für zu scharf, fms tu dieser Sache gesagf worden ist. Aberes ist doch nicht das erstemal, daß die Stadt Berlin voir dmStaatsbehörde en canaille— wie Herr Cassel sagte—traktiert wurde. Wie ein roter Faden zieht sich durch dieGeschichte der Stadt Berlin die Tatsache, daß dem preußischenStaatsministerium die Interessen gewisser kapitalistischerUnternehniungen höher stehen, als die Interessen Berlins.Man verfolge nur die fortgesetzte Begünstigung der GroßenBerliner Straßenbahn durch die Staatsbehörden, und manwird finden, daß unsere Staatsgeschäfte geleitet werden zu-gunsten dividendenliisterncr Privatgesellschaften.Vertreter des Bürgertums haben am Donnerstag gegmdiese Behandlung lebhaften Protest eingelegt und ange-kündigt, von jetzt ab energisch zu werden. Wir würden unsfreuen, wenn diesen großen Worten die Tat folgte. Abersehen müssen wir diese Taten, bevor wir daran zu glaubenvermögen. Die Geschichte unseres Kommunalfreisinns istbisher sehr arm an solchen Taten. Immer hat man sichmutig rückwärts konzentriert, wenn es galt, zu handeln—wobei nicht vergessen werden darf, daß auch in Magistrats-und Stadtverordnetenkreisen Leute vorhanden sind, die einInteresse an großkapitalistischen Unternehmungen haben.Die Vergangenheit des liberalen Bürgertums in Berlinist nicht danach angetan, große Hoffnungen für die Zukunftzu erwecken. Sollte es wirklich von der bisher betretenenBahn des Schielens nach oben abweichen wollen, so wirdunsere Unterstützung dabei nicht fehlen. Bisher war es immernur die Sozialdemokratie, die energisch und kraftvoll ohnejede Rücksicht gegen die Bevormundung der Staatsbehördmund gegen die Junkersippe in Preußen aufgetreten ist.Das wird auch in Zukunft so sein. Der Kampf hat sichzu richten gegen den Hort des Junkertums, gegen das preu-ßische Dreiklassenparlament, das der Angelpunkt aller derWiderwärtigkeiten ist, unter denen auch die Stadt Berlinleidet.Der nationalliiwalc Parteitag in Kalle!.Kassel, 1, Oktober.Unter überaus starker Beteiligung wurde heute vormittag derParteitag der nationalliberalen Partei eröffnet. Neben einemReferat des Abg. Bassermann über die innerpolitische Entwicke-lung im Reich seit der Verabschiedung der Finanzrcform stehennoch Referate des Abg. Fuhrmann über die Stellung der Na-tionalliberalen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik und des Abg.Schröder-Kassel über die Stellung der Nationalliberalen zurMittelstandspolitik auf der Tagesordnung.Nach dem unvermeidlichen Kaiserhoch und den üblichen Be-grüßungsansprachen erhielt der lebhaft begrüßte Abg. B a s s e r-mann das Wort zu feinem Bortrage über„Die innerpolitische(Sntwickelung des Reiches seit der Verabschiedung der Reichssinanz-resorm".Der Redner gab zunächst eine Uebersicht über die Geschichteseiner Partei. Ueber die Gegenwartspolitik machte er die folgen-den Ausführungen:Aus dieser Vergangenheitsperiode wende ich meinen Blick aufdie Gegenwart, auf diese unerquickliche Zeit, in der wirheute in Deutschland leben und unter derqn Eindruck wir uns hierzusammenfinden. Das Jahr 1906 hat uns die ReichstagSauflösunggebracht. Der Unwille des deutschen Volkes über die Zunahme desEinflusses der Zentrumspartei war gestiegen und war die Signa-tur jener Periode. Als im heißen Redekampf Dernburg mit Roerenzusammenstieß, ging ein Aufatmen durch die deutsche Nation.(Sehr wahr.) Ein Aufatmen ging durch die deutsche Nation,es war wie die Befreiung von einem Druck, daß endlich ein Mannsich gefunden hatte, der in mutiger, tapferer Rede gegen diesenZentrumseinfluß sprach, der davon sprach, daß er nicht ruhenwürde, bis diese Eiterbeule aufgestochen wäre.(Stür-mischer Beifall.) Als das so war, da trat Fürst Bülow auf denPlan, der ein guter Volkspsychologe war. Und in diesem Augen-blick entstand bei ihm der Gedanke, daß nunmehr der richtige Mo-ment gekommen sei, an das deutsche Volt zu appellieren. Man hatgesagt, dieser Feldzug des Fürsten Bülow sei nicht gelungen, denner habe ja nicht die Ultramontanen geschlagen, sondern die Sozial-demokratie getroffen. Ich habe in jenen Zeiten viele G e-spräche mit dem Fürsten Bülow gehabt, und ich kannIhnen sagen, ein solcher Verkenner der Machtverhältnisse war FürstBülow nicht. Er wußte sehr gut, daß das Zentrum nur in einerverhältnismäßig geringen Zahl von Mandaten bedroht ist. SeinKalkül war von Anfang an darauf gerichtet, der Sozialdemo-krate Schläge zu versetzen, indem er in dem Bundes-genossen des Zentrums das Zentrum selbst traf. Und das istglänzend gelungen. Es läßt sich jene Bülowperiode in den Satzzusammenfassen: Dem Liberalismus ist sein Platz an derSonne zu gönnen. Ich erinnere mich sehr wohl, wie mandamit rechnete, der Sozialdemokratie auch das letzte Mandatin dem früher so ganz roten Königreich Sachsenabzunehmen. Wie freudig begrüßten wir es, daß es in dieserPeriode gelang, den Freisinn, der so lange abseits stand, als aus-gesprochene Oppositionspartei, einzureihen in diese positiv arbeiten-den Mächte an unserem Staatsleben.(Beifall.) Und heute!Versäumt, vergangen, vertan, ein großer Auf-wand schmählich vertan und die alte Misere in Deutsch-land wiederk Wir stehen heute unter dem Eindruck einertiefgehenden Unzufriedenheit»die über ganz Deutschland lagert, und die in einer Weise Tau-sende und Abertausende der Sozialdemokratiezuführt, daß eine große Gefahr für unser Staatsleben besteht.Die Grundlage für diese tiefgehende Unzufriedenheit im deutschenLande ist zweifellos in erster Reihe die vollständig verunglückteantisoziale Finanzreform, die die Gebote der Gerech-tigkeit und des sozialen Ausgleichs verletzt.(Sehr richtig.)Tann kam auch hinzu der Kampf um die preußischeWahlrechtsreform, der weit über Preußen hinaus Jnter-esse erregt hat. Da haben unsere Freunde im preußischen Land-tage diese Vorlage von vornherein für verkehrt gehalten, dienur geeignet sei, neuen Stoff zur Unzufriedenheitin die Massen zu tragen. Auch hier hat man sich gebeugt,obwohl man sich auch klar werden mußte, daß die gescheiterte Vor-läge nicht die Massen beruhigen, sondern deren Unzufriedenheitsteigern würde. Hat doch der Abgeordnete Zedlitz gesagt, daß mandamit nur die Wahlen der Sozialdemokratie besorge. Das sind dieQuellen der Unzufriedenheit. Heute lebt das Volk unter dem Ein-druck, daß der schwarzblaue Block dominiert.Und es besteht der Eindruck auch bei unseren Wählern, daß dieRegierung nur das ausführende Organ ist.(Leb-hafte Zustimmung), so daß wir in gewissem, aber in schlechtemSinne uns in eineni parlamentarischen Regierungssystem befinden.Ich erinnere daran, daß im preußischen Abgeordnetenhauseunsere Parteifreunde geklagt haben über das Parteiregimentin Preußen. Wenn wir dann sehen, mit welchem Hochmut vonmancher Seite die Beschwerden des Volkes und unsere Beschwerdenabgetan werden, so können wir das auch wieder nur bedauern undkonstatieren, daß damit immer nur neue Quellen der Unzufrieden-Deit erweckt werden. Ich erinnere auch an den Ausspruch desLandrats v. G o ß l c r, der sagte, daß die konservative Parteiallein für die Aufrechtcrhaltung der Autorität eintrete, und darausergab sich ihm, daß ein Beamter nur konservativ sein könne.(Ge-töchter.)Man appelliert jetzt so oft an unseren Patriotismus undgwt«ammelparolen aus, aber vergißt, auch nach der(Mieren Seife sich zu wenden-(Stürmischer Beifall.) Wenn manhör?, wie der Bund der Landwirke gegen die Geiverdetreibendenvorgeht. Mitglieder des Hansabundes boykottiert, die anderenpolitischen Parteien beschimpft, so mutz man doch sagen, da wäredoch auch einmal ein tadelndes Wort nach der anderen Seite amPlatze.(Lebhafter Beifall.) Man hat uns den Vorwurf derSteuerhetze gemacht. Wir waren in der Fraktion einig inder Beurteilung der Reichsfinanzreform und befanden uns inUebereinstimmung mit der Fraktion des Preußischen Landtags undmit den Parteivertretungen im Lande. DieWahlen der letzten Periodehaben der nationalliberalen Partei ja auch Verluste gebracht.Wir waren ja vom Unglück verfolgt. Zahlreiche Todes-fälle betrafen gerade unsere Partei. Und alle diese Man-date sind in die Hände der Sozialdemokratengefallen. Glaubt man aber, wenn wir nach der Reichsfinanz-reform mit fliegenden Fahnen in das Lager des schwarzblauenBlocks übergegangen wären, daß die Wahlen anders ausgefallenwären?(Stürmischer minutenlanger Beifall.) Die Signaturvollzieht sich unter einemZug nach links.Wir können nur bedauern, daß der Sturm des Unmuts auchüber uns hinweggeht. Aber wir können es nicht ver-hindern und wir müssen uns der Hoffnung hingeben, daß, wennwir festhalten an unseren bewährten Prinzipien, es auch gelingenwird, die Mitläufer, die heute der Sozialdemokratie zu-strömen, wieder den linkölibcralcn Parteien zurückzuge-Winnen.(Lebhafter Beifall.) Wir haben in einigen Wahl-kreisen Anschluß nach links an die Freisinnige Bollsparteigehabt. Wir haben in anderen Kreisen aber auchAnschluß nach rechtsgehabt, und es hat auch nichts geholfen. Es ist alles gleich,ob rechts oder links, die Unzufriedenheit der Wählergeht über uns hinweg. Bei den Knappschaftswahlen hat jadie christliche Gewerkschaftsbewegung eine großeNiederlage erlitten, die im wesentlichen sich unter ultra-montaner Leitung befinden. Auch sie ist unterlegen unter derMißstimmung der Massen über den Ausgang der Reichs-finanzrcform.(Lebhafte Zustimmung.)Wir suchen in einer solchen Periode natürlich nach Heilmitteln,und da trat ja mancher Prophet auf, der den rechten Ring gefundenhaben wollte.(Heiterkeit.) Wenn wir einig sind in denUrsachen, so müssen wir auch einig sein in demBestreben, diese Ursachen zu beseitigen. Ich glaubenicht, daß man mit leicht hingeworfenen Worten hinwegkommt überdie Lage.(Lebhafter Beifall.) Wir wissen nicht, wieviel Sozial-demokraten in den nächsten Reichstag hineinziehen werden, aberwir können damit rechnen, daß die Ziffer über die hun-dert hinausgeht. Und wenn das Zentrum mit seinenAffilierten, den Elfässern, den Welsen usw., in alter Stärke zurück-kehrt, so bleibt nicht viel Platz für Konservative undLiberale übrig. Wir sehen ja auch die Abwanderung in dassozialdemokratische Lager in rein ländlichen konservativenBezirken. Man kann nicht sagen, daß wir es mit dieser Politikherrlich weit gebracht haben.(Heiterkeit und Beifall.) Wenn derReichstag mit einer Mehrheit aus Sozialdemokratenund Zentrum zurückkommt, so wird er keine langeDauer haben.(Sehr richtig!) Auch das mutz wieder eineMahnung für uns sein, einig zu bleiben und uns zu rüsten. Esliegt mir fern, an dem guten Willen des neuen Reichs-kanzlers zu zweifeln, und ich kann allerdings nicht sagen, daßer nicht ein reaktionärer Mann ist, jedoch vieles an ihmist uns nicht unsympathisch. Aber ich habe doch Zweifel,daß man an den leitenden Stellen den Ernst der Lage erkannt hat(Stürmischer Beifall), und ob man den ernsten Willen an derleitenden Stelle hat, nicht nur mit der Ausgabe von Parolen zuarbeiten, sondern zur entscheidenden Tat zu kommen, die an derWurzel der Unzufriedenheit rüttelt und uns wieder das alte B e-Hägen und die alte Zufriedenheit zurückbringt.(Er-neuter stürmischer Beifall.) Wir müssenzurückgreifen auf die Periode des Fürsten Bülow,in der wir zufrieden waren und entscheidende Siege über dieSozialdemokratie erfochten haben.(Stürmischer Beifall.) FürstBülow hatte anerkannt, daß dem Liberalismus ein-Platz an derSonne geschaffen werden müsse. Der Erfolg dieser Politik war einZurückdrängen des Radikalismus in zweifacher Hinsicht. DieSozialdemokratie wurde erschüttert, selbst in ihrem altenBesitzstand, und die bürgerlichen Kreise sahen ein, daß es, selbstwenn sie zusammen sich aufraffen, auch gelingen wird, der Sozial-demokratie anscheinend uneinnehmbare Hochburgen zu entreißen.Nach der zweiten Richtung war es die ganze EntWickelung in derfreisinnigen Partei, die von dem Radikalismusabgezogen wurde und hinübergezogen wurde zur positivenpolitischen Mitarbeit in nationalliberalem Sinne. Die Reichs-finanzreform wird so leicht nicht niehr zur Ruhe kommen. Wirwerden nicht eher ruhen, als bis wir eine Reform im ausgleichen-den und gerechten Sinne erhalten haben. Man hat uns geraten,die preußische Wahlrechtsreform hinauszuschieben.Aber auch damit wird man zu keiner Beruhigung kommen. Solange nicht nach diesen beiden Richtlinien positive Tatenseitens der Regierung erfolgt sind, wird man gegen die rote Flutnicht ankämpfen können.(Beifall.) Ich bin überzeugt, daß dieWahlen 1911 einenZusammenbruch beS schwarz-blauen Blocke?bringen werden und der derzeitigen Methode. In konser-vativen Kreisen sollte man zu der Erkenntnis gelangen, daß,wenn man den Staat vor einer schweren Krise retten will, derLiberalismus die Stellung, die ihm gebührt, eingeräumterhalten muß. Ich möchte warnen, heute hier über dieStellung zu den Stichwahlen zu sprechen.(LebhasteZustimmung.) Wir wollen das Resultat der Hauptwahlen ab-warten und- dann nach dem Grundsatz von Leistung undGegenlei st ung über die Stichwahlparole entscheiden. Ichglaube, über unsere Stellung zur Sozialdemokratie dürfte eS nichtnötig, sein, hier noch ein Wort zu verlieren. Niemals hat dienationalliberale Partei davon abgelassen, dieSozialdemokratie als ihren Feind zu betrachten.(Zuruf: Todfeind! Stürmischer Beifall.) Wir sind einemonarchische Partei, wir stehen fest auf nationalem Boden,wir sind eine Partei der ruhigen Weiterentwickelung, die die Har-monie der Erwerbsstände anstrebt und die keine Harmonie habenkann mit einer Partei, die international ist und den Umsturzhaben will. Ich glaube, daß keiner hier im Saale ist, der dieGroßblockpolitik im Reiche empfehlen würde.(StürmischerBeifall.) Ich weiß, welcher Unfug mit dem Wort von Naumanngetrieben worden ist. Der alte Bebel sprach ja schon in Magde-bürg davon, er hat unser Gespräch ziemlich richtig wiedergegeben.Als das Schlagwort von Naumann ausgegeben war und wir unsbegegneten, sagte einer von uns zum anderen:„Na, Herr Block-bruder, wie stehen wir?"(Heiterkeit.) Und von beiden Seitenwurde kein Zweifel über unsere Auffassung über dieses Phantasie-gebilde von Naumann gelassen. Ten scharfen Gegensatz unsererPartei zur Sozialdemokratie hat mir derParteitag in Magdeburgvon neuem enthüllt. Niemand hier glaubt wohl, daß es inabsehbarer Zeit in der Sozialdemokratie zu einer Spaltungkommen wird. Der Streit zwischen Radikalismus und Revisionis-mus wird weiterbestehen und in Permanenz bleiben, aber dieHerren werden durch das einigende Band ihrer fozialdemo-kratischen Weltanschauung und durch das Bestreben,zur Macht zu gelangen, zusammengehalten werden. Allerdings sindja die Genossenschaften und die Gewerkschaften mit der radikalenRichtung nicht zufrieden. Es ist ja bezeichnend, daß der Parteitag.als die Genoffenschaftsfrage zur Verhandlung kam, leere Bänkeaufwies. Also so ganz einig sind die braven Genossen ja auch nicht.Der Parteitag in Magdeburg ist für unS aber bedeutungslos, erzeigt« nur, daß tzex BsiikattSNuS erheblich hieMehrheit hak. Wer bei richtiger Einficht müßten schließlichdie Arbeiter doch auch erkennen, wie inhaltslos die sozialdemokra-tische Bewegung an positiver Arbeit für ihre Interessen ist.(Sehrrichtig!) Wir werden die alte Gegnerschaft gegen dieSozialdemokratie in vollem Umfange aufrecht-erhalten und überall den Kampf gegen sie auchenergisch führen.(Stürmischer, minutenlanger Beifall.)Unsere Stellungnahme zur konservativen Parteiwurde in jüngster Zeit wieder viel besprochen. Wir können unterkeinen Umständen auf den Kampf im Osten verzichten(Stür-mischer Beifall), wir müssen ihn führen, weil die Parteigenossenes wollen, weil der Osten vielfach für uns Neuland ist.(Stür-mischer Beifall.) Und wir haben ja in Lyck-Oletzko gezeigt.daß wir in der Lage sind, den Kampf mit Erfolg zu führen. Ichhoffe, daß das nicht der letzte Erfolg sein, sondern daß das Jahr1911 uns weitere Erfolge bringen wird.(Erneuter stürmischerBeifall.)Diese Kraftprobe würden wir nicht überstehen.Zum Z e n t r u ni haben wir die alte, nicht geringer gewordeneGegnerschaft. Wir haben ihm 1996 seine Hochburgen gerettet undman hat uns mit roter Münze heimgezahlt. Der ungeeig-netste Zeitpunkt zu einem Zusammengehen mit dem Zentrum wäreder jetzige, wo durch die Borromäus-Enzyklika der Kampf auf-genommen wird gegen geistige Lern- und Lehrfreiheit.(LebhafteZustimmung.) Ein schweres Thema ist unsere Stellung zu denFreisinnigen. Eine taktische, nicht programmatische Eini-gung entspricht dem Willen vieler Parteifreunde.(Lebhafte Zu-stimmung.) Aber die Freisinnigen machen uns die Sache häufigsehr schwer, indem sie eigene Kandidaten auch dort ausstellen.wo wenige hundert freisinnige Stimmen vorhanden sind. Dassollten die Herren lassen(Beifall). Wir werden weder eine Schutz-truppe der Konservativen und Ultramontanen, noch ein Anhängselder Freisinnigen werden.— Unser Parteiprogramm bedarf keinerRevision. Wir sind davon überzeugt, daß das Reich nur erhaltenwerden kanndurch eine starke Militärmacht,und wir danken unserem Kaiser von Herzen für die Aufstellungund Propagierung des Flottenprogramms.(StürmischerBeifall.) Möge die Regierung weder in der Kolonialpoli»t i k, noch bei der Heeresverstärkung vor dem Zentrumkapitulieren!(Zustimmung.) Man wirft uns vor, wirhätten für die Landwirtschaft nichts übrig und doch haben wirunseren ganzen Einfluß verwendet, um durch den Zolltarifunseren Bauern eine auskömmliche Lebensstellung zumöglichen. Wir sind heute einig, daß eingemäßigtes Schutzzollsystemnötig ist. Wir wollen alles tun, um führende Elemente der In-dustrie und des Handels in die Parlamente zu bringen und ander Spitze von Hansabund und Bauernbund finden Sie erprobteNationalliberale.(Stürmischer Beifall.) Die Aufrecht-erhaltung des ReichStagswahlrechts ist ein Pro-grammpunkt der nationalliberalen Partei, und wer davon ab-weicht, stellt sich außerhalb unseres Programms.(Stür-mischer Beifall und Händeklatschen.) Die politische Arbeit wird ineiner Zeit immer schwerer, wo das Volk um Aufrcchterhaltungseines Nahrungsspielraumes und um Ausdehnung und Erweite-rung seiner politischen Tätigkeit ringt. Wir müssen deshalb umso energischer schaffen, damit eine große politische Partei daseinigende Band für die verschiedenen Berufsorganisationen sei, diemanchmal die Partei in den Hintergrund drängen. So lassen Sieuns an die Arbeit gehen, tapfer und mutig als nationatliberaleMänner, zum Nutzen unserer Partei und des gesamten deutschenVaterlandes.(Stürmischer Beifall.)In der Diskussion erklärt Professor Kindermann-Stuttgart, daß die ungeheure Unzufriedenheit in allen Parteiennicht allein von der Reichsfinanzreform herrühre, sondern auchvon der Fleischteuerung, den Kaiserreden und denmittelalterlichen Gedanken, die in unsere Zöit nichthineinpassen. Als Redner darauf zu sprechen kommt, daß es eineFrage taktischer Erwägung sei, ob man bei den Wahlen da oderdort mit Sozialdemokraten zusammengebe, wird er wiederholtstürmisch unterbrochen. LandtagSabg. Schifferer»Tondern: Uns hat besonders gefreut, daß Bassermann besondersscharf betonte, daß von eineni Linksabmarsch keine Redesein kann und daß die bisherige Schutzzollpolitik in unsihre zuverlässige Stütze findet. Wir lassen uns durch den Revi-sionismus über den Charakter der Sozialdemokratie nichttäuschen. Auch bei den Stichwahlen ist keine �Stimmefür die Sozialdemokraten abzugeben.(StürmischerBeifall.) Landtagsabg. Rebmann- Karlsruhe begründet dasBündnis der badischen Liberalen mit den Sozia-listen. Die b0 badischen Delegierten haben heute noch ein»stimmig beschlossen, an ihrer Taktik festzuhalten.(Hört! Hort! Beifall und Unruhe.) Wir haben in Baden seit40 Jahren das Zentrum zum Gegner. Es ist uns jetzt möglichgewesen, Steuergesetze, ein vernünftiges Gemeindegesetz und auchein liberales Schulgesetz zu schaffen, ohne daß wir unserenationalen Grundsätze aufgegeben hätten.(Beifall undWidersprüche.) Wenn unserer Politik die Bestätigung gefehlt hat,so hat sie uns Magdebur g gegeben, noch nie i st ein stär-kerer Keil in diese Partei getrieben worden.(Stürmische Ohol-Rufe.) In Magdeburg hat sich auch anderesereignet. Bebel hat geistig abgedankt und die Zügel an dieMassen abgegeben. In Baden haben sich die Sozialdemokratenzur Mitarbeit bereit erklärt. In den Massen regt sich der Drang,am Staate mitzuarbeiten und die Mitverantwortung zu über-nehmen. Damit entziehen wir der Partei gewaltigen Agitation?-stoff. Ich möchte aber doch das, was wir in Baden gemacht haben,beschränkt sehen auf unsere badischen Verhältnisse, �ür daS Reichist diese Politik vielleicht auf ein Menschenleben hinaus nochunmöglich, denn die Sozialdemokratie und auch die Re-visionisten nehmen in nationalen Fragen einen für � unsabsolut undiSkutierbaren Standpunkt ein. �(StürmischerBeifall.) Gerade weil wir in Baden national so g e»festigt dastehen, konnten wir uns auf das Experiment einlassen.Fabrikdirektor T a f e l- Nürnberg: Daß sich die Sozialdemo-kratie nicht geändert hat, dafür genügen als Beweis der Magde-burger Parteitag und die blutigen Barrikaden»kämpfe in Moabit. Es gibt keine Gemeinschaft einer natio-nalen und einer revolutionären Partei..(Stürmischer Beifall.)Landtagsabgeordneter C a s s e l m a n n- Bayreuth: Ich warnevor einem Paktiern mit der Sozialdemokratie, aber wenn gc-wisse Dinge so weiter gehen wie bei uns inBayern(Ah! ah), ist eS nicht unmöglich, daß wir das, was dasZentrum vormacht, in einzelnen Wahlkreisen nachmachen.Dr. Winkl er-Hessen erklärt: Unter keinen Umständenkönnen wir für Sozialdemokraten eintreten. Ein Zusammen-gehen mit den Sozialdemokraten scheint mir nirgendwo ge-geben. Der Redner scheint auch sehr orientiert zu sein über dieVorgänge in Moabit. Nachdem er seinem Unmut über LasAusbleiben der erwarteten Spaltung der Sozial-demokratie Ausdruck gegeben hat, meint er, daß die a m t-liche Untersuchung festgestellt habe,� daß die fozialistischeJugenhgarde dir Führung in dem Kampfe in Moabit hatte. Auchsonst macht der Redner verschiedene Ausführungen, die erkennenlassen, daß er sich vorzüglich zum Führer der nationall rberalenPartei eignet. In der weiteren Diskussion spielt die Sozialdemo.kratie und der Magdeburger Parteitag eine große Rolle. Da diefehnlichst erwartete Spaltung nicht gekommen ist, geben verschie-dene Redner ihrem Unmut über die Revisionisten in del:Sozialdemokratie Ausdruck. Große politische Schulung und dasVerständnis der Arbeiterpsyche kommt bei dem FabrikbesitzerDr. Liebreich drastisch zum Ausdruck, indem er erklärt, daßdie Nationalliberalen in seinem Bezirk für die Arbeiter einenVolksverein gegründet haben, der sogar den gemein»amen Einkauf von Kartoffeln und Kohlen be-orgf. Der LaMagSabgeortznete Dr. B e um e r- Düsseldort