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Nr. 44.

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Vorwärts

Berliner   Volksblaff.

28. Jahrg.

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Telegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Die englischen Kolonien und die Carifreform.

London  , 18. Februar 1911.( Eig. Ber.)

Die große Schnelligkeit, mit der sich das wirtschaftliche und politische Leben entwickelt, ist ein Merkmal der modernen fapitalistischen Gesellschaft. Vor einem Jahre nahm man auf dem Festland vielfach noch an, daß der Sieg der Chamber­lainschen Ideen nur eine Frage der Zeit sei, und heute schon geben die unentwegtesten englischen Tarifreformer selbst zu, daß die Grundidee des Apostels der Tarifreform der all­britische Zollverein durch den kanadisch- amerikanischen Handelsvertrag undurchführbar geworden ist. Zwar stellen sich die Führer, als wollten sie aus der alten Position nicht weichen. Aber diese Hoffnung ist kaum mehr als ein Ver­such, den Anstand zu wahren, nachdem die Daily Mail" den Zollverein mit solch übertriebener Hast. begraben hatte.

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Dienstag, den 21. Februar 1911.

Teue Kämpfe auf Ponape  .

Die Straferpedition gegen die aufständischen Eingeborenen auf Bonape hat am 24. Januar und an den folgenden Tagen ihren Fortgang genommen. Es ist dabei zu blutigem Kämpfen gekommen, bei denen das Expeditionskorps 6 Tote und 5 Schwerverwundete zählte. Zwei Mann wurden leicht verwundet. Unter den Gefallenen be­finden sich drei schwarze Soldaten, ferner der Leutnant zur See Erhard, der Obermatrose neidl und der Obersignalgast Günther. Die Dbermatrosen Pimpery, Karl Meyer und Agathon wurden schwer verwundet. Obermatrose Geißler und Bootmannsmaat Rieder famen mit leichteren Verlegungen davon. Die Eingeborenen sollen vier Tote verloren haben. Ueber die Gefechte wird gemeldet:

mit

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

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Das Resultat blieb demnach gegen die allgemeine Schäßung um 42 000 zurück, somit ist auch die jährliche Zunahme etwas ge­ringer. Trozdem hat sich die jährliche Zunahme, die in der Periode 1900/05 854 820 betrug, auf 863 307 erhöht, 8487 oder 0,9 Proz. mehr pro Jahr. Da die Geburtenziffer gegen früher zurückgegangen, erklärt sich die Vermehrung aus der Abnahme der Sterblichkeitsziffer. Politisch ergibt sich daraus eine größere Zunahme der Wähler und Sürfte mit Hinzurechnung von 9-10 Monaten des Jahres 1911 die Bahl der Wahlberechtigten für die bevorstehende Reichstagswahl 14 400 000 betragen.

Politifche Ueberficht.

Berlin  , den 20. Februar 1911. Friedensermahnungen des Reichskanzlers.

Am 24. Januar und an den folgenden Tagen wurde die auf der Dichokatsch- Spize befindliche Befazung durch Schüsse aus dem Der Zusammenstoß zwischen Nationalliberalen und Busch beunruhigt. Hierbei wurde Oberfignalgast Günther von Konservativen im preußischen Abgeordnetenhause hat dem der Emden  " schwer verwundet( Oberschenkel und Unters Reichskanzler seine schönsten taktischen Erwägungen und Hoff­leib); am 27. Januar erlag er feinen Wunden. Durch Niederschlagen und Niederbrennen des Busches und Näumung der nungen zerstört. Ertrinkende greifen selbst nach einem Stroh Farmen wurde Wiederholungen vorgebeugt. Die Befagung der halm und so hatte bisher auch Herr von Bethmann Hollweg  Dichotatschipize der Insel bestand aus zwei Difizierem, einem trotz aller gelegentlichen Reibereien zwischen den großen ton­Decoffizier, 38 Mann, auf der unteren Insel einem Offizier, einem fervativen und nationalliberalen Strategen noch immer darauf Fähnrich, 34 Mann. gerechnet, daß sich bis zur nächsten Reichstagswahl die edlen Seelen Am 26. Januar wurde der Feind bei Nautiop in starter zum gemeinsamen Kampf wieder zusammenfinden würden. Stellung auf einem 800 Meter hohen Felsenabhang angetroffen. In diese schöne stille Hoffnung stieß die gegenseitige An­Er hatte auf einem schwalbennestartig geformten Bergbor rempelung im Abgeordnetenhause ein respektables Loch. Doch sprung ein Steinhaus und Steinmauern Schießscharten errichtet, die gute Deckung boten. der fünfte Kanzler des neuen Deutschen   Reiches ist Optimist. Nach hinten war diese Stellung durch eine 100 Meter Er bertraut der narbenheilende Wirkung der Zeit und eines hohe Felswand gedeckt. Ein Kammweg führte zu einer Flante guten Kleisters und liest deshalb in der Nordd. Allgem. 8tg." der feindlichen Stellung eben unterhalb der Mauer. Die beiden Parteien eine Versöhnungsepistel, in der sie feierlichst Landungsforps von Nürnberg  " und" Cormoran" mit 60 Schwarzen ermahnt werden, sich doch zum Wohle des Vaterlandes die umstellten im vollen Wirkungsbereich des feindlichen Feuers den Hand zum Bunde zu reichen: unteren Berg, um die Flucht des Feindes zu verhindern. Den Fregattentapitän Tägert ließ ich mit dem Landungskorps von Emden  " und 85 Schwarzen den Feind auf dem Karamweg an­greifen. Die Stellung des Gegners wurde gestürmt. Der Feind floh auf den steilen Berggipfel und zerstreute sich. Eine Verfolgung war wegen einbrechender Dunkelheit und Terrain­schwierigkeiten unmöglich."

Dämpfte schon der kanadisch  - amerikanische Vertrag den Mut der Tarifreformer, so löschte die Tagesordnung zur nächsten Imperial Conference", die soeben ver­öffentlicht worden ist, das letzte Fünfchen Hoffnung aus. Die Konferenz der Regierungshäupter des Mutterlandes und der Kolonien wird am 22. Mai dieses Jahres zusammentreten. Groß waren die Hoffnungen, die die Konservativen darauf setzten; galten doch die riesigen Anstrengungen bei den beiden legten Wahlen vornehmlich dem Zweck, ans Ruder zu fommen, um bei der kommenden Reichskonferenz einen ent­scheidenden Einfluß auf die Kolonien ausüben zu können. Die Konferenz soll eine große Etappe auf dem Wege zum Zollverein, vielleicht auch das Biel   selbst bringen. Die ver­öffentlichte Tagesordnung beweist nun, daß die Kolonien den Chamberlainschen Ideen höchst gleichgültig gegenüberstehen; ja, Südafrika   begehrt sogar, die schon bestehenden An­fäße zu einem Zollverein fallen zu lassen. Vor allem aber ist bemerkenswert, daß Kanada   überhaupt keine Vorschläge macht, sondern sich nur bereit erklärt, die Tagesordnung mit Nach weiteren Meldungen wurden im Februar zahlreiche zu diskutieren. Das ist eine bittere Bille für die schutzöllne- Streiferpeditionen unternommen, durch die die Aufständischen völlig rischen Imperialisten. zersprengt und zum größten Teil zur Ergebung beranlaßt wurden. Ueberhaupt ist das Bemerkenswerteste an der Tages- um 6. und 7. Februar stellten sich 28 Mann mit 13 Frauen und ordnung der Reichskonferenz, was nicht darauf steht. Aus der zugleich veröffentlichten Korrespondenz des Mutterlandes mit den Kolonien geht hervor, daß Südafrika   zuerst beabsich tigte, die Frage des Fallenlassens der Vorzugszölle für eng­Bekanntlich wurde der Aufstand durch übermäßige Zwangsarbeit lische Waren aufs Tapet zu bringen. Am 20. Januar tele graphierte die südafrikanische   Regierung nach London  , daß und allzu große Strenge in der Behandlung der Eingeborenen herauf­fie auf der Konferenz den Vorschlag diskutiert wissen möchte, beschworen. Die Folge diefes allzu schneidigen Vorgehens war nicht das System der Vorzugszölle, die gegenwärtig Groß nur die Ermordung mehrerer Beamter, sondern auch ein regelrechter britannien von den überseeischen Besitzungen gewährt werden, der Expeditionstruppen getötet und eine Anzahl anderer verwundet Feldzug, bei dem außer den schwarzen Polizeisoldaten drei Mann durch ein System der Geld- oder Dienstleistungen an die wurden. So werden sich die Kosten für diese Strafexpedition ein- feit nichts wissen. Da sie die amphibische Natur der National Reichssee und lokale Verteidigung zu ersetzen". Aber am 10. Februar wurde dieser Vorschlag zurückgezogen. Zweifels- chließlich der Pension für die gefallenen Beamten und Mannschaften, liberalen genau kennt, weiß sie, wie viel diese an Kränkung ohne hatte sich General Botha die Sache noch einmal über- owie für die invaliden Mannschaften auf einen höheren Betrag vertragen fönnen und fordert deshalb, daß die National­legt und herausgefunden, daß er durch die gewünschte Be- belaufen, als die ganze Insel Ponape   überhaupt liberalen zunächst reuevoll ihr Unrecht bekennen, und Herrn

ratung die konservative Partei in Großbritannien  , deren Freundschaft das innerlich noch nicht genügend gefestigte Süd­ afrika   sich nicht verscherzen darf, in eine entseßlich schwierige Lage bringen würde. Die Diskussion der Frage hätte mit einem Schlage die ganze Hohlheit der patriotischen Phrasen aufgedeckt, mit denen die Tarifreformer für ihre Idee hausieren gehen. Denn vor die Wahl gestellt, das patriotische Angebot der Südafrikaner  , direkt zur Landesverteidigung beizutragen und damit dem ganzen Reiche zu dienen, oder die Vorzugszölle, die nur einigen Händlern und Fabrikanten Großbritanniens   zugute kommen, bestehen zu lassen, hätten die Tarifreformer sicher das legte gewählt. General Botha erklärt zwar, er werde die Angelegenheit auf der Konferenz dennoch zur Sprache bringen. Dies soll jedoch wohl nur den Rückzug markieren.

8 Sindern, am 10. und 11. Februar weitere 7 Mann, und am 12. und 14. Februar endlich wurden 10 Mann zu Gefangenen gemacht. Im ganzen sollen nur noch 12 bis 14 Berfprengte vor handen sein, so daß die Beendigung der Expedition bevorstehe.

wert ist!

Die Bevölkerungs- Vermehrung des Deutschen Reiches.

Nach dem borläufigen Ergebnis der Volkszählung vom 1. Des gember 1910 ist die Bevölkerung des Deutschen Reiches feit der legten Zählung 1905 von 60 641 278 auf 64 957 910 gestiegen. Die Zunahme beträgt somit 4 316 532 oder 7,2 Proz. Auf die einzelnen Bundesstaaten verteilt sich die Bevölkerung und deren Zunahme

wie folgt:

Baden

37 278 820 6 524 372 4 508 601 2 302 017 2010 728

1 814 568 1 209 175

40 157 573 6 876 496 4 870 000 2435 000 2140 605 1 871 706 1 282 109 1015 700 639 879 494 387

in Proz.

8unahme.

1905

1910

absolut

875 090

625 045

485 655

438 956

482 403

387.892

417 166

328 029

331 047

3018

2 864 038 352 124 361 000 133 000 129 877 57 138 72 934 140 610 16,1 14 834 2,4 8 732 4,8 43 447 9,8 29 274 7,5 0,95

7,6 5,5 8,0 5,7 6,4

3,1

5,7

263 440

299 234

268 916

278 792

242 482

257 208

85 794 9 876 14776

14,2

3,6

206 508

216 318

144 584

152 765

145 600

150 749

105 857

113 700

9 805 8181 5.139 7843

6,1 4,7

5,6 3,5

103 251

103 800

550

96 830

100 712

85 177

89 427

3 882 4250

70 603

72 616

59 135

61.728

4,4

44 992

46 700

1708

4,1

Die Idee des allbrifischen Zollvereins ist tot. Die Er-­eignisse der letzten Monate haben gezeigt, daß die Sehnsucht Breußen der Kolonien nach einer Umwälzung der handelspolitischen Bayern Sachsen. Beziehungen zum Mutterland, wie man schon lange ver­mutete, nur in der Phantasie der englischen Tarifreformer Württemberg bestand. Welches Interesse sollten auch die großen Tochter- Elsaß- Lothringen  staaten, die hauptsächlich Nahrungsmittel produzierende effen Länder sind, daran haben, sich den Zugang zu dem freien Hamburg  . englischen Markt zu erschweren? Die Erfahrung hat aber Mecklenburg- Schwerin auch gezeigt, daß das Gebilde der englischen Tarifreformer Braunschweig  nicht lebensfähig ist. Nehmen wir an, der Zollverein sei zu- Oldenburg  standegekommen. Wer hätte dann zum Beispiel die Ver- Sachsen- Weimar einigten Staaten daran hindern können, dem kanadischen Bremen  Weizen die Tore zu öffnen und damit das ganze Gebäude Sachsen- Meiningen  zu Fall zu bringen?- Wahrscheinlich werden jetzt die Schuß- Sachi.- Koburg- Gotha zöllner Großbritanniens   versuchen, die Lebensmittelzölle ganz Sachsen- Altenburg fallen zu lassen, um bei den Industriearbeitern Gehör zu Reuß j. Linie finden. Aber damit laufen sie wiederum Gefahr, die Land- Lippe- Detmold. Lübeck  bevölkerung Englands, die heute die große Masse ihrer Armee stellt, zu verlieren. Heute rot, morgen tot! Die schutzöllnerische Bewegung Großbritanniens  , die gestern noch fo hoffnungsfreudig in die Welt blickte, ist heute nur noch Reuß ä. Linie. ein verwirrtes Heer, das aus seinen sichersten Positionen Waldeck  hinausmanövriert worden ist. Schaumburg- Lippe  

Anhalt.

Medlenburg- Strelit Schwarzb.- Rudolstadt Sondershausen  

7,2 0,56 4,0 5,0 2013 2,8 2588

Jm preußischen Abgeordnetenhause hat ein scharfer Waffen­gang zwischen Konservativen und Nationalliberalen stattgefunden, der vielfach als entscheidend für das Verhältnis zwischen den beiden Parteien behandelt wird. Der Zusammenstoß wird von der radikalen Presse mit tiefer Genugtuung besprochen. Sie geht dabei von der Ansicht aus, daß die Auseinandersetzung vom ver­gangenen Dienstag mehr als ein isoliertes, aus augenblidlicher Streitlust erwachsenes Ereignis ist, und in der Tat mögen Reden im Lande, Kundgebungen in der Presse gerade in der legten Zeit viel zur Verschärfung der Stimmung beigetragen haben. Hiernach ist es begreiflich, daß von der radikalen Presse mit wachsender Zuversicht die Prognose aufgestellt wird, daß die Reichstagswahlen eine geschlossene Front der Linken den Parteien der Rechten gegenüber sehen werden. Gleichwohl nehmen wir nicht an, daß eine solche Radikalisierung unserer Parteiverhältnisse von den Beteiligten beabsichtigt wird; denn weder die Kon servativen noch die Nationalliberalen können erwarten, daß sie es sein werden, denen die Ernte aus dem so tief aufgerissenen Boden zuwächst.

Die ,, Kreuz- 8tg." will jedoch vorerst noch von Nachgiebig­

v. Heydebrand die bestiefelten Füße füssen  :

-

um

Die Abrechnung, die der Abg. Dr. v. Heydebrand als Führer der konservativen Partei am 14. Februar im Abgeordneten Hause mit den Nationalliberalen gehalten hat, ist von den Kon­fervativen im Lande mit großer Genugtuung auf. genommen worden. Unter unsern Parteigenossen ist wohl niemand, der die Notwendigkeit dieser scharfen Absage aufs tiefste beklagt, und am schwersten wird das entscheidende Wort wohl Herrn b. Heydebrand selber geworden sein, der noch am 23. November b. J. in Herford   mit großer Objektivität die Existenz berechtigung der nationalliberalen Partei gegenüber den Ausdehnungsbestrebungen der Konservativen im Westen nachgewiesen hat. Unsere Parteileitung hat bis jetzt über­haupt immer noch an der Möglichkeit festgehalten, mit der Gefolg schaft Bassermanns einmal wieder zu einem erträge lichen Berhältnis zu tommen. Aber jeder Tag brachte neue Beweise, daß die Abkehr dieser ehemaligen Mittelpartei von ihren früheren Zielen entschieden ist, daß ihre Front ausschließlich nach rechts gerichtet hat, mit daß sie dem Abgeordneten Baasche au reden eine Abwehrmehrheit von Bassermann bis Bebel schaffen, den Tag von Philippi" vorbereiten will. Diesen Kampf müssen wir endlich mit aller Entschiedenheit aufnehmen, auch wenn wir fest darauf vertrauen, daß in einer späteren Zukunft der Fanatismus der Nationalliberalen wieder der nüchternen Einsicht in die politischen Notwendigkeiten weichen wird, daß die Parteiverhältnisse sich danach wieder einrenten werden. Für die Wahlzeit ist darauf indessen nicht zu rechnen, und darum stimmen wir den Freunden unferer Zeitung zu, die uns in den letzten Tagen schrieben: Die Rede des Herrn v. Heydebrand war sehr notwendig, wenn auch immer noch recht milde! Den national­liberalen Führern mußte einmal gründlich die Maske vom Gesicht gerissen werden! Ueberall, wo sich die Nationalliberalen mit dem Berbündeten der Sozialdemokratie, dem Freisinn, zuſammentun, sind sie auch Verbündete der Umsturzpartei und nicht nur in Baden! Das tann nur ein Heuchler oder ein Tor bestreiten und deshalb sollte man es ihnen immer wieder ins Gesicht sagen, bis die Wähler

es auch einsehen!"