bcdmgimz J« eii-Zahrigek Ansässigkeit in einem best! minien Orteüberhaupt gestrichen werde in dem Gesetz.In der Debatte begründete Genosst Emmel ausführlich diesozialdemokratischen Fordcrungeir des Frauenwahlrcchts und derHerabsetzung des Wahlalters und legte eretschiedcn Verwahrung dagegen ein, daß durch die beiden Wohusitzbestimimingen noch einbesonderes Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter in das Gesetz hinein-gebracht werde. Von der Gestaltung des Wahlrechts werde dieZustimmung der Sozialdemokraten zum ganzen Gesetz abhängigsein. Eine andere Forderung, die von der Sozialdemotratie in derKommission geltend gemacht wurde, das Proportionalwahl-verfahren, sei nicht wieder eingebracht worden, da nach denbisherigen Ergebnissen der Verhandlungen ein Erfolg hierbei inkeiner Weise zu erwarten sei. Hätten doch gerade die Mitgliederder elsässischen Zentrumspartei, die früher sich für dieses Verfahrenbegeistert hatten, als die Frage zur Entscheidung stand, ihreeigenen Forderungen fallen lassen. Dieser Hinweis gab EmmelAnlaß, mit der Wankelmiitigkeit der Nationalisten überhaupt ab-zurechnen. Seine Ausführungen riefen wieder den Elsässer Haußauf die Tribüne. Er bemühte sich indes vergeblich, die Schwanlungen seiner Gruppe zu rechtfertigen.Der fortschrittliche Abgeordnete Haußmann sprach sich fürdie KommissionSfass-ung aus, wobei er indes vorsichtig die Erorterung der gegen die Arbeiter gerichteten Wohnsitzbestimmungen umging. Eindruck machte er nur mit einer Polemik gegen den kon-servatiden„Reichsboten", der aus der Tiefe seines christlichen Gcmüts zu dem Schluß gekommen war, eine Verfassung für Elsaß-Lothringen sei erst dann möglich, wenn erst wieder ein großer Kriegüber die Reichslanbe hinweggegangen sei. Haußmann schloß daraus,daß in solchen barbarischen Wünschen der Bankerott der konser-vativen Partei klar zutage trete.Man hätte erwarten sollen, daß ein Regierungsver-t r e t e r Stellung zu den sozialdemokratischen Anträgen nehmenwürde. Die Herren benutzten aber auch hier wieder die Sicherheit,die ihnen die Gegnerschaft der bürgerlichen Parteien gegen unsereWahlrechtsforderungen verbürgte, um ihrer Nichtachtung für dieSozialdemokratie durch Schweigen Ausdruck zu geben. Der Reichs-kanzler von Bethmann Hollweg hatte sich wiederum, wie amTage vorher, wenn Sozialdemokraten sprachen, aus dem Hauseentfernt.Aber auch die konservative Partei hatte offenbar ein Haar inden Debatten gefunden. Die Blamage des Herrn von Oldenburgreizte nicht zur Nacheiferung. Kein einziger Konservativer ergriffdas Wort. Dagegen nahm sich der freikonservative Herrv. O e r tz e n in nachbarlicher Freundschaft der Konservativen an,indem er zu ihrer Entschuldigung bemerkte, seines Wissens billigekein Konservativer die Ausführungen des„ReichSboten". Für dieNationalliberalen gab der Abgeordnete Beck- Heidelberg die Evklärung ab, daß sie dem Wahlgesetz zustimmen würden.Bei der Abstimmung wurden sämtliche sozialdemo-kratischen Anträge gegen unsere Partei von der Gesamtheitder bürgerlichen Parteien abgelehnt. Ueber den Paragraphen 3,der nach Beseitigung des Pluralwohlrechts in der KommissionSfassung nur noch lautete:„Jeder Wahlberechtigte hateine Stimme", fand eine namentliche Abstimmung statt. DerParagraph wurde mit 2K2 gegen 47 Stimmen(meist Konservative)angenommen. Die übrigen Bestimmungen des Gesetzes fandendann gleichfalls unverändert Annahme. Damit war die zweiteLesung erledigt. Die dritte Lesung soll am Freitag, den86. Mai, vorgenommen werden.llnIverssMe» alz Büttel des Polizeittaats.Den größten Teil der Mittwochfitzung des Abgeordnetenhausesfüllte die Besprechung der fteisinnigen Interpellation über dieGrundsätze aus, nach denen die politische Zuverlässigkeit und derBesitz der erforderlichen Subsistenzmittel bei ausländischen, ins-besondere russischen Studierenden geprüft wird. Anlaß zu derInterpellation bot der tragische Fall des russischen StudentenDemetrius Dubrowskh, der, nachdem ihm die Genehmigungzur Immatrikulation an der Berliner Universität verweigert war,seinem Leben gewaltsam ein Ende gemacht hatte. Wie erinnerlich,hatten ursprünglich die Sozialdemokraten die Absicht, die Regie-rung zu interpellieren; sie konnten aber ihren Plan nicht aus-führen, weil sie nicht über die erforderliche Anzahl von Unter-schriften verfügten. Statt dessen brachten die Fortschrittler eineInterpellation ein, die von dem Abgeordneten Dr. v. Liszt fastnoch lendenlahmer begründet wurde, als sie abgefaßt war. DerRedner der Fortschrittlichen Volkspartei gab eine Darstellung desFalles, die in mancher Hinsicht von dem, was offiziös darüberverbreitet ist, erheblich abweicht; er führte mit warmherzigenWorten das Tragische des Geschickes des jungen Studenten demHause vor Augen, aber geflissentlich vevmied er es, der RegierungBorwürfe zu machen oder gar sie zur Rechenschast zu ziehen. Aller-Vings bezeichnete er die Bestimmungen über die Aufnahnie vonausländischen Studenten als„etwas unzureichend" und forderte,wie schon bei früheren Gelegenheiten, die baldige Einbringungeines Universitätsgesetzes: aber das war auch alles; man merkte esihm deutlich an, daß er sich ängstlich hütete, irgendeiner Institutiondes Polizeistaats Preußen zu nahe zu treten.Kein Wunder, daß die Ressortminister Herr Trott»zuSolz und Herr v. Dallwitz sich ihre Antwort leicht machten.Der Kultusminister sprach etwas von der Gastfreundschaft, diePreußen den ausländischen Studierenden erweist, und setzte diePraxis auseinander, die russischen Studenten gegenüber geübt wird--- eine echte Polizeipraxis. Die Polizei muß der Universitäts-behörde mitteilen, ob in materieller oder politischer Hinsicht gegendie Immatrikulation eines Studenten Bedenken vorliegen. Nunsind die Universitäten, wie der Minister hervorhob, zwar nicht ver-pflichtet, der Auskunft des Polizeipräsidiums unbedingt Folge zuleisten. Unseres Erachtens ist das nur ein Spiel mit Worten. An-genommen, eine Universität würde einen Studenten entgegen demEinspruch der Polizei als Hörer zulassen, so würde die Polizei, umihren Zweck zu erreichen, zweifellos zur Ausweisung des Betreffenden schreiten. Für den Fall DubrowSky selbst bestritt der Ministerjeden inneren Zusammenhang zwischen dem Selbstmord und derpolizeilichen Auskunft. Noch toller trieb es sein Kollege vom Mini»sterium des Innern, der die Polizei von jeder Schuld reinzuwaschensich bemühte und zu ihrer Rechtfertigung dom Hause die unglaub-lichsten Märchen zu erzählen wagte.Aber die Herren Minister wissen, was sie dem Junkerparla-ment bieten können. Die Herren von der äußersten Rechten biszu der bürgerlichen Linken erklärten sich durch die Ausführungender RegierungSvertreter für befriedigt; sie alle sind davon durch-drungen, daß weder die Polizei, noch die Universität auch nur diegeringste Schuld trifft. Ja, der konservative Redner, Abgeordneterv. d. Osten, benutzte sogar die Gelegenheit zu einer Attacke aufdie Sozialdemokratie, und der Freikonserbative v. Kardorffvollends sprach sein Bedauern darüber aus, daß das Haus seinekostbare Zeit mit solchen Debatten vertrödelt. Für diese Sippschafthaben bekanntlich nur die Debatten Wert, die ihnen selbst Vorteileauf wirtfchaftliHem odxr�olitifcheW Kejnx.tx brinM.Doch«(cht genug damit, daß die Redner der bürgerlichen Pavteien sich nur auf kurze Erklärungen beschränkten, die den Kernder Sache gar nicht berührten, stellten sie auch an den von derSozialdemokratie als Redner ansersehenen Genossen Liebknecht dasdreiste Ansinnen, er solle sich verpflichten, nicht länger als16 Minuten zu reden, und als Liebknecht diese Zumutung zurück-wies, beantragte die Rechte, unmittelbar bevor er zu Worte kommensollte, Schluß der Debatte. Aber die Herren hatten sich verrechnet,der Schlutzantrag wurde abgelehnt, und nun nahm Liebknecht dieGelegenheit wahr, nicht nur den skandalösen Persuch der Mund-totmachung der Sozialdemokratie in gebührender Schärfe zu braud-marken, sondern auch eine flammende Anklagerede gegen dasSpstem der Abhängigkeit Preußens von Rußland zu halten, eineRede, die endlich einmal hineinleuchtet in die fortgesetzten Manöverder russischen Regierung, mit Hilfe der preußischen Polizei dieStudenten zu bespitzeln und Tausende von Existenzen alljährlichauf Grund falscher Denunziationen ins Unglück zu stürzen.„DiePolizei pfeift, und die Universität mutz tanzen." In diesen Wortendes sozialdemokratischen Redners kommt die Allmacht der Polizeizum Ausdruck, die in Wirklichkeit die Universitäten beherrscht, ohnedaß Studierende oder akademische Lehrer ein Gefühl für das Be-schämende eines solchen Zustandes haben.An die Liebknechtsche Rede, während der die Minister de-monstrativ den Saal verließen, schloß sich eine scharfe Geschäfts-ordnungSdebatte, weil die Mehrheit die Angriffe unseres Rednersgegen ihre Geschäftsführung nicht als begründet ansehen wollte.WaS natürlich nicht beweist, daß nicht Liebknecht trotzdem imRecht war.Am Freitag stehen neben der zweiten und dritten Beratungdes Ausführungsgesetzes zum Reichswertzuwachssteuergesetz Jni-tiativanträge und Petitionen auf der Tagesordnung.vom Albanischen flufftand.S kutan, 17. Mai.(Eig. Bor.)Mit dem albanischen Aufstand ist es wie mit den meistenDingen: sitzt man ganz in ihrer Nähe, so sieht man in derRegel weniger als der, der aus der Entfernung eine besserePerspektive hat. Die türkischen Offiziere schweigen sich ausoder schneiden gewaltig auf, die albanischen Führer, soweitman mit ihnen Fühlung gewinnen kann, stellen die Ereignissenatürlich ebenfalls nach ihrer sehr subjektiven Lesart dar, undso ist man gezwungen, die Nachrichten, Meldungen und Ge-rüchte, die hier durcheinanderschwirren, gehörig zu filtrieren,wenn man einigermaßen zur Klarheit gelangen will. Aufjeden Fall ist man hier imstande, die oft wahnwitzigenReportererfindungen auf ihr rechtes Maß zurückzuführen.So stand in einem italienischen Blatt recht erbaulich zu lesen,wie die aufständischen Albaner zu irgend einem Feiertag ihrerMadonna einen zweitägigen Waffenstillstand erbeten und aucherhalten hätten, wie sie dann zur Anbetung besagter Madonnanach Skutari gekommen und nachher wieder, zu neuem Kampfgestärkt, in die Berge zurückgekehrt seien. In Skutari selbsterinnerte sich der bekannte älteste Mann weder dieser nocheiner ähnlichen Begebenheit. Bon dem Berichterstatter einersehr großen deutschen Zeitung erzählt man sich sogar, er habesofort jtadh seiner Ankunft in Skutari seinem Blatt fteude-strahlend mitgeteilt, die neueingestellten christlichen Soldaten seheman zahlreich, den Rosenkranz abhaspelnd, herumlaufen, invollkommener Unkenntnis dessen, daß auch der Mohammedanerseinen Rosenkranz, seinen Tesbih, hat und ihn fast als Ersatzeines Spazierstockes ständig mit herumträgt.Tatsache ist, daß heute noch der Aufstand lokalisiert ist.Heute noch, denn ob nicht morgen schon das wilde und zerklüftete Bergland östlich von Skutari in hellen Flammen auslodern und ob nicht dann auch der Ausstand noch weiter greifenwird, in die Gegenden von Diakova und Jpek, wo er im ver-gangenen Jahre wütete, darüber sind die Meinungen hiersehr geteilt. Die Zahl der Ausständischen, die bis jetzt imFelde stehen, schätzt man auf drei-, vier-, allerhöchstens auffünftausend. Sechs bisacht Pferdestunden von Skutari schießt manich, im Gebiet der Kastrat!, tagtäglich herum. Von einer plan-mäßigen Anlage und Leitung des Aufstandes ist aber recht Wengzu verspüren. Es handelt sich auch hier um halb- oder ganz-wilde Bergbewohner, die unter dem Drucke der wirtschaftlichenNot zum Mauser gegriffen haben und die nichts von derjungtürkischen„Freiheit" wissen wollen, die sich für sie mitden beiden verhaßten Begriffen: Steuernzahlen und Soldat-werden erschöpft. Sie denken dabei nicht an einen Abfallvom osmanischen Reich, denn sie betrachten sich als die wahrenVertreter des Osmanentums, dessen Tradiftonen sie gegen diejungtürkischen Umstürzler schützen zu müssen glauben. Esheißt sogar, daß sie unter dem Ruf: PacUsdrast tgchok jascha!(Lang lebe der Sultan l) in den Kampf ziehen, womit sie aller-dings nicht den Protegö des Komitees Einheit und Forsschritt,'andern den Gefangenen der Billa Allatini meinen.Unter einheitlicher Leitung hätte es jedenfalls im Anfangdes Aufstandes gelingen müssen, Skutari mit Sturm zunehmen, wenn anders Bergbewohner vom Schlage derSchkipetaren zu einer anderen Kampfmethode, als sie derGuerillakrieg zwischen den Felsen bedingt, gebracht werdenkönnen. Die Einnahme von Skutari durch die Albaner wäreauf jeden Fall nicht nur ein strategischer, sondern mehr nochein bedeutender moralischer Erfolg gewesen und hätte mitBestimmtheit den allgemeinen albanesischen Ausstand nach'ich gezogen, den die Jungtürken heute nur fürchten.Denn anders läßt sich die merkwürdige Untättgkeit nichterklären, in der Torghut Pascha, der Oberkommandierende derOperationsarmee, verharrt. Zwar behauptet er, längst ge-nügend Truppen zur Hand zu haben— eS sind beiläufig25 000 Mann— und weiteren Nachschubs gar nicht mehrzu bedürfen. Wenn er trotzdem ruhig in seinem Konak sitztund einen ensscheidenden Schlag scheut, so, weil er eineNiederlage selbst und ihre sehr bedenklichen Folgen fürchtet.Seine Soldaten, in der Hauptsache kleinasiatische Bataillone, halten sich vorläufig durch Sengen, Brennen, Morden,Schänden und Plündern schadlos. Aufs neue läßt sich hierdurch die Schandtaten seiner versierten Soldateska TorghutPascha bestätigen, daß er den Namen eines Bluthundes nicht zuUnrecht führt. Das„zivilisierte" Europa müßte in einenSchrei des Abscheus und der Empörung ausbrechen über das,was hier von den erst so gefeierten Jungtürken verübt wirdund was so ziemlich alle Greuelszenen deS Abdul Hamid-scheu Regimes wenn nicht übertrifft, so doch sichererreicht. Aber das„zivilisierte" Europa schweigt. Zu sehrbuhlen die einzelnen Großmächte um die Gunst der hohenPforte, als daß eine es wagte, zuerst ihre Stimme zu erhebenund so der Konkurrenz einen Vorsprung in der türkischenGunst zu lassen. Aus dem gleichen Grunde deckt die gleich-älls unterrichtete große europäische Presse den Mantel christ-icher Barmherzigkeit über die zügellose Blutwirsschast derJungtürken in Albanien.Und auch nnier diesem GesichiZivinkel bckrachtei, ist deralbanische Aufstand lehrreich.Eine ruffilcke Vroknote.Aus Petersburg meldet ein offizielles Telegramm:Der russische Botschafter in Konstantinopel ist beauf-tragt worden, der türkischen Regierung nachstehende Mit-teilung zu unterbreiten: Seit Ausbruch der albanesischenUnruhen hat die türkische Regierung unaufhörlich der kaiserlichrussischen Regierung ihren unerschütterlichen Wunsch kundgegeben�daß der internationale Friede nicht gestört werde.Aus den letzten Nachrichten geht hervor, daß die Truppen besondersin der unmittelbaren Nähe der m o n t e n eg r i n i s ch e nGrenze zusammengezogen sind. Hieraus ergibt sicheine ernste Gefahr für den Frieden, weil der geringsteZwischenfall einen Grenzkonflikt hervorrufen kann, dessen Folgenzurzeit schwer vorauszusehen sein würden. Gleichzeitig hält dierussische Regierung für notwendig, hinzuzufügen, daß die militäri«scheu Maßregeln, welche von der montenegrinischen Regierung zumSchutze der montenegrinischen Grenze ergriffen worden sind, nachihrer(der russischen Regierung) Ansicht nicht als eine Drohunggegen das Nachbarland aufgefaßt werden können, und daß sie ledig,lich natürliche Matznahmen darstellen zum Zwecke der eigenen Ver-teidigung und der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem eigenenGebiete. In der Ueberzeugung, daß die Pforte diese Anschauungteilt, drückt die russische Regierung die Hoffnung aus, daß dietürkische Regierung zur Erhaltung der Ruhe und des Friedenses als möglich anerkennen wird, unverzüglich und inkategorischer Form ihre durchaus friedlichenGesinnungen gegen Montenegro zu erklären unddaß sie dadurch beitragen wird zur Beschränkung desKriegszustandes und damit zu der Möglichkeit, dieaußerordentlichen militärischen Maßnahmenrückgängig zu machen, welche bereits von Montenegroergriffen worden sind. Die kaiserlich russische Regierungihrerseits, ausschließlich besorgt um die Erhaltung des Friedens,wird nicht verfehlen, der königlich montenegrinischen Regierungandauernd Mäßigung und Ruhe anzuraten.Damit nimmt Rußland seine alte Rolle als Beschützer derchristlichen Balkanstaaten gegen die Türkei wieder auf. Die Notewendet sich in der alten brüsken und befehlenden Weise an dietürkische Regierung, ganz als ob es nie eine jungtürkische Revolu-tion gegeben hätte. Ebenso wie zu Zeiten Abdul Hamids mischt sichRußland in die inneren Angelegenheiten der Türkei. Ob sich dienationalistischen Jungtürken eine solche Sprache gefallen lassenwollen und können, ohne im eigene» Lande ihre Stellung unrett-bar zu kompromittieren, ist freilich sehr die Frage. Auf deranderen Seite ist aber Rußland kaum in der Lage, hinter seinedrohenden Worte Taten zu setzen. Und so darf man annehmen,daß nach einigen diplomatischen Gefechten das heraufziehendeBalkqnungewitter wieder vorübergehen wird.poUtifchc Qebcrficht.Berlin, den 24. Mai 1911.Konservativer Grimm.Die Tatsache, daß das gleiche Wahlrecht fürElsaß-Lothringen gegen die konservattven Wahlrechts-feinde dank der Mitwirkung der Sozialdemo»k r a t i e durchgesetzt worden ist, hat die ganze rechtsstehendePresse in nicht geringe Aufregung versetzt. Herr v. Beth-mann Hollweg wird fast schon so schlecht behandelt wieeinstmals C a p r i v i, der ja auch die Durchsetzung derHandelsverträge nur der sozialdemokratischen Hilfe-leistung zu danken hatte. So schreibt der„Reichsbote" unterdem Titel:„Die Kapitulatton der Reichsregierung":„Nun hofft die Reichsregierung einen durchgreifenden Wandelzum Besseren erzielen zu können, wenn sie die Volkskammer nachdem Muster des Reichstags zusammensetzt, auf Grundeines Wahlrechts, welches noch radikaler gestaltet ist wie dasfür den letzteren. Den Elsaß-Lothringern bewilligt man all»gemeine, geheime, direkte und gleiche Wahlen, die auch noch aneinem Sonntag abzuhalten sind I Heißt da? nicht wirklich denTeufel durch Beelzebub austreiben? Nach allen B e r«heerungen des Reich stagSwahlshstem» auf politi«schem und sittlichein Gebiet?"Und die„D. Tagesztg." meint:„Tatsächlich ist die Aufgabe der Pluralstimmen— der nachden heutige» Regierungserklärungen trotz allem die Regierungauch und doch noch zustimmt I— das Zugeständnis, dasder Sozialdemokratie die Brücke zur Mehrheitbaute und die Majorität erst sicherte; und dieweitere Tatsache, daß die Sozialdemokratie hinzugezogenwurde unter der Aegide de» Vertreters des Kanzlers,nimmt unseres Erachtens dem Herrn Reichskanzler da» Rechtzu sagen, er habe der Sozialdemokratie nur nicht verwehrenkönnen und wollen, zur Mehrheitsbildung beizutragen. Unterdiesen Umständen wird der Herr Reichskanzler es verstehen,wenn wir nochmals unser Bedauern darüber unterstreichen.daß diese Hinzuziehung der republikanischen Parteierfolgt ist bei einer Vorlage, in der es sich umeine Erweiterung und Festigung der Rechte deS deutschenKaisertums handelt. Denn ww glauben nicht, daßdie Sozialdemokratie irgend etwas tun wird, wovon sie einennationalen Gewinn oder gar eine Förderung der Monarchieerwartet. Und darum glauben wir, daß mit ihr kein ouftichtigesKompromiß auf diesem Gebiete möglich ist und daß deshalbmit ihr gar nicht erst verhandelt werden darf in Ver»fassnilgsfragen. in den großen Fragen von Kaiser und Reich!"Daß unsere Zustimmung nicht der Förderung der Man-archie gilt, sondern der Verankerung der Demo-m o k r a t i e in Elsaß-Lothringen und darüber hinaus dient.ist durchaus richtig. Auch buchen wir mit Vergnügen dasEingeständnis, daß es wesentlich das Verdien st der�Sozialdemokratie ist, wenn das gleiche Wahl»recht für diesen neuen Bundesstaat gelvonnen wird. Imübrigen aber wird sich das Junkertum schon daran gewöhnenmüssen, wenn sich die Vertreter der deutschen Arbeiterklassedie Geltung verschaffen, die dem Gewicht ihrer polittschenMacht entspricht. Und wir hoffen, daß die Junker und Scharf-macher im neuenReichstage dank dem erhöhten Einflußeiner verstärkten Fraktion noch viel unangenehmere Erfahrungeumachen werden._Die Herbstsession.Die Regierung hat dem Reichstag das Gesetz zugehen lassen.da« die Ermächtigung zur Vertagung des Reichstage» bis zum10. Oktober enthält. Gleichzeitig legt die Regierung ein Diäten»a e s e tz vor, dos für die Monate Oktober und November eine Tut«schädigunz von insgesamt 760 SR. vorsieht.Ginen Tobsuchtsanfallhat das Blatt der Panzerplatten- Patrioten, die„Rheinischs-Westfälische Zeitung", bekommen, weil eS Leute ü»Deutschland gibt, die vernünftig genug sind, i» der WaroLa?