öewerhrcbaftlicbcB#Die„Mästung" durch Hrbcitcrgrofcben.Zu den ständigen Verleumdungen der Arbeiterbewegunggehört die, daß ihre Führer nur deswegen Hetzen und Un-frieden stiften, weil sie durch die Arbeitergroschen ein der-gnügtes Leben führen wollen. Nicht nur die übelste Provinz-presse der rechtsstehenden Parteien, auch die Minister, be-sonders Preußens und des Deutschen Reiches, singest hin und»bieder dieses Lied, wenn sie nicht gerade über— die hohenE-ewerkschafts- und Parteisteuern zetern.i Wie sieht es nun niit der„Mästung durch Arbeiter-groschen" in Wirklichkeit aus? Die Verträge des VereinsArbeiterpresse, der Interessen- und Unterstützungsorganisationder in der modernen Arbeiterbewegung tätigen Angestelltensehen für Redakteure ein Anfangsgehalt von mindestens1800 M., für Berichterstatter 1500 M. vor; für dieAngestellten der Parteigenössischen Verlage und BuchHandlungen sind Mindestlöhne von 1800 und 2000 Mfestgelegt worden. Dabei muß beachtet werden, daßdie Arbeitszeit des Partei- und Gewerkschaftsangestelltenin vielen Fällen in ihrem Umfang durch die vorhandeneArbeit bestlinmt wird, und deswegen oft genug länger alsacht Stunden dauert.Wie es in dem Haushaltsbuch eines Parteiange st eilten aussieht, zeigt jetzt eine Veröffentlichung derMitteilungen des Vereins Arbeiterpresse.Der Mann bezieht als Angestellter der Parteiorganisation2000 M. Jahresgehalt, dazu kommen 100 M. für ein Nebewamt, Prozente vom Konsum- und einem anderen Geschäft(82,52 M. und 4,60 M.) also 37,12 M., des weiteren Verdienstder Frau durch Wäsche usiv. 10,16 M. und Zimmermiete füreinen Schlafgänger 115,20 M. Da am 1. Januar 1910 nochvom vorjährigen Gehalt 93,86 M. vorhanden waren. sostanden der Familie, Mann, Frau und zwei kleinen Kinderninsgesamt 2365,34 M. zur Verfügung.Die Ausgaben setzen sich nun ivie folgt zusammen:Brot und Flühstücksbrvtchen. 100.69 M., pro Monat 8,38 M.Fleisch und Wurst.... 180.99 ,.., 15,08„Konsumvereinseinkäufe... 492,69„„„ 41,05„Milch......... 116,51..„ 9,70„Fett und Butler..... 70,10„„„ 5,84„Gemüse. Kartoffeln.... 103,86„„„ 8,65Lebensmittel zusammen 1064,84 M., pro Monat 88,70 M.Dies sind an Lebensmitteln pro Tag 2,92 Pf., alsopro Kopf 73 Pf. l Die weiteren Lebensb e d ü r f n i s s e wurden wie folgt bestritten:Miete........Licht und Heizung...Kleider, Anschaffungen..Bügeln der Wäsche...Steuern.......Literatur, Vereine, BeiträgeSonstiges......Taschengeld des Mannes.325,00 M., pro Monat 27,03 M.80,51.,. 6,70.411,39„„. 34,29.16,29„ j?. 1,38„92,93„„, 7,74..80,45. 6,70„51.26„„. 4.27„135,93„„. 11,27.Gesamtausgabe 2257,93 M.» pro Mon.>88, ll M.Die Ausgaben für Anschaffungen erscheinen etwas hoch,weil Kleider für Mann, Frau und Kinder notwendig warenund auch ein Bett angeschafft werden mußte. Das Taschen-geld des Mannes enthält zugleich Ausgaben für Festlich-keiten usw., es beträgt pro Tag 37 Pf. lSo sieht das Budget eines Angestellten der sozialdemo-kratischen Partei aus, der sich nach der Meinung vielerGegner der Arbeiterbewegung von den Arbeitergroschenmästet. Uns erscheint es so. als wenn der Genosse bei seinenEinnahmen nicht besonders fett geworden sein kann. Aberunsere Gegner werden es ja besser wissen.Berlin und Qmgcgcnd.Tarifbewegung im Tapezierergewerbe.Eine von zirka 1800 vis 2000 Mitgliedern besuchte Versammlung in den„Saphiensälen" nahm Stellung zu den bisherigenTarifverhandlungen mit den Unternehmern, worüber der Vor-sitzende Zitzewitz in ausführlicher, sachlicher Weise berichtete:Die Verhandlung der Kleber, die am 16. Februar stattfand undan welcher je sieben Unternehmer und Gehilfen teilnahmen, seiim großen und ganzen zufriedenstellend verlaufen. Man unter.handelte dort auf der Grundlage des Tarifes von 1907, welcherfast durchweg angenommen wurde. Wenn man daS als günstigesVorzeichen für die weiteren Verhandlungen der anderen Branchenglaubte betrachten zu dürfen, so hat diese Annahme einer gründ-lichen Enttäuschung Platz machen müssen. Schon die Verhandlungder beiderseitigen Vertreter für die Magazinbranchc, die am 23. Fe-bruar stattfand und an der neun Unternehmer und acht Gehilfenteilnahmen, zeitigte ein wenig erfreuliches Bild. Es hatte sich hierflugs ein„Verein der Polster- und Ledermöbelfabrikanten" ge-gründet, der einfach durch den Mund des Herrn L i e p m a n nerklären ließ:„Gar nichts bewilligen wir! Förmlich heraus-gepreßt mußten Worte und Zugeständnisse werden, und schließlichwurden von den Unternehmern Vorschläge zu einem Mindest-Ein-heitstarif gemacht, die als völlig unannehmbar bezeichnet werdenmußten. Mit einem Ledermöbel-Mindesttarif rückten die HerrenFabrikanten gar erst heraus, als die Verhandlung schon vertagtworden war, weil man sich, obgleich die Gehilfen, zum Entgegen-kommen bereit, schon Reduzierungen vorgenommen hatten, absolutnoch nicht verständigen konnte oder wollte. Eine am 24. Februartagende Sitzung der 32er.Kommission. je 16 Vertreter der Unter-nehmer und Gehilfen, verhandelte ausschließlich die drei Kardinal-fragen: Tarifdauer. Lohn- und Arbeitszeit. Auch hier konnte eineEinigung noch nicht erzielt werden. Auch hier hatten die Arbeiterim Laufe der Verhandlung ihre Forderungen reduziert, um Ent-gcgenkommen zu zeigen und waren bereit, auf einen vierjährigenTarif einzugehen mit einem Stundenlohn von 75 Pf., ab 191380 Pf., und mit einer Arbeitszeit von 49 Stunden, ab 191348 Stunden. Die Unternehmer aber wollten nur einen fünfjährigenTarif mit einem Durchschnittslohn von 70 Pf., nach 2 Jahren73 Pf., nach 4 Jahren 75 Pf. und mit einer Arbeitszeit von50 Stunden. Wo aber gemischte Betriebe bestehen und 51 Stundenüblich sind, sollte dieses auch für die Tapezierer bindend sein. FürAüSgelernte will man zwei Jahre lang den Lohn der— freienVereinbarung überlassen, wie auch für alte und invalide Ge-Hilfen. Nach längerer Diskussion wurde auch hier die Verhandlungauf Montag, den 27. Februar, 5 Uhr. vertagt.— Die Diskussionzu diesem Bericht nahm einen oft stürmischen Verlauf. Der Per-Handlungskommission wurden Vorwürfe gemacht, daß sie Reduzie-rungen vorgenommen hatte, ohne erst eine Versammlung darüberzu befragen. Auf der anderen Seite redete man aber auch derWeiterverhandlung das Wort, und diese Stimmung gewann dieOberhand. Zum Schluß wurde ein Antrag angenommen: die An-erbietungen der Unternehmer zurückzuweisen, zu weiteren VerHand.lungen aber bereit zu sein. Zu den weiteren Verhandlungen wirdeine weitere Mitgliederversammlung Stellung nehmen.Die Tarifbewegung der Schildermacher und Helfer wird allemAnschein nach einen normalen Verlauf nehmen. Am 1. Märzwurden die Tarifverträge 91 Unternehmern zugestellt. Bis Sonn-abend, den 4. März, sollen die Verträge unterschrieben zurückge-sandt sein. Bereits am Freitag, den 3. März, sind eine ganzeAnzahl Verträge unterschrieben an die Organisation eingesandtworden. Unter den Firmen, die bewilligten, befinden sich auchsolche, die als tonangebend gellen. In allen denjenigen Betrieben,wo Sonnabend abend der Vertrag nicht anerkannt ist, darf amMontag früh die Arbeit nicht aufgenommen werden. Die Streiken-den haben sich am Montag, i>en 6. März, vormittags im„GeWerk-schaftshaus", Engelufer 15, Saal 3, zur Kontrolle zu melden. Die-jenigen Anmacher und Helfer, die bei Firmen beschäftigt werden,die bewilligt haben, erhalten zum Zwecke des Ausweises eineBerechtigungskarte, die am Sonnabendabend im Bureau desTransportarbeiterverbandes, Engelufer 15 II, Zimmer 42, nachVorzeigung des Verbandsbuches ausgestellt wird. Wer am Mon-tag nicht im Besitze einer solchen Karte ist, von dem ist anzu-nehmen, daß derselbe bei einer bestreikten Firma seine Tätigkeitausübt.Transportarbeiterverband, Bezirksverwaltung Groß-Berlin.Dcutrcbe» Reich.Zur Tarifbewegung tut Holzgewerbe.Am Donnerstag, den 23. Februar, trat die Zentralschlichtungs-kommission, die gebildet ist vom Deutschen Holzarbeiterverband unddem Arbeitgeberschutzverband für das Holzgewerbe, zusammen, umsich über den Stand der Ortsverhandlungen zu informieren undum zu vereinbaren, in welcher Form insbesondere über die Frageder Arbeitszeit weiter verhandelt werden soll. Schon am Tage vor-her hatten die Zentralvorstände eine gemeinsame Sitzung, in derbeschlossen worden war, die zentralen Verhandlungen sofort auf-zunehmen. Daraufhin wurden die Ortsvertreter aus Bremen,Breslau und Stuttgart zum 24. Februar nach Berlingeladen.Wegen der Arbeitszeitfrage wurde vereinbart, daß diese ausden Sonderverhandlungen einer Anzahl Städte von vornhereinausgeschaltet werden sollte und daß hierüber die zentrale Verhand-lungskommission nach Anhörung der Ortsvertreter endgültig ent-scheiden sollte.Die Verhandlungen sind dann am 24. Februar für die ge-nannten Orte und am 25. Februar für Chemnitz, Elber-feld, Aachen, Stralsund und Swinemünde, am26. Februar für Jena, Eisenach, Forst und E l b i n g, am23. Februar für Osnabrück, Kirchheim und F i n st e r-walde, am 1. März für Detmold, Herford, Posen undHelmstedt und am 2. März für N e u m ü n st e r aufgenommenworden. Die zentralen Verhandlungen spielten sich in derselbenForm ab, wie in den letzten Jahren. Jede Stadt verhandelte zu-nächst über die Frage der Arbeitszeitverkürzung vor dem Forumder zentralen Kommission im Beisein der Verbandsvorstände. ImVerhandlungsplenum haben die Ortsvertreter zu erklären, ob siesich einem Schiedsspruch unterwerfen; diese Erklärung haben bisheralle Ortsvertreter ohne Vorbehalt abgegeben.Die zentralen Verhandlungen gestalteten sich äußerst schwierig.Am 28. Februar waren alle Verhandlungen gescheitert und dieOrtsvertreter verließen abends noch Berlin. Die zentrale Ver-Handlungskommission trat dann am 1. März nochmals zusammen,um daS Schlußprotokoll aufzusetzen. Bei dieser Gelegenheit ver-einbarte die Kommission dann, zunächst über die Städte B r« m e n,Breslau und Stuttgart einen Schiedsspruch wegen derArbeitszeitverkürzung zu fällen. Nachdem dies geschehen, solltendie.Verhandlungen für alle Orte sofort wieder aufgenommenwerden. Auf Beschluß der Kommission traten am nachmittag des-selben Tages die Pcrbandsvorstände unter Hinzuziehung der nochanwesenden Ortsvertreter zu einer Plenarsitzung zusammen unddort wurde der für die genannten Städte gefällte Schiedsspruchüber die Arbeitszeit bekanntgegeben. Die abgereisten OrtSvertretersind dann telephonisch wieder nach Berlin beordert worden, so daßgegenwärtig wieder auf der ganzen Linie verhandelt wird.Donnerstag vormittag war ein endgültiges Resultat noch fürkeine Stadt erzielt, doch läßt sich mit Bestimmtheit sagen, daß inden nächsten Stunden die Entscheidung für einige Großstädtekommen mutz, wovon der Fortgang der Verhandlungen überhauptabhängt. In Bremen häben inzwischen die Tischler die Arbeitallgemein eingestellt, auch in Chemnitz und B r e s lau ruht ineiner Anzahl Betrieb« die Arbeit. Trotzdem werden die Ver-Handlungen vorläufig fortgesetzt, und wenn nicht weitere Zwffchen-fälle eintreten, ist zu hoffen, daß die Verhandlungen für einegrößere Anzahl Orte zu einem endgültigen Resultat führenwerden._Erfolgreiche Lohnbewegung im Schuhgewerbe.Der Zentralverband der Schuhmacher leitet« in Burg beiMagdeburg eine Bewegung zur Erringung des neunstündigenArbeitstages ein. Die Verhandlungen, die von der Organisationder Arbeiter mit den Fabrikanten geführt wurden, waren erfolg-reich. Der neunstündige Arbeitstag wurde den Arbeiterngewährt, außerdem ein Ähnaufschlag von 10 Prozent(gefordertwaren 25 Prozent) für Ueberstunden. DaS ist die dritte Lohnde-wegung, die zugunsten der Schuhmacher in Burg auf dem Wegefriedlicher Vereinbarung erfolgreich erledigt werden konnte.Diesen Erfolg haben die Schuhmacher ihrer guten Organisationzu verdanken; von 2073 am Orte beschäftigten Schuhmachern ge«hören 1954 der Organisation als Mitglieder an.Tarifabschlutz in der Breslauer Metallindustrie.Zwischen dem Metallorbeiterverbande und den Arbeitgebern inder Zentral-HeizungS-Jndustrie in B r e S l a u ist ein neuer Tarifabgeschlossen worden, der mit dem 1. April 1911 eine Erhöhung derLöhne aller beteiligten Arbeiter mit sich bringt. Von den Arbeit-gebern im Schlossergewerbe ist der mit dem Melallarbeiterverbandeabgeschlossene Minimallohntaris nach zweijähriger Dauer gekündigtworden.Achtung, Tabakarbeiter! Jn'Schönaich und Stuttgart(Württemberg) befinden sich die Tabakarbeiter im Abwehrstreik undim Kampf um Aufbesserung ihrer traurigen Lage. Um letzteres zuerreichen, schlössen sich die Arbeiter dem Deutschen Tabakarbeiter-verband an. Die Firma Gotthilf Schrägle entließ darauf10 bis 15 Jahre lang beschäftigte Arbeiter, 14 an der Zahl, darunterden Ortsvorstand der Organisation. Durch diesen Terrorismusglaubte die Firma die Organisation am Orte sprengen zu können.Die gesamten Kollegen der Entlassenen erklärten sich mit diesensolidarisch, forderten Zurücknahme der Maßregelung, Wiedqrein-stcllung der Entlassenen und außerdem 75 Pf. Lohnerhöhung für?igarren mit Wickel pro Mille. Bei der Firma G. Boden-e i m e r, bei der die Löhne noch niedriger sind als bei Schrägle,stellten die Arbeiter Lohnforderungen. Beide Firmen lehntenUnterhandlungen und Entgegenkommen ab. die Arbeiter reichtenihre Kündigung ein und legten nach Ablauf der Kündigungsfrist dieArbeit nieder. Durch die Gauleitung angebahnte Unterhandlungenwurden ebenfalls abgelehnt. Beide Orte und die Betriebe beiderFirmen sind seitens der Organisation gesperrt; die Kollegen wollensich dieses merken. Alle, beide Firmen betreffende Mit-teilungen über ProduktionSerweiterung oder Absatzgebiet wolle manumgehend an untenstehende Adresse melden. Im Ausstand befindensich 245 Personen, darunter viele Familienväter.Ad. Heising, Gauleiter, Stuttgart 13, Florianstr. 81.Der Stuttgarter Fliescnlrgertarif, der im Jahre 1903 abge-schlössen wurde, läuft mit dem 3t. März d. I. ab. Die im Ver-band württembergischer Plattengeschäfte organisierten Firmen habenden Arbeitern mitgeteilt, daß sie bereit seien, den ablaufenden Tarif-vertrag auf zwei Jahre zu verlängern. Die Fliesenleger habenhierzu am 1. März Stellung genommen in der Weise, daß sie eineKommission einsetzien, die die Wünsche der Arbeiter formulieren unddemnächst einer weiteren Versammlung unterbreiten soll.Die KonfettionSschneider in Jchenhausen(Schwaben) habensämtliche im Verband der Schneider und Schneiderinnen organi-sierten Konfektionsschneider— durchweg Heimarbeiter— die Arbeitniedergelegt, nachdem die Verhandlungen mit den Unternehmerngescheitert waren. Den Unternehmern wurde durch die verräterischeHaltung der Christlichen der Rücken gesteift, die hinter dem Rückender übergroßen Mehrheit einen eigenen Tarif abschlössen und sichmit einem ganz minimalen ZugesmndniS begnügten. In Bewachtkommen rund 160 Streikente, 4 Christliche arbeiten weiter, ebensoein halbes Dutzend Unorganisierte. Da die Unternehmer voraus«sichtlich ihre Arbeit nach auswärts zu vergeben suchen, wird gebeten,genaues Augenmerk auf solche Arbeitsangebote zu richten.Zustand,Die holländische Getverkschaftsbewegung.Die auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehendenGewerkschaften Hollands haben im verflossenen Jahre mit Erfolgan ihrer Weiterentwickelung gearbeitet. Ihre Zentrale, der Per-band der Fachverbände, bestand am 1. September 1909 aus 27 Ver-bänden mit 39 640 Mitgliedern, und am selben Datum des Jahres1910 waren es bereits 28 Verbände mit 42 679 Mitgliedern. Dasist zwar kein besonders starker Zuwachs, jedoch viel in einem Lande,wo die Gewerkschaftsbewegung von Anfang an so zersplittert warund noch jetzt ist wie in Holland. Die konfessionellen und interkon»fessionellen christlichen Organisationen spielen dort noch immer einegewisse Rolle, während es mit den anarchistischen oder antipoliti-scheu Organisationen immer mehr zurückgeht. Das NationaleArbeitssekretariat, das vor 16 Jahren 15 728 Mitgliede'' zähuc,wird jetzt wohl kaum 4000 haben. Uebrigens ist diese Zenirale jetztmehr und mehr von ihrem alten Grundsatz, jede Beschäftigung mitpolitischen Dingen abzulehnen, zurückgetreten und hat zum Beispielbeschlossen, gegen die staatliche Zwangsversicherung und für dieStaatspensionierung der Arbeiter Propaganda zu machen. Dergrundsätzliche Abscheu vor der Politik, durch den man die Daseins-Berechtigung dieser Sondcrorganisationen bislang zu rechtfertigensuchte, ist also gewissermaßen preisgegeben.Die modern organisierten Arbeiter haben im verflossenenJahr in verschiedenen Berufen mit mehr oder minder gutem Er-folg Lohnbewegungen durchgemacht. Großes Aufsehen erregte dieBewegung im Baugewerbe Amsterdams, die jedoch von denAnarchisten hervorgerufen worden war. Die anderen Organisa-tionen des Baugewerbes hatten seit 1903 einen Tarifvertrag mitden Unternehmern und keinerlei Neigung, diesen Vertrag zubrechen, die anarchistisch organisierten Bauarbeiter legten auf Ar-beitsplätzen, wo sie die Mehrheit hatten, mitten im Winter dieArbeit nieder und suchten damit auch ihre modern organisiertenKollegen in den Kampf zu zwingen, somit zum Tarisbruch zunötigen oder stempelten sie zu Streikbrechern. Das Unternehmer-tum veranstaltete eine allgemeine Aussperrung. Daß bei dieserBewegung in der ungünstigsten Zeit des Jahres nichts erreichtwerden konnte, ist selbstverständlich.— Ein weiterer großer Kampfdes verflossenen Jahres war die allgemeine Textilarbeiteraussper-rung in Enschede, die von den Fabrikanten wegen eines kleinenStreiks bei einer einzigen Firma veranstaltet wurde. Ter Kampfwurde von der Arbeiterschaft mit rühmenswerter Einmütigkeit auf-genommen, jedoch vorzeitig und ohne sicheren Erfolg aufgegebenauf Verlangen der christlichen und sogenannten freien oder anarchi-stischen Organisationen. Der mooerne Textilarbeiteverband, dereine gute Stütze in der Zentrale der Fachvcrbände hatte, hätte denKampf gerne noch weiter durchgeführt, was jedoch ohne die Hilfeder anderen Organisationen aussichtslos gewesen wäre.Einen Einblick in die Zersplitterung der holländischen Fach.organisationen gibt der soeben erschienene Bericht des staatlichenZentralbureaus für Statistik vom 1. Januar 1910. Danach hattean diesem Datum das Nationale Arbeitssekretariat 3454 Mitglieder,der Verband der Fachverbände 40 660, die nationale Federation6587, und das Bureau für die römisch-katholische Fachorganisatton11650 Mitglieder._Soziales*„Ms ins dritte und vierte Glied".Im„Neurologischen Zentralblatt"(1910 Nr. 14, Leipzig, Veitu. Co.) hat Dr. Max Sichel. Assistenzarzt an der Städtischen Irren-anstalt zu Frankfurt a. M., die Ergebnisse einer Untersuchung ver-öffentlicht, die sich auf 303 in die genannte Anstalt in den Jahren1907/08 aufgenommene alkoholbelastete Personen bpzog. Von ganzbesonderem Interesse sind dabei die Angaben, die sich auf die Nach-kommcnschast der aus Trinkerfamilien stammenden Kranken/alsodie Enkelkinder der dem Trunk ergebenen Individuen beziehen. Dqsie sich im großen ganzen auf die Mitteilungen der behandeltenKranken selbst bezw. ihrer Angehörigen stützen, bleiben sie hinterder Wirklichkeit icdenfalls noch zurück. Por allem fällt der großeProzentsatz der Ehen, die unfruchtbar blieben, auf: bei 130 verhei-rateten Kranken waren 22 Ehen ohne jeglichen Nachwuchs(auchkeine Mißfälle, keine Totgeburten). Pon 10 Ehen ließ sich über dieNachkommenschaft nichts Sicheres ermitteln, so daß das nachfolgendeErgebnis sich lediglich auf die Nachkommenschaft von 98 Familienerstreckt. Während 205 Kinder aus diesen als gesund bezeichnetwurden und bei 118 hinsichtlich ihrer Gesundheitsverhältnisse nichtsNäheres bekannt geworden ist, wurden 52 nicht ausgetragen,20 kamen tot zur Welt. 75 starben kurze Zeit nach der Geburt, 21an Krämpfen, 32 an Jnfektionskrankheitcen. Störungen der Per»douungSorgane usw.— also im ganzen 200 Individuen, die vor.bei oder kurz nach der Geburt zugrunde gingen. Unter den Ueber«lebenden traten bei einem nicht geringen Prozentsatz frühzeitigErkrankungen des Nervensystems. Krämpfe, Schwachsinn, Hysterieusw. in Erscheinung.„Wir gehen wohl nicht fehl in der An-nähme", bemerkt Dr. Sichel,„daß gerade über diesen Punkt unsereTabelle nicht den wirklichen Sachverhalt wiedergibt, daß die Zahlder an Krankheiten des Zentralnervensystems leidenden Jugend»lichen sich bei weitem höher stellt, als dieS in unserer tabellarischenUcbersicht zum Ausdruck kommt. Von einigen wurde berichtet.daß sie bereits Bekaurrlschaft mit einer Erziehungsanstalt gemachthaben; andere Hutten das Elternhaus in jungen Jahren verlassenund waren verschollen." Dr. S. fügt noch verschiedenes bei, wasdie geistige und sittliche Entartung des Nachwuchses der Trinker-familien in betrübendster Weise veranschaulicht. So interessantdie Sichelsche Arbeit ist, dürfte der Schluß, daß die traurigenFolgen allein auf den Alkohol zurückzuführen seien, sehr einseitigsein. Die wirtschaftlichen Perhältnisse, unter denen die Beobachi-teten lebten, dürften zum mindesten zum Teil die Ursache des übermäßigen Alkoholgenusses und seiner Schädlichkeit sein.Ueber die Frage deS ReichSeinigungSamt»spricht der frühere preußische Handelsminister Dr. Freiherrv. Berlepsch am 8. März, abends 8 Uhr, im Biirgersaale deS Per»liner Rathauses in einer von der Gesellschaft für Soziale Reform,Ortsgruppe Berlin, veranstalteten öffentlichen Versammlung.letzte ffoebriebten.Die Bernsteiu-Skandale.Paris, 3. März.(W. T. B.) B e r n st e i n hak sein Stück„Apres moi" freiwillig vom Theatre Francaise zurückgezogen.Bekanntlich hat es wegen des Dichters, der vor einigen Jahrensich seiner Militärpflicht durch Desertion entzogen hatte, in denletzten Tagen allabendlich im und vor dem Theater Skandalszenengegeben._Schweres Unglück bei ciuer Flngveranstaltnng.Madrid, 3. März.(W. T. B.) Während des SchauflugeS einesfranzösischen AviatikerS streifte sein Flugzeug daS Publikum. EineFrau wnrde hierdurch getötet, virr Zuschauer schwer und drei leichtverwundet. Der Aviatiker selbst blieb unverletzt.Opfer der Pest.Eharbin, 3. März.(W. T. B.) Gestern sind hier fünf Personenan der Pest gestorben._Rnssisch-chinefischer Konflikt.Eharbin, 3. März.(Meldung der Petersburger Telegraphen-agentur.) Auf der Bahnstation I r e k t e i überfielen chinesischeSoldaten eine Anzahl Chinesen, welche für eine russische Holz»konzesjionSgesellschast arbeiteten. Die Soldaten verjagten die Ar,bester und beschädigten die Schienen einer Zweigbahn.worden. Unter den Firmen, die bewilligten, befinden sich auch mit einem ganz minimalen Zugeständnis begnügten. In Bettacht beiter und beschädigten die Schienen einer Zweigbahn._veränlwTRedäkteur: Hans Weber. Berlin. Inseratenteil verantw.; Th. Glocke. Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt PaulSinger& Co..Berlin SW. Hierzu 4 Beilagen u. Unterbaltnngstt.