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|t. 26. 28.IahrglMS. L KnlGt des Jurmätts" Setlinct Pblilntl Dienstag, 31. Jannar 1911. Reichstag 117. Sitzung. Montag, den 30. Januar 1911, nachmittags 2 Uhr. Am BundeSratstisch: Dr. Lisco.d. Heeringen. Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des Gesetzentwurfes betreffend die bei einem obersten Landesgericht ein- zulegenden Revifione» in bürgerliche« Rechtsstreitigkeiten. Staatssekretär Dr. Lisco: Die Vorlage ist veranlaßt durch einen von Bayern   beim Bundesrate gestellten Antrag, der der durch den Mißstand hervorgerufen ist, daß das baye rische Recht vor dem Reichsgericht nicht revisibel ist. Nach dem Entwurf soll die Zuständigkeit zwischen dem Reichsgericht und dem Obersten Landes- Sericht nach den Rechtsnormen bestimmt werden, die für die Eni- heidung in Betrackst kommen. Abg. Dr. Jmick(natl.): Im Interesse der Rechtseinheit können wir nicht zugeben, daß es im Belieben bayerischer Gerichte steht, eine Sache vor das Reichsgericht zu bringen oder nicht. Bayrischer Justizminister Ritter v. Miltner sucht die Bedenken des Abg. Junck zu zerstreuen; es werde durch die Vorlage dem Reichsgericht nichts genommen. Abg. Speck(Z.) erklärt, daß seine politischen Freunde der Vor- läge zustimmen werden und zwar ohne Kommissionsberawng. Damit schließt die Debatte. Da Kommissionsberalung nicht beantragt ist, wird die zweite Lesung sofort vorgenommen und die Vorlage in dieser debattelos angenommen. Es folgen Petitionen. Eine größere Zahl von Petitionen wird entsprechend den An. trägen der Petitionskommission debattelos dem Reichskanzler als Material überwiesen resp. wird über ste zur Tagesordnung über- gegongen. Der Wirkliche Geheime KriegSrat Uhlenbrock petitioniert: Der Reichsmg möge 1. durch eine Kommisston die Verhältnisse in der Militärverwaltung prüfen und Vorschläge machen, wie ste auf eine gesetzliche Grundlage zurückgeführt und gesetzwidrige Einwirkungen unverantwortlicher Offiziere unmöglich gemacht werden können; 2. möge der Reichstag daraus hinwirken, daß auS dem§ 2S des Reichsbeamten- gefetzeS die Militärintendanten ausgeschieden werden; S. möge der Reichstag beschließen, daß dem gesetzwidrig seines Amtes entsetzten Petenten Gerechtigkeit zuteil werde. Die Kommission beantragt, die Punkte 1 und 2 dem Reichs« kanzler zur Erwägung zu überweisen, über Punkt S zur TageS- ordnung überzugehen. Die Abgg. Ablaß sVp.) und Genossen beantragen, die Punkte 1 und 2 der Budgetkommission zur Erledigung, Punkt 3 dem Reichs- kanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Die Abgg. Sommer sVp.). Dr. Doormann sVp.s, Dr. Stengel(Vp.) beantragen, die ganze Petition dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Preußischer Kriegsminister v. Hceringen: Geheimrat Uhlenbrock behauptete, daß vor seiner zur DispofitionSstellung seine geschäft­lichen Handlungen niemals bemängelt wurden; diese Behauptung ist unzutreffend. Bereits in den Jahren 1896 und 1897 und dann wieder 1899 ist ihm amtlich eröffnet worden, daß Klage darüber geführt werde, daß er bei Verträgen wenig orientiert sei und einen Mangel an selbständigem Urteil habe. Verein- sachungen in der Heeresverwaltung halte auch tch für nottoendig, eine Kommission des Kriegsministeriums ist auch mit der Aus« arbeitung von Vorschlägen beschäftigt und ich hoffe, daß sie zu Ende des Jahres mit ihren Arbeiten fertig geworden sein wirb. Wie alles Menschliche, so mag auch in der Militär- Verwaltung diese oder jene Einzelheit unvollkommen sein, das System in seiner ganzen Gesamtheit hat die Feuerprobe dreier sieg- relcher Feldzüge überstanden.(Lebhafte« Bravo I rechts.) Abg. Sommer(Vp.) begründet seinen(nicht fraktionellen) Antrag auf Ueberweisung der gesamten Petitionen zur Berücksichtigung. Hätte ein Kommissar des KricgsministeriumS in der PetilionS- kommisfion unS das Material mitgeteilt, dann wärm diese peinlichen Erörterungen, diese Auseinandersetzungen über die Persönlichkeit deS G-heimratS Uhlenbrock hier im Plenum uns erspart geblieben. Wenn Herr Uhlenbrock so dienstunfähig war. worum hat man ihn denn in noch gar nicht so hohem Alter zum Geheim rat gemacht? (Sehr gut! links.) Rleines fcuületon. Wie Ludwig Uhland   die Piepmätze ausschlug. Zur Zeit der OrdenSsaison. wo die einfarbigen und bunten Piepmätze gleich in Hunderten und Tausenden von Exemplaren aus das angestammte Vaterland herniederhageln und neben den Polizeischergen auch die Knopflöcher liberaler Parlamentarier mit irgend einer schönen Medaille oder Bündchen geschmückt werden, dürfte eine Reminiszenz an Ludwig Uhland   und seine OrdenSgeichichte angebracht sein. Uhlaud war Profeffor an der Tübinger   Hochschule, als er 133S von neuem als Abgeordneter in die Zweite württembergische Kammer gewählt wurde. Da der Regierung diese Kammer, ebenso wie heute der Reichstag der preußischen, ein Dorn im Auge war. verweigerte sie Uhland den Urlaub zur Ausübung seines Mandats und erteilte ihm hieraus die von ihm erwünschte Entlassung aus dem Staats» dienst.sehr gern". Als dann nach der Bewegung der vierziger Jahie die Reaktion allenthalben wieder in vollster Blüte stand, glaubte der Preußenkönig den schwäbischen Dichter damit zu ehren, daß er ihn zum Ritter des von Friedrich II.   gestifteten Ordenspour ls mvrits" vorschlug. Und zwar glaubte man den Dichter mit dieser Ehrung zu überraschen. Aber man halte sich hierbei gründlich ver- rechnet. Zum Erstaunen A. v. Humboldts, der Kanzler des Ordens war. lehnte Uhland entschieden ab. Auch aus die wiederholten Vorstellungen Humboldts, daß derKönig das Patent bereits unterschriebeu habe und daß es doch schon deshalb nötig sei,.damit ein so schöner Name nicht aus der Liste mangle, welche die größten Männer des Zeitalters ent- hallen iolle', lehnte er erneut ab und zwar mit der schriftlichen Be- gründung. daß er.dadurch in unlösbaren Widerspruch mit seinen literarischen und politischen Grundsätzen geraten würde'. Dieser Widerspruch wäre um so schneidender, wenn er mit diesem Ehren- zeichen geschmückt wäre,.während solche, mit denen ich in Vielem und Wichtigem zusammengegangen bin, weil sie in der letzte» Zerrütiuug weiterschrUten. dem Verluste der Heimat. Freiheit. ja selbst dem Todesurteil verfallen sind.' Uhland   hatte hierbei die Blururteile der badischen Standgerichte vor Augen, gegen die er wiederholt protestiert hatte. Auch den im gleichen Monat(De- zember 13L3) ihm vom bayerischen König verliehenen Orden lehnte er auS dem gleichen Grunde ab. DaS war vor beinahe sechzig Jahren. Aber:»wenn heut ein Geist herniederstiege'--- Theater. Freie Volksbühne(im Gebrüder Herrnfeld-Theater): SN deS Reiches Pforten. Von Knut Hamsun  . Der Titel dieses Echau'pielS hat symbolistische Deutsamkeiten. Der Zuschauer könnle zunächst ein Thema mit politischen oder religiösen Hinter- gründen verniuten. Es handelt sich jedoch lediglich um das Problem einer Schriflslellerehe. präziser ausgedrückt darum: inwieweit das häusliche Glück sich unter dem Kampf eineS in freier Unabhängig. feit beharrenden Geistes mit seiner konservativ gearteten Umwelt be- haupten kann oder nicht. Rur   ein wirklicher Dichter vernrochte dteS eigenartige Problem aufzugreifen und zu erschöpfen. Die sehr alle Kriegsminister v. Herringen: Ich war im Interesse des Staates genötigt, hier auf die Persönlichkeit des Herrn Uhlenbrock einzugehen, was ich gern Unterlasten hätte. Abg. Kunert(Soz.): Es scheint doch recht bedenklich zu sein, die Intendanten, als die Sachverständigen für militäriscke Verwoltungsangelegenheiten, derart bedingungslos Nichtfachmännern, den kommandierenden Gene- ralen unterzuordnen. Im Einklang mit Herrn Sommer bin ich der Meinung, daß rechtzeitige Mitteilungen in der Kom- Mission hier diese Erörterungen im Plenum unnötig gemacht hätten. Der Antrag Ablaß   scheint uns aber in diesem Falle bester zu sein als der weitergehende Antrag Sommer, der die ganze Angelegenheit zur Berücksichtigung über« weisen will. Das Bedeutsame an der Sache ist schließlich nicht die Persönlichkeit des Geheimrats Uhlenbrock, sondern das Verlangen des Petenten, daß die Militärverwaltung ans eine ver- fassungsmäßige Grundlage gestellt wird. Daß dies der springende Punkt ist. hat ja auch der Herr Kriegsminister ganz richtig herausgefühlt. Es ist unleugbar, daß Herr Uhlenbrock mit seiner Auffassung von der Notwendigkeit der Reorganisation der Militär- verwalmng unter den Militärintendanten durchaus nicht allein st e h t. Im Zusammenhang mit dieser Frage steht auch das Vor- handensein direkt ungesetzlicher Fonds in der Militärverwaltung. Darum verlangen Uhlenbrock und der ebenfalls als Fachmann fach- verständige Stägemann, daß die Verwaltung deS Reichs­eigentums beim Heere anderweitig geregelt werden solle, eventuell einer nur dem Reichstag verantwortlichen Behörde übertragen werde. Beide Herren weichen sehr ab in Einzelheiten, darin sind sie aber einig, daß etwas faul ist im Staate Dänemark  und daß eine Reorganisation nötig ist, die besonders auch die Militärintendanten schützt vor ivillkürlicher Entfernung aus dem Amte. Bei der Gelegenheit darf auch nicht vergessen werden, mit den ungesetzlichen Fonds aufzuräumen, wie sie z. B. in S a ch s e n bestehen. Jedenfalls ist hier noch recht viel zu reformieren.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Sächs. Bundesratsbevollmächtigter Generalmajor Frhr v. Salza: Unseres Wissens existieren in Sachsen   keine ungesetzlichen Fonds. Wenn der Abg. Kunert Material über solche Ungesetzlichkeiten besitzt, so stelle er es uns zur Verfügung. Inzwischen hat der Abg. Sommer(Vp.) seinen Antrag dahin abgeändert, daß er statt Ueberweisung an den Reichskanzler zur Berücksichtigung Zurückverweisung an die Kommission ver- langt. Abg. Erzierger(A.): Die Sache ist vollkommen spruchreif und kann nach den Anträgen der Kommisston entschieden werden. Abg. v. Byern(k.): Den KommissionSanträgen zu 2 und 8 stimmen wir zu, Punkt 1 halten wir für überflüssig. Abg. Dr. Weber(natl.): Die persönliche Seile der Angelegen- heit häne in der Konimission erledigt werden können, wenn der Kriegsminister seine Ausführungen dort gemacht hätte.(Sehr wahr I links.) Die Resultate, zu welchen die vom Kriegsminister eingesetzte Kommisston kommen wird, werden uns hoffentlich in einer Denk» s ch r i s t zugänglich gemacht werden. Abg. Werner(Anns.) schließt sich dem Abg. v. Byern an. Abg. Sommer(Vp.): Wenn uns eine Denkschrift in der vom Abg. Weber angeregten Weise zugesagt wird, find wir bereit, unsere Anträge zurückzuziehen. Kriegsmininer v. Heeringen: Ob eine Denkschrift dem Reichs- tage wird vorgelegt werden können, läßt sich heute noch nicht über- sehen. Wenn eS möglich ist. wird es geschehen. Abg. Sommer(Vp.)(zur Geschäftsordnung): Ich ziehe unsere Anträge nach dieser Erklärung des KriegSministers zurück. Abg. Kunert(Soz.): Dem sächsischen Bundesratsbevollmächtigten gegenüber und Herrn Trzberger gegenüber, der sich als freiwilliger Regierung«- kommissar betätigt hat. halte ich an der Behauptung fest. daß im sächsischen Militäretat fcbwarze Fonds vorhanden sind. Den Beweis werde ich beim Militäretat erbringen. Da« Vor- handensein solcher Fonds ist«in Zeichen außerordentlicher Unordnung und muß geradezu als ein Skandal bezeichnet werden. Herr Erzberger   mag sich merken, daß sich zwischen Berlin   und Dresden  manche Dinge ereignen, von denen seine Schulweisheit nichts träumen läßt. Abg. Erzberger(Z.): Gegen die Behauptung, daß schwarze Fonds im Militäretat vorhanden sind, muß ich inich als Referent deS Mililäretats wenden, da« heißt nicht, freiwilliger Regierung«- kommissar sein. Beweise für seine Behauptung hat der Abg. Kunert nicht erbracht. Abg. Kunert(Soz.): Ich habe schon gesagt, daß ich die Beweise bei anderer Gelegenheit erbringen werde, heute bin ich natürlich nicht auf diese Sache vorbereitet. Herr Erzberger   ist nicht als freiwilliger Re- gierungskommissar aufgetreten, sondern viel besser und schneidiger als ein Regierungskommistar.(Heiterkeit.) Damit schließt die Debatte. Die Anträge der 5loinmission werden angenommen. ES folgt eine Reihe von Petitionen, welche über die Verunreini- gung des Mains durch Fabrikabwässer Klage führen und um Abhilfe bitten. Die Konnnission beantragt, die Petitionen dem Reichskanzler als Material zu überweisen. Abg. Dr. Pfeiffer(Z.): Die Stadt O f f e n b a ch hat bis heute noch keine Kläranlage gebaut; es wäre an der Zeit, etwas Dampf dahinter zu machen. Abg. Brühne(Soz.): Bei dieser Forderung soll man nicht vergesten, daß die Er« richtung der Kläranlage von der Stadt Offenbach   ungeheure Summen erfordern wird. Die Verunreinigung deS Mains und das dadurch verursachte Absterben der Fische ist um so mehr zu be- dauern, als die Fische bei den hohen Fleischpreisen als ein gutes VoUsnahrungsmittel in Betracht kommen. Der Antrag der Kommission wird angenommen. Eine größere Reihe von Petitionen verlangt Aenderungen deS Jmpfgesetzes, resp. Aufhebung des Impfzwanges. Die Kommission beantragt, über diese Petitionen zur Tages» ordnung überzugehen. Die Abgg. Sachse(Soz.), Severing(Soz.) und Genosten beantragen, soweit die Petitionen die Aufhebung des Impfzwanges bezw. Einführung der Gewissensklausel nach englischem Muster ver« langen, wonach die Eltern, die vor der Behörde erklären, die Impfung ihrer Kinder nach ihrem Gewissen nicht verantworten zu können, davon befreit werden, sie dem Reichskanzler zur Berück- sichtigung, die übrigen Punkte als Material zu über- weisen. Die Abgg. v. D a m m und Genossen(Wirtsch. Vg.) beantragen, in den Antrag Sachse noch einzusägen:»und soweit sie befürworten, den durch die Impfung Geschädigten einen Anspruch auf Entschädigung gegen den Staat einzuräumen. Abg. Erzberger(Z.) und Genosten beantragen, eine Kom« misston aus Jnipffreunden und Jmpfgegnern einzuberufen, die er- neut die Anträge und Anregungen zur Aenderung des JmpfgesetzeS prüfen soll. Die Abgg. Dr. Faßbender(Z.) und Dr. Pfeiffer(Z.) beantragen, die Petitionen dem Reichskanzler als Material zu über- weisen und den Reichskanzler um Vorlegung eines Gesetzentwurfes zur Revision des Jmpfgesetzes zu ersuchen, wobei die Gewissens- klausel in das Gesetz ausgenommen wird. Die Abgg. Dr. Müller-Meiningen  (Vp.) und Genosten beantragen, den Antrag Faßbender so zu fassen, daß die verlangte Revision des JmpfgesetzeS die bestehenden rechtlichen Unklarheiten de« Jmpfgesetzes beseittgt, und daß die Einführung der sogenannten Gewisscnsklausel von neuem wissenschaftlich geprüft und dem Reichs- tag darüber eine Denkschrift vorgelegt wird. Abg. Dr. Pfeiffer(Z.): Für meine Person bin ich Anhänger der Impfung. Aber wir können die Ohren nicht verstopfen vor den Notschreien von Tausenden von Eltern, deren Kinder durch daS Impfen geschädigt sind. Jmpffchäden existieren trotz aller Beschwichtigungsversuche. Als ein absolutes Zwangsgesetz ist da« Jmpfgesetz niemals gedacht gewesen. Bisher glaubte ich, dl« Polizei lei zum Schutze des Publikums da; aber der Jmpfdezernent beim Polizeipräsidium in Frankfurt   a. M., Herr v. Bitter, hat am 17. September 1310 erklärt, er werde dir Eltern in Ketten lege« lasse«, um da» Impfe» zu erzwingen. Hoffentlich gibt e» noch Richter in Deutschland  , die einem solchen Polizei-Jupiter die Grenzen seiner Uebermenschheit klar machen. Ist es denn wirklich notwendig, daß ein Kind, welches gesund zur Welt kommt, erst durch die Pinzette des Jmpf- arztes zu einem vollkommenen Menschen gemacht wird. In sozial besser gestellten Kreisen weiß man freilich nichts von Jmpffchäden. Aber auf dem Lande, wo die Mütter die Kinder meilenweit zum Jmpfarzl bringen, herrscht Maffenbetneb beim Impfen und da» Anschauung, daß für den schöpferischen Genius, ganz gleich, ob Mann oder Weib,«ine ungleichartige Ehegemeinschast Hemmnisse, wo nickst gar eine völlige Erlötung der Produktivität im Gefolge habe, beruht doch aus triftigen Erfahrungsgründen. So würde also dies Drama zu- vörderstallen, die es angeht', verständlich sein wäre Knut Hamsun  nicht Dichter genug gewesen, daS ernsthafte Problem auch auf die Basis allgemeinverständlicher Menschlichkeit zu stellen. Freilich, auS der Tiefe sozialer und ökonomischer Ursachen hat er sein Drama nicht emporgehoben. Am schlimmsten von allen ist natürlich jeder Schriftsteller daran, der neben seinem Talent auch noch seine politischen Ideale gegen den Ansturm kapitalistischer Mächte behaupten will. Von dlesem Boden aus baut nun Hamsun   sein Drama allerdings nicht auf. Die Frau des Schriftstellers Jvar Kareno stammt auS einer wohlhabenden Familie vom Lande. Würde er weniger steifnackig sein, so brauchten sich die jungen Leutcven welt weniger um die Existenz zu mühen; und ihm ver- bliebe wohl Zeit und Gelegenheit. seiner Ueberzeugung zum sieg« zu verhelfen. Kareno will jedoch keiner Menschenseele materiell verpflichtet sein. DaS liegt in seinem Charakter und in seiner Denkungsart. Seine Frau ist wieder aus völlig anderem Stoff gesormt. Ihr geistiger Horizont gleicht nicht dem seinen. Sie hat weder ihre ländliche Naiviiät abgestreift, noch auch vermag sie ihre kleinbürgerlichen Anschauungen dauernd niederzuhalten. Drei Jahre hat sie mitaedarbt, mitgehofft, mitgeglaubt. Aber sie ist nur Weib; und als solches empfindet sie je länger je mehr jedwedes Konzentrationsbestreben des Manne« auf seine Arbeit als Ver- nachlässigung, als Raub an ihrer seelischen Hingabe. Sie zweifelt schließlich an ihres Mannes innerlicher Neigung. Man wird Elina schwerlich unrecht geben dürfen auch selbst dann nickt, als sie sich einem geckenhaften Journalisten und Schürzenjäger an den Hals wirft und das HauS auf Nimmerwiederkehr verläßt. Zweifellos hätte ihre Liebe zu Kareno standgehalten, wenn er seine Mission als Schriftsteller den gegebeneu Verhältnissen angepaßt hätte. Aber das kann Kareno, der als einziger de» Kampf gegen alle führt, nicht. Er gibt auch den Freund auf, als er gewahr wird, daß dieser seine Ueberzeugung verkauft hat. Elina geht, weil Kareno unbeugsam ist. DaS ist die schwerste Täuschung, der herbeste Schlag für ihn. Dieser Verlust wird ihn vernichten. Hamsun   läßt hier den Schleier fallen, aber wir ahnen es. Wenn wir sein Drama vom menschlichen und künst- lerischen Standpunkte, aus betrachten, so bleibt eS eine der stärksten Bühnendichtungen gerade durch die Kraft der Ideen und seelischen Konflikte. Eine in jeder Hinsicht ausgezeichnete Aufführung unterstützte den starken Eindruck des DramaS. Die beiden Hauptpersonen: Jvar Kareno und seine Frau, wurden durch Marie Wendt-Bettinger und Paul P a u l j e n mit geradezu elementarer künstlerischer Kraft und erschütternder GemülSwärme gegeben. Auch die übrigen Mit- wirkenden boten ganz vorzügliche Charakterchargen. Direktor W i t t e- W i l d hatte für das Zustandekommen einer würdigen Aufführung diese» schwierigen und interessanten Schauspiels alle» aufgeboten.«. k. Humor und Satire. Uniformierte Wissenschaft. (Für die Senatoren der neuen kaiserlichen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft wurde eine AmtStracht eingeführt.) Wie ging die Wissenschaft verludert Im bloßen Hemd als SanSculott, Die roten Backen ungepudert, Fast nackig wie der liebe Gott l Was hat die Menschheit Zeit verplempclt, BiS sie die Weisesten erkannt! Nun wird er staatlich abgestempelt Und man erkennt ihn am Gewand. Auf allen Vieren kommt gekrochen Der preußisch-deutsche Argonaut. Ist königStreu bis auf die Knochm Und von den Knochen bis zur Haut. Die Haut aus feinem grünen Tuche Verrät von fern das Forscheramt; Stolz trägt der denkende Eunuche DeS AermelaufschlagS roten Samt. Der Mann(beachtet, was ich sage 1), Der mit dem goldgestickten Kleid Gelöst die Toilettenfrage, Hat uns von schwerem Alp besteig Auch das verbummeltste Stndentche« Erkennt der Fortschritt ist enorm Nunmehr Genies und Leutenäntchen Totsicher an der Uniform. (Edgar Steiger   im.Simpllcissimu»'. Notizen. Der Bildhauer Emil Hundrieser  , einer der Künstler, die in unserem byzantinischen und denkmälergierigen Zeit- alter große offizielle Aufträge auszuführen hatte, ist im Alter von 64 Jahren>n Berlin   gestorben. Bekannt ist seine Kolossalfigur der Berolina' auf dem Alexanderplatz  , die aber genau wie seine andere» Werke große Kunst nur im räumlichen Sinne ist. Ein Großindustrieller des Verlagsbuch» Handels ist mit Adolf K r ö n e r in Stuttgart   gestorben. Der Konzentrationstendenz, die die kapitalistische Wirtschaft kennzeichnet, hat er in großem Maße im deutschen Buchhandel zur Geltung ver» Holsen. Mit seiner eigenen Firma(Gebrüder Kröner) vereinigte er nach und nach die VerlagsgesellschaftUnion  ", den Verlag von Keil m Leipzig   und die altbekannte Cottasche Buchhandlung und brachte damit eine Fülle buchhändlerischer Unternehmungen unter eine Kon- trolle. DieGartenlaube", die früher eine gute, bürgerliche Auf« klärungSzeitschrift gewesen, verlor unter ihm ihre Tendenz und begann den Abstieg, den sie unter den Fittichen de» Kulturbrinaers Scherl vollendete.