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fr. 164. 27. AahtMg. 1. Deüqe des.Jonuirls" SminiiM, 16. M 1910. Sie bürgerliche Preiie und die Budget. bewilllgung. Die badische Landtagsfraktion hat eine gute bürgerliche Presse. DieVossische Zeitung" sagt: .In die Sozialdemokratie ist eine Bombe geflogen. Natürlich wieder vom Süden aus. Was wird die .Leipziger Volkszeitung  " sagen? Sie wird noch andere Töne an» schlagen als heute derVorwärts  ", das.Zentralorgan der sozial- demokratischen Partei Deutschlands  ", das sich, wie es scheint, seiner Verantwortung bewußt ist. Es handelt sich nicht um einen Zwischen- fall von untergeordneter Bedeutung, sondern unter Umständen um Sein oder Nichtsein der einheitlichen Partei. Dann zitiert das Blatt den Schlußpassus unseres gestrigen Artikels, der die republikanische Ueberzeugung und das sozia- listische Endziel betont urd meint dazu: Na ja, das stimmt alles für die Revolutionäre, aber so ganz und gar doch nicht durchweg auf die Revisionisten. Und jetzt kommt es zu einer neuen ernsten Kraftprobe zwischen beiden Gruppen. Daß sich die Revisionisten unterwerfen werden, erscheint ziemlich ausgeschlossen. Also sollen siefliegen"? Die nächste Zukunft wird es lehren. Aber diese Vorgänge zeigen zugleich, wie ver- schieden die Bestandteile sind, die sich bisher in der Sozial- demokratie zusammenfinden, und wie sich daraus die Stellungnahme mancher bürgerlichen Gruppen oder Personen in einzelnen Kreisen oder Gauen erklärt." DasBerk. T a g e b l." sagt: Wirklich, mit dem Beschlutz von Nürnberg   läßt sich die Haltung der badischen Sozialdemokraten höchstens durch sehr gewagte sophistische Interpretationen in Einklang bringen. Wir haben zu dem badischen Landtagsabgeordneten Frank, der im Reichstage unter den Junioren der Sozialdemokratie vielleicht zu den besten Erwartungen berechtigt, das Vertrauen, daß er solche Sophismen erst gar nicht versuchen wird. Er hat sich auch in der badischen Kammer mit dem kurzen Hinweise begnügt, daß seine Freundemit Rücksicht auf die besonderen politischen Verhältnifir auf solcheDemonstration verzichten." Damit schiebt er den Nürnberger Beschluß berseite; die.be- sonderen politischen Verhältnisse" lassen die Ablehnung des Budgets durch die Vertreter der Sozialdemokratie nicht zu. Es ist, auf die Politik angewandt, das reformatorische Prinzip. Das Recht der Persönlichkeit und die S e l b st b e st i m m u n g, die zugleich zur Selbstverantwortlichkeit wird, stehen höher als die Mehrheitsbeschlüsse der Partei." Warum griff aber dann das Blatt die Nationalliberalen so heftig an, die in der Erbschaftssteuerfrage und in der Wahl- rechtsfrage ihr Recht auf Persönlichkeit in Anspruch nahmen und gegen die Partei stimmten. Und wozu bedarf es dann denn überhaupt noch der Partei, wenn sie ihre Vertreter nicht mehr verpflichten darf? DieKreuz- Zt g." konstruiert ein Komplott und ein heimliches Einverständnis der badischen Genossen mit dem Parteivorstand: .Die badischen Sozialdemokraten benutzen den Großblock, um an ihm in die Höhe zu kommen. Bis jetzt haben sie recht be- deutende Erfolge erzielt, die ihnen jedenfalls niemals be- schieden gewesen wären, wenn sie nicht in Befolgung einer schlauen Taktik den republikanischen und revolutionären iTharakter ihrer Partei verschleiert hätten. Diese Taktik ermöglichte und ermöglicht noch der Regierung wie dem Libe- ralismus, unter dem Vorwande, daß die badischenGenossen" eine ganz andere Art von Sozialdemokraten seien als die übrigen, rhnen ein erstaunliches Entgegenkommen zu zeigen und allmählich zur ausschlaggebenden Macht im Staate zu verhelfen.... Die badischen Sozi wußten ganz genau, was sie mit diesem Be- schütz taten. Sie schätzten den davon zu erwartenden Parteivorteil höher ein als die Unbequemlichkeit einer Auseinandersetzung mit der Parteileitung. Und schließlich ist den badischenGenossen" ja be- kannt, daß die Parteileiwng ihre Fortschritte mit Wohlgefallen ver- folgt und gegen etwaige taklisch erforderliche Ketzereien nur im Not- fall und mit milder Hand eingreift. Denn die tonangebenden Führer der Sozialdemokratie hegen nicht den geringsten Zweifel daran, daß die badischen Sozi, die sich den Anschein beinahe re- gierungsfrommer Männer geben, genau so stramme Glieder der roten Revolutionsarmee sind wie die Radikalen." Aehnlich meint dieDeutsche Tagesztg.": Es ist richtig, daß drei sozialdemokratische Parteitage sich alle Mühe gegeben haben, eine weitere Budgetbewilligung grundsätzlich unmöglich zu machen. Aber den badischen Genossen fällt es ja auch Hus fritz Reuters Gefängnis- jähren. Im Künstlerhause an der Bellevuestraße kann man einige Episoden aus dem dunkelsten Kapitel neudeutscher Geschichte und Preußens polizeistaatlicher Herrlichkeit kennen lernen. Dort hat Professor Karl Theodor Gaedertz   in mehreren Sälen eine Fritz- Reuter  -Ausstellung aufgetan, voll überraschender Reich- haltigkeit und sehr instruktiver Anordnung. Die Verdienste des an- erkannten Reuterforschers werden selbst dann nicht geschmälert, wenn wir manche der hier zusammengebrachten Reliquien sz. B. den von Reuter zuletzt getragenen Sommeranzug) als überflüssig erachten. Wallfahrten wie etwa zu dem apokryphen.heiligen Rock" zu Trier  sind ja deswegen nicht zu befürchten. Gleichwohl ist reger Besuch der Ausstellung gerechtfersigt: so- wohl von literarischem wie allgemein zeitgeschichtlichem Standpunkt. Es wird dem aufmerksamen Beschauer nicht nur die Werkstatt eines der bedeutendsten niederdeutschen Dichterhumoristen dargeboten, der, nach den zahlreichen Porträts, Genrestückchen, landschaftlichen Motiven usw. zu schließen, auch wahrscheinlich das Zeug zu einem tüchtigen Zeichner und Maler in sich getragen. Auch ein Bild neu- deutschen Bürger- und Familientums tut sich auf; vor allem aber eine Episode der schlimmsten Reaktion imKulturstaat" Preußen. Beim Eintritt in den größten Ausstellungsraum fallen sofort die Namenschildchen verschiedener preußischer Festungen ins Auge. Bildnisse von Häftlingen, militärischen Persönlichkeiten(Platz- kommandanten, Aufseher usw.), Totalansichten, Grundrisse jener Festungen, Jnterieurswdien grüßen schaurig von den Wänden; während auf den Tischen schier zahllose amtliche Schrift- stücke, Reuterbriefe, Gefängnisinstruktionen usw. ausgebreitet liegen: als Kronzeugen einer von'Metternich grausig beherrschten Ver- gangenheit. Es hieße die Geschichte jenes Deutschland   seit den .Betreiungs"kriegen auftollen, um die kläglichen Zustände während der nachfolgenden drei Jahrzehnte zu beleuchten. Hier genügt der Hinweis auf das studentische Wartburgfest, auf die Karlsbader Be- schlüsie, durch die jedwede geistige und politische Regsamkeit mit brutaler Gewalt unterdrückt wurde« Nichtsdestoweniger bestanden an den Hochschulen Studentenverbindungen, die ebenfalls verboten waren, im Geheimen fort. Aber derselbe Willkürgeist, der die Preß- freiheit total zu vernichten vermocht hatte, überwachte auch sie mit drakonischer Strenge und ahndete jede Uebertretung jener Freiheits- schwärmer mit Todesstrafe oder langjähriger Kerkerhaft. Fritz Reuter   gehörte während seiner Studienzeit in Jena   einer hier nicht verbotenen BurfchenschaftGermania  " an, in der er den gar nicht ein, das sozialistische Endziel mit ihrer Haltung zu verleugnen. Sie sehen nur die törichte Blindheit der badischen Großblockliberalen, die der Erklärung des Dr. Frank zujubelten, und wollen sich die Chancen nicht verscherzen, die ihnen diese Torheit bürgerlicher Parteien bietet. Wenn also auch zu erwarten steht, daß der sozialdemokratische Parteitag nun zum viertenmal strenges Gericht über die Ungehorsamen ab- halten wird, so steht doch nicht nur für alle einsichtigen Kreise des Bürgertums, sondern ebenso auch für die radikalsten Sozial­demokraten fest, daß die badischen Genossen nur aus einer an sich durchaus klugen Taktik heraus für- das Budget gestimmt haben, und daß nicht sie, die trotzdem Todfeinde der bürgerlichen Gesellschaft bleiben, sondern daß ihre verblendeten bürgerlichen Bundesgenossen die Betrogenen dieser Taktik sein werden." Die klerikaleGermania  " freut sich aufein hübsches Scherbengericht" und macht dann gegen die Sozialdemokratie scharf: Sollten aber die heutigen Erklärungen desVorwärts" über die Großblocktaktik und insbesondere die Schlußsätze über das Wesen und das Programm der Sozialdemokratie nichr wenigstens den Nationalliberalen die' Augen öffnen und sie zur Umkehr be- stimmen? Gegenüber diesem sozialdemokratischen Programm mit seinerEroberung der politischen Macht" undAusrichtung der sozialistischen Gesellschaft" erscheint das Z u s am mengehen aller bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie mehr denn je zuvor als eine gebieterische Pflicht nicht nur im Hinblick aus die Selbsterhaltung, sondern auch für das Wohl und das Ansehen des gemeinsamen deutschen Vaterlandes." Von den Auslassungen der Parteipresse liegt zur Stunde erst die derLeipziger V o l ks z eit un g" vor. Sie lautet: Es wird den badischen Budgetbewilligern schwer fallen, zu be- streiten, daß es sich hier um eine mit bewußter Absicht herbei- geführte Provokation der Partei handelt. Als die Genossen der süddeutschen Parlamente vor zwei Jahren ebenfalls dem Budget zustimmten, beriefen sie sich auf die angebliche Unklarheit der Dresdner   und Lübecker   Resolution, und es gab Parteigenossen, die geneigt waren, anzunehmen, daß ihnen bei ihrem Vorgehen in der Tat das Bewußtsein des absichtlichen Disziplinbruchs gefehlt habe. Von einer solchen Ausrede kann heute keine Rede mehr sein. In mehrtägigen eingehenden Debatten hat der Nürnberger Parteitag das Verhalten der süddeutschen Parlamentarier verurteilt und durch eine mit großer Mehrheit angenommene Resolution ausdrücklich festgelegt, daß eine Zustimmung zum Budget des bürgerlichen Klassenstaats nur dann in Frage kommen kann, wenn seine Ablehnung die Gefahr heraufbeschwört, daß ein für die Arbeiterklasse ungünstigeres Budget zur Annahme gelangen könnte. Von dieser Evenwalität war in dem neuesten badischen Falle keine Rede, ja, den Frank, Kolb und Genossen fehlte diesmal sogar das dürftige Mäntclche», mit dem sie noch vor zwei Jahren ihren Disziplinbruch zu drapieren suchten, daß nämlich die in dem Etat enthaltene Erhöhung der Arbeiter- und Beamtenlöhne die Zustimmung ersorderr 'habe. Nichts von alledem jetzt; man stimmte einfach für das Budgetmit Rücksicht auf die besonderen politischen Verhält- niffe". Mit anderen Worten: Die Brüskierung der Gesamtpartei, die ausdrückliche Verneinung des gegensätzlichen Charakters der Sozialdemokratie zum kapitalistischen Klassenstaat, die in der Budgetverweigerung zum Ausdruck kommt, wurde unternommen in konsequenter Fortsetzung der Großblockpolitik, die bei den letzten Wahlen zum badischen Landtag eingeschlagen und auch nach seinem Zusammentritt fortgesetzt worden war. Es wäre ja auch eine zu absurde Zumutung gewesen, zu fordern, daß die sozialdemokratischen Staatsmänner, nachdem sie als Re- gierungspartei so herrlichepositive" Erfolge errungen hatten man denke nur an die von der Pairskammer wieder nach Kräften verschandelte Novelle zur Gemeinde- und Städteordnung mit dem Dreiklassenwahlrecht jetzt demselben Staat die Existenzmittel ver« weigern sollten. Eher läßt man eS schon auf einen Bruch in der Partei ankommen. Es hat kaum Zweck, über die neuesteAffäre" der badischen Revisionisten noch viel Worte zu verlieren. Die große Mehrheit der Genossen hat es nun endlich satt, sich noch länger von den Kolb, Frank und Genoffen brüskieren zu lassen und verlangt, daß endlich einmal auf die vielen Worte, die schon in der Budget- und mancher anderen Frage vergeudet worden sind, entsprechende Taten folgen. Wer sich selbst konsequent außerhalb der Partei- beichlüsse stellt, soll auch die Konsequenzen tragen. Nur noch ein Wort zu dem Verhalten der drei Genossen, die sich bei der Budgetabstimmung aus dem Saale entfernten. Wir meinen, es wäre Pflicht der Betteffenden gewesen, ihrer von der FraktionS- Mehrheit abweichenden Ansicht durch die Abstimmung klar Ausdruck zu geben, um so mehr, als sie damit nur den Parteibeschlüssen Rech- SpitznamenCharles XII  ." führte. Diese Zugehörigkeit sollte ihm zum Verderben gereichen. Von einer im Frühjahr 1833 begonnenen fröhlichen Studentenwanderung ins Naffauische hatte er auf der Rückkehr auch einen Abstecher nach Berlin   gemacht. Hier wurde er aber bald aufgegriffen und nach der Hausvogtei gebracht. Wegen zwecklosen U m h e r t r eib e n s", heißt es in dem hier zur Schau gestellten Verhaftsbericht. Dazu die lakonische Ein- traguug:Chirurgisches Attest: Ist rein befunden." Indessen war die obige Ursache für die Verhaftung doch nur vorgeschoben, um die wahren Absichten der Polizei zu verschleiern. Denn schon zwei Tage später wird Befehl gegeben das amtliche Schreiben liegt dort ebenfalls aus Reuter  über sein Treiben zu Jena   und sonst, namentlich über diejenigen Punkte, welche ein umfassenderes Interesse haben oder diesseitige Unter- tanen oder Universitäten betreffend, baldigst näher vernehmen zu laffen." Reuter weiß noch immer nicht, weswegen er weiter fest- gehalten wird. Unterm 2S. November bittet er um Verabfolgung von Lektüre, insbesondere Shakespeares und Byrons Werke. Am 13. Dezember ersucht er um Gewährung von Materialien zwecks An- sertigung einer Zeichnung, die wie alljährlich sein Weihuachtspräseut sein solle. DieMaterialien" werden ihm geliefert. Am 6. Januar 1834 wird Reuter   in die Hausvogtei verbracht. Und nun erfährt man auch schon weswegen, nämlichwegen Teilnahme an derGer- mania" in Jena  ", da Jnkulpantzugestandenermaßen Mitglied jener gefährlichen, alle deutschen Staaten bedrohenden(!) geheimen Verbindung gewesen" sei. Umsonst hatte Reuters   Vater gebeten, seinen Sohn aus der Hast zu entlassen, und Kaution angeboten. So kam es zur Anklage. Reuter   sollte insbesondere auch in Jena  mit ausgewiesenen Polen   verkehrt haben. Es erfolgte seine Ver- urteilung zum Tode, umgewandelt in dreißigjährige Festungshaft. Reuter   wurde jetzt zunächst in die Kasematte von S i l b e r b er g gebracht. Dort saß er bis zum 2S. Dezember 1836, um als Kranker nach G l o g a u transportiert zu werden, wo er aberwegen Mangels an einem gesunden Lokal nicht aufgenommen" werden konnte. Nunmehr erfolgte seine Verbringung nach Magdeburg  . Natürlich hatte er auk diesem Transportwege auch wieder in der Hausvogtei zu Berlin   Platz zu nehmen. Der Direktor dieses Gefängnisses, der sattsam bekannte Kriminal- rat D a m b a ch, war demSchwerverbrecher" nicht im mindesten gewogen. Er gibt deshalb von ihm(Atta vom 2. März 1837) das nachstehende, sehr übertriebene, weil gehässigeNationale": Reuter hat sich während seiner Gefängnishaft stets als ein roher Gesell(I!) bewährt und ist häufig wegen Uebertretung der Hausgesetze gestraft. Er hat den Inspektor persönlich bedroht,'sang die ärgsten Zotenlieder, polterte häufig im Kerker, und nur seine gänzliche Isolierung brachte ihn zur Vernunft. Er ist an nung getragen hätten. Ein Bekennermut. der der klaren Entscheidung aus dem Wege geht, kann kaum Bewunderung erwecken." Ans der Beiclftveriiclsernngsordnungs' honnillion. Sitzung vom Donnerstag, den 14. Juli. Ersatzkassen. Beantragt eine freie Hilfskasse ihre Zulassung als Ersatzkasse, so entscheidet darüber die höhere Verwaltungsbehörde ihres Sitzes. Geht ihr Bezirk über die Grenzen des Bundesstaates hinaus, so entscheidet das Reichs-Versicherungsamt. Auf Antrag der So- zialdemokraten würde hinzugefügt, daß die Zulassung nur dann versagt werden darf, wenn die Kasse den Vorschriften der ReichLversicherungsordnung nicht genügt. Eine längere Debatte entspann sich über die Vorschrift, daß für die Arbeiter, welche Mitglieder einer Ersatzkasse sind, die Arbeitgeber denselben Betrag an die Orts-, Betriebs- oder Jnnungskassen bezahlen müssen, zu dessen Zahlung sie verpflichtet wären, wenn die Arbeiter diesen Kassen angehörten. Gegen diese Bestimmung traten namentlich die Sozial» demokraten und Fortschrittler auf. Die Sozialdemokraten beantragten, daß diese Bestim- mung gestrichen wird, d. h. die Arbeitgeber wie gegenwärtig so auch fernerhin zur Zahlung eines Beitragsteils für ihre Arbeiter, die einer Ersatzkasse angehören, nicht verpflichtet sein sollen. Aller- dings haben, so führte Gen. Schmidt aus, manche Arbeitgeber möglichst Mitglieder der freien Htlfskassen eingestellt. Das sei in der Tat ein Mißstand. Aber die vorgeschlagene Bestimmung des Entwurfs würde einen viel schlimmeren Mißstand zur Folge haben. Denn die Zahlungspflicht der Arbeitgeber würde, zumal mit ihr eine weitgehende Anmelderei verknüpft sei, dazu führen, daß manche Arbeitgeber einen Druck auf ihre Arbeiter ausüben, um sie von dem Beitritt zur Ersatzkasse zurückzuhalten oder zum Austritt aus der Ersatzkasse zu veranlassen. Das würde den Ersatz» lassen ihre weitere Entwickehmg aufs äußerste erschweren. Die Fortschrittler beantragten, daß zwar die Arbeit» geber auch für ihre Arbeiter, die in einer Ersatzkasse sind, denselberr Beitragsteil bezahlen sollen wie für ihre anderen Arbeiter, jedoch soll das Geld nicht an die Zwangskasse, sondern an die Arbeiter selbst oder an die Ersatzkasse gezahlt werden. Dies sei deshalb zu fordern, weil die Arbeiter in den Ersatzkassen den ganzen Beitrag bezahlen, also den Beitragsteil des Arbeitgebers auslegen. Die Regierungsvertreter erklärten beide Anträge füp unannehmbar. Unter keinen Umständen dürften die Ersatzkassen begünstigt werden. Darauf kam da? Zentrum mit einemVermittelungS- antrag": Der Vorschlag der Vorlage sollte angenommen, der Arbeit- geber also zur Zahlung seines Beitragsteils an die Zwangskassa- verpflichtet.werben, aber mit dem Zusatz, daß der Arbeitgeber von dieser Pflicht frei sei, wenn er nachweise, daß er den Beitrag an die Ersatzkassen zahle. Genosse Schmidt wies nach, daß dieser Antrag in der Praxis schließlich auf dasselbe hinauskommen würde, wie der Vor» schlag des Regierungsentwurfs. Der Nachweis, daß der Beitrags» teil des Arbeitgebers an die Ersatzkasse bezahlt worden ist, wird ss viel Belästigungen verursachen, daß sich darauf wohl kaum ein Arbeitgeber einlassen wird. Trotzdem wurde der Antrag gegen die Stimmen der Sozial» demokraten angenommen.> Für diesen Fall hatten die Sozialdemokraten bean- tragt, daß die von den Zwangskassen für die Mitglieder der Ersatz- lassen eingenommenen Arbeirgeberbeiträge nicht, wie die Vorlage vorgeschlagen hatte, dem Reservefonds zugeführt werden sollen, fondern nur für Mehrleistungen verwendet werden dürfen. Auf diese Weise sollte den Arbeitern wenigstens ein besonderer Vorteil gesichert werden. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt, obgleich die Regierungsvertreter ausdrücklich erklärten, daß sie sich mit dieser Verwendung der Gelderl im Interesse der Arbeiter einverstanden erklären könnten. Das Zentrum gab auch hier wieder den Ausschlag zum Schaden der Arbeiter. Im Anschluß hieran wurde die Vorschrift des Entwurfs besprochen, daß die Personen, welche nach ihrer Beschäftigung Zwangsmitglieder der Landkrankenkassen sein sollen, überhaupt nicht einer Ersatzkasse angehören dürfen. Genosse Molkeubuhr legte dar, daß dies eine nicht zu recht» fertigende Entrechtung vieler Arbeiter sein würde. Trotzdem nahmen das Zentrum, die Konservativen und die Nationalliberalen die Bestimmung mit den aus den bisherigen Beschlüssen sich er- gebenden Aenderungen an. Danach werden für die Landwirtschaft Ersatzkassen überhaupt nicht zugelassen. Die Mitglieder der Land- Wirtschaft dürfen den freien Hilfskassen nur soweit sie Zuschuß- und für sich gutmütig, aber leicht zum Zorn gereizt und dann einem Tier ähnlich. Gelernt scheint er fast nichts zu haben(!) und der Coulsur perdue anzugehören. Deshalb(!) hat er sein Studium aufgegeben und will Maler und) Mathematiker werden. Nach seiner Entfernung von Jena   hat er vagabundiert und ist bei einer Hure hier arretiert worden. Gefährlich scheint er nicht als Anhänger staatSgefährlicher Lehren, söndern als Taugenichts." In Magdeburg   saß Reuter vom März 1837 bis Anfang» März 1838. Im Gefängnisbericht steht sein Signalement nebst seiner Bekleidung. Ferner die Eintragung:Wird als armer Gefangener mit täglich 6 S i l b er g r o s ch e n v ör pflegt. Die Führung des Reuter während der hiesigen Hast war stets gut." Kein Wunder, daß Reuter bei der erbärmlichen Ab- fütterung krank wurde und ins Garnisonlazarett kam.Jede Kommunikation mit den hier in Haft sich befundenen Gefangenen (welch entzückendes Deutsch I) ist unstatthaft"(29. Dezember 1337). Von Magdeburg   wurde Reuter uuter Begleitung von zwei Gendarmen über Berlin  (Station Hausvogtei I) mittels Extrapost nach Graudenz  :Fort Courbisre" verbracht. Die Transportkosten betrugen 89 Taler 22 Silbergroschen 9 Pfennige. In dem vom Festungskommandanten General von Toll unterzeichnetenNational" steht unter Vergehen:Teilnahme an politischen Verbindungen. Dauer der Strafe: 8 Jahre." Unter Bemerkungen:Die erkannte Todesstrafe durch das Beil, der demnächst eine 30 jährige FestungS- strafe stibstituiert worden, ist laut Allerhöchster Kabinettsordre vom 16. September 1837 auf 8 Jahre Festungsstrafe ermäßigt". Es wurde ihm nun gestattet, den Rest der Strafe in seiner mecklenburgischen Heimat in der Festung Dömitz   abzusitzen. Reuter   beklagt sich hier sehr über die niederträchtige Behandlung von feiten der mecklenburgischen Besatzungsoffiziere und ist eutrüstet über ihreun-. verschämte Dummheit" unddumme Unverschämtheit". Glücklicher- weise wurde er bereits am 2S. August 1840 begnadigt und sofort freigelassen. Sein Martyrium war zu Ende. In seiner Erzählung:Ut mine FestungStid" hat er ja feine Gefängniserlebnisse in Graudenz   geschildert:Wat so'n Minsch All erlewen deiht!" säd oll Schult Papentin. Ich aewer segg, de Schult hatt unrecht! So egal un so sacht sllltt kein Lewenslop, dat hei nich mal gegen einen Damm stött un sick dor in en Küsel dreiht, oder dat enr de Minschen Stein' in't klore Water smiten. Ne, Passieren deiht jeden wat. und jeden passiert ok wat Merkwürdiges... Min Lewenslop is mal tau so'n See upstaut worden, lange Johren hett hei still stahn müßt--- Wat heit dit? Wider nicks, c>s dat sei mi mal soeben Johr lang inspunnt hewwen"... E. K.