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testiert aufs schärfste gegen die Beteiligung an höfischen Kund- gedungen, als Verletzung der republikanischen Grundanschauung und der Würde der Partei. Der Parteitag erwartet, daß der deutsche Parteitag eS auS» spricht, daß durch Wiederholung solcher Vorgänge die betreffenden Genossen sich außerhalb der Partei stellen. Bei der Verhandlung über den preußischen Wahlrechts- kämpf sprach sich der Parteitag für die vorläufige Beibehaltung der bisherigen Taktik aus, für die Anwendung des Massenstreiks seien die Verhältnisse noch nicht reif. ReichstagSkandidatur im dritten Berliner   Wahlkreise. gu unserem gestrigen Bericht über die Versammlung des dritten Berliner   Wahlkreises, worin über die Reichstagskandidatur beschlossen wurde, teilt uns der Vorfitzende der Versammlung, Genoffe Pohl. mit, daß er nicht gesagt habe, am selben Tage, wo derVorwärts'' mitteilte, daß Heine als Kandidat in Dessau   aufgestellt fei, habe er fPohl) einen Brief vom Genossen Heine erhalten, worin dieser er- klärte, daß er eine Kandidatnr im dritten Kreise nicht mehr an- nehme. Dieser Entschluß des Genoffen Heine war den Funktionären des Kreises schon lange vorher bekannt. In dem Briefe, der am Tage nach der Proklamation des Kandidaten für Dessau   beim Genoffen Pohl einlief, teilte Genosse Heine mit, daß er die Kandi- datur in Dessau   angenommen habe. Kreiskonserenzen. Die Generalversammlung des Sozialdemo- kratischen Vereins des Wahlkreises Gebweiler  nahm zum Vorgehen der badischen Landtags» fraktion einstimmig die folgende Resolution an: Die heutige Kreisgeneralversammlung des 4. els.-lothr. Reichstagswahlkreises gibt ihrem lebhaften Bedauern darüber Ausdruck, daß die Mehrheit der badischen Landtagsfraktion einen groben Disziplinbruch durch die Zustimmung zum Budget verübte und außerdem einen in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie unerhörten Verstoß gegen die alt- bewährten demokratischen Grundsätze, die uns stets die Richtlinien für unser Handeln gaben, beging, indem sie sich an monar. chistischen E r g e b e n h e i t s ku nd g e b u n ge n beteiligte. Die Kreisgeneralversammlung erwartet, daß der Magde. burger Parteitag die groben taktischen und grundsätzlichen Verstöße der Mehrheit der badischen Landtags fraktwn ganz ent- schieden verurteilt und entsprechende Maßnahmen trifft, die der- artige kleinbürgerliche Handlungen von Partei- genossen in verantwortungsvollen Stellungen für die Folge un- möglich machen." Ebenfalls einstimmig nahm die Generalversammlung nach längerer Diskussion, in welcher der Vorsitzende der Landesorgani- sation, Genosse P e i r o t e s- Straßburg, seinen entgegengesetzten Standpunkt persönlich vertrat, einen Antrag des Genossen Kühn. Gebweiler an, der die auf der Landeskonferenz vom 17. Juli d. I. zur Oktroifrage angenommen� Mehrheitsresolution als Programm, und grundsatzwidrig ablehnt und der Erwartung Ausdruck gibt, daß der Magdeburger   Parteitag, der sich infolge eines Antrages des Wahlkreises Mülhausen   damit befassen soll, diese Resolution ganz entschieden mißbilligt. In der Generalversammlung deS Wahlvereins Hannover, die sich über zwei Tage erstreckte, wurde nach sehr eingehender Debatte folgende Resolution angenommen: .Die Generalversammlung des Wahlvereins für den achten hannoverschen Wahlkreis verurteilt auf das schärfste die Budget- bewilligung durch die badische LandtagSfraktion als einen Akt der Disziplinlosigkeit, welcher geeignet rst, die Geschlossenheit der deutschen Sozialdemokratie zu erschüttern. Die Versammlung ist auch der Ansicht, baß die Hofgängerei mit der Gesinnung eines Sozialdemokraten unvereinbar ist. Eben- falls erklärt sich die Generalversammlung mit der Haltung des .Volkswillen' in dieser Frage durchaus nicht einverstanden. Der Parteitag in Magdeburg   möge deshalb alle Mittel an« wenden, die geeignet sind, seinen Beschlüssen und den An- schauungen der großen Mehrzahl der Parteigenossen Gelwng zu verschaffen.'' Auf der Generalversammlung des dritten Württem­berg i s ch e n Wahlkreises(Heilbronn  -Reckarsulm) waren 22 Orte durch 50 Delegierte vertreten. Die Zahl der Ortsvereine beträgt jetzt 23. die Mitgliederzahl stieg von 1600 auf 18S2, weib- liche Mitglieder sind 106 da. Die Einnahmen betrugen 4589,88 M., die Ausgaben 4110,66 M. Die Abonnentenzahl desNeckar-Echo" befindet sich in stetigem Suffteigen. Zur vadischen Affäre wurde eine die Budgetbewillrgung und Hofgängerei verurteilende Resolution eingebracht und von zwei Rednern begründet, angenommen wurde jedoch mit großer Mehrheit die Resolution des Landtagsabgeordneten Feuerstein: .Die Generalversammlung deS S. württembergischen Reichstags- Wahlkreises lehnt eS ab. über die Frage der Budgetbewilligung in Baden ein Urteil abzugeben, da die Frage der einzelstaatlichen Budgetbewilligung als eine taktische, von den jeweiligen politischen Verhältnissen der einzelnen Bundesstaaten abhängig, aufzufassen ist und daher logischerweise auch nur zur Kompetenz der einzelnen parteigenöffischen Landesorganisationen gehört. Die General- Versammlung hält aus gleichem Grunde die Aufhebung der in Frage kommenden Beschlüsse des Lübecker und Nürnberger Partei« tags für durchaus notwendig; insbesondere auch deshalb, weil dieselben durch ihre Unzweckmäßigkeit die agitatorische Tätigkeit der Partei wie deren politischen Erfolge in Frage stellen." Die Kieler   Genossen zum badischen Disziplinbruch. Auf der Generalversammlung des Sozialdemokratischen Ver- eins für den Wahlkreis Kiel  , über die wir im allgemeinen berichtet haben, wurde bei der Besprechung der badischen Affäre auf Antrag deS Genossen Söhnker   beschlossen, wegen der borge. rückten Zeit sich nur mit dem Disziplinoruch der badischen Genossen und nicht mit der prinzipiellen Frage der Budgetbewilligung zu be- Lchäftigen. Folgende Resolution wurde angenommen: Die Generalversammlung des Zentralvereins für den 7. schleswig  -holsteinischen Reichstagswahlkrcis erachtet die Zu- stimmung der Mehrheit der badischen sozialdemokratischen Land- tagsfraktiou zum Budget und beabsichtigte Hofgängerei als eine bewußte Nichtachtung der Partcitagsbeschlüsse. Die General- Versammlung verurteilt daher entschieden diesen Angriff auf die organisatorische Einheit unserer Partei. Sie fordert vom Parteitag in Magdeburg  , daß er der Partei- disziplin, zu der jeder Parteigenosse verpflichtet ist, ohne jede Rücksicht auf die Person Geltung verschafft." Genosse Karl Legren gab zu der Angelegenheit diese Er- klärung ab: Der Resolution stimme ich zu. trotzdem meine Auffassung noch weiter geht. Ich würde dem Vorschlage zustimmen, die Ba- denser auszuschließen. Der Nürnberger Beschluß ist gefaßt. Die Vadenser haben dagegen gehandelt und sich damit außerhalb der Partei gestellt. Zu dieser Auffassung bin ich aus rein organi­satorischen Gründen gekommen. Die Einbcit der Partei muß hochgehalten werden. Deshalb müssen auch Parteitagsbeschlüsse innegehalten werden, sonst könnte ja jeder machen, was er will. Ueber das ThemaSozialdemokratie, Budget und Monarchie" hält Genossin Rosa Luxemburg   jetzt in Baden   eine Reihe von Versammlungen ab, die außerordentlich stark besucht find. In Offenburg   waren am Sonntag über 500, am Montag in Lahr  noch mehr, am Dienstag in D u rl a ch an 800 Personen anwesend. Sn Offen bürg und Lahr   suchte Genosse Parteisekretär n g l e r- Freiburg die Taktik der Mehrheit der badischen Land« tags fraktion zu verteidigen. In Durlach   traten ihr die Genossen Kolb, Flohr, Marum und R ü ck e r t entgegen. Am Mitt- woch sprach die Rednerin in Pforzheim   vor mehr als 1060 Zu- hyruo.,'-----'" Der Bericht der Sozialistischen Partei in den Bereinigten Staaten an den Kopenhagener Kongreß bekundet mätzige äußere Erfolge, aber ein um so kräftigeres Wachstum und innere Festi- gung seit dem vorigen internationalen Kongreß. Dan! der radikalen" Haltung der beiden großen Parteien, der Hearstschen Demagogie(Unabhängigkeitspartci) und derVolkspartei  ", ergab die Präsidentenwahl von 1908 trotz regster Agitation ein Eisen­bahnzug, der den Kandidaten Dcbs durch das ganze Land geführt liatte, kostete 35 000 Dollar nur wenig Stimmen mehr als die Wahl von 1904: insgesamt 4 221500. Eine Reihe Siege wurden erfochten in mehreren Eingelstaaren, namentlich in Wisconsin  (Milwaukee  ). auch in Massachusetts  , Montana.Ohio, Illinois  , Colorado  , Pennsylvania  . Ganz anders war das Wachstum der Organisation. Sie zählte Anfang 1907 39 Staatsorganisationen mit 1900 Ortsvereinen und 26 748 Mitgliedern jetzt 42 Staats- organisationen, 3200 Ortsvereine und 53 375 Mitglieder: also eine Verdoppelung. Die Zahl der Zeitungen stieg von 50, wovon nur 1 tägliche, auf 70, darunter 3 Tageszeitungen,New Fork Call", Chicago   Daily Socialist" undNew Dorker Volkszeitung". Ueber die Hälfte erscheinen in englischer Sprache, die übrigen Sprachen sind: Deutsch  , Dänisch, Schwedisch, Jüdisch, Finnisch, Lettisch, Ruf- sisch, Polnisch, Slawisch(?), Magyarisch  , Italienisch, Französisch. Eine Zeitschrift erscheint für die Frauen und eine für die Jugend. Gute Fortschritte machte die Bewegung unter den Gewerkschaftern. Man hat es aufgegeben, auf den Kon- ventionen des Gewerkschaftsverbandes Diskussionen über den Sozialismus zu veranstalten, und sich an die Einzelorganisationen gewandt. Im vorigen Jahr erklärte der Verband der Kohlengräber, mit dem westlichen Bergarbeiterverband, der sich jetzt mit ihm zu- sammenschließt, die stärkste Organisation, sich für das Ziel des Sozialismus. Eine Reiche Ortsverbände stehen gleichfalls auf dem Boden der Partei. Man rechnet auf etwa 200 000 Gewerk- schafterstimmen für die Partei. Auch unter den Farmern geht es voran; mitunter wurden in landwirtschaftlichen Bezirken mehr Stimmen für uns abgegeben als in industriellen. Planmäßige Propaganda wird durch ein National-Frauenkomitee betrieben. Ein Sonntag jährlich ist für FrauenwahlrechtL-Demonstration be- stimmt. Der Aufklärung der Jugend dienen zahlreiche sozia- listische Schulen._ Jugendbewegung. Arbeiter-Jugend". Die soeben erschienene Nummer 18 hat unter anderem folgen- den Inhalt: Das Weltparlament der Arbeit.   Ein Jahr Jugend­bewegung. Mein Zimmeraquarium(illustriert). Nach dem Sozialistengesetz(Schluß). Von Wilhelm Schroeder. Für Mäd­chen schickt sich das nicht! Von Luise Zietz.   Aus der Jugend- bewegung usto. Beilage: Vagabunden. Von Moosegard. Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens.(Schluß). Wilhelm DittmerS Hamburger Hafenbilder(illustriert). Was soll ich lesen? (Schluß). Von& Borchardt. Aus meiner Lehrzeit. Von A. Whfocki. Geißenhandel. Huö Industrie und Kandel  . Die Versicherungsgesellschaften als Geldgeber. Am Kapitalmärkte spielen die Versicherungsgesellschaften eine große Rolle. Sind in ihrem Besitze doch nicht weniger als 4-/2 Milliarden Mark, die angelegt werden sollen. Zumeist wird für die Anlage die Form der Hypothek oder Grundschuld gewählt. AuS einem einfachen Grunde. Diese Art von Kapitalsanlagen bietet eine große Sicherheit, bringt verhältnismäßig gute Zinsen und ist fast jederzeit zu erlangen. Nur einen Nachteil hat sie, nämlich den der Langfristigkeit. Doch kommt eS ja darauf gerade bei den Derficherungsgesellschaften weniger an. Ihre Prämienreserven kommen fast nie zur Auszahlung. Es müßte denn ein großes Sterben oder eine Unfallepidemie fein. Auch die am meisten gefährdeten Feuer- und Hagelversicherungen haben sich wieder untereinander durch Rückversicherung gedeckt, so daß selbst bei sehr großen Bränden auf die einzelne Ge- sellschaft ein geringes Risiko entfällt. Im Jahre 1909 verfügten die deutschen Versicherungsgesellschaften, soweit sie dem Aufsichtsamt für Privatversicherung unterstellt sind, nach dessen Jahresbericht über Kapitalsanlagen in Höhe von 4667 Millionen Mark. Gegen das Vorjahr ist diese Summe um 239 Millionen Mark gestiegen, und ungefähr der gleiche Betrag fließt ans dieser Quelle alljährlich dem deutschen Kapitalmarkt« zu. Zumeist sind die Gelder, wie schon er- wähnt, in Hypotheken angelegt; eS entfallen hierauf 3803 Millionen Mark gegen 3613 Millionen Mark. Bemerkenswert ist dabei, daß von den gesamten Hypothekenausleihungen der Versicherungen über 50 Proz. auf Groß-Berlin entfallen. Ernteschätzung. Nach den vom Königlich Preußischen Stattsttschen Landesamt in landwirtschaftlichen Kreisen eingezogenen Er- kundigungen wird sich der voraussichtliche Ertrag der Ernte im Königreich Preußen nach dem Stande um Mitte August 1910 belaufen für Winterweizen auf auf 2112 022 Tonnen gegenüber einem tatsächlichen Ernteertrag von 1 876 254 Tonnen in, Jahre 1909, für Sommerweizen auf 277 444 Tonnen(383 538), für Winterroggen auf 8 129 456 Tonnen(8 471 007), für Sommerroggen auf 69 372 Tonnen(70597), für Sommergerste auf 1 565 995 Tonnen(1935 891), für Hafer auf 5 290 231 Tonnen (6 050 504). Danach hat sich die Ernte an Wintcrroggen gegen das am 16. Juli dieses Jahres abgegebene Urteil um 132 095 Tonnen verschlechtert, auf die übrigen Früchte, besonder« auf die Sommerung, hat da? in ihre spätere Erntezeit fallende schlechte Wetter offenbar ungünstig eingewirkt. Die Bemühungen der Deutsch  -Luxemburgischen BergwerkSgesellschaft, die auf den Erwerb der Zeche Kaiser Friedrich in Barop   hinzielten, waren zwar anfänglich ohne Erfolg, denn die Generalversammlung der Gewerkschaft lehnte das Kaufangebot gegen eine starke Minder- heit ab. Mittlerweile ließ Herr Slinnes aber nicht locker. Er ver- stand es. dem Grubenvorstand von Kaiser Friedrich den Bank- kredit abzuschneiden und so sah sich denn der Vor- stand wohl oder übel gezwungen, auf den 9. September eine Generalversammlung einzuberufen, in der der Verkauf beschloffen werden soll. Dividendenerhöhung. Auch die Hasper Eisen- und Stahlwerke sind in der Lage, für daS letzte Geschäftsjahr eine höhere Dividende als im Vorjahre zu berteilen. Der BeiriebSüberschuß beläuft sich auf 2,79 Millionen Mark gegen 2,07 Millionen Mark im Vorjahre. Der Reingewinn erhöht sich von 401 000 M. auf 1 162000 M. Trotzdem diesmal das doppelte Aktienkapital von 10 Millionen Mark an der Dividende teilnimmt, kann diese von 5 Proz. auf 8 Proz. erhöht werden. Gerichts-Leitung. Der Krawattcn-Akademie-Direktor Steiuverg at wieder einmal einen gerichtlichen Erfolg erzielt. Be- anntlich unterhält Steinberg in der Scharrenstraße 9a ein sogenanntes Unterrichts-Jnstitut, das er hochtönend Erste Berliner Krawattenakademie" betitelt. In diesem Institut werden Frauen und Mädchen im Anfertigen von Herren- krawatten unterrichtet. In demselben Hause, in den an das Unter- richtsinstitut anstoßenden Räumen, betreibt Steinberg mit seiner Ehefrau Gertrud eine Krawattcnfabrik unter der FirmaOffene Handelsgesellschaft A. u. G. Stcinbcrg". Welchen Zweck daS letztere Unternehmen hat, verraten schon die von diesem losgelassenen In- 'erste in den hiesigen Tageszeitungen. Da liest man: ..z iHeimarbeit. Verlangt werden zur sofortigen Uebernahme prima Kra- tpcstteiwlbcit Damen jeden Altexs, MoKeuvepdienst 30,=-25., hei NichtkenntniS unentgeltliches Lernen. Krawattenfabrik Scharren. straße 9a(Petriplatz, Spittelmarkt), Potsdamer Straße   55 XBülowstraße)." Durch solche Inserate werden nun die Frauen und Mädchen herangelockt. Doch nicht um die Vergebung von Krawattenarbeit an bereits fachkundig ausgebildete Arbeiterinnen ist es dem Unter- nehmen zu tun. Diesem liegt vielmehr an den Frauen und Mäd- chen, die diese Arbeiten erst erlernen wollen. Bei ihrer Vorstellung werden sie ans das Unterrichtsinstitut verwiesen, ,n dem sie in wenigen Tagen gegen ein Lehrgeld von 15 M. bis 20 M. im Kra- Wattennähen perfekt ausgebildet würden, während das Erlernen der Arbeit in der Fabrik Monate in Anspruch nähme. Ein Prospekt der Krawattenakademie", der selbstverständlich alles Beste verspricht, wird gelegentlich mitgegeben. Ter in Aussicht gestellte gute Wochen- verdienst von 30 M. und die kurze Lehrzeit von etwa zwei Wochen veranlassen leider viele der Frauen und Mädchen, einenUnter- richtskursus" im Anfertigen von Krawatten in derAkademie  " durchzumachen. Dann geht es aber erst ans Vertragmachen, das jedoch nicht lange aufhält. Die gedruckten Vertragsformulare, die derKrawattenakademiedirektor" Steinberg stets vorrätig hat, sind bald ausgefüllt und denSchülerinnen" vorgelegt, damit sie ihren Namen und ihre Adresse daruntersetzen. Leider wird dieser Ver- trag fast nie von den Arbeiterinnen durchgelesen, denn sonst müßten sie sehen, daß der Herr Direktor im Vertrage für die Erfüllung der in Inseraten und Prospekten gemachten Versprechungen irgend- welche Verpflichtungen zu übernehmen ausdrücklich ablehnt. DaS Lehrmaterial, die Stoffe usw. haben dieSchülerinnen" mitzu- bringen oder zu kaufen. In der Regel kaufen sie dieselben in der im anderen Zimmer befindlichen Krawattenfabrik von A. und G. Steinberg. DieKrawattcnakadcmie" verkaust nämlich, durch Er- fahrungen gewitzigt, keine Stoffe. Haben dieSchülerinnen" nun den Kursus hinter sich, so werden sie dann entweder gar nicht oder nur gaiaz kurze Zeit von der Krawattenfabrik mit Heimarbeit be- schäftigt. Um in anderen Betrieben der Krawattenbranche dem neuerlernten Gewerbe nachzugehen, sind diese Krawattenarbeite- rinnen einesteils an Zahl zu groß, anderntesis werden auch ihre Fähigkeiten und Leistungen von den Arbeitgebern nicht besonders hoch geschätzt. So merken die Arbeiterinnen sehr bald, daß die ge- machten Geldaufwendungenn fw den Kursus in derKrawatten- akademie" nutzlos waren und die gehegten Hoffnungen auf eine einigermaßen auskömmliche Existenz nicht in Erfüllung gehen. Diese Erfahrungen hatten auch drei Frauen gemacht, die sich darum geschädigt fühlten. Sie klagten am Dienstag beim Gewerbe» gericht gegen die Krawattenfabrik A. u. G. Steinberg, weil eines- teils durch deren Inserate der Schaden entstanden sei und anderer- seits die Fruchtlosigkeit der Pfändung aus Grund eines etwaigen obsiegenden Urteils gegen den HerrnAkademiedivektor" Steinberg zu befürchten sei. Die eine der Klägerinnen forderte das Lehrgeld von 20 M. und die Auslagen für das Lehrmaterial von 15 M. zurück. Die beiden anderen das Lehrgeld von je 16 M. und außer­dem Entschädigungssummen für entgangenen Arbeitsverdienst. Die Beklagte ließ durch den Mitinhaber Adolf Steinberg zunächst den Einwand der»rangelnden Passivlegitimation erheben, mit der Be- gründung: nicht bei ihr, der Beklagten  , sondern beim Direktor Steinberg hätten die Klägerinnen gelernt und gegen diesen seien die Klagen zu richten. Das Gericht behielt sich die Entscheidung über diesen Einwand vor und verhandelte zur Sache. Steinberg verlangte Klageabweisung; für die Rechtsfrage sei nicht der Prospekt der Akademie, sondern nur die von den Klägerinnen unterschriebenen Bertrüge maßgebend. Auch könnten die Klage- rinnen jetzt nicht behaupten, sie seien nicht genügend unterrichtet worden, denn sie hätten bei Beendigung des Unterrichtskursus aus- drücklich bescheinigt, daß sie mit dem genossenen Unterricht voll» ständig zufrieden seien. Die Prozeßvertreter der Klägerinnen mutzten zugeben, daß diese gedruckten Scheine, die dem Gericht vor» lagen, von diesen unterschrieben worden sind. Dies sei jedoch ge. schehen, weil sich die Klügerinnen die in Aussicht gestellte lohnende Heimarbeit nicht haben durch ihre Weigerung verscherzen wollen. DaS Gewerbegericht unter Vorsitz des MagrstratSassessorS Dr. Maguhn ließ den von der Beklagten   erhobenen Einwand der mangelnden Pasiivlegitimation dahingestellt und erkannte durch Teil- urteil auf Abweisung des Klageanspruches auf Zurückzahlung des Lehrgeldes und der Ausgaben für die Lehrmittel. Die VerHand- lungen über den Entschädigungsanspruch wegen deS entgangenen Arbeitsverdienstes wurden vertagt. In der Urteilsbegründung sagte das Gericht, daß der AnfechtungSgründ der schriftlichen Zu« friedenheitSerklärungen mit dem Unterricht nicht stichhaltig sei., Hud aller Kielt. Die Cholera. Durch die große Verbreitung der Cholera in Rußland  und die neuerliche Verseuchung einiger Provinzen Italiens  wird die Gefahr einer Verschleppung in die Nachbarländer sehr verstärkt. Die Regierungen der in Betracht kommenden Staaten haben daher umfangreiche Maßnahmen getroffen. eine Weiterverbreitung der Cholera nach Möglichkeit zu ver- hindern. So ist unter anderem am Tiroler Grenzbahnhof in Grigno   eine Cholerabaracke errichtet worden. ES wird die strengste Kontrolle der auS Italien  kommenden Reisenden anbefohlen. Die rumänische Regierung hat wegen der von der russischen Grenze her drohenden Gefahr die alljährlich stattfindenden Königsmanöver verschoben. Einige Blätter hatten die Meldung gebracht, daß in einigen an der russischen Grenze gelegenen preußischen Orten Choleraerkrankungen vor- gekommen seien. Von amtlicher Seite wird die Meldung dahin berichtigt, daß die Untersuchung ergeben habe, daß nicht Cholera die Todesursache der Verstorbenen war. sondern daß in einem Fall der Betreffende an der Ruhr gestorben ist und daß es sich in den anderen Fällen um Darmkrankheiten handelte. Aus H e l s i n g f o r s meldet der Telegraph, daß unter denrussischen Dragonern in Willmannstrand ein Cholerafall festgestellt worden ist. In Rußland   macht die Seuche immer weitere Fortschritte. Auch neuerdings sind wieder mehrere Gebiete für choleragefährlich, andere für cholerabedroht erklärt worden. '.« An der Pest sind in Odessa   in den letzten vier Tagen 12 Erkrankungen festgestellt worden. Wie amtlich ge- meldet wird, beträgt die Zahl der Erkrankungen fest dem Anfang der Epidemie öl, die Zahl der Todcssälte 11. Schwere Eiscnbahnkatastrophe. In der Nähe von Durand im Staate Michigan  (Ver- einigte Staaten) stießen in der Nacht zum Donnerstag zwei Eisenbahnzüge, die sich in voller Fahrt befanden. zusammen. Nach der Katastrophe spielten sich an der Unglücksstelle furchtbare Szenen ab. Eine große Anzahl der Passagiere war im Schlafe von dem Unglück überrascht worden, so daß an eine Rettung für viele nicht zu denken war. 18-Neisende eines Schlafwagens wurden getötet und 20 verwundet. Die Trümmer des Wagens fingen Feuer, so daß die Leichen der Verunglückten bis zur Unkenntlichkeit verbrannten. Das konfiszierte Bein. Echt russisch klingt eine Geschichte, die wir einem Petersburger Blatte entnehmen. Ein Eisenbahnpaffagier. ein kranklicher, junger Mann, der im Zuge der finnländischen Bahn, aus dem Sanatorium