�trr Kern hat fehle Schrift öor allem z u N u ß und'Fröm-Wen der Zentrumspartei ausgegeben. Zunächst nimmter das Zentrum, dem er sich zuzählt, in Schutz vor der Bcschuldi-gung, das} eS industriefeindlich sei; dann legt er seiner Partei ansHerz, mehr Industrielle als bisher in ihre Rcichstagsfraktion auf.zunehmen, und drittens soll sie ihre Jndustriefreundlichkeit dadurchbetätigen, daß sie sich in Zukunft nicht mehr an dem„sozialpolitischenWettstreit" der Parteien beteiligt:„Mit großer Berechtigung undallseitiger Befriedigung ist die Zentrumspartei seit einer längerenReihe von Jahren für den Schutz und die Hebung derwirtschaftlichSchwächerenin jeder Beziehung entschiedeneingetreten. Zweifellos ist nunmehr aber der Zeitpunktgekommen, da auch sie in konsequenter Wahrung ihres Stand-Punktes(die Interessen aller Berufsstände gleichmäßig zu vertreten)den Interessen der Industrie erhöhte Aufmerk-Lamkeit zu widmen berufen i st."Also Unternehmerschutz statt Arbeiterschutz!— das soll in Zu-kunft der Leitstern der Zentrumspolitik sein. So fordert es derneueste Stern am Himmel ultramontaner Sozialpolitik, der inechter Scharfmachermanier die Interessen der Industrie nur als dieInteressen der Unternehmer auffaßt. Uns kann? recht sein, wenndas Zentrum den scharfmacherischen Anweisungen aus der frommenStadt Aachen folgt und sich offen bekennt als daZ, was es immerwar: als die Partei der Rückständigkeit auf allen Gebieten.Stolyplns Staatsstreich.Zugleich mit der Nachricht, daß Stolypin bleibe, kamdie andere, daß Reichsrat und Neichsdwma auf drei Tage„inhibiert" seien. Diese Jnhibierung hat den Zweck,Stolypin zu ermöglichen, den im Reichsrat abgelehnten Eick-Wurf der Landschaftsvcrwaltung in den Westgouvernementsauf Grund des Artikels 87 der Grundgesetze, das heißt ausantikonstutionellem Wege zu verwirklichen. DieserArtikel, der schon einmal, nach der gewaltsamen Auflösungder ersten Duma, von Stolypin benutzt wurde, um seine ver-derbliche Agrarpolitik gegen den Willen der Volksvertretungin die Wege zu leiten, besagt ausdrücklich:„Wenn nach der Einstellung der Sitzungen der Reichsdumaaußerordentliche Umstände die Notwendigkeit einer Maßnahmehervorrufen, die mif legislativem Wege beraten werden muß,so reicht der Ministerrat über diese Maßnahme unmittelbar beiSeiner Majestät dem Kaiser eine Vorstellung ein."Die jetzige Praxis, die die Sitzungen der beidenKammern künstlich unterbricht, um den erwähnten Artikelwenigstens den äußeren Schein der Zulässigkeit zu geben, de-deutet also eine schmähliche Umgehung der Grund-gesetze, die Proklamierung des Staats-streich es in Permanenz. Diese Gewaltmittel, die zurBeilegung der Ministerkrise erforderlich waren, charakte-risieren am grellsten den ganzen Ernst der Situation, diedurch die jüngsten Ereignisse heraufbeschworen wurde.Die Anhänger Stolypins suchen jetzt sein Verbleiben imAmte als einen glänzenden Sieg über seine Gegner darzustellen. Eine solche Darstellung ist nickst nur in ihrenProphezeiungen g r u n d'f a l s ch, da sie die Konsequenzender jetzt unternommenen Maßnahmen übersieht, sie ist auchbewußt unrichtig, da sie den ganzen Kern der Krisegeflissentlich zu vertuschen sucht. Stolypins Sieg ver-ivandelt sich bei näherer Betrachtung in einen P y r r h u s-sieg, der dem Leiter der russischen Politik nicht wenigSchwierigkeiten verspricht und seine ohnehin erschütterteStellung außerordentlich erschwert. Man mag sich gegen-über den Drohungen der Okto bristen, die beschlossenhaben, die Stolypinschen Entwürfe abzulehnen und eventuellihre Mandate niederzulegen, ziemlich skpetischverhalten, es ist aber trotzdem klar, daß die permanenteStaatsstreichpraris, die Stolypin jetzt— diesmal gegen denWillen der Oktobristen— proklamiert hat, selbst in der ge-fügigen dritten Duma Entrüstungsstürme auslösen muß, unddas um so mehr, als Stolypin bei dieser Gelegenheit auchden Marineetat auf Grund des Art. 87 verwirklichenwill, der bisher auf den Widerstand der Oktobristen stieß.Stolypin hat zwar der Deputation der Natianalistensraktionder Duma, die ihren hohen Protektor zu seinem„Siege" be-glückwünschte und bei ihm Instruktionen einholte, in derhochmütigen Weise erklärt, die Opposition der Dumamehrheitberühre ihn nicht im geringsten, da die Dumaaufgelöst werden würde, wenn sie sich ihm gegen-über widerspenstig zeigen sollte. Diese rein Hausknechts-mäßige Behandlung der von ihm ins Leben gerufenen„gemäßigten Volksvertretung" wie die beabsichtigten Re-Pressionen gegen den frondierenden Reichsrat müssen aberunausbleiblich zu einer noch größeren Isolierung undSchwächung seiner Position führen als sie jetzt schon offenzutage getreten sind.Man darf aber nicht glauben, daß die Ministerkriseden Intrigen der hochgestellten Gegner Stolypins allein zu-zuschreiben ist. Der„Vollbesitz der Macht" war zwar niemalsin den Händen Stolypins, der seit Beginn seiner Minister-karriere stets den Willen der hinter ihm stehenden Junker-clique zu vollstrecken hatte. Er hatte stets gegen dieAtmosphäre der Intrigen, gegen die verschiedentlicheu Strö-numgen am Hofe, gegen die ehrgeizigen Pläne dieser oderjener Mitglieder der Hofkamarilla anzukämpfeu. Aber einenso kühnen Vorstoß wie jetzt, konnten seine Gegner innerhalbder Bureaukratie und der feudalen Kreise nur deshalb unter.nehmen, weil der„Emporkömmling", der sich als Diktatorgebärdet?, offensichtlich am Ende seiner Karriere angelangtwar. Die unbarmherzige Zeit hatte gezeigt, daß es nichtausreichend war, nur die Revolution zu bekämpfen und dasLand mit Hilfe der Galgen und der Knute zu„beruhigen".Es trat immer deutlicher zutage, daß Stolypins„Refornr-bestrebungen" uirfruchtbar und schädlich waren, während sichseine Polizeifaulst als unzureichend erwies, um dem Wieder-aufleben der revolutionären Bewegung vorzubeugen und dieStabilität des herrschenden Galgenregiments zu sichern. Auchder Mißerfolg seiner Politik in der Duma, die sich immermehr nach rechts bewegte und die großkapitalistischen Kreiseder Gesellschaft von der Regierung abstieß, mußte seinerPopularität Abbruch tun. In dieser Atmosphäre der allge-meinen Unzufriedenheit, wo er selbst die moralische Unter-stützung der Oktobristen nicht mehr besaß und von oben nurgeduldet wurde, mußte ein Vorstoß seiner Gegner aus denReihen der hohen Bureaukratie zu einer Katastrophe führen.Diese Gelegenheit bot sich bei der Beratung der Vorlage überdie Landschaftsverwaltung in den Westgouvernenients. DasReichsratsmitglied T r e p o w hatte die Version verbreitet,daß das Projekt der nationalen Kurien, das von Stolypinals Kernpuntt der Vorlage angesehen wurde, keinen Anklangam Hofe findet. Dies genügte, mn der Gruppe der Rechtenden Wunsch ejnzugchen, durch die Ablehnung der nationalenKurien iZtolyPür zu Fall zu bringen. Stolypin hätte auchnie infolge des Durchfalles eines Punktes seiner Vorlageseine Demission eingereicht, wenn er nicht aus dem ganzenSachverhalt die Ueberzeugung gewonnen hätte, daß dieeinzige Stütze seiner Macht, die Gunst von Zarskoje Sselo,so schwankend war, daß sie jeden Augenblick aus die Seiteseiner Widersacher übergelien konnte.Auch aus dem jetzigen Ausgang der Krise kann Stolypinkeine Sicherheit für die Zukunft schöpfen. Tatsache ist, daßseine Demission nur deshalb abgelehnt wurde, weil der Zeit-Punkt sehr ungeeignet erschien unw keine genügende Anzahlvon Handlangern bei der Hand war, die an die Stelle der aus-scheidenden Minister in die Bresche springen konnten. Wäredie Demission Stolypins angenommen worden, so hätten nichtnur der Minister des Auswärtigen Ssasonow und der Unter-richtsminister Kasso, die in Wirklichkeit nur die KreaturenStolypins sind, zurücktreten müssen, es wären auch der Justiz-minister Schtscheglowitow, der Verkehrsminister Ruchlow, derHandelsminister Timaschew und der Neichskontrolleur Chari-tollow zurückgetreten, die an ein eitzgcs Zusammenarbeitenmit Stolypin gewöhnt waren. Der ün Aussicht genommenePrennerminister Kokowzew bot auch, trotz seiner ausge-sprochenen reaktionären Gesinnung, nicht die genügende Ga-rantie dafür, daß die innere und äußere Politik in denselbenchauvinistischen und reaktionären Bahnen weiter geführtwürde. Höchst charakteristisch ist z. B., dajß in den reaktionärenKreisen die Befürchtung geäußert wurde,.Kokowzew würde alsFinanzminister, der für den russischen.Kredit sorgen müsse,zu sehr dem Einfluß der europäischen Staaten unterliegen.Für die innere Politik suchte man also einen Handlanger.dessen antikonstitutionelle Gesinnung auch in der Zukunftkeinem Zweifel unterliegen konnte. Tnese Sicherheit botStolypin, und da außerdem die verworvenen Zustände anden höchsten Regierungsstellen keine umfassenden Personal-Veränderungen zuließen, so wurde vorläusin der alte Diktatorim Amte behalten. Nicht umsonst schrie» das Organ derBureaukratie„Nowoje Wremja", Stolypin dürfe nicht fort-gehen, ehe eine solche Frage, wie die f i n n l ä n d i s ch e, zuEnde geführt sei; er dürfe nicht fortgehen, wo in den Hoch-schulen die Unruhen herrschten und die neuen Duma-wählen vor der Tür ständen.„Auch der neue Kurs derauswärtigen Politik sei noch nicht gesichert, der unter dernächsten Mitwirkung Stolypins eingeleitet worden sei. Mitdem Fortgang des erfahrenen Steuermannes würden dienationalen Fragen in der Luft hängen bleiben, und wir wür-den zu der Politik zurückkehren: einen Schritt vorwärts,einen Schritt rückwärts." Diese Worte geben vorzüglich dieFurcht der maßgebenden Kreise wieder, durch den RücktrittStolypins in eine Position gedrängt zu werden, wo eineNeuorientierung in der gesamten inneren und äuße-ren Politik erforderlich sein müßte.Für die Oeffentlichkeit ist die russische Mmisterkrise in-sofern sehr bedeutsam gewesen, als sie den Kampf zweierwiderstrebender Tendenzen an den höchsten Regier wngs-stellen zeigte: einerseits das Bestreben einflußreicher Kreise,die Gewalt an sich zu reißen, andererseits die Furcht, durchplötzliche Aenderungen die ungeheure Verworrenheitaufzudecken, die im Lager der Sieger vom 16. Juni herrscht.Der„Sieg" Stolypins ist alles weniger als ein Sieg seinerPolitik. Sein Beharrungsvermögen hängt nur von derIntensität der politischen Kämpfe ab. deren Herannahen sichbereits durch recht deutliche Symptome bemerkbar macht unddurch die Va-banque-Politik Stolypins noch beschleunigt wird.»Petersburg, L7. März. Ein kaiserlicher UkaS gibt die Ein-führung der S e m st w o s für die Westgouvernements auf GrunddcS A r ti kel 67 der Grundgesetze bekannt.Gutschow hat heute di« offiziell« Erklärung eingereicht, daßer sein Amt als Präsident der Reichsduma niederlege»politilcve(leberfavt.Berlin, den 27. März 1911.Vereinfachtes Verfahren.DaS Abgeordnetenhaus hat nun endlich die dritte Lesung desEtats beendet. Den Namen einer Beratung freilich verdient das,was sich in der Prinz-Albrecht-Ttraße abspielte, nicht. Vier so wichtigeEtatS, wie den des Kultus, der Eisenbahnverwaltung, der Bauver-waltung und der Justizverwaltung er einer Sitzung zu erledigen,das ist ein Kunststück, das so leicht niemand der preußischen»Volks«Vertretung" nachmachen dürfte. Allerdings bedient sich auchkein anderes Parlament so schofler Mittel. Systematisch machtedie konservativ- klerikale Mehrheit die sozialdemokratischeMinderheit am Montag mundtot; weder zum Kultus-etat, noch zu dem Eisenbahnetat ließ sie unsere Vertretersprechen, sodaß Ströbel und Leinert in Bemerkungen zurGeschäftsordnung dies Verhalten treffend zu charakterisieren sichgezwungen sahen und auf da? Skandalöse eines solchen Verhaltenshinwiesen.Erst beim Justizetat war man so gnädig, unseren Rednerzu Worte kommen zu lassen. Es war eine kurze, aber gründlicheAbrechnung, die Liebknecht mit der Reaktion, namentlich mitden reaktionären Bestrebungen auf Einschränkung der Rechte derAngeklagten hielt. An zahlreichen Betspielen zeigte er dem Justiz-minister, wo der Hebel anzusetzen ist, wenn man wirklich reformierenwill: der Essener Fall, der Fall Breuer, wo das Reichsgericht, ob-wohl eS sich um Leben und Tod handelt, eine so kühne Auslegungdes Wahrspruchs der Geschworenen gegeben hat, die unwürdige Stellungder Rechtsanwälte— all das gab unserem Genossen Anlaß zuscharfer Kritik, deren Gipfel die Besprechung des für diePolizei so vernichtenden Urteils im Moabiter Prozeß bildete.Wie die Staatsanwallschaft es verabsäumte, gegen Beamte ein«zuschreiten, die bewußt ihr Amt mißbrauchen, und wie mansystematisch die Politik in den Gerichtssaal hineinträgt, auch dafürkonnte unser Genosse aus der Fülle seines Materials zahlreiche Be-lege beibringen.Wie recht Liebknecht hatte, als er am Schluß seiner Ausführungender Ansicht Ausdruck gab, daß vom Junkerparlament eine Besserungin keinem Punkte zu erwarten sei, das bewies der JustizministerB e s e l e r durch seine Erwiderung, die mau kurz dahin charalierie-sierrn kann: Laßt alle. Hoffnung draußen>Noch reaktionärer geberdete sich der konservative AbgeordneteBochmer, der sich berufen fühlte, die Gerichte im allgemeinengegen die»Verunglimpfungen" durch die Linke des Reichstages inSchutz zu nehmen und ein Loblied auf die Justiz anzustimmen.Der Etat im ganzen gelangte gegen die Stimmen der Sozial-demokraten zur Annahme.Am Dienstag fällt die Plenarsitzung aus, damit die Kom-Missionen arbeiten können.Mittwoch: Kleinere Lorlagen und Pflichtfortbildungsschulgesetz.Auf der Spur des Mörders?Die»Berliner Volks-Zeitung" teilt in ihrer Nummer vom Sonn«tag mit:»Im Laufe der nächsten Woche soll, wie wir erfahren,eine Untersuchung imFall des von zweiPolizistenam 27. September v.J. getöteten Arbeiters Herr-mann eingeleitet werden. Zu diesem Zweck werden fünfZeugen aus dem Publikum, die gesehen habe»,wie zwei Schutzleute auf Herr mau n eindrangenund ihn durch Säbelhiebe töteten, einer Reihevon Schutzleuten gegenübergestellt. ES kommenfünfzig Schutzleute in Betracht, die während derfraglichen Zeit Dienst taten. D»e Konfrontationsoll im Kriminalgericht Moabit stattfinden undmit aller Gründlichkeit durchgeführt werden."Die Ausführungsbestimmunge« über die Getvnhruugvon Bcterancnbeihilfenworden soeben veröffentlicht. Die hauptsächlich in Betrachtkommenden Bestimmungen lauten:Eine unterstützungsbedürftige Lage dcS Kriegsteilnehmerswegen dauernder gänzlicher Erwerbsunfähigkeit(Artikel l Nr. 3)ist als vorhanden anzusehen, wenn er Infolge von Alter, schweremSiechtum, unheilbarer Krankheit oder anderer Gebrechen dauerndaußerstande ist, durch eine seinen Kräften und Fähigkeiten ent-sprechende Tätigkeit, die ihm unter billiger Berücksichtigung seinerAusbildung und seines bisherigen Berufs zugemutet werden kann.den notwendigen, nicht durch sonstige Eintommenöabzüge oderLeistungen unterhaltspflichtiger Verwandten gedeckten Lebens-unterhalt zu verdienen.Bei Prüfung der Frage, was zum notwendigen Lcbensunter-halte gehört, ist ohne Bindung an eine bestimmte Einkommens-grenze unter gewissenhafter Würdigung der gesamten Umständedes Einzelfalls auf die persönlichen und die Familienverhältnissedes Kriegsteilnehmers sowie auf die wirtschaftlichen Lcbensbcdin»gungen an seinem Wohnorte Rücksicht zu nehmen. Für die Wür-digung dieser Lebensbedingungen kann die von der höheren Ver-waltungsbehörde für die reichsgesetzliche Krankenversicherung gc-troffene Festsetzung des ortsüblichen TagclohnS gewöhnlicherTagcarbeiter zum Anhalt dienen.Vorübergehende Erwerbsunfähigkeik, z. B. infolge von Kranl-Feit genügt nicht.Bei Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller nach seinerLebensführung der beabsichtigten Fürsorge als unwürdig anzu-sehen ist(Artikel 3 Z 2 zu d), hat sein politisches Verhalten außerBetracht zu bleiben.Ob ein Antragsteller wegen Bestrafung als der Fürsorge un-würdig anzusehen ist, hängt von der Art und Schwere der Straftatsowie von der Zeit ihrer Begehung und der späteren Lebens-führung ab."Eine wirkliche Unterstützung aller bedürftigen KrieAs-Veteranen wäre nur dann zu erwarten. wenn ausdrück-lich bestimmt wäre, daß alle Kriegsveteranen, die ein gewissesEinkommen nicht erreichen, der Unterstützung teilhastig würden.So wie jetzt die Dinge liegen, ist zu befürchten, daß nur imFalle der allerschlimmsten Not eine Unterstützung gewährtwird, viele wirklich Bedürftige aber ohne jede Beihilfe leerausgehen._Lächerliche Drohungen.Die bürgerlichen Kompromißparteien, die sich hu brutalerArbeiterciitrechtung zusammengefunden haben, scheinen unterallen Umständen entschlossen zu sein, die Reichsversicherungs-ordnung mit beschleunigter Eile zum Abschlüsse zu bringen.In der„Post" führt Abg. Dr. Arendt in einem Artikel zurparlamentarischen Lage aus:»In dem Augenblick, wo entschieden war, daß die Neuwahlenerst 1012 vorgenommen werden, hört die Möglichkeit eines legalenWiderstandes gegen die ReichsverficherungSordnung auf. EineObstruktion aber ohne eine obstruktionsartige passive Resistenz,die ja selbstverständlich nur von der Sozialdemokratie getriebenwerden könnte, da die bürgerliche Linke hierbei niemals sich be-teiligen würde— kann im Deutschen Reichstage nach der Rieder-werfung der Zolltarif-Obstruktio» auf Erfolg nicht mehr rechnen.Ein Mißbrauch der Geschäftsordnung hat nochimmer deren Aenderung zur Folge gehabt."Nach dieser offenen Drohung, eine gründliche und sorg-fältige Durcharbeitung der Reichsversicherungsordnung eventuelldurch neue Vergcwaltigungsmaßregeln zu verhindert, fährtArendt fort:„Kleinliche FraktionS« und Eigeninteressen dürfen dieses großesoziale Reformwerk nicht vereiteln. Scheitert diese Vorlage, so isteine Reihe von Jahren nötig, um sie zu erneuern. Wer aberübernimmt die Gewähr, daß uoch einmal, wie jetzt, die ver-bündetcn Regierungen und eine große Mehrzahl des Reichstage»zu einer Verständigung gelangen?... Für die Reichsversicherungs-ordnung wird nach Ostern die alte golltarifmehrheit geschloffeneintreten.... Wenn die VerficherungSordnung auch nahe an2000 Paragraphen umfaßt, so ist ihre Erledigung vorPfingsten doch sicher, wenn die Mehrheit, der Wichtigkeitder Vorlage entsprechend, am Platze ist. und die verbündeten Rc-gierungen keinerlei andere Borlage zur Erledigung stellen, denReichstag aber auch nicht verabschieden, ehe die dritte Lesung zuEnde ist."Die sozialdemokratische Rcichstagsfraktion wird sich durchdiese albernen Drohungen nicht abhalten laffen. eine mög-lichst genaue Beratung der Gesetzesmaterie zu forden.Die Nationalliberalen als Arbeiterfreunde.Dem Reichstage ist eine nationalliberale Resolution zugegangen,die die verbündeten Regierungen ersucht,„alsbald" dem Reichstagenoch einen Nachtrag zum ReichShauShaltsetat zur verfassungsmäßigenBeschluhfasiung vorzulegen, durch den hinreichende weitere Mutelzur Verfügung gestellt werden, um entsprechend den Bestimmungendes Art. IIa des Tabaksteuergeiehes vom 1ö. Juni 1909 den infolge deS Gesetzes arbeitslos gewordenen oder durch Einschränkungder Betriebe geschädigten Hausgewerbetreibenden oder Arbeitern desTabakgewcrbeS die blS zum IS. August 1211 zustehende Unterstützungzu gewähren._Dr. Heim und die Zentrnmsfraktion.Dr. Heim brütet Rache gegen seinen Gegner, den Doin-kapitular Dr. Pichler. Nach einer Münchcncr Meldung wirdDr. Heim am 28. März in einer großen öffentlichen Versammlungin RcgcnSburg Abrechnung mit dem Rcichstagszentrum halten.Er kündigt einen Vortrag:„Ich und die Zentrumsfraktion imReichstage" an._Die mecklenburgischen Dörchläuchtings.Die Regierungen beider Mecklenburg? sind für den 3. April zueiner gemeinsamen Sitzung nach Schwerin emberufen. Nach einerMeldung der»Magdeburger Zeiiung" wird Mecklenburg-Schwerineinen Antrag auf Einführung einer Verfassungauf Grund freier Entschließungen der Landes«Herren stellen.Nach dem bisherigen Verhalten beider Regierungen im Ver-fassungsstreit ist nicht darauf zu rechnen, daß aus der großen Staats«aktton der beiden Großherzöge irgend etwas von politisches Bedeutung herausspringt.