Woche über 4000heilige Meisen gelesen iverden."Das heißt ein Geschäft I_Kleine Notizen.Bcrschiittctc Bergleute. Auf dem Egmont-Schachte beiG o t t e s b e r g in Schlesien lvurden zlvei Bergarbeiter»-urch hereinstürzende GefteinSmassen verschüttet. Bisher konnte nur einerin schwer verletztem Zustande geborgen werden.. Ei» LicbcSdraina. In S tu t t g a r t' erschoß der frühere Hof-kapellmeister Dr. O b r i it seine Geliebte, die tgl. württcmbergischeKammersängerin Anna Sutter und hierauf sich selbst. SeinerGeliebten wegen hatte sich Obrist von seiner Frau scheiden lassen;jetzt wollte Fräulein Sutter aber nichts mehr von ihm wissen, dasie sich in einen Kollegen verliebt batte.16 Touristen vom Blitz getroffen. In der Badstiibenhütte imKaisergebirge schlug der Blitz in eine Schutzhiitte ein, wosich 16 Touristen befanden. Sämtliche Touristen wurden betäubt,sechs erheblich verletzt, die anderen konnten sich wieder er-holen.Hochwassergefahr. In Altenrhein droht der Bruch desR h e i n d a m m e S. Sämtliche benachbarten Feuerwehren iverdenaufgebvten. Mehrere Gebäude mußten geräumt werden. Ein Genie-soldat ist e rt r u n k e n.Die Cholera in Petersburg. Nachdem lange Zeit das Bor»kommen von Choleraerkrankungeu in der russischen Hauptstadt durchdie Behörden be st ritten wurde, wird jetzt mitgeteilt, daß amMittwoch zwei Fälle von Choleraerkranlung zu verzeichnen sind.