Staatsanwalt erhebt leine Nnllage gegen VJrgerliKeBlZtter.welche dieselben Artikel bringen.(Hört I hört l bei denSozialdemokraten.) Von unserer Presse verlangen dieBrcslauer Richter, daß sie jedes Wort auf die Goldwage legen, sieselbst aber gehen mit der Ehre ihres Nebenmenschen nicht so vor-sichtig um. Vor kurzem führte der Redakteur Schiller zu seinerVerteidigung an. daß manchmal auch hohe Beamte, ja Offiziere denWeg zur. Volksmacht" finden, wenn sie Mißstände abstellen wollen.Darauf erwiderte ihm der Vorsitzende. Landgerichtsrot Munfrie d,Leute, die das tun, seien ehrlose Schweinehund«. sLebhafles Hört!hört! bei den Sozialdemokraten.) Als Schiller in seinem Schluß-wort sich gegen diese beleidigende Aeußerung wehrenwollte, was sein gutes Recht war, hinderte der Vorsitzendeihn daran und drohte mit einer Ordnungsstrafe,sErneuteS Hört I hört t) Wie soll man einen Vorsitzendennennen, der sich so gegen die Ehre seiner Nebenmenschen ausführtund«nem wehrlosen Angeklagten an der Abwehr der Beleidigunghinu-ct.Ein Mann, der sich so wenig beherrschen kann, ist nicht würdig.Vorsitzender einer Strafkammer zu sein.lLebhofteS Sehr richtig I bei den Soz.) Dieser Fall steht keineswegsvcrernzelt, in zahllosen Fällen hat man versucht, Angeklagte. Ver-teidiger und Zeugen durch Ungebühr st rasen einzuschüchtern.Am Oberlandesgericht in Frankfurt fing während desPlädoyers des Anwalts ein Beisitzer an zu frühstücken,und als der Anwalt dies für ungebührlich hielt und das Plädoyerunterbrach, wurde eine Strafe wegen Ungebühr verhängt— gegenden Anwalt.(Hört! hört! links.) Auck in den ersten Stadien de§Moabiter Prozesses hagelte es Ungebührftrasen, und nochzuletzt wurde gegen einen Anwalt eine Ungebührstrafe von lOv M.verhängt, weil er sagte, die Blutflecke auf den Röcken der Schutz-leute könnten durch die Orden nicht verdeckt werden, dieman ihnen verliehen. sLebhafteS Sehr richtig I bei den Sozial-demokraten.)Ein besonderes Kapitel bildet derKampf gegen die Jugendorganisationen.ES ist.politisch", wenn die jungen Leute vor den Gefahren desAlkohols gewarnt werden,„politisch", wenn ihnen sanitäre oderhistorische Vorträge gehalten werden,.politisch", wenn die Schmutz-literatur bekämpft wird. Aber nicht politisch ist es, wenn r»„christlichen" oder„nationalen" Jugendvereinen Vorträge überWeltpolitik gehalten werden, nicht politisch ist es, wenn insolchen Vereinen hohe geistliche oder weltliche Herren Wahlredenhalten. Uns kann es recht sein. Aus diese Weise wird der pro-letari'chen Jugend Auschouungsunterricht über zweierlei Rechterteilt. sSehr wahrl bei den Sozialdemokralen.) Die Angst vorder proletarischen Jugendbewegung hat das bißchen Jugeiidsürsorgevon feiten der herrschende» Klassen ins Lebe» gerufen, wie die Angstvor der Sozialdemokratie das geringe Quantum von Sozialpolitikerwirkt hat, das wir hier in Deutschland haben. Neuerdings hatman sich in K ö l n— wohl schon in einer gewissen Karnevals-stimmung— nicht begnügt, die Jugendorganisation aufzulösen,sondern der dortige Polizeipräsident hat auch gleich die ganzeJugendbewegung aufgelöst.(Große Heiterkeit bei denSozialdemokraten.) Man verfolgt heule die proletarischen Jugend»vereine, wie man einstmals die Jugendvereine des aufstrebendenBürgertums, die BuNckenschaflen, verfolgt hat. Heute wie damalswerden sich die kleinlichen Praktiken der Reaktion als machtlos er-Weisen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Wir erleben im heutigen Preußen Dinge, die arg nach derKabinettsjustiz d«S alte» Absolutismusschmecken. Kein Wunder. Wir haben ja in Preußen den AbsoluttismuS, wenn auch nicht gerade den aufgeklärtenAbsolutismus.(Heiterkeit und Sehr gut I bei den Sozial-demokraten.) So ist eS denn uns auch nicht weitersonderbar. daß der Polizeipräsident Herr v. I a g o w sichals ober st er Gerichtsherr etabliert. Wie es mit demRespekt vor der Rechtspflege in den herrschenden Klassen bestellt ist.hat ja auch die„Arbeitgeber-Zeitung" gezeigt, die in geradezuschamloser Weise darüber geklagt hat, daß bei den Moabit«Prozessen nicht kurzerhand den Angeklagten und der Verteidigungder Mund verboten wurde.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Hierher gehört auch die Zitierung des LandgerichtsdireiwrS Ungervor den Justizminister. Herr Unger hätte dem Ministereinfach erklären sollen: meine Rechtsbelehrung gehtSie gar nichts an.(Lebhaste Zustimmung bei denSozialdemokraten.) Er hätte um so mehr so sprechensollen, als sonst die Rechtsbelehrung als ein Blümlein Rühnnich-nichtan betrachtet wird. Einmal lautete eine solche Rcchtsbelehrungkurzerhand:„Der Staatsanwalt hat recht, der Ver»leidiger unrecht"(Heiterkeit) und der Rechtsanwalt, der daSmoniert hätte, wäre in Ordnungsstrafe genommen worden.Immer drastischer tritt das Bestreben hervor, die Justiz inden Dien st der Verwaltung zu stellen. AuS diesemBestreben entspringt denn auch dieVergöttlichung der Polizei.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Im Widerspruch mit denklaren Absichten des Gesetzgebers, wenigstens des Reichstags, wirdjeder Widerstand gegen die Polizei, auch wo die Polizei notorischrechtswidrig handelt, zum Wider st and gegen die Staats-g e w a l t gestempelt. Nur aus diesem Geist der Vergöttlichung derPolizei heraus ist daS schauerliche Urteil von Essenz»verstehen, das gefällt wurde auf Grund der Aussagen� des einstigenGendarmen Munter; nurKfo ist ein Urteil zu erklären, wie dassoeben gegen Fran v. Gerlach gefällte. Munter ist seitdem ent-larvt und wie glaubwürdig derPolizrileutnant Crüger,der Zeuge im Gerlach-Prozeß, ist, hat sich gleich nachher gezeigt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es gehört zum System,daßder Handabhacker von Breslau unbekannt gebliebenist.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) ES gehört zumSystem, daß nichts verlautet von einer Bestrafung der Polizei-crzedenten von Moabit.(Erneute Zusiiinimmg bei denSozialdemokraten.) Diese Allgewalt der Polize, ist ein wahr« Hohnauf den Rechtsstaat; dagegen entsprach eS völlig dem Beriff eineswahren RechlsstiiareS, wenn es in der französischen Konstitutionvon 1783 kurz und bündig hieß:„Gegen eine Behörde,die gesetzwidrig handelt, ist der Auf st and Recht und Pslichldes Volkes.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Beidieser Abhängigkeit der Justiz von der Polizei ist eS nicht zu ver-wundern, wei»! das Vertrauen zur Rechtspflege in immer weiterenKreisen auch außerhalb der Sozialdemokratie schwindet. Vertrauengenießen nur diejenigen Gerichte, deren Mitglieder ausWahlen hervorgehen, wie die Gewerbe» und Kauf»ma n nsgerichte.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Mehrund mehr beginnen auch bürgerliche Kreise die Forderung aufzustellen,daß die Richter der Ernennung entzogen und die Gerichte aufs Volks-wohl basiert werden. Wenn aber die Strömungen die Oberhandgewinnen, die die Justiz noch tiefer in die Abhängigkeitvon der Verwaltung drücken wollen, so wird auch derRest vom Vertrauen zur Rechtspflege im Volte schwinden.(Leb-haster Beifall bei den Sozialdemokraten.)Staatssekretär des Relchsjusiizamts Dr. Lisco(schwer verständlich):Dem Verlangen des ReichslagS. daß drei Anwälte in die Kommissionzur Vorberatung deS neuen SlraigesetzbucheS berufen werden sollen, wirdRechnung getragen werden. Auf politische Stellung wird beider Berufung in diese Kommission nicht gesehen.(Na I na I beiden Sozialdemokraten.)— Die Bestrebungen zur Bekämpfung derSchmutzliteratur finden die volle Sympathie des Reichsjustizamtes.— Bei dem Allen st einer Prozeß mögen einigegehlervorgekommen sein. Aber die Richter sind doch auchkenichen. Je besser die Vorbildung d«S Richterpersonals ist. destoweniger werden Fehler und Irrtümer vorkommen.-� Fürst Eulenburawird wieder vor Gericht erscheinen, wenn sein Gesundheitszustandes erlaubt.(Heiterkeit links.) Vorläufig ist er noch vernehmungS»unfähig.— ES ist fa erfreulich, baß jetzt in E f f e n ein Frei-spruch erfolgt ist, eS liegt aber keine Veranlassung vor, in der Artund Weise, wie der Vorredner eS getan hat, Staatsanwalt, Richterund Geschworene des ersten Essener Prozesses zu schmähen. Eskann auch keine Rede davon sein, daß der LandgerichtsdirektorUnger vom Justizminister zur Rede gestellt worden ist.(Heiterkeitbei den Sozialdemokraten) Protestieren muß ich auch gegen dieAngriffe des Dr. Frank auf Staatsanwälte und Richter.(Beifall rechts.)Abg. Dr. Barenhorst(Rp.): Der Abg. Frank scheint sehr indas Fahrwasser des Abg. Stadthagen geraten zu sein. Wenndie Breslauer sozialdemokratischen Redakteurescharf bestraft werden, so liegt das nicht an den Richter», sondernan der unsauberen Feder, die diese Redakteure führen.(Unruhe beiden Sozialdemokraten.) Wie hat die Sozialdemolratie den Zarenbeschimpft, der mit seiner kranken Frau nach Deulichtand gekommenist Wir protestieren gegen solche Schmutzereien.(Bravo! rechts, Heiter-keit bei den Sozialdemokraten.) Die Bonner Studenten hattendoch wirklich nichts Schlimmes getan.(Zurufe bei den Freisinnigenund Sozialdemokraten.) Ich meine nicht die Sache mit der Eisen-bahn, sondern denharmlosen Budenzauber.(Zurufe links.) Die jungen Leute waren betrunken. Trunken»heit ist doch bei Studenten nun einmal nicht selten.(Heiterkeit undZustimmung bei den Sozialdemokraten.)— Nicht wir tragen diePolitik in den Gcrichtssaal herein, sondern die Sozialdemokratie.Die Rechtsanwälte im Moabiter Prozeß haben denempörendsten Mißbrauch mit ihren Rechten getrieben.(LebhafteZustinimung rechts. Stürmische Unruhe und Zurufe bei denSozialdemokraten.) Sie haben die Aufmerksamkeit von denAngeklagten ab und auf die Polizei hingelenkt, um dieTatsache zu verschleiern, daß die Sozialdemokratie die moralischeSchuld an de» Moabiter Vorgängen trägt.(Bravo I rechts, stürmischeZurufe bei den Sozialdemokraten.) Redner verbreitet sich sodannüber Ausdehnung der Haftpflicht der Eisenbahnen und über dieNotwendigkeit der Erhöhung der Zeugengebühren.Staatssekretär Lisco sagt eingehende Erwägung der WünschedeS Vorredners zu.Abg. Dr. Ablaß(Vp.): Ich muß hier auf den Fall Beckerzu sprecbe» kommen, da dieser Prozeß von größter prinzipieller Be-deulung für die uns hier beschäftigenden Fragen der Justiz ist. Wirhaben bisher die Wendung von der Klassenjustiz zurück-gewiesen, wollen aber nicht verhehlen, daß, wenn solche Fällesich häufen, auch wir nicht länger die Existenz ein« Klassenjustizleugnen können.(Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemo-krolen.)— Die.Kreuz-Zeitung" hat Herrn Beckermit einer Flnt widerlicher Beschimpfungen überschüttet. Nurmit physischem Ekel spreche ich von diesem Blatte.(Stürmische Zustimmung links. Rufe: Das Blatt des Zucht-Häuslers Hammer st ein! Sehr gut I bei den Soz.) DaSBlatt ist sich gleich geblieben seit den Tagen Bismarcks. Und das-selbe Blatt verlangt Verschärfung der Preß st rasen, ver-langt, daß nicht bloß die Redakteure, sondern auch die Verlegerruinierl werden! Diese« Blatt, daS, wie Bismarck bezeugt,die Verleumdung gewerbsmäßig betreibt!(Lebhaftewiederholte Zustinimung aus der ganzen Linken.)Ich will nicht dem Beispiel Bethinann HollwegS folgen und michüber eine schwebende Sache verbreiten. Wohl aber muß ich hierim Reichstage den Prozeß Becker eingehend würdigen. DieserProzeß ist benutzt worden, um gegen die Rechte der Ver-teidigung Sturm zu laufen. Der preußische Justizministerhat im A b g e o r d n e t e n h a u s e diesen Ton angeschlagen und hierim Reichstag ertönt in der Rede des Herrn V a r e n h o r st dasEcho. Der Prozeß Becker beweist aber gerade, wie nötig eS ist.die Rechte der Verteidigung vor jeder Bern, in de-rung zu schützen.(Lebhafter Beifall links.) Redner geht sehreingehend auf Vorgeschichte und Geschichte des Falle« Becker ein.Wenn Herr Becker, freilich in der schärfsten Weise, den Disziplinar-richlern den Vorwurf gemacht hat. daß sie objekliv unfähig seien.politischen Gegnern das Recht zu sprechen, so hat er eine Fülle vonMaterial dafür vorgebracht.(Lebhafte Zustimmung links.) Wennder Oekonomierat Hecht und der Lanbwirtschaftsrat R a s s o ivunter Eid erklären, daß sie keinem Sozialdemokraten die Schank-konzession«teilen(Hört, hört I bei den Sozialdemolraten). so sprichtdas nicht für politische Objektivität. Recht humoristisch war es.daß der Herr Rasiow auf die Frage, woran er denn eigent-lich Sozialdemokraten«kenne,«widerte: Ja, das sieht manden Leuten schon so an.(Große Heiterkeit.) Gegen Sozial-demokraten wird also bewußt tendenziös vorgegangenund um auch gegen Liberale ebenso vorgehen zu können, nennt mansie ver st eckte Sozialdemokraten.(Hört I hört I)— DerLandrat v. M a l tz a h n hat in dem Prozeß unter seinem Eide den„Kaisersaal" in Grimmen als ein„Radaulokal" bezeichnet.Der„Kaisersaal" war aber vielmehr ein Lokal, in welchem diebesten Kreise der Bürgerschaft verkehren. Es warenpolitische Beweggründe, die den Landrat zu der falschenKennzeichnung jenes Lokales bewogen. Kann man sich dawundern, wenn Becker von einem System de? politische»Boykotts sprach?(Lebhafte Zustimmung links.) Der LehrerSchacht erfreute sich früher des Wohlwollens seiner Vorgesetzten;ab« als er sich aktiv für die freisinnige Sache einsetzte, sah er sichallen möglichen Schikanen ausgesetzt.(Glocke dcS Präsidenten.)Vizepräsident Schultz: Der Fall Schacht steht doch nur in sehrlosem Zusammenhang mit dem Justizetat.(Beifall rechts, Wider-spruch links.)Abg. Dr. Ablaß: Die Behandlung des Lehrers Schacht ist derbeste Beweis für die Behauptung Beckers, daß der Landratv. Maltzahn der Agitator des agrarischen Dema-gogentumS ist.(Lebhafte Zustimmung links.)Vizepräsiielit Schultz: Sie haben aber nun schon zwei Swndenüber den Fall Maltzahn gesprochen, und ich bitte Sie, sich nicht zusehr in Einzelheiten zu verlieren.(Beifall rechts.)Abg. Dr. Ablaß(fortfahrend):. Diese Einzelheiten sind nötig zurBeurteilung des Falles Beckcr-Maltzahn.(Lebhaste Zustimmunglinks.)— Redner gibt einige Probe» des vornehmen Tonesder Landratspresse. U. a. sprach das Kreisblatt von einerBecker-Gotbein scheu Kloake.(Hört l hört I links. Zurufbei den Sozialdemokraten: Ter gute Ton in allen Lebens-lagen I)— Redner verliest sodann den GeheimberichtM a l tz a h n s über die Bekehrungsversuche an Becker.—Dieser Geheimbericht ist ein wichtiges Kulinrbild aus Ostelbien.Die— vermeintliche— Rechtsschwenkung Beckers wird als„Rc-Habilitation" bezeichnet.-Diese Ausdrucksweise in einem amtlichenBericht ist eine unerhörte Beschimpfung des ent-schiedenen Liberalismus.(Lebhafte Zusliinmung links.)Becker mag gefehlt haben in der Form; in der Sache hat er recht.Ein Bild schlimmster politischer Entartung ist eS, daS uns in diesemProzeß enthüllt worden ist: politische Verfolgungssucht und un-erhörter Uebermut der Konservativen treten hier mit seltener Deut-lichkeit zutage. Ich zolle Herrn Becker die größte Hochachtung, weiler den Mut gehabt hat, auf die Gefahr politisch« und gesellschaftlichen Lechtung hin der herrschenden Clique entgegen-zutreten.(Lebhafte Zustimmung links.) MS zu einem gewissenGrade tut es mir ja leid, daß ick hier Herrn Maitzahn so ausführlichhabe angreifen müssen. Angriffe der Opposition dienen ja inPreußen nur zur Empfehlung und vielleicht sehen wir Herrnv. Maltzahn gleich früheren Kanalrebellen noch auf demM i n i st e r s e s s e l.(Lebhafte Heiterkeit und Sehr gut! links.)Wenn aber Herr v. Heydebrand von einem Sieg derLandräte in dem Prozesse sprach, so gehört dieser Sieg zuden Pyrrhussiegen. In London ist ein Mann, der ganz un«begründeter Wesie dem Könige die schlimmsten Verbrechen nachgesagthat, in Amsterdam ist der Messerstecher, der ein wellberühmtesBild ReinbrandtS verstümmelt hat. zu einem Jahre Ge-fängniS verurteilt worden.(Hört! hört» In Preußen ab« wirdein Mann, der auf Grund gehäuften Materials gegen einen Landratauftritt und dabei vielleicht sich in der Form vergreift, ebenfalls zueinem Jahre Gefängnis venirtelkt! Dieser Vergleich redet wahr-haftig Bände.(Lebhafter Beifall links.)Abg. Roth(Wirisch. Vg.): Warum die Linke sich für HerrnBecker so ins Zeug legt, wird einem klar, wenn man bedenkt, daßsein Boter Berststein-Becker hieß.(Unruhe links, Zuruf: Weiler das Bernstein-Monogol hatte. Heiterkeit.)— Der Redner wünschtdann eine Neuregelung des Strafvollzuges bei Jugendlichen und be-schwert sich über die hohen Gerichtskosten bei Prozessen, in denenauf eine geringe Geldstrafe erkannt wird.Staatssekretär Dr. Lisco bemerkt dem Vorredner. daß die vonihm angeregten Fragen nur mit der Reform deS Strafrechts imZusammenhang gelöst werden können.Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Mittwoch1 Uhr._ Schluß 8/J Uhr.Hbgcordnetcnbaua.32. Sitzung vom Dienstag, den 21. Februar,vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: v. Breitenbach.Diezweite Beratung des EisenbahnetatSwird fortgesetzt bei den Einnahmen.Abg. v. Pappenheim(t.) ersucht um Vorlegung einer Denkschriftüber das Verhältnis zwischen der Reichöpostverwallung und derEisenbabnverwaltung.Minister v. Breitenbach sagt die? zu.Abg. Graf Heuckel v. Dounersmarck(Z.) wünscht billigeA U s n a h m e t a r i f e für die oberschlesische Kohlenindustrie.Abg. Gocbel(Z.) schließt sich dem Vorredner an.Minister v. Breitenbach legt dar, daß angesichts der günstigenProdukiions- und Absatzverhällnisse dieier Industrieund der verbesserten Wasserwege ein Bedürfnis für solche Ausnahme-tarife nicht vorliege.Abg. Weuke(Vp.) wünscht die Ausgabe von Sonntags-fahrtarten von kleinen Städten in Schlesien ins Gebirge undvom Lande nach den Städten im Interesse der kleinen Landwirteund der Handwerler aus dem Lande. In der Verweigerung dieserKarten liege eine großagrarische, städtefeindliche Tendenz.Abg. Macco(natl.): Angesichts der enorm gestiegenen sozialenLasten der Industrie ist eine Ermäßigung der Frachtendriiigend notwendig; sonst wird die Industrie lonlurrenzunfähig aufdem Weltmarkt.Abg. Korfanty(Pole) bedauert ebenfalls die ablehnendeHaltung des Ministers. Infolge der preußischen Polenpolitikwurde die oberschlesische Kohle in Galizien und Russisch-Polen boy-kotliert.Minister v. Breitenlach weist nochmals darauf hin, daß sich derExport aus Oberschlesien unter der jetzigen Tariflage außerordentlichenrwickelt habe. Die Selbstkosten der Eijeiibahiiverwaltuiig seienübrigens mindestens in demselben Maße gestiegen wie die derIndustrie.Abg. Leinert(Soz.):Wenn auch die Betriebskosten der Eisenbahn natürlich höherwerden, so ist das doch kein Brund, Tarifermätzigungen abzuweisen.Die Ergebnisse der Eisenbahnverwaltung sind so günstig wie diekeines anderen gewerblichen Betriebe«. Ihre Ueberichüsse sollte dieVerwaltung mehr im Interesse der VerkehrSver»befferung und Verbilligung verwenden, statr PluS-macherei zu treiben.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.)Eine Tarifermäßigung für die erste Klaffe, wie sie vorgesehenist, ist ganz überflüssig. Viel wichtiger ist die Einführungder dritten Klasse in alle» v-Zögen, die bessere Ausstaltung dieserdritten Klasse und eine Verbilligung für die vierteKlasse.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Die h y g i e»nischen Einrichtungen der anderen Klassen müssen auch dervierten Klasse zur Verfügung gestellt werden. Dringend notwendigist auch die Ein st eilung von Nichtraucherwagenvierter Klasse. Das geschieht heute noch nicht einmalda, wo vier Wagen vierter Klasse mitfahren. Denken Sie,welches Kraut in der vierten Klasse geraucht wird undwas da für eine Lust herrscht. Das ist noch schlechtergeworden seit der neuen Tabaksteuer.(Sehr wahr I bei den Sozial-demokraten.) Die vierte Klasse bringt der Eisenbahnverwaltung diegrößten Einnahmen, der Verkehr ist in ihr um 114 Proz. seit 1889gestiegen. In der ersten und zweiten Klasse werden ICH MillionenPersonen befördert, in der dritten und vierten Klasie 82ö Millionen.(Hört! hört!) Ganz unhaltbar ist angesichts des großen Fern-Verkehrs in der vierten Klasse der Zustand, daß nicht auch Eil»und Schnellzüge die vierte Klasse führen. DaS richtigste wärefreilich die Abschaffung der vierten Klasse und die Uebertragung ihrerPreise auf die dritte Klasse.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo-lraien.) Die erste Klasse sollte auch beseitigt werden, dennsie macht ein riesiges Defizit. Hier wird das Geld ge-radezu verschwendet.(Sehr richtig I bei den Sozialdemo-kraten.) Würde man den Schnellverkehr vom Personenverkehrtrennen, so würde sich zeigen, daß auch die 2. und 3. Klasse imPersonenverkehr ein Defizit aufweisen. Von Arbeiterfahr-karten will der Minister bekanntlicb wenig wissen. Er entsprichtdamit den reaktionären Interessen, die in den Reisen der Arbeitereine soziale Gefahr sehen. Gegen die Schülerkarten, die de»reichen Leuten in den Vororten zugute kommen, loenden sich dieHerren natürlich nicht. Weiter missen wir auch die Berfügungs-stellung von Sonntagskarten an die Landbewohnernach den Städten. Bei der Bcrlveigerung dieser Kartensind ebenfalls lediglich agrarische und nicht Verkehrsinteressenmaßgebciid.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Zu begrüßen ist, daß wenigstens der Minist« an eine Fahr»k a r t e n st e u e r für die vierte Klasse nicht denkt. Ich fürchte aber,der Schnapsblock wird dies doch durchsetzen, nach seiner ganzenPolitik seit der Kinanzreform ist nichts anderes zu erwarten.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Ganz unbegründet sind dieZuschläge für Schnellzüge und die Tatsache, daß auchsolche Züge nur zweite Klasse führen, die teilweise Ver-bindungen von Strecken mit dritter Klasse bilden, wiez. B. ein Zug Franlsurt a. M.— Berlin.— Daß die U n»s ä l l e zurückgegangen sind, begrüßen wir. Doch muß dieDienstzeit der Lokomotivführer noch mehr herabgesetzt werden. DieKonzession von elektrischen Schnellbahnen sollte nichr aus Konkurrenz«rücksichten abgelehnt werden: wenn sie notwendig sind, sollte dieStaatsbohn solche eleklrisckenSchnellbahnen selbst bauen,nachdem jetzt jahrzehntelange Versuche auf diesem Gebiete vorliegen.(Sehr richtig!) Die Petitionen um Ermäßigung deS Eisen«bahnfahrpreiseS für Schulkinder bei Massen-a u s f l ü g e n und eine andere um Fahrpreisermäßigung im Stadt-,Ring- und Vorortverkehr bei Schulausflllgen von Volksschulkuidernin Berlin können wir nur sehr warm unterstützen. ES liegt imhygienischen und Pädagogischen Jntereffe, daß die Volksichulkindersoviel wie möglich hinauskommen. Wir verlangen einen M> n i st erfür VerkehrSso�ialpolitik und nicht, wie er jetzt ist. fürverkehrte Sozialpolitik.(Bravo! bei den Sozial«demokraten.)Abg. Dr. Wendlandt(natl.) hält eine Tarifermäßigung im Hin«blick auf das Eindringen der englischen Kohle in Berlin dringend fürgeboten und bestreitet gegenüber dem Vorredner, daß sich der Ministervon einseitig agrarischen Jntettzssen leiten lasse.Abg. Dr. Schepp(Vp.) tritt für die Ermäßigung derFahrpreise bei Ausfiügen von Volksschulkindern«in.In Dänemark haben die Volksschulkinder im Jimi und Juliüberhaupt freie Fahrt.(Hört I hört I links.) Gerade dieärmsten der Kinder haben die Ausflüge am notwendigsten.(Sehrwahr! links.) Die größere Zahl der Ausflüge, die dann veranstaltetwerde», wird die Mindereinnahme ausgleichen.Abg. Dr. Gnmenberg(Z.) betont gegenüber dem Abg. Leinert.daß da« Zentrum nicht daran denke, die Fahrkartensteuer für dievierte Klasse einzuführen.