Einzelbild herunterladen
 
Wahlrecht im Verhältnis zur Einwohnerzahl so günstig ist wie in Baden  , beweist nichts und kann daher hier ununtersucht bleiben. Denn es ist doch noch niemand von uns eingefallen, die Wahlrechts- zustände in anderen Bundesstaaten zu loben. Ich beschränlkte mich eben nur auf den Nachweis, daß selbst in preußischen Städten das Verhältnis nach der Richtung hin günstiger ist als in Baden. Seit wann ist es denn in der Partei Brauch, daß einem Vor- würfe gemacht werden, wenn er Kritik an einem Klassenwahlrecht übt, und seit wann ist es Brauch, daß man jemand, der, wie ich, in meinem Artikel ausdrücklich erwähnt habe, daß die von nrir mitgeteilten Zahlen über das Verhältnis der Wähler zur Ein- Wohnerzahl einer Aufstellung der Zentralstelle des Deutschen Städtetags entnommen sei, vorwirft, ,ch hätte meine Quelle der- schwiegen? Ich habe bei meinem Vergleich zwischen Mannheim  und Spandau   ztvci Städte von ungefähr gleicher Größe und annähernd gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgewählt. Hätte ich mich von dem Gedanken leiten lassen, dies Verhältnis für Baden möglichst ungünstig ihmzustellen, so hätte ich die Groß- stadt Berlin, wo das Verhältnis der Wahlberechtigten 18,2 gegen 13,7 Prozent in Mannheim   veträgt, zum Vergleich herangezogen. Daß ich nicht Städte, wo das Wahlrecht wie in Bayern   und Sachsen  »ine ganz andere Grundlage hat. oder wo wie in verschiedenen preußischen Städten die liberalen Mehrheiten einen hohen Zensus eingeführt haben, oder wo wie in der Bäderstadt Aachen   die weibliche Bevölkerung überwiegt, in Vergleich stellen konnte, liegt doch auf der Hand. Die Bayern  berufen sich bekanntlich darauf, daß sie das Gemeindewahlrecht um deswillen nicht auf die Einwohnergemeinde ausdehnen können, weil Bayern   nicht wie Preußen und Baden das Klassenwahlrecht hätte. Der grundsätzliche Fehler der von der Mehrheit unserer Ge- nassen im badischen Landtag beliebten Politik liegt darin, daß sie glaubten, sie dürften nicht gegen ein Gesetz stimmen, welches einigermaßen als ein Fortschritt angesprochen werden kann. Wer sich auf diesen Standpunkt stellt, wird höchst selten einmal in die Lage kommen, gegen ein Gesetz zu stimmen, weil die Entwicklung schließlich doch nicht rückwärts geht, und die Streitfrage, ob die Vorteile die Nachteile überwiegen, je nach dem Standpunkt, den man einnimmt, sehr verschieden beurteilt werden kann. Hätte die Reichstagsfraktion beim Gesetz über die Einschränkung der MajestätSbeleidigungsprozcsse und beim Vereinsgesetz sich auf den Standpunkt gestellt, den die Mehrheit der badischen Landtags- fraktion beim Gemeindegesctz mit dem Dreiklassenwahlrecht einge- nommen hat, so hätte sie glatt für. diese Regierungsvorlagen stimmen müssen. Denn das erstere Gesetz brachte überhaupt keine Nachteile und das zweite brachte nur einigen kleineren Bundes- staaten Verschlechterungen, die aber nach Ansicht der Freisinnigen durch die Vorteile, welche namentlich Preußen und Bayern   hatten, doppelt aufgewogen worden sind. So hätte man argumentteren können. In der Tat hat der Abgeordnete v. Payer damals sein dolksparteilicheS Gewissen mit solchen Scheinargumenten beruhigt. Vom Sprachenparagraphen käme nur ein verhältnismäßig kleiner Teil in Betracht und der Jugendparagraph habe praktisch fast aar keine Bedeutung. Man ficht, wohin man kommt, wenn man den grundsätzlichen sozialdemokratischen Standpunkt verläßt und nicht die Beseitigung aller Standes- und Klassenvorrechte fordert. ES ist offenkundig, und das ist ja auch verschiedentlich ausge- sprachen worden: Unsere Genossen im badischen Landtag fühlen sich mehr oder weniger verpflichtet, gemeinsame Politik mit den Nationalliberalen zu machen. Sie erhoffen dadurch zu einem größeren Einfluß zu gelangen und die Nationalliberalen zu bessern. Frank führt hierfür einige Beispiele an und sagt, daß die nationalliberale Fraktion durch unseren Einfluß jetzt für die Aufhebung der konfessionellen Lehrerseminare geschlossen gestimmt habe, während sie im letzten Landtag sich in der Frage gespalten habe. Er vergißt dabei eines. Damals stimmten von 23 national. liberalen Abgeordneten 4 gegen und 19 für, während jetzt die ganze au? 17 Mann bestehende Fraktion dafür stimmte. Ob sie aber, wenn sie in ihrer alten Stärke noch im Landtag vertreten gewesen wäre, dafür gestimmt hätte, ist natürlich sehr zweifelhaft. Die Nationalliberalen können sich in unserem Sinne nicht bessern, ob wir ihnen auch noch soviel Entgegenkommen zeigen und alle möglichen vermeintlichen gesellschaftlichen und höfischen Verpflichtungen erfüllen, und für ein Klassenwahlrecht votieren. Der Klassenkampf trennt die Vertreter der Ausgebeuteten von den Vertretern der Ausbeuter. Das dürften unsere Genossen, die jetzt von dem falschen Gedanken beseelt sind, daß der Gegensatz zwischen Zentrum und Nationalliberalen nicht leicht zu überbrücken sei, beim Zusammenbruch auch des badischen Großblocks bald zu ihrem eigenen Heile erfahren. Der englische   GewcrWchaMongrcB. S h e f f i e l d, 13. September. sEig.Bei.) Die eigentlichen Verhandlungen des Kongresses begannen heute mit der Verabschiedung des Berichtes des Parlamentarischen Komitees. Der Bericht behandelt eine große Anzahl verschiedenster und zum Teil verhältnismäßig unbeoeutender Angelegenheiten. ferner solche, die bei der Besprechung der Resolutionen wieder zur Erörterung gelangen werden. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhange eine kurze, aber lebhafte Debatte, die über die Frage stattfand, ob Truppen oder Mitglieder der freiwilligen Territorial-Armee von den Behörden zur Nie- Verwerfung von Streiks usw. verwendet werden können. Im Berichte ist ein Brief des Kriegsministers Hal» d a n e abgedruckt, worin er dies bestreitet und einige Gesetzeöpara- araphen in diesem Sinne anführt. Mehrere Delegierte, darunter S t o k e S(Glasbläser) und Ben T i l l e t t(Docker) behaupteten auf Grund anderer Paragraphen das Gegenteil. Ferner entspann sich eine erregte Diskussion über die Schwivpraktiken in den Werkstätten der Heilsarmee  , die unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit ungeheure Profite aus ihren Unternehmungen einheimst. Die Besprechung des O s- borne-Urteils wurde bei der Beratung über den Bericht über- nen, weil diese Angelegenheit später besonders verhandelt en wird. Aber der Abgeordnete Shackleton   machte einige interessante Angaben über die Kosten, die die Osborne-Gerichts- sache den Gewerkschaften verursacht hat. Die Verhandlung in erster Instanz, deren Kosten von der ursprünglich betroffenen Eisenbahner-Gewerkschaft allein getragen wurden, kostete 1155 Pfd. Sterling, die Verhandlung in zweiter Instanz 1124 Pfd. Sterling und die Verhandlung in dritter Instanz,, nämlich vor dem Hause der Lords, nicht weniger als 4475 Pfd. Sterling, oder die ganze Angelegenheit in allen drei Instanzen mehr als 7099 Pfd. Sterling, ld. h. 149 999 Mk. Man kann daraus ermessen, wie ungeheuer schwer es bei dem englischen System ist. daß Arbeiter zu ihrem Recht gelangen. Es sei noch bemerkt, daß der Bericht eme wärt- liche Uebersetzung des ganzen LehrkursuS der Gewerkschaftsschule in Berlin  «nthält. Eine Diskussion darüber fand nicht statt, auch eine Resolu- tion liegt nicht vor. Es folgt die Verhandlung der Resolutionen. Die erste prinzi- pielle und prarrisch hochwichtige Debatte fand über die Resolution per Schiffslader statt, die die Bereinigung der jetzt bestehenden drei Zentralorganisationen der englischen Arbeiterbewegung, nämlich des T r a d e- U n i o n- Kongresses, des Gewerkschaftsverbandes und der Arbeiterpartei verlangt. Hier konnte man ganz deutlich das Aufeinanderplatzen der alten trade-unionistischen Auffassungen mit dem neuen Geiste wahrnehmen, der heute die Massen der englischen Arbeiterschaft beseelt. Der Abgeordnete Genosse Cl y z e s(GaSarbeitcr), einer der tüchtigsten Führer der-o- L. P., unterstützte die Resolution, weil sie die Einheit der Arbeiter- bewegung herstellen würde« und diese sei gerade jetzt Mehr denn je notwendig, um die politischen und Wirtschaftlichen   Anschläge des Kapitals zurückweisen zu können. Der Abgeordnete Ward(Erd- arbeiter). der erst kürzlich unter dem Drucke der Massen aus der liberalen Partei austrat und sich der Arbeiterfraktion anschloß, wandte sich sehr heftig gegen die Resolution. Sie würde, rief er entrüstet aus, Leuten, die nichts mit der Gewerkschaftsbewegung zu tun haben. Einfluß und Stimme in rein gewerkschaftlichen An- gelegenheiten verschaffen. Gemeint sind natürlich die an Zahl verhältnismäßig verschwindenden Mitglieder der an die Arbeiter- Partei angeschlossenen sozialistischen   Organisation, der I. L. P.. ferner ihre Vertreter im Parlamente. Leute wie Keir Hardie  , Mac- donald und Snowden. Der Abgeordnete Shackleton  (Weher) unterstützte die Auffassung Wards und fügte noch hinzu, daß der selbständige Bestand des Trade-Union-Kongresses und seines Par- lamentarischcn Komitees nötig sei, um im Namen der GeWerk- schaften als solchen von Regierungen aller Parteischattierungen auf freundschaftlichem Wege Reformen zu verlangen, während eine politische Partei, wie die Arbeiterpartei, dies nur auf dem Wege des Kampfes tun könnte. Andere Delegierte unterstützten die Resolution aufs wärmste. Sie wurde schließlich mit einer über- raschend geringen Mehrheit, nämlich mit 779 999 gegen 759 999 Stimmen, abgelehnt. Zeigte schon diese Debatte, daß eine neue, kampfcsfrohe Stimmung die Delegierten beherrscht, so kam dies bei der unmittelbar folgenden Resolution noch viel deutlicher zutage. Genosse Ben Tillett   begründete namens der Docker- gewerkschaft, die die Federation der Gewerkschaften aller Industrien verlangt nicht zum Zwecke der Regelung von UnterstützungS- fragen, sondern zur Unternehmung gemeinsamer wirtschaftlicher Kämpfe. Tillett wies auf die schweren Arbeiterkämpfe hin, die gerade jetzt ganz England in Unruhe versetzen. Er führte aus, daß angesichts der immer strafferen Organisation der Unternehmer- verbände die gewerkschaftliche Zersplitterung der Arbeiterschaft ein Ende nehmen müsse, wenn sie nicht unterliegen wolle. Ein anderer Vertreter der Dockarbeiter zeigte auf die Unsinnigkeit des gegen- wältigen Zustandes hin, wo Eisenbahner und Dockarbeiter streikende Bergleute unterstützen, aber die von Streikbrechern geförderte Kohle auf Eisenbahnen und Schiffen transportieren. Mehrere Delegierte, die gegen die Resolution sprachen, witterten in ihr und zwar mit Recht einen Borstoß des Tom Mann'schen i n d u st r i e l l e n U n i o n i s m u s", der, ohne antiparlamen- tarisch zu sein, das Hauptgewicht der Arbeiterbestrebungen auf die industrielle, wirtschaftliche Aktion legen will. Tom Mann's Agita- tion entspricht ohne Zweifel einem wirklichen Bedürfnis in Eng- land, und er ist auch der Mann dazu, die englischen Arbeitermassen zu Taten aufzurütteln. Es ist denn auch erstaunlich, welch gewal- tigen Erfolg Tom Mann schon in der sehr kurzen Zeit seit seiner Rückkehr aus Australien   zu verzeichnen hat; wohin man kommt in den nordenglischen Industriezentren, merkt man den Einfluß seiner Agitation. Es ist ein großer Triumph für ihn, daß die Resolution Ben Tilletts vom Kongreß mit der überwältigenden Mehrheit von 1955 999 gegen 445 999 Stimmen angenommen wurde. Als dann nachher eine Resolution die Verwirklichung des ersten Pro- grammpunkts der Tom Mann'schen Agitation, nämlich die Organi- sation nach ganzen Industrien anstatt nach Arbcitszweigen oder gar nach einzelnen Handverrichtungen verlangte, wurde dies nach kurzer Debatte mit einer noch entscheidenderen Mehrheit, nämlich mit 1 175 999 Stimmen gegen 256 999 angenommen. Edwards(Landarbeiter) brachte die Resolutton ein, die die Einbeziehung der Landarbeiter in das Minimallohn. g e s e tz verlangt. Er schilderte die erbärmliche Lage der süd- englischen Landarbeiter, die 69 Stunden und mehr die Woche für einen Lohn von 12 bis 13 Mk. arbeiten müssen. Als sie im vorigen Jahre durch einen Streik eine Lohnerhöhung von 1 Mk. die Woche erkämpfen wollten, wurden sie von der Polizei terrorisiert und 12 von ihnen wegen Singen eines Liedes zu sehr hohen Geldstrafen verurteilt. Eine Szene, die Steine erweichen müßte, spielte sich in der Nachmittagssitzung des Kongresses ab. Drei der streikenden Kettenmacherinnen von Cradley Heath erschienen im Kongreßsaale und erbaten den Beistand des Kongresses in ihrem Kampfe. ES waren abgehärmte, bis zum Skelett abgemagerte Ge- stalten, denen ein Leben voll Kummer und Not vom Gesicht abzu- lesen war. Sie trugen die Ketten, die ihre mageren Hände ge- schmiedet, schwere, schwarze, eiserne Ketten. Sie fordern einen Lohn von 29 Pfennig pro Stunde und sind bereits seit Wochen im Streik um diese Forderung. Ihre Ausbeuter halten einen Stundenlohn von 8 Pfennig für gut genug für sie. Noch ein anderer Zwischenfall trug sich in der heutigen Sitzung zu. Der Vorsitzende kündigte an. daß die Sheffielder Panzer- Plattenfabrik Cammell die Delegierten eingeladen habe, die Fabrik zu besichtigen. Die Firma gehört aber zum Schiffbauverband und hat die bei ihr beschäftigten Kesselschmiede ebenfalls a u S- e s p e r r t. AuS diesem Grunde wurde von mehreren Delegierten rötest dagegen erhohen, daß die Einladung angekündigt worden war. Die Delegierten leisteten ihr natürlich keine Folge. KlNlftttvz der Gelverbegerichtsbrifitzer(Arbeitnehmer) Deutschlands  . Köln  , den 14. September. Zweiter BerhandlungStag. Die Sitzung beginnt mit der Bekanntgabe der Präsenzliste. Es sind 145 Vertreter anwesend, nämlich 134 Arbeitnehmerbeisitzer, 1 Arbeitgeber, 4 Vertreter von KaufmannSgerichten. 1 Vertreter des Bundes der technisch-industtiellen Beamten. 4 Mitglieder der Ge­neralkommission der Gewerkschaften und 1 Vertreter deS Ausschusses des Verbands« der Gewerbe- und KaufmannSgerichte. Ueber «AuSdehnungderZuständigkeitderGewerbe» g e r i ch t e" referiert Starke- Dresden  . Einleitend verweist er darauf, daß, wenn ein Gesetz in Wirksamkeit trete, dann der Streit um das Ge- setz beginne. Dies treffe insbesondere zu, wenn Arbeiterrechte in Frage kämen. Weil der Reichstag   seinerzeit die vernünftigen Vor- schlüge der sozialdemokrattschen ReichStagSfraktion in bezug auf Ausdehnung der gewerblichen Rechtsprechung abgelehnt, deshalb heute die Schwierigkeiten. Die in§ 1 des Gewerbegerichtsgesetzes festgelegte Bestimmung, daß für gewerbliche Streitigkeiten die Zuständigkeit gegeben sein soll, habe zu fortgesetzten Streitigkeiten geführt, iveil der Begriff ganz verschieden angewandt wird. Redner erörtert das näher und krittsiert weiter den 8 2, wonach nur Ge- meinden mit über 29 999 Einwohnarn die Verpflichtung zur Er- richtung von Gewerbegerichten haben. Im 8 3 wird die Zuständig. keit den Betriebsbeamten usw. nur bis 2999 M. Einkommen zuge- standen, dadurch sind große Gruppen von der Inanspruchnahme des Gesetzes ausgeschlossen. Weiter bemängelt Redner die 88 4, 6 und besonders 7, der es zuläßt, daß bestimmte Berufe oder bestimmte Gemeindebezirke der Zuständigkeit des Gewerbegerichts nicht unter. stehen. Arbeiter fast aller Berufe leiden unter den örtlichen, fach- lichen und beruflichen Zuftändigkeitsbcschränkungen, insbesondere als ganze Gruppen weist Redner auf die Gemeinde- und Staatsarbeiter, die Arbeiter in Kunstinstituten, sogenannten WohlfahrtSanstalten usw. hin. Die gesamten Arbeiter im Elbschiffahrtsbetriebe sind aus. geschlossen, weil ein alter Stattenvertrag vom Jahre 1843 noch Gel- tung hat. welcher die in der Elbschiffahrt Beschäftigten den Elbzoll. gerichten unterstellt. Redner erwähnt eine größere Anzahl von Nebenbeschäftigungen, die aus dem Grunde der Gewerbegerichtsbar- keit nicht unterstellt sind, weil der Hauptbetrieb in Wirklichkeit oder dem Schein nach nicht als Erwerb der Unternehmer gilt. In allen solchen Fällen seien die betreffenden Arbeiter die Benach- teiligten. Von Petitionen, die auf Abhilfe dieser Mißstände gerichtet lind, verspricht der Referent sich nicht viel, weil das meist Arbeit für den Papierkorb fei. Nur wenn bestimmte Gesetzesvorlagen zur Beratung ständen, wie zurzeit die ReichsbersicherungSabänderungS- Anträge, könnten Petitionen Anspruch auf Beachtung finden. Red. ner empfiehlt dagegen die Sammlung von Material, insbesondere einschlägige Urteile, eine Besprechung derselben in engeren Kreisen und gutachtlich« Aeußerung der Gewerbcgerichte, sowie die Publi- katton solcher Gutachten. Ein solcher Appell an die Oeffentlichkeit finde immer eine gewisse Beachtung. Dann begründet der Vertreter des Bundes der technisch- industriellen Beamten, Schweitzer, eine Petition an den Reichstag  und erbittet die Unterstützung der Gewerbegerichte. In der Peti- tton wird gefordert, daß Betriebsbeamte usw. bis zu einem Ein- kommen von 5999 M. den Gewerbegerichten unterstellt werden sollen und daß der 8 4 des Gewerbegerichtsgesetzes dahin geändert wird, daß auch die Streittgkeiten aus der sogenannten Konkurrenzklausel zur Zuständigkeit der Gewerbegerichte gehören sollen. Die Be- stimmung. daß nur Orte mit 29 999 Einwohnern die Verpflichtung zur Errichtung von Gewerhegerichten haben, soll aufgehoben und festgelegt werden» daß mindestens in jedem Amtsgerichtsbezirk«in Gewerbegericht errichtet wird. Ferner wünscht die vom Redner ver- treten« Bcamtengruppe die obligatorische Einführung der Verhält- niswahl und für die technisch-industriellen Beamten besondere Bei- sitzer aus eigenen Wahlgruppen, die Herabsetzung Her Wählbarkeit von 39 auf 25 Jahre und das Wahlrecht vom 21. Jahre an sowie Ausdehnung des Wahlrechts auf weibliche Arbeiter und schließlich die Hinaufsetzung der Berufungsgrenze von 199 auf 399 M. Unter demselben Punkt der Tagesordnung erörtert dann Lorenz» Chemnitz   noch die Frage: Sind Prozeßkosten zulässig bei Unzuständig- keitSerklärung des G ewerbegerichtS?" Redner weist an einem speziellen Falle nach, daß einem Arbeiter 6 M. Gerichtskosten auferlegt worden sind in einer Sache, die gar nicht zur Verhandlung gekommen ist, und vertritt nun die Meinung, daß das nicht zulässig sei, obwohl bei Prüfung deS Falles Juristen die Kostenberechnung für cinwandsfrei erachtet haben. In der nun folgenden Diskussion vertritt zunächst Holz in bezug auf die Zuständigkeitsfrage den Standpunkt, daß auf Schaffung allgemeiner Arbeitergerichte hingear. beitet werden müsse, denen alle Arbeiter in gewerblichen Streit- fällen unterstellt seien. Vor allem auch müsse die Zuständigkeit der Gewerbegerichte für Dienstboten angestrebt werden. Redner unter- stützt die Forderungen des Referenten Starke, ist auch mit den An- trägen der technisch-industriellen Beamte« einverstanden, nur hat er Bedenken gegen die eigene Gruppenbildung dieser Kategorie. Hupperts- Hamburg will die Konkurrenzklausel aus den For­derungen der technisch-industriellen Beamten ausgeschaltet wissen. Das Hamburger Gewerbegericht habe sich auf den Standpunkt ge- stellt, daß diese Frage zu wenig Sachkenntnis bei den Gewerbe- richtern begegne. Ferner habe das Hamburger Gewerbeyericht die Forderung der eigenen Gruppenbildung abgelehnt wegen der sich daraus ergebenden Konsequenzen. SawinSki- Magdeburg bringt eine Petition des Werkmeisterverbandes an den Reichstag zur Kenntnis der Versammlung. In dieser Petttion wird gleichfalls die Ausdehnung der Zuständigkett nach 8 133a der Gewerbeordnung auf alle Privatbeamten bis zu einem Einkommen von 5999 M. ge- fordert. Dann nimmt die Petition zur Konkurrenzklausel und zur Bildung besonderer Gruppen für die Privatbeamten dieselbe Stel- lung ein wie die der technisch-industriellen Beamten und fordert außerdem zu 8 1� des GewerbcgerichiSgesetzcö eine Aendcrung dahin. daß der Vorsitzende des Gerichts unter allen Umständen ein Jurist sein muß. der die Staatsprüfung für den höheren Justiz- oder Ver- waltungsdienst abgelegt hat. Wissel! vertritt den Standpunkt, daß die Schwierigkeiten in bezug auf Zuständigkeit und Recht- sprechung weniger auf den unsozialen Geist an den Gewerbcgench- ten, sondern vorwiegend auf die Mängel des Gesetzes selbst zurück- zufuhren seien. Fast allgemeinen Widerspruch findet Redner �mit der Behauptung, daß städttscke Kunstanstalten, sowie ElektrizitätS  -, Gas- und Wasserwerke keine gewerblichen Betriebe seien. H e i d en- Frankfurt wendet sich gegen jede Beschränkung der Zu» ständigkeit für gewerbliche Streitigkeiten und fordert all. gemeine Arbeitergericht«, ist in bezug auf Bildung von Sondergruppen gegen die Petition der technisch- industriellen Be- amten, was er damit zu begründen sucht, daß man in Frankfurt  dieser Angestelltengruppe einen Sitz auf der Kandidatenliste der freien Gewerkschaften angeboten habe, der aber von den Angestellten abgelehnt sei. Redner schließt daraus, daß die technisch-industtiellen Beamten auch nur die Zersplitterung betreiben. Lange- Ham­burg(Vertreter der Handlungsgehilfen) suckt nachzuweisen, daß die Forderung auf besondere Gruppenbildung für die technisch-industri- ellen Beamten berechtigt ist. Auch der sozialdemokratische Parteitag habe 1894 auf Antrag von Dr. Ouarck für die Handlungsgehilfen die besondere Gruppenbildung zugestanden und auch im Arbeitskammer- gesetzentwurf sei eine ähnliche Forderung enthalten, welcher die so- zialdemokratische ReichstagSfraktion zugestimmt habe. Werde dieser Wunsch nicht berücksichtigt, dann treibe man die technisch-industri, «llen Beamten dazu, Anträge auf eigene Gerichtsbarkeit zu fordern. RobertSchmidt(Generalkommission) weist darauf hin. daß die bürgerliche Agitation in dieser Frage auf möglichste Zersplitte- rung aoziele. Es sei deshalb takttsch falsch, durch Versagung des Wunsches der technisch-industtiellen Beamten diese ahzustoßen. Redner bestätigt die Ausführungen von Lange und begründet ein- gehend die Forderung auf Schaffung von allgemeinen Ar- eitergerichten. Er spricht weiter seine Verwunderung dar. über aus, daß auch noch Arbeiterbeisiher die Auffassung vertreten können, daß die Ausschaltung der Kdnkurrenzklaufel aus der Recht- sprechung der Gewerbegerichte gerechtferttgt sei. Schweitzer. der Vertreter der technisch-industriellen Beamten, führt auS, daß gerade seine Organisation den Standesdünkel bekämpfe. Der Grund, weshalb man in Frankfurt   das Angebot der freien Gewerkschaften abgelehnt habe, sei lediglich der, daß der Bund die wirtschaftliche Vertretung seiner Interessen nicht an eine besondere politische Richtung knüpfen könne. Die kleine Gruppe der technisch-industri- ellen Beamten könne sich den Luxus der gegenseitigen Bekämpfung nicht gestatten, wie das bei den freien, christlichen, Hirsch-Duncker- scben und sonstigen Gewerkschaften der Fall sei. Gerade durch Ab- lehnung des Anschlusses an eine bestimmte Gruppe habe der Bund der Zersplitterung entgegengearbeitet. Redner sucht dann nochmals die Berechtigung der eigenen Gruppenbildung nackzuweisen und bittet um Zustimmung zu der Petition.   Nach einem Resümee deS Vorsitzenden K ö r st e n wird i m SinnederAusfuhrun» gendesReferentenent schieden Nunmehr wird die Tagesordnung deS am folgenden Tage beginnenden Verbands-tages des Verbandes der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte einer Be,prechung unterzogen und die Frage der Beteiligung an den Beratungen erörtert. In der N a ch m i t t a g S s i tz u n g ist nur noch der Punkt:- «Die Rechtsprechung an den Gewerbegerichte n� zu erledigen. In der Erörterung dieser Angelegenheit wird Haupt. sächlich Klage geführt über die Art des Verfahrens in den Sühne.  terminen. Die Arbeiter haben vielfach das Gefühl, daß die Ver- gleiche unter erheblicher Beeinflussung des Richters zugunsten der Unternehmer stehen. Einige Redner waren der Ansicht daß manche Richter auf diesem Gebiete direkt Mißbrauch mit den ihnen zu- stehenden Rechten treiben. Die klagenden Arbeiter hätten.häufig die Auffassung, daß sie unter Benutzung ihrer Unkenntnisaufs Glatt. eis" gelockt würden. ES wurde empfohlen, in allen Fallen, wenn die Arbeiter nicht klar seien, ihnen anzuraten, einen Termin mit Beisitzern zu verlangen. Daß ein Einzelrichter nur Urteile im Einverständnis mit den Parteien erlassen kann, fei den meisten Ar. beitern nicht bekannt, weshalb eS Pflicht eines wirklich unpartei- ischen Richter? sei, sie darauf aufmerksam zu machen. Ein« weitere Frage, ob Sonderverträge zulässig seien, wenn das Arbeit?- Verhältnis an einem bestimmten Orte durch Tarifverträge geregelt sei, wurde an der Hand von Urteilen allseitig verneint. Mi- Erledigung dieses Punktes war die Tagesordnung er- schöpft, worauf dann der Vorsitzende Holz die Konferenz schloß.